Amnesty International Report 2012 - The State of the World's Human Rights

Amtliche Bezeichnung: Islamische Republik Mauretanien
Staatsoberhaupt: General Mohamed Ould Abdel Aziz
Regierungschef: Moulaye Ould Mohamed Laghdaf
Todesstrafe: in der Praxis abgeschafft
Einwohner: 3,5 Mio.
Lebenserwartung: 58,6 Jahre
Kindersterblichkeit: 117,1 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 57,5%

Die Sicherheitskräfte gingen 2011 mit exzessiver und tödlicher Gewalt u.a. gegen Protestierende vor; ein Jugendlicher wurde erschossen. Teilnehmer an Protestmärschen gegen die Volkszählung wurden festgenommen und zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die Regierung griff bei mutmaßlichen Terrorakten rigoros durch. Der Verbleib von 14 Häftlingen, die aus einem Gefängnis in der Hauptstadt Nouakchott "verschwunden" waren, blieb ungeklärt. Acht Personen wurden zum Tode verurteilt, darunter drei Minderjährige.

Hintergrund

Einige Menschenrechtsorganisationen befürchteten, dass eine im April 2011 begonnene Volkszählung zu Diskriminierungen führen könnte. In Nouakchott, Kaedi und Maghama fanden Protestkundgebungen statt. Der Präsident der Nationalversammlung drängte darauf, die Volkszählung auszusetzen.

Bei wiederholten Zusammenstößen zwischen der Armee und der Organisation Al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM) kam es zu Verlusten auf beiden Seiten. Die Armee führte auch in Mali militärische Operationen gegen AQIM durch. Im Dezember wurde ein Angehöriger der Sicherheitskräfte von AQIM-Mitgliedern entführt.

Im Januar 2011 befasste sich der UN-Menschenrechtsrat im Rahmen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung (UPR) mit der Lage der Menschenrechte in Mauretanien. Die Regierung verpflichtete sich, die Anwendung von Folter und anderen Formen von Misshandlung sowie den Einsatz exzessiver Gewalt durch die Polizei und die Sicherheitskräfte zu beenden. Sie sagte ferner zu, eine nationale Strategie zur Beendigung der Sklaverei in all ihren Formen zu entwickeln.

Nach der Entlassung eines Richters im September kamen Fragen bezüglich der Unabhängigkeit der Justiz auf.

Politische und gewaltlose politische Gefangene

Die Behörden schränkten die Rechte auf freie Meinungsäußerung sowie auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit ein.

  • Aliyine Ould Mbareck, Biram Dah Ould Abeid und Cheikh Ould Abidine, drei Mitglieder der Initiative für die Wiederbelebung der Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei in Mauretanien (Initiative pour la Résurgence du Mouvement Abolitionniste en Mauritanie - IRA Mauritanie), wurden im Januar 2011 zu jeweils einem Jahr Freiheitsentzug verurteilt. Sie waren im Dezember 2010 zusammen mit sechs weiteren Aktivisten festgenommen und angeklagt worden, Polizisten tätlich angegriffen und die öffentliche Ordnung gestört zu haben, nachdem sie vor einer Polizeistation in Nouakchott eine Kundgebung abgehalten hatten. Im März wurden sie begnadigt.
  • Am 23. August erging gegen vier Mitglieder der IRA Mauritanie, darunter Tourad Ould Zein, wegen Durchführung einer nicht genehmigten Versammlung und Aufruhrs eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten. Sie hatten protestiert, weil die Justiz nicht zugunsten eines zehnjährigen Mädchens eingeschritten war, das als Sklavin gehalten wurde.
  • Im Oktober kam es nach Protestmärschen gegen die Volkszählung, die die Menschenrechtsorganisation "Touche pas à ma nationalité" ("Rühre meine Nationalität nicht an") organisiert hatte, in Nouakchott und anderen Teilen des Landes zu Festnahmen von mehr als 50 Demonstrierenden. Die meisten kamen innerhalb von Stunden oder Tagen wieder frei. Andere wurden angeklagt, sich mit der Absicht zu stehlen und zu plündern an den Demonstrationen beteiligt zu haben. Vier Protestierende, darunter Brahim Diop und Muhamed Boubacar, erhielten Freiheitsstrafen von jeweils drei Monaten und saßen bis zu ihrer Begnadigung 13 Tage lang im Gefängnis von Dar Nam.
  • Der ehemalige Menschenrechtskommissar Lemine Ould Dadde wurde nach Ende seiner Untersuchungshaft im September weiterhin willkürlich in staatlichem Gewahrsam gehalten. Er war der Veruntreuung angeklagt.

Antiterror- und Sicherheitsmaßnahmen

Während des Berichtsjahrs wurden mindestens zwölf Personen, darunter Mohamed Lemine Ould Mballe, wegen des Verdachts, AQIM-Mitglieder zu sein, festgenommen. Die meisten verbrachten mehr als 40 Tage in Polizeigewahrsam.

Mindestens 18 Personen kamen vor Gericht und erhielten Gefängnisstrafen oder wurden zum Tode verurteilt. Obwohl die Angeklagten angaben, gefoltert worden zu sein, ordnete das Gericht keine Untersuchung an.

  • Im März 2011 wurde der als AQIM-Mitglied verdächtigte malische Staatsbürger Aderrahmane Ould Meddou vom Strafgericht in Nouakchott zu einer fünfjährigen Gefängnisstrafe und Zwangsarbeit verurteilt. Das Gericht sprach ihn schuldig, im Dezember 2010 ein italienisches Ehepaar entführt zu haben.
  • Im Oktober 2011 verurteilte das Strafgericht Nouakchott vier Personen, darunter Lemrabott Ould Mohamed Mahmoud, wegen Terrorakten zu Gefängnisstrafen zwischen drei und fünf Jahren. Mohamed Lemine Ag Maleck wurde freigesprochen, blieb jedoch in Haft, da die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt hatte. Im Dezember wurde er freigelassen.
  • Assad Abdel Khader Mohamed Ali und Khalil Ould Ahmed Salem Ould N'Tahah blieben inhaftiert, obwohl sie ihre Freiheitsstrafen verbüßt hatten.

Verschwindenlassen

Im Mai 2011 wurden 14 Häftlinge, die wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt worden waren, nachts aus dem Zentralgefängnis in Nouakchott geholt und an einen unbekannten Ort verbracht. Im Juni übergab man den Familienangehörigen ohne jegliche Erklärung einige ihrer Habseligkeiten. Der Verbleib dieser 14 Personen, darunter Sidi Ould Sidina und Mohamed Mahmoud Ould Sebty, war Ende 2011 noch immer unbekannt. Die Behörden teilten einer Delegation von Amnesty International im November mit, dass die 14 Häftlinge aus Sicherheitsgründen verlegt worden seien.

Exzessive Gewaltanwendung

Sicherheitskräfte wandten in mehreren Städten, darunter in Kaedi, Maghama und Nouakchott, gegen friedlich Demonstrierende exzessive Gewalt an. Durch den willkürlichen und wahllosen Einsatz von Tränengas wurden zahlreiche Protestierende verletzt; eine Person kam zu Tode.

  • Der 19-jährige Lamine Mangane starb am 28. September 2011, nachdem Sicherheitskräfte während einer von der Initiative "Touche pas à ma nationalité" in Maghama organisierten Demonstration mit scharfer Munition auf die Teilnehmenden geschossen hatten. Mindestens zehn Personen wurden verletzt. Die Behörden gaben bekannt, dass gerichtliche Ermittlungen aufgenommen worden seien.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern

Wegen ihrer mutmaßlichen homosexuellen Handlungen wurden Personen willkürlich festgenommen, schikaniert und diskriminiert. Im November wurden 14 Männer inhaftiert und der Homosexualität beschuldigt. Ende 2011 befanden sie sich noch im Gefängnis von Dar Nam.

Folter und andere Misshandlungen

Nach wie vor gab es zahlreiche Berichte über Folter und andere Misshandlungen in Haftzentren, darunter Polizeistationen und das Gefängnis von Dar Nam. Zu den Foltermethoden gehörten Tritte, Schläge, das Aufhängen an den Armen, Fesselung in schmerzvollen Stellungen und Entzug von Schlaf und Nahrung.

Todesstrafe

Im November 2011 wurden die im Laufe des vergangenen Jahrzehnts gegen sieben Männer verhängten Todesurteile in Haftstrafen umgewandelt.

Während des Berichtsjahrs verurteilte das Strafgericht in Nouakchott mindestens acht Personen zum Tode, darunter drei Angeklagte, die zum Zeitpunkt der Straftaten das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft folgend wandelte das Berufungsgericht in Nouakchott die Todesurteile gegen die drei Minderjährigen am 8. Dezember in Haftstrafen von je zwölf Jahren zuzüglich einer Geldbuße um.

Sklaverei

Sieben Personen, eine Frau und sechs Kinder, gelang mit Hilfe von Menschenrechtsorganisationen die Flucht aus der Sklaverei. Unter den sechs Kindern befanden sich die Brüder Yarg und Sad, elf und 14 Jahre alt, die der Sklaverei im August 2011 entkamen. Im November sprach das Strafgericht in Nouakchott sechs Personen der Versklavung von Yarg und Sad schuldig und ordnete die Zahlung einer Entschädigungssumme an ihre Familienangehörigen an.

Rechte von Migranten

Mindestens 3000 Migranten, von denen die meisten aus den Ländern Senegal, Mali und Guinea stammten, wurden willkürlich festgenommen. Sie blieben mehrere Tage in Haftzentren des Landes in Gewahrsam, bevor sie in den Senegal oder nach Mali zurückgeschickt wurden.

Im Oktober 2011 kam es zur Festnahme von Migranten aus Mali und Senegal, die der Durchführung nicht genehmigter Versammlungen und der Gefährdung der nationalen Sicherheit angeklagt wurden. Sie alle erhielten eine einjährige Bewährungsstrafe und blieben mehr als zehn Tage im Gefängnis von Dar Nam inhaftiert, bevor sie nach Senegal abgeschoben wurden.

Amnesty International: Mission und Berichte

Delegierte von Amnesty International besuchten Mauretanien im November.

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