Amnesty International Report 2010 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte

Amtliche Bezeichnung: Arabische Republik Ägypten
Staatsoberhaupt: Muhammad Hosni Mubarak
Regierungschef: Ahmed Nazif
Todesstrafe: nicht abgeschafft
Einwohner: 83 Mio.
Lebenserwartung: 69,9 Jahre
Kindersterblichkeit (m/w): 42/39 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 66,4%

Die Regierung nahm die immer noch geltende Notstandsgesetzgebung zum Anlass, friedliche Kritiker und Oppositionelle festzunehmen und Personen, die angeblich die Sicherheit gefährdet hatten oder unter Terrorismusverdacht standen, zu inhaftieren. Viele von ihnen wurden in Verwaltungshaft genommen oder erhielten nach unfairen Gerichtsverfahren vor Militärgerichten Haftstrafen. Folter und andere Misshandlungen blieben in Polizeistationen, Haftzentren der Sicherheitspolizei und Gefängnissen weiterhin an der Tagesordnung. Die meisten der für diese Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen gingen straflos aus. Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit blieben stark eingeschränkt. Journalisten und Blogger wurden strafrechtlich verfolgt oder inhaftiert. Hunderte von Familien, die in Kairos "unsicheren Stadtvierteln" wohnten, mussten ihre Häuser zwangsweise verlassen. Viele wurden obdachlos, andere ohne sicheres Wohnrecht umgesiedelt. Vermeintlich homosexuelle Männer sahen sich strafrechtlicher Verfolgung mit Berufung auf ein "Gesetz gegen Ausschweifungen" ausgesetzt. Mindestens 19 Menschen wurden bei dem Versuch, die Grenze zu Israel zu überschreiten, von Grenzposten erschossen. Berichten zufolge hatten sie keine Bedrohung dargestellt. Mindestens 269 Menschen erhielten die Todesstrafe, mindestens fünf Verurteilte wurden hingerichtet.

Hintergrund

In Ägypten galt weiterhin die Notstandsgesetzgebung, die seit 1981 ununterbrochen in Kraft ist; erst im Mai 2008 war der Notstand verlängert worden. Im April ließ die Regierung verlautbaren, der Entwurf des lange erwarteten Antiterrorgesetzes sei bis auf einen Absatz ausformuliert. Von dem Gesetz hatte man sich ursprünglich die Aufhebung des Notstands versprochen. Es war jedoch zu befürchten, dass dieses Gesetz die Behörden dauerhaft mit den Notstandsvollmachten ausstatten würde, die bereits in der Vergangenheit Menschenrechtsverletzungen Vorschub geleistet hatten. Bis Ende 2009 lag der Gesetzentwurf noch nicht vor.

Im Januar kam es zu Demonstrationen gegen die israelische Militäroffensive im Gazastreifen und die Reaktionen der ägyptischen Regierung darauf. Die Grenze zum Gazastreifen blieb den größten Teil des Jahres geschlossen, auch während der Offensive. Somit war es vielen Palästinensern nicht möglich, in Ägypten Zuflucht zu suchen. Die Behörden ließen nur Kranke und Verwundete sowie Hilfsgüterlieferungen passieren. Im Dezember kündigten die Behörden den Bau eines Stahlzauns entlang der Grenze zu Gaza an. Damit sollte der Schmuggel unterbunden werden. Rund 1000 Menschen aus 43 Ländern, die sich in Kairo versammelt hatten, bekamen keine Erlaubnis, aus Anlass des ersten Jahrestages der israelischen Militäroffensive in einem friedlichen Marsch humanitäre Hilfe nach Gaza zu bringen. Viele der Demonstranten wurden von der Polizei tätlich angegriffen.

Im Februar kam eine Frau bei einem Bombenanschlag in Kairo ums Leben; 25 Personen wurden verletzt, die meisten von ihnen ausländische Touristen. Im Mai schrieben die Behörden den Anschlag einer Al-Qaida und der Palästinensischen Islamischen Armee (Palestinian Islamic Army - PIA) nahestehenden Gruppierung zu.

Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Ayman Nour wurde im Februar aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen. Im November hinderten ihn die Behörden an der Ausreise in die USA.

Bei vereinzelten Zusammenstößen zwischen koptischen Christen und Muslimen kamen mehrere Menschen ums Leben oder wurden verletzt. Im März wurden die Häuser von Baha'i in al-Shuraniyya, einem Dorf im Gouvernement Sohag, niedergebrannt. Berichten zufolge hatten einige Medien zu Hass und Gewalt gegen die Baha'i aufgerufen.
Im April verabschiedete das Parlament das Gesetz zur Pflege von psychisch kranken Personen, um deren Rechte abzusichern.

Im Juni wurde die Anzahl der Parlamentssitze im Unterhaus von 454 auf 518 erhöht. 64 davon wurden für Frauen reserviert, um eine größere Beteiligung der Frauen im öffentlichen Leben zu fördern.

Einige der 2009 vorgelegten Gesetzentwürfe enthielten weitere Restriktionen für NGOs, andere sahen für die Diffamierung monotheistischer Religionen und ihrer Propheten Gefängnisstrafen und Geldbußen vor. Im November verlangten NGOs, dass ein Gesetzesentwurf von 2007, der Vergewaltigungsopfern eine Abtreibung ermöglichen soll, endlich vom Parlament beraten werden müsse.

Steigende Lebensmittelpreise und Armut führten zu einer Welle von Arbeitnehmerstreiks im privaten und öffentlichen Sektor.

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

Nach einem Bombenanschlag in Kairo im Februar wurden zahlreiche Personen festgenommen. Im Mai bestätigten die Behörden die Inhaftierung von sieben Verdächtigen, darunter eine französische Staatsbürgerin albanischer Herkunft. Den Häftlingen wurde zur Last gelegt, ausländische Studenten und andere Personen für Terroranschläge in Ägypten und im Ausland rekrutiert zu haben. Mindestens 41 Bürger ausländischer Staaten wurden inhaftiert und anschließend in ihre Heimatländer ausgewiesen. Unter den Ausgewiesenen befanden sich russische und französische Staatsbürger, die in Ägypten wohnhaft waren und angaben, Arabisch und Islamwissenschaften zu studieren. Einige von ihnen waren dem Vernehmen nach während der Haft gefoltert und anderweitig misshandelt worden. Sie hatten keine Möglichkeit erhalten, die Rechtmäßigkeit ihrer Ausweisung gerichtlich prüfen zu lassen. Mehreren der Ausgewiesenen könnten nach ihrer zwangsweisen Rückführung in ihre Heimatländer Menschenrechtsverletzungen drohen.

Der UN-Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Bekämpfung des Terrorismus stattete Ägypten im April einen sechstägigen Besuch ab. Sein im Oktober erschienener Bericht kritisierte die Antiterrorpolitik der Regierung sowie die unangemessene Einschränkung der Menschenrechte. Er forderte die Regierung mit Nachdruck auf, den Notstand aufzuheben, der eher den "Normalzustand" als eine Ausnahmeregelung darstelle.

  • Der französische Staatsbürger Romuald Durand wurde nach seiner Verhaftung auf dem Internationalen Flughafen von Kairo im April für zwei Monate ein Opfer des "Verschwindenlassens". Er war dem Staatssicherheitsdienst (State Security Investigations - SSI) übergeben worden, der ihn zunächst in Nasr City in Kairo festhielt. Dort verbrachte er dem Vernehmen nach die ersten zehn Tage seiner Haft mit einer Augenbinde und in Handschellen. Man zog ihn nackt aus und folterte ihn mit Elektroschocks. Dabei waren seine Arme und Beine zusammengebunden und überdehnt. Außerdem wurde ihm mit Vergewaltigung gedroht. Im Juni 2009 ließen ihn die Behörden ohne Anklage wieder frei und wiesen ihn nach Frankreich aus.
  • Im August 2009 begann für 22 Angeklagte und weitere vier Personen in Abwesenheit der Prozess vor dem Obersten (Notstands-)Staatssicherheitsgericht in Kairo. Unter den Angeklagten befanden sich fünf Palästinenser, zwei Libanesen und ein sudanesischer Staatsbürger. Den 26 Personen wurde eine Reihe von Vergehen zur Last gelegt. Man beschuldigte sie, Terroranschläge auf Touristenziele geplant zu haben, im Besitz von Sprengstoff gewesen zu sein und Informationen an die Hisbollah im Libanon weitergegeben zu haben. Einige der Personen wurden angeklagt, am Bau von Tunneln unter der Grenze beteiligt gewesen zu sein, die zum Schmuggeln von Personen und Gütern aus Ägypten in den Gazastreifen dienten. Außerdem legte man ihnen zur Last, Kämpfern beim Grenzübertritt durch die Tunnel geholfen zu haben. Alle Angeklagten stritten die Terrorvorwürfe ab. Einige von ihnen berichteten dem Gericht, sie seien nach ihrer Verhaftung Ende 2008 und Anfang 2009 vom SSI ohne Kontakt zur Außenwelt gefangen gehalten und mit Elektroschocks gefoltert worden. Im Oktober legten die Verteidiger ihre Mandate wegen Befangenheit der Richter gegenüber ihren Mandanten nieder. Der Prozess dauerte Ende 2009 noch an.

Verwaltungshaft

Unter Rückgriff auf Bestimmungen der Notstandsgesetzgebung inhaftierten die Behörden nicht nur Menschen, die unter dem Verdacht des Terrorismus oder der Bedrohung der inneren Sicherheit standen, sondern auch friedliche Kritiker der Regierung. Einige von ihnen wurden trotz gerichtlicher Anordnung zur Haftentlassung weiterhin gefangen gehalten. In derartigen Fällen erließ das Innenministerium neue Haftbefehle als Ersatz für die von den Gerichten für ungültig erklärten und untergrub damit den Stellenwert gerichtlicher Kontrolle und Aufsicht.

  • Der koptische Christ und Blogger Hani Nazeer aus Qina befand sich während des gesamten Berichtsjahrs aufgrund einer Reihe von Verwaltungshaftbefehlen des Innenministers in Gewahrsam. Er war im Oktober 2008 festgenommen worden, nachdem er sich der Polizei in Nagaa Hammadi gestellt hatte. Diese hatte zuvor seine Brüder verhaftet und ihm mit der Festnahme seiner Schwestern gedroht, falls er sich nicht stelle. Die Vorgänge waren durch Bewohner von Qina ausgelöst worden; sie hatten Nadhir beschuldigt, in seinem Blog ein Buch vorgestellt zu haben, das Muslime beleidige. Trotz vier gerichtlicher Anordnungen auf Entlassung blieb Nadhir im Borg-al-Arab-Gefängnis in der Nähe von Alexandria inhaftiert. Berichten zufolge wurde er im Gefängnis von Sicherheitsbeamten unter Druck gesetzt, zum Islam zu konvertieren.

Unfaire Gerichtsverfahren

Vor Militär- und Sondergerichten fanden nach wie vor grob unfaire Prozesse gegen Zivilisten statt, welche nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprachen. Mindestens drei Zivilpersonen wurden in solchen Verfahren zu Haftstrafen von bis zu zwei Jahren verurteilt.

  • Im Februar 2009 wurden gegen Ahmed Doma, ein führendes Mitglied der Jugendorganisation Volksbewegung zur Befreiung Ägyptens (Popular Movement to Free Egypt), und Ahmad Kamal Abdel Aal einjährige Haftstrafen sowie Geldstrafen verhängt. Doma wurde zur Last gelegt, während der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen die ägyptische Grenze überschritten zu haben. Abdel Aal beschuldigte man, den Grenzübertritt geplant zu haben. Der Generalsekretär der Arbeiterpartei, Magdy Hussein, wurde aufgrund derselben Anklage zu zwei Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt. Im August bestätigte das Oberste Militärische Berufungsgericht das Urteil.
  • Das Oberste Militärische Berufungsgericht wies die Berufung von 18 Anhängern der Muslimbruderschaft zurück. Die Angeklagten waren im April 2008 zu Freiheitsstrafen von bis zu sieben Jahren verurteilt worden. Ihr Verfahren vor dem Obersten Militärgerichtshof in Haikstip nördlich von Kairo entsprach nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Im Juli ordnete der Verwaltungsgerichtshof die Freilassung von 13 der Angeklagten an, welche bereits drei Viertel ihrer Strafen abgesessen hatten. Alle befanden sich jedoch Ende 2009 noch in Haft.

Folterungen und Misshandlungen

Folterungen und andere Misshandlungen kamen in den Polizeiwachen, Gefängnissen und Haftzentren des SSI systematisch zur Anwendung. Die meisten der Verantwortlichen gingen straffrei aus. Die Polizei drohte den Opfern mit erneuten Verhaftungen, falls sie Beschwerde einlegen würden. Dennoch wurden einige mutmaßliche Folterer 2009 vor Gericht gestellt.

  • Im November 2009 verurteilte ein Gericht in Alexandria einen Polizeibeamten zu fünf Jahren Haft. Der Beamte hatte im Juli 2008 Rajai Sultan gefoltert und so schwer geschlagen, dass er eine Hirnblutung erlitt und operiert werden musste.
  • Mona Said Thabet und ihr Mann Yasser Naguib Mahran wurden von der Polizei schikaniert und eingeschüchtert, nachdem Mona Said Thabet Klage beim Innenministerium eingereicht hatte. Sie gab an, ihr Mann sei vor seiner Entlassung im September 2008 von der Polizei in Shobra al-Khayma gefoltert worden, weil er sich geweigert hatte, als Informant zu arbeiten. Mona Said Thabet berichtete, Polizisten hätten sie geohrfeigt und geschlagen, eine Zigarette auf ihrem Gesicht ausgedrückt und ihr zwangsweise den Kopf kahlgeschoren. Ferner hätten sie ihr mit Vergewaltigung gedroht, sofern sie die Beschwerde nicht zurückziehen würde. Sie legte jedoch erneut Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft in Shobra al-Khayma ein, die eine Untersuchung einleitete. Dies führte zu neuen Drohungen der Ortspolizei gegen Mona Said Thabet und ihre Familie. Sie beschwerte sich im Februar 2009 erneut bei der Staatsanwaltschaft, über strafrechtliche Maßnahmen wurde jedoch nichts bekannt. Im Mai demonstrierten in Kairo Familien aus Shobra al-Khayma gegen Übergriffe durch den Chef des SSI in einer Polizeistation und forderten das Innenministerium auf einzuschreiten.

Tod im Gewahrsam

Mindestens vier Menschen starben im Gewahrsam, offenbar infolge von Folterungen und anderen Misshandlungen.

  • Youssef Abu Zouhri, der Bruder eines Sprechers der palästinensischen Hamas, starb im Oktober 2009. Er war dem Vernehmen nach im Borg-al-Arab-Gefängnis in der Nähe von Alexandria gefoltert und misshandelt worden, nachdem ihn die Behörden im April festgenommen hatten, weil er die Grenze von Gaza nach Ägypten überschritten hatte. Die Behörden ließen verlautbaren, er sei eines natürlichen Todes gestorben, gaben aber keine weiteren Einzelheiten bekannt.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Behörden schränkten auch 2009 das Recht auf Meinungsfreiheit und die Arbeit der Medien ein. Regierungskritische Journalisten und Blogger wurden schikaniert, mit Verhaftung bedroht und wegen Verleumdung strafrechtlich verfolgt. Bücher und ausländische Zeitungen unterlagen der Zensur, wenn sie über Themen berichteten, die als Tabus galten oder angeblich die nationale Sicherheit gefährdeten.

  • Der Blogger Karim Amer befand sich seit November 2006 in Haft. Obwohl die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen im November festgestellt hatte, dass Amer willkürlich inhaftiert worden war, und seine Freilassung forderte, blieb er weiterhin im Gewahrsam. Die Arbeitsgruppe kritisierte die Inhaftierung von Journalisten und Bloggern wegen Verleumdung oder Beleidigung von staatlichen Behörden als unverhältnismäßig und bezeichnete diese Praxis als Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung.
    Rechte auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Die Behörden behinderten weiterhin die Arbeit von politischen Parteien, NGOs, Berufsverbänden und Gewerkschaften mithilfe von gesetzlichen Beschränkungen und anderen Kontrollmaßnahmen. Anhänger der verbotenen Muslimbruderschaft und anderer Oppositionsgruppen sahen sich Schikanen und Verhaftungen ausgesetzt.

  • Mindestens 34 Menschen wurden im April festgenommen und wegen Aufwiegelung und Verteilung von Flugblättern angeklagt, mit denen sie zu einem Generalstreik aufriefen. Die Festgenommenen waren Studenten sowie Mitglieder der politischen Opposition, darunter Anhänger der Gruppe 6 April Youth, der Kefaya-Bewegung, der al-Ghad-Partei und der Muslimbruderschaft. Alle kamen ohne Anklageerhebung wieder frei.

Diskriminierung vermeintlich homosexueller Männer

Die Regierung stellte weiterhin einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen Männern unter Strafe.

  • Im Januar 2009 wurden zehn Männer in Kairo festgenommen und wegen "gewohnheitsmäßiger Ausschweifungen" angeklagt. Dieser Vorwurf wird häufig zur strafrechtlichen Verfolgung von einvernehmlichem Geschlechtsverkehr zwischen Männern herangezogen. Die Männer wurden während ihrer Inhaftierung von der Sittenpolizei dem Vernehmen nach geschlagen, geohrfeigt, getreten und beleidigt. Sie wurden ohne ihr Einverständnis auf HIV/AIDS getestet und mussten sich zwangsweise analen Untersuchungen unterziehen, die "beweisen" sollten, dass sie homosexuelle Kontakte hatten. Derartige Untersuchungen ohne Einverständnis des Betroffenen gelten als Folter. Die Männer blieben fünf Monate lang in Untersuchungshaft und kamen Ende Mai bis zum Beginn ihres Prozesses am 31. Dezember auf Kaution frei.

Diskriminierung religiöser Minderheiten

Nachdem das Oberste Verwaltungsgericht im März entschieden hatte, dass Anhänger der Glaubensgemeinschaft der Baha'i Personalausweise erhalten können, ohne Angaben zu ihrer Konfession machen zu müssen, verfügte der Innenminister per Dekret, dass diese Regelung auch für Angehörige anderer Religionen gelte. Sie müssen sich jetzt nicht mehr als Muslime, Christen oder Juden zu erkennen geben.

Verwaltungsgerichte ordneten mehrfach die Aufhebung des Verbots von Gesichtsschleiern (niqab) an. Universitäten und Ministerien hatten Frauen und Mädchen das Tragen des Schleiers in ihren Institutionen untersagt.

Recht auf Wohnen - Zwangsräumungen

In 26 Armenvierteln im Großraum Kairo, die 2008 im Rahmen eines Masterplans der Regierung für die Stadtentwicklung bis zum Jahr 2050 als "unsicher" bezeichnet worden waren, sahen sich die Bewohner weiterhin in zweifacher Hinsicht bedroht: zum einen durch Steinschlag, Hochspannungsleitungen und ähnliche Gefahren, zum anderen durch Zwangsräumungen. In den "unsicheren Stadtvierteln" gab es keine oder nur sehr unzureichende Absprachen mit den betroffenen Gemeinden.

Zwangsräumungen fanden auf Anordnung der örtlichen Behörden in al-Duwayqah, Establ Antar und Ezbet Khayrallah statt. Diese Stadtviertel gelten alle als "unsicher". Die Bewohner siedeln auf staatseigenen Grundstücken und sind von Steinschlag bedroht. Die Zwangsräumungen wurden ohne vorherige Ankündigung und ohne Absprache mit den betroffenen Gemeinden durchgeführt. Die Bewohner bekamen zuvor keine schriftliche Benachrichtigung und konnten somit keine gerichtliche Untersuchung zur Rechtmäßigkeit der Maßnahme einfordern. Im Juni wurden rund 28 Familien aus Atfet al-Moza und al-Duwayqah obdachlos, als die Behörden sie aus ihren Häusern vertrieben, angeblich, um den Felsabhang zu sichern, auf dem die Familien gewohnt hatten. Mehreren Einwohnern von Establ Antar wurde gesagt, sie sollten ihre Häuser abreißen oder man werde sie zwangsräumen.

Nachdem im September 2008 mindestens 119 Bewohner des Armenviertels al-Duwayqah bei einem Erdrutsch ums Leben gekommen waren, hatten die Behörden zum Ende des Jahres 2009 etwa 4000 Familien in andere Gebiete umgesiedelt. Etwa 1400 weitere Familien aus Establ Antar und Ezbet Khayrallah fanden in der 6 October City südwestlich von Gise und somit weit entfernt von ihrem früheren Lebensmittelpunkt eine Bleibe. Die umgesiedelten Familien erhielten jedoch keine Urkunden, die den rechtmäßigen Besitz ihrer neuen Grundstücke sicherten. Getrennt lebende oder geschiedene Frauen bekamen keinen Wohnraum zugeteilt.

Im Dezember 2009 erhob die Staatsanwaltschaft gegen acht Beamte der Kairoer Gouvernementverwaltung und der Stadtteilverwaltung von Manshiyet Nasser Anklage wegen fahrlässiger Tötung im Zusammenhang mit den tödlichen Erdrutschen von al-Duwayqah.

Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchende

Mindestens 19 Menschen wurden von den ägyptischen Sicherheitskräften beim Versuch, die Grenze zu Israel zu überschreiten, erschossen. Alle waren vermutlich ausländische Staatsbürger und Migranten, Flüchtlinge oder Menschen, die in Ägypten Asyl gesucht hatten. Im September verteidigte die Regierung die Anwendung von Gewalt mit Todesfolge. Diese Praxis solle die Grenzen Ägyptens schützen und wende sich gegen "Unterwanderer", Drogen- und Waffenschmuggler.

  • Im Januar 2009 wurden mindestens 64 eritreische Staatsbürger beim Versuch, die Grenze zu Israel zu überschreiten, nach Eritrea abgeschoben, wo ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen (siehe Länderbericht Eritrea).

Todesstrafe

2009 wurden mindestens 269 Todesurteile gefällt und mindestens fünf Menschen hingerichtet.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Delegierte von Amnesty International statteten Ägypten im Berichtsjahr mehrere Besuche ab, um Nachforschungen anzustellen, und nahmen an Konferenzen und Workshops teil.

Buried alive: Trapped by poverty and neglect in Cairo's informal settlements (MDE 12/009/2009)

Egypt: Government should immediately release Musaad Abu Fagr and Karim Amer (MDE 12/029/2009)

Egypt: Government must urgently rein in border guards (MDE 12/032/2009)

Egyptian court overturns journalists' prison sentences, 2 February 2009

Egypt: Military Court of Appeals fails to rectify injustice, 19 November 2009

© Amnesty International

Associated documents