Document #1150040
ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (Author)
7. Juli 2014
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Das Dorf Chossi-Jurt (alternative Schreibweisen: Hosijurt, Khosi-Yurt, Chosi-Jurt, Chosi Jurt) ist auch unter dem Namen Zenteroj (alternative Schreibweisen: Tsenteroi, Zenteroi, Zentoroj, Zentoroi, Tsentoroi, Zentaroj) bekannt (AI, 6. August 2008; SWR, 12. Februar 2008).
Das Schweizer Wochenmagazin Die Weltwoche veröffentlicht im September 2006 einen Artikel, in dem Folgendes erwähnt wird:
„Unser Lada donnert die hell erleuchtete Strasse entlang, bis wir einen grossen, kitschigen Bogen aus weissem dagestanischem Stein erreichen. Dies ist die Einfahrt von Zenteroi, einem Dorf in den Ausläufern des Kaukasus. Den oberen Teil des Bogens schmückt ein Fries von Achmed Kadyrow, dem ermordeten Präsidenten von Tschetschenien, darunter brennt eine ewige Flamme. Zenteroi, Heimat des Kadyrow-Clans seit über 150 Jahren, ist heute, dank Achmed Kadyrows 29-jährigem Sohn Ramsan, der kürzlich zum Ministerpräsidenten ernannt wurde, die wichtigste Ortschaft in Tschetschenien, der muslimischen Republik in Südrussland. […] Heute Abend sind wir Kadyrows Gäste in Zenteroi, seiner unangefochtenen Machtbasis.“ (Die Weltwoche, 6. September 2006)
Der Deutschlandfunk, ein Hörfunkprogramm des öffentlich-rechtlichen Deutschlandradios, erwähnt in einem Beitrag vom März 2008 Folgendes:
„‚Die Fräuleins, Madames und Messieurs aus Ramsan Kadyrows Heimatdorf Chosi Jurt geben jetzt den Ton an! Das ganze Dorf ist eine Festung, dort residieren der Präsident und seine Vertrauten. Uns Städter versetzt man mit diesem Chosi Jurt in Angst und Schrecken. Alles ist schön. Es gab keinen Krieg. Dafür gibt es jetzt die ewiggleichen Plastikfenster und -Balkone und davor die Porträts des Präsidenten und seiner Familie. Drei Männer auf dieser Erde bestimmen seit jeher die Geschichte der Menschheit: Putin, Achmad-Chadschi Kadyrow und sein Sohn Ramsan. Andere Männer hat es nie gegeben!‘“ (Deutschlandfunk, 3. März 2008)
Die deutsche Wochenzeitung Die Zeit veröffentlicht im April 2007 einen Artikel, in dem folgendes zu Zenteroj geschildert wird:
„Kadyrow ist angetreten, das Land aus dem Schlamassel zu holen. […]
Er soll ein sadistischer Folterer sein, der in seinem Heimatdorf illegale Gefängnisse einrichten ließ. Tsenteroi ist der Name dieses Dorfes, es ist befestigt, streng unzugänglich, vom Rest der Republik abgeschlossen. Wer Tsenteroi überlebt, kann Allah für den Rest seiner Tage danken.
Einer dankt Allah nicht. Ein Mann ohne Namen. Keine Namen, hat Schamil gesagt, als er die Telefonnummer herausrückte, zögernd nur. Dieser Mann lebt in Aserbajdschan, in Baku, dahin haben die Verwandten ihn gebracht, als Tsenteroi ihn wieder ausspuckte mit einem kaputten Rücken, gekrümmten Knien und einem Verstand, in dem es rumpelt und spukt. […]
Dass er Tsenteroi überlebt habe, sei ein Wunder, aber kein Glück, sagt er. An vielen Tagen verflucht er sein Überleben. Der Tod wäre gnädiger als die Heimsuchungen der Erinnerung. Fünf Monate in einem Kellergefängnis, in dem er nicht aufrecht stehen konnte. Verhöre mit Elektroschocks, auf den Bauch habe er sich legen müssen, und sie hätten auf seine Wirbelsäule eingeprügelt, auf die Nieren. Dann auf den Rücken mit dem Mann. Nun hätten sie auf seine Geschlechtsteile geprügelt. Dann ihn mit den Flammen von Bunsenbrennern traktiert, bis sein Fleisch gestunken habe. ‚Sie haben mich gezwungen, meine Exkremente zu essen.‘
Sie? ‚Ramsan Kadyrow und seine Leute.‘ Einmal im Monat sei der Präsident vorbeigekommen. Meist habe er bei den Folterungen zugesehen, manchmal aber auch selbst zum Bunsenbrenner gegriffen. ‚Er hat viel gelacht. Es machte ihm Spaß, zu sehen, wie andere sich in Schmerzen wanden, wie sie flehten und in Ohnmacht fielen.‘ Und manchmal habe er gesprochen. ‚Hier in Tsenteroi bin ich der alleinige Herr‘, habe Kadyrow gesagt.“ (Die Zeit, 27. April 2007)
In einem Artikel der britischen Tageszeitung Guardian vom August 2010 wird Alexej Malaschenko, ein Kaukasus-Experte am Moskauer Carnegie Centre zitiert. Dieser gibt an, dass Zenteroj wie eine Festung sei. Es gebe dort viele Militärangehörige und Panzer. Der Überfall auf das Dorf könne seiner Meinung nach aus Rache erfolgt sein. Ramsan Kadyrow, der vieler Menschenrechtsverletzungen beschuldigt werde, habe sein eigenes Gefängnis in Zenteroj, in dem Insassen, darunter auch gefangengenommene Rebellen, nach Angaben von Überlebenden oft gefoltert würden:
„’This is a very painful strike not only against Ramzan [Kadyrov] but against Moscow,’ Alexei Malashenko, an expert on the north Caucasus at Moscow's Carnegie Centre, said. ‘Tsentoroi is like a fortress with a lot of tanks and military men. I’ve been there several times.’ […]
The village may also have been chosen out of revenge, Malashenko said. Kadyrov – who has been accused of involvement in the murder of the journalist Anna Politkovskaya, a claim he denies, as well as numerous human rights abuses – has his own private prison in Tsentoroi, where inmates including captured rebels are often tortured, survivors have testified.“ (Guardian, 29. August 2010)
Die österreichische Tageszeitung Wiener Zeitung veröffentlicht im August 2010 einen Artikel, der folgende Informationen enthält:
„Es war ein Angriff auf das Machtzentrum von Ramsan Kadyrow. Mehreren Dutzend tschetschenischen Rebellen gelang es, das Heimatdorf Zenteroi zu stürmen, wo der Präsident der russischen Teilrepublik seine Privatresidenz hat.
Nur 150 Meter von seinem Anwesen entfernt kam es zu heftigen Gefechten zwischen den Aufständischen und Mitgliedern von Kadyrows gefürchteter Leibgarde. […] Einschusslöcher und Brandspuren an zahlreichen Häusern von Kadyrows Privatgarde zeugten von den blutigen Scharmützeln, Augenzeugen berichteten von Leichenteilen, die herumlagen. […]
Für Kadyrow ist der Rebellenangriff auf Zenteroi, den bestgesicherten Ort in ganz Tschetschenien, ein gigantischer Imageverlust - straft er doch seine Aussagen Strafe, die Mujahedin seien nahezu besiegt.“ (Wiener Zeitung, 30. August 2010)
Der vom US-amerikanischen Kongress finanzierte Rundfunkveranstalter Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) veröffentlicht im August 2010 ein Interview mit Andrej Babizkij, Journalist und Kaukasus–Korrespondent von RFE/RL, zum Überfall der Rebellen auf das Heimatdorf vom Ramsan Kadyrow. Bei dem Überfall der Rebellen in der Nacht auf den 29. August 2010 seien nach offiziellen Angaben fünf Polizisten getötet worden. Auf die Frage, warum das Heimatdorf vom Ramsan Kadyrow genau zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal nach sechs Jahren angegriffen worden sei, antwortet Babizkij, dass es seiner Ansicht nach kein besonderes Datum gewesen sein. Mit dem Angriff habe die Handlungsfähigkeit des Untergrunds demonstriert werden sollen, was auch gut gelungen sei. Lange Jahre habe in Tschetschenien die Meinung vorgeherrscht, dass Zenteroj eine uneinnehmbare Festung sei. Der Befestigung nach zu urteilen sei Zenteroj vielleicht mit Chankala (eine Militärsiedlung und Sperrgebiet in Tschetschenien, Anm. ACCORD) zu vergleichen. In Zenteroj sei bekanntermaßen das Stabsquartier der Vereinigten Gruppierung der Streitkräfte im Nordkaukasus angesiedelt:
„В ночь на 29 августа в результате нападения вооруженной группы на родовое село президента Чечни Рамзана Кадырова Центорой были убиты, по официальным данным, пятеро милиционеров. […]
– СМИ сообщают, что родовое село Ахмада Кадырова было атаковано впервые за последние шесть лет. Почему именно сейчас?
– Не думаю, что это событие приурочено к каким-то памятным датам. Скорее, предполагаю, что эта акция, по замыслу ее организаторов, должна продемонстрировать дееспособность подполья. И с этой задачей атака на село вполне справилась, потому что в течение долгих лет в Чечне господствовало такое мнение: Центорой – это неприступная крепость, которая по степени укрепленности может конкурировать разве что с Ханкалой. Там, как известно, располагается штаб Объединенной группировки российских войск на Северном Кавказе. И вот в эту неприступную крепость фактически вступили боевики, тем самым показав, что они свободно себя чувствуют на всей территории республики.“ (RFE/RL, 30. August 2010)
In dem im Oktober 2010 veröffentlichten Buch „Tschetschenien, Jahr III“, einer Reportage von Jonathan Littell, einem französischen Schriftsteller, der im Frühjahr 2009 Tschetschenien bereist hat, finden sich folgende Informationen zu Zenteroj:
„‚Korruption hat es immer gegeben, aber nicht in solchen Ausmaßen‘, versichert der Menschenrechtler Mussa. Für gewöhnliche Leute kann das die Hölle sein. ‚Alles ist verkommen, verkommen, verkommen‘, klagt ‚Issa’, ein tschetschenischer Freund. Wir sitzen in der Küche seines Hauses und trinken Bier, das er illegal in einem kleinen Laden besorgt hat: Im Namen des neuen islamischen Moralismus erlaubt Ramsan den Alkoholverkauf nur morgens von 8 bis 10 Uhr. ‚Die schlimmste Tragödie ist, dass die jungen Leute nichts anderes kennen. Sie gehen zur Schule, ihre Eltern zahlen. Sie gehen auf die Uni, ihre Eltern zahlen. Sie machen Examina, ihre Eltern zahlen. Sie wollen einen Arbeitsplatz, ihre Eltern zahlen. All das sehen sie. Sie kennen nichts anderes, für sie ist es das Leben, so und nicht anders. Aber hier war es nie so, das sagen alle. Wir leben wie Asiaten‘, schließt er bitter. 1100 Dollar muss man heute in Grosny zahlen, um eine Marschrutka fahren zu dürfen, eines der Sammeltaxis, die Ramsan vollkommen unter seine Kontrolle genommen hat; 1300 bis 2000 Dollar für eine Stellung als Krankenschwester; 3000 Dollar, um Feuerwehrmann zu werden. Die Summen entsprechen drei bis vier Monatsgehältern. Wenn man die Stellung behält, geht das noch; doch, so erläutert Issa, ‚die Ministerien erhalten regelmäßig von oben den Befehl: Stellt fünfzehn Leute ein! Also müssen fünfzehn andere, die schon für ihren Arbeitsplatz gezahlt haben, gefeuert werden, damit die Neuen ebenfalls bezahlen. Oder es sind Leute aus Zentoroi, für die muss es überall einen Arbeitsplatz geben.‘ denn Ramsans Herrschaft hat ausgesprochen tribalistische Züge, wie mir eine andere tschetschenische Freundin, nennen wir sie Aischate, erklärt: ‚Du muss nur sagen: ‚Ich bin aus Chossi-Jurt [der historische Name von Zentoroi]‘, i wsjo, das ist alles.‘ Wacha, den ich schon einmal zitiert habe, ist genauer: ‚Hier ist Ramsan der Chosjain. Und wenn du zu seiner Komanda gehörst, einer der Seinen bist, ist alles in Ordnung. Doch sind sie alle Benos. Wenn du nicht Beno bist, musst du bereits sein, Vater und Mutter zu töten, damit sie dich nehmen.‘“ (Littell, 9. Oktober 2010)
Die deutsche Tageszeitung taz veröffentlicht im November 2010 ein Interview mit Ramsan Kadyrow, das folgende Informationen enthält:
„Aber in den letzten Monaten häufen sich die Terroranschläge wieder. Auch Ihr Heimatdorf Zentoroi und das Parlament in Grosny wurden angegriffen.
Wer behauptet, dass der Terror zugenommen hätte?
Der stellvertretende russische Generalstaatsanwalt zum Beispiel, der im Oktober von 254 Anschlägen seit Jahresbeginn berichtet hat.
Es gab dieses Jahr keinen einzigen Terrorakt. Für mich sind es Satane, Feinde des Volkes, die versuchen, ihr Unwesen zu treiben. Mein Heimatdorf Zentoroi ist ein sehr sicherer Ort. Wer reingeht, kommt nicht mehr raus. Die 12 Todeskandidaten haben wir auf der Stelle vernichtet. Wir erledigen sie in wenigen Minuten, egal wo sie auftauchen. So war es auch beim Überfall auf das Parlament. Ein paar Dutzend sind übrig, die werden wir auch ausschalten. Das können wir gut. […]
Wie konnten die Terroristen nach Zentoroi gelangen?
Jeder, der will, kann dorthin. Zentoroi ist frei zugänglich, ohne verschärfte Sicherheitsvorkehrungen.“ (taz, 22. November 2010)
Caucasian Knot, ein von der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial im Jahr 2001 gegründetes Massenmedium im Internet, das über menschenrechtliche Themen im Kaukasus informiert, erwähnt in einem Artikel vom Jänner 2011, dass etwa vierzig Frauen, die aus ihren Wohnungen vertrieben worden seien, nach Chossi-Jurt gegangen seien, um mit Ramsan Kadyrow persönlich zu sprechen. Die Frauen seien nicht ins Dorf gelassen worden. Die Sicherheitskräfte hätten nach Angaben der Frauen sehr harsch mit ihnen gesprochen. Der Anführer der Wachen von Ramsan Kadyrow habe den Frauen verboten, wieder nach Chossi-Jurt zu kommen:
„On January 14 in the evening about forty women-residents who are evicted from their flats decided to go to Khosi-Yurt (Tsentoroi), the family village of the head of the Chechen Republic Ramzan Kadyrov, aiming to meet him personally and talk to him. The women were not admitted into the village. According to the members of the delegation, securities talked to them very rudely, despite the fact that there were elderly women among them. Abuyazit Vismuradov, head of the guards of the Chechen leader, forbade the women, in offensive form, to appear again in Tsentoroi. Then the women went to the government of the Republic, where they met Magomed Daudov, deputy chairman of the Chechen government for the power block, who also refused to deal with their problems and, according to the women, also spoke rudely.“ (Caucasian Knot, 24. Jänner 2011)
Im August 2012 berichtet die russische Nachrichtenagentur Rosbalt, dass Ramsan Kadyrow, das Oberhaupt der Republik Tschetschenien, angeordnet habe, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die beiden Bandenführer ausfindig zu machen, festzunehmen und zu neutralisieren, die 2010 den Überfall auf das Dorf Zenteroj organisiert hätten. Bei dem Überfall am 29. August 2010 habe Ramsan Kadyrow selbst das Kommando beim Einsatz zur Verteidigung des Dorfes geführt. Alle der Angreifer seien damals getötet worden. Direkt nach der Operation zur Neutralisierung der Angreifer habe Kadyrow die Anweisung erteilt, alle Bandenführer zu vernichten, die eine Verbindung zu dem Überfall gehabt hätten.
Kadyrow habe nun die Namen der bereits getöteten Rebellen, die wegen des Überfalls verdächtigt worden seien, öffentlich gemacht. Die beiden sich noch auf freiem Fuß befindlichen Rebellen müssten nach Anweisung von Kadyrow gefunden werden, wo auch immer sie sich aufhielten. Ramsan Kadyrow habe befohlen, erfahrene Untersuchungsbeamte hinzuzuziehen und sich der Angelegenheit ununterbrochen zu widmen:
„Глава Чеченской Республики Рамзан Кадыров поставил задачу принять все необходимые меры для установления места нахождения, задержания или нейтрализации двоих бандглаварей, организовавших в 2010 году нападение на село Центарой.
Он раскрыл имена уже убитых боевиков, которых подозревали в нападении: ‚Один из главных организаторов этого преступления Заурбек Авдорханов уничтожен. Ликвидированы также Ибрагим Авдорханов и Аюб Халадов, причастные к организации данного теракта. На свободе остаются Рахман и Махрам. Они должны быть привлечены к предусмотренной законом ответственности‘.
‚Их нужно найти, где бы они ни скрывались. Подключите опытных оперативников. Занимайтесь постоянно‘, — заявил Кадыров, слова которого приводит пресс-служба МВД ЧР. […]
Напомним, что 29 августа 2010 года группа боевиков предприняла попытку атаковать родовое село Кадыровых — Центарой. Операцией по защите села руководил сам Рамзан Кадыров. Все нападавшие 12 боевиков были убиты, однако погибли также и шесть сотрудников полиции. Сразу же после завершения операции по нейтрализации нападавших боевиков Кадыров поставил задачу найти и уничтожить всех главарей, имеющих отношение к нападению.“ (Rosbalt, 2. August 2012)
In dem 2013 erschienenen Buch „Der vergessene Völkermord: Sotschi und die Tragödie der Tscherkessen“ von Manfred Quiring, der unter anderem bis 2012 für Die Welt als Journalist tätig und mehrere Jahre Korrespondent in Russland war, finden sich folgende Informationen:
„Vor diesem Hintergrund erscheint vielen Dagestanern das benachbarte Tschetschenien als Hort des Friedens und der Ruhe. Dieser Anschein wird mit einem großen Aufwand an Sicherheitskräften aufrechterhalten. Unser Fahrer muss viele russische Panzer- und Lkw-Kolonnen passieren lassen. Das Dorf Zentoroi unweit von Gudermes, Sitz des Kadyrow-Clans, wurde zu einer regelrechten Festung ausgebaut. Man komme vielleicht hinein, prahlte der 34-jährige Ramsan Kadyrow, der den Präsidententitel gegen den eines Oberhaupts Tschetscheniens getauscht hat. ‚Aber raus kommt keiner‘, spreizte er sich bei unserem Gespräch in seiner Residenz. Er spielte damit auf einen Angriff islamischer Rebellen an, bei dem alle zwölf Angreifer getötet worden waren.
Tatsächlich ist Zentoroi abgeschirmt wie ein Hochsicherheitstrakt. An den Zufahrtsstraßen stehen schwer bewaffnete Posten. Sie lassen nur diejenigen hinein, die auch dort wohnen. Eine Bekannte, die in Zentoroi zu Hause ist und zu der Kadyrow-Sippe der Benoi gehört, lotst uns durch die Sperre. ‚Das sind meine Gäste‘, versichert sie dem misstrauischen Posten und spricht damit die immer noch gültige kaukasische Zauberformel aus. Gäste sind unantastbar.
Keine Fotos, schnell einen Blick auf das Kadyrow-Familienanwesen mit seiner eigenen Moschee im Dorfzentrum, das von einer hohen Mauer umsäumt ist. Schwarz gekleidete Wachmannschaften sichern die Trutzburg des Tschetschenenanführers. Und dann zügig über eine andere Ausfahrt wieder raus aus Zentoroi, um keinen Verdacht zu erwecken und die Begleiterin nicht in Schwierigkeiten zu bringen.
Ramsans Ruf als Sieger über den Terrorismus in Tschetschenien ist seit dem Rebellen-Angriff im August auf Zentoroi und den Überfall auf das tschetschenische Parlament in Grosny im Oktober 2010 beschädigt. Seine Leute sind nervös und wollen natürlich Wiederholungen vermeiden. Gleichzeitig sucht er selbst die Öffentlichkeit, um das Bild eines heilen Tschetscheniens zu verbreiten, das es so auch vor den Terror-Angriffen nicht gab.“ (Quiring, 2013, S. 183-184)
Der Russische Dienst von BBC veröffentlicht in der Rubrik „Der Nordkaukasus mit den Augen von Bloggern“, die gemeinsam mit Caucasian Knot betrieben wird, den Beitrag einer Person, die unter dem Pseudonym Murad Magomadow schreibt, zum Prozess gegen den tschetschenischen Menschenrechtler Ruslan Kutajew. Nach Ansicht des Bloggers sei es in Tschetschenien unter anderem ein Tabu, irgendwelche Schritte von Kadyrow oder seiner Umgebung in Zweifel zu ziehen oder die Vorherrschaft der „Chossi-Jurter“ in allen Bereichen zu kritisieren:
„А вот критиковать действующие в Чечне власти, подвергать сомнению какие-либо шаги Самого или его окружения, говорить о подмене понятий, о всеобъемлющем беспределе, кумовстве, засилье хоси-юртовцев во всех сферах, коррупции и взяточничестве - это в Чечне табу.“ (BBC, 27. Mai 2014)
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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 7. Juli 2014)
· AI - Amnesty International: Urgent Action 218/08 [EUR 46/025/2008; UA-218/2008], 6. August 2008
· BBC: За что в Чечне судят правозащитника Руслана Кутаева? [Weswegen steht der Menschenrechtler Ruslan Kutajew vor Gericht?], 27. Mai 2014
http://www.bbc.co.uk/russian/blogs/2014/05/140526_blog_caucasus_chechnya_trial.shtml
· Caucasian Knot: ”Memorial”: Chechen authorities evict refugees from hostels and put resettlers from the new buildings in Argun instead there, 24. Jänner 2011
http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/15918/
· Deutschlandfunk: Die übertünchte Vergangenheit, 3. März 2008
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/748364/
· Die Weltwoche: Der Löwe ist los, 6. September 2006
http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2006-36/artikel-2006-36-der-loewe-ist-lo.html
· Die Zeit: Frühling in Grosnyj, 27. April 2007
http://www.zeit.de/2007/18/Tschetschenien/komplettansicht
· Guardian: Islamist rebels launch deadly attack on Chechen president’s village, 29. August 2010
http://www.theguardian.com/world/2010/aug/29/chechnya-president-islamist-attack
· Littell, Jonathan: Tschetschenien, Jahr III, 9. Oktober 2010 (Auszüge auf Google Books verfügbar)
· Quiring, Manfred: Der vergessene Völkermord: Sotschi und die Tragödie der Tscherkessen, 2013 (Auszüge auf Google Books verfügbar)
· RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty - Обозреватель РС Андрей Бабицкий – о нападении боевиков на родовое село Рамзана Кадырова [Korrespondent Andrej Babizkij von RFE/RL zum Überfall der Rebellen auf das Heimatdorf von Ramsan Kadyrow], 30. August 2010
http://www.svoboda.org/content/article/2143524.html
· Rosbalt: Кадыров приказал "добить" двух оставшихся организаторов нападения на его родовое село [Kadyrow hat angeordnet, den beiden übriggebliebenen Organisatoren des Überfalls auf sein Heimatdorf „den Todesstoß zu versetzen“], 2. August 2012
http://www.rosbalt.ru/federal/2012/08/02/1017883.html
· SWR - Südwestrundfunk: Krieg ohne Spuren? Ramsan Kadyrows „Neues Tschetschenien“, 12. Februar 2008
· taz: „Wir erledigen sie in wenigen Minuten“, 22. November 2010
· Wiener Zeitung: Schlag gegen Zentrum der Macht, 30. August 2010
http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/38574_Schlag-gegen-Zentrum-der-Macht.html