Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Zimbabwe

 

 

Der Verbleib von Itai Dzamara, einem bekannten Aktivisten der Demokratiebewegung, der im März 2015 Opfer des Verschwindenlassens geworden war, blieb bis zum Jahresende ungeklärt. Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Ver-sammlungsfreiheit waren nach wie vor eingeschränkt, und eine Reihe von Journalisten wurde festgenommen. Auch 2015 fanden rechtswidrige Zwangsräumungen statt. So wurden im Zentrum der Hauptstadt Harare Tausende informelle Straßenhändler von der Polizei vertrieben. Dabei kam es auch zu gewaltsamen Zusammenstößen und Festnahmen. Der schleppende Fortgang der Reformen zur Anpassung der Gesetze an die Verfassung von 2013 führte dazu, dass die darin verbrieften Rechte nur begrenzt in Anspruch genommen werden konnten. Im Juli 2015 räumte der Oberste Gerichtshof staatlichen und privaten Arbeitgebern in einem Urteil die Möglichkeit ein, Tausende Mitarbeiter mit nur dreimonatiger Kündigungsfrist zu entlassen. Bereits im zehnten Jahr in Folge wurden keine Todesurteile vollstreckt.

Hintergrund

Die Spannungen zwischen den verschiedenen Parteiflügeln der regierenden Zimbabwe African National Union-Patriotic Front (ZANU-PF) von Präsident Robert Mugabe dauerten an. Dasselbe galt für die Spannungen innerhalb der größten Oppositionspartei, Movement for Democratic Change (MDC-T), des ehemaligen Ministerpräsidenten Morgan Tsvangirai. Als diese internen Streitigkeiten zur Entlassung mehrerer Parlamentsabgeordneter durch die Parteivorsitzenden führten, wurden in mehr als 20 Wahlkreisen Nachwahlen erforderlich. Am 14. November 2015 tötete ein Bezirksfunktionär der ZANU-PF in Chitungwiza nach einem Streit über eine Umstrukturierung der Partei zwei andere Bezirksfunktionäre mit einer Axt. Der mutmaßliche Täter starb wenige Tage nach seiner Festnahme unter ungeklärten Umständen in Polizeigewahrsam.

Im Juli 2015 berichtete der Ausschuss zur Gefahrenabschätzung (Zimbabwe Vulnerability Assessment Committee), dass 2015/16 in dem von Nahrungsknappheit geprägten Zeitraum bis zur nächsten Ernte etwa 1,5 Mio. Menschen Nahrungsmittelhilfe benötigen würden. Die offizielle Arbeitslosenquote lag bei über 80%, und 72% der Bevölkerung lebten unter der nationalen Armutsgrenze von 1,25 US-Dollar pro Tag.

Verschwindenlassen

Am 9. März 2015 wurde der Journalist und Aktivist der Demokratiebewegung Itai Dzamara von fünf Männern verschleppt. Ein Gericht beauftragte die Staatssicherheitskräfte mit der Untersuchung der Umstände seines "Verschwindens", doch bis zum Jahresende lagen keine unabhängigen Belege dafür vor, dass die Behörden den Fall mit der erforderlichen Sorgfalt untersucht hatten. Itai Dzamara hatte 2014 die Protestgruppe Occupy Africa Unity Square (OAUS) gegründet, die Kritik an der Herrschaft von Präsident Mugabe übte.

Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Das Recht auf freie Meinungsäußerung war für Journalisten und Menschenrechtsverteidiger weiterhin stark eingeschränkt, da sie mit willkürlichen Festnahmen, Inhaftierungen und strafrechtlicher Verfolgung rechnen mussten, wenn sie friedlich ihre Rechte wahrnahmen.

Mindestens zehn Journalisten staatlicher und privater Medien wurden wegen des Verfassens regierungskritischer Artikel festgenommen und gemäß dem Strafgesetzbuch von Simbabwe (Criminal Law [Reform and Codification] Act) u. a. wegen der Veröffentlichung von "Lügen" angeklagt.

Am 2. November 2015 wurde der Herausgeber der staatlich kontrollierten Zeitung The Sunday Mail, Mabasa Sasa, gemeinsam mit dem Investigativreporter der Zeitung, Brian Chitemba, und dem Journalisten Tinashe Farawo in Polizeigewahrsam genommen. Sie hatten in einem Bericht mehrere hochrangige Polizeibeamte beschuldigt, einer Gruppe anzugehören, die für Elefantenwilderei im Hwange-Nationalpark verantwortlich war. Die drei Journalisten wurden zwei Nächte auf der Polizeiwache im Zentrum von Harare festgehalten und wegen der "Veröffentlichung von Lügen" angeklagt. Nachdem ein Gericht einer Freilassung gegen Kaution zugestimmt hatte, kamen sie nach der Hinterlegung von je 100 US-Dollar wieder frei. Die drei Männer bestritten die gegen sie erhobenen Vorwürfe; ihr Gerichtsverfahren wurde für den 29. Februar 2016 angesetzt.

Takunda Maodza, stellvertretender Nachrichtenredakteur der staatlich kontrollierten Zeitung Herald, wurde am 3. November 2015 in Harare festgenommen, wo er mit Recherchen für einen Bericht über einen Geschäftsmann aus der Hauptstadt befasst war, der mutmaßlich die aus ehemaligen ZANU-PF-Mitgliedern bestehende Oppositionsgruppe People First finanzierte. Die Polizei gab an, Takunda Maodza habe von dem Geschäftsmann ein Bestechungsgeld verlangt. Andere Journalisten erklärten jedoch, er habe Geld angeboten bekommen, sich jedoch geweigert, dieses anzunehmen. Takunda Maodza wurde gemäß dem Strafgesetzbuch von Simbabwe wegen versuchter Erpressung angeklagt, kam aber gegen eine Kaution von 50 US-Dollar auf freien Fuß. Er bestritt die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen. Sein Verfahren sollte im Anfang 2016 fortgeführt werden.

Am 12. November 2015 wurde der freiberufliche Journalist Shadreck Andrison Manyere von Polizisten festgenommen, als er im Zentrum von Harare Zusammenstöße zwischen Protestierenden und der Polizei filmte. Er wurde mehr als vier Stunden lang festgehalten und unter Paragraph 37(1)(a) des Strafgesetzbuchs wegen "Teilnahme an einer Versammlung mit dem Ziel, öffentliche Gewalt, Landfriedensbruch oder Fanatismus zu fördern," angeklagt. Der Journalist bestritt die gegen ihn erhobenen Vorwürfe.

In Rusape wurden am 23. Oktober 2015 der freiberufliche Journalist Sydney Saize, der Journalist Bernard Chiketo von der Tageszeitung The Daily News sowie der NewsDay-Korrespondent Kenneth Nyangani festgenommen, als sie von einer Kundgebung der MDC-T vor dem örtlichen Amtsgericht berichten wollten. Nachdem die Polizei sie durchsucht, vernommen und ihre persönlichen Daten aufgenommen hatte, wurden die drei Journalisten ohne Anklageerhebung wieder freigelassen.

Am 18. September 2015 nahmen Angehörige der städtischen Polizei von Harare Andrew Kunambura, einen Mitarbeiter von The Financial Gazette, und Emison Haripindi, einen freiberuflichen Journalisten, fest, als sie Polizisten dabei fotografierten, wie sie informelle Straßenhändler festnahmen. Die Journalisten wurden etwa vier Stunden lang auf der Polizeiwache im Zentrum von Harare festgehalten und dann ohne Anklageerhebung wieder freigelassen.

Der Priester Patrick Philip Mugadza von der Remnant Church in Kariba wurde am 11. Dezember 2015 im Ferienort Victoria Falls von der Polizei festgenommen, als er alleine und friedlich demonstrierte. Dabei hielt er ein Plakat mit der Aufschrift "Herr Präsident, die Menschen leiden. Sprüche 21:13" hoch. Die Protestaktion fand während der Jahrestagung der regierenden ZANU-PF statt. Gegen den Priester wurde unter Paragraph 46 des Strafgesetzbuchs wegen Störung des öffentlichen Friedens Anklage erhoben. Weil er die ungewöhnlich hohe Kaution von 500 US-Dollar nicht aufbringen konnte, blieb er zwei Wochen in Gewahrsam. Nachdem einem Antrag seiner Rechtsbeistände auf Herabsetzung der Kaution auf 50 US-Dollar stattgegeben worden war, kam Patrick Philip Mugadza am 31. Dezember 2015 frei.

Am 30. November 2015 nahm die Polizei vor dem Rainbow-Towers-Hotel in Harare die fünf Aktivisten Tendayi Mudehwe, Dirk Frey, Irvin Takavada, Elvis Mugari und Tonderai Chigumbu fest. Sie hatten friedlich dagegen protestiert, dass der 2. Vizepräsident Phelekezela Mphoko bereits seit fast einem Jahr in dem Hotel wohnte. Nachdem die fünf Aktivisten zwei Nächte auf der Polizeiwache im Zentrum Harares verbracht hatten, wurden sie am 2. Dezember 2015 auf freien Fuß gesetzt. Gegen sie wurde gemäß Paragraph 46 des Strafgesetzbuchs Anklage wegen Störung des öffentlichen Friedens erhoben.

Am 24./25. Juli 2015 wurden sechs Aktivisten der Crisis in Zimbabwe Coalition, des Chitungwiza Residents Trust und der OAUS am Untersuchungsgefängnis im Zentrum von Harare festgenommen, der Polizei übergeben und unter Paragraph 5(2) des Gesetzes über zugangsbeschränkte Gebäude und Gebiete (Protected Places and Areas Act - Chapter 11:12) wegen Missachtung der von einem befugten Beamten erteilten Anweisun-gen angeklagt. Die Betroffenen gehörten zu einer Gruppe von mehr als 50 Aktivisten, die 16 informelle Straßenhändler in Untersuchungshaft besucht hatten, denen die Freilassung auf Kaution verweigert worden war. Am 2. Oktober 2015 wurden Mfundo Mlilo und Nixon Nyikadzino vom Bündnis Crisis in Zimbabwe Coalition sowie Dirk Frey von OAUS aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Die Verfahren gegen die anderen drei Aktivisten, Edgar Gweshe, Donald Makuwaza und Charles Chidhakwa, dauerten Ende 2015 noch an.

Nach wie vor belegte die Regierung engagierte Bürger, die sich für die Lizenzierung lokaler Radiostationen einsetzten, mit Restriktionen. Seit Inkrafttreten des Rundfunkgesetzes (Broadcasting Services Act) im Jahr 2001 hatte noch keine einzige Station eine Sendelizenz erhalten, obwohl sich mindestens 28 örtliche Initiativen in ländlichen und städtischen Gebieten dafür engagierten. Die Polizei verhinderte unter Rückgriff auf die Best-immungen des Gesetzes über öffentliche Ordnung und Sicherheit (Public Order and Security Act) ihre Treffen, durchsuchte ihre Büroräume und beschlagnahmte ihre Ausrüstung und Materialien. Aktivisten, die sich für derartige Sendelizenzen einsetzten, wurden nach Treffen und anderen Aktivitäten, die zum Ziel hatten, lokale Radiosender ins Leben zu rufen, von der Polizei oder vom Geheimdienst (Central Intelligence Organisation) verhört.

Arbeitnehmerrechte

Mit seinem Urteil vom 17. Juli 2015 bestätigte der Oberste Gerichtshof von Simbabwe, dass Arbeitgeber das Recht haben, ein Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung einer dreimonatigen Frist zu beenden. Das Urteil führte zu Massenentlassungen durch die Regierung sowie innerhalb staatlicher und privater Unternehmen. Tausende Arbeitnehmer verloren innerhalb weniger Tage nach dem Urteil ihren Arbeitsplatz, da viele Arbeitgeber in der Entscheidung des Gerichtshofs eine Möglichkeit sahen, die im Arbeitsgesetz vorgesehenen formalen Schritte beim Personalabbau zu umgehen. Im August 2015 brachte die Regierung eilig einige Änderungen der Arbeitsgesetze durch das Parlament, die auch eine Mindestabsicherung für die freigesetzten Arbeitnehmer umfassten. Gewerkschaften und Arbeitgeber beschwerten sich darüber, dass sie nicht ausreichend konsultiert wurden. Nach Ansicht der Gewerkschaften bot das Absicherungspaket den Beschäftigten keinen ausreichenden Schutz.

Zwangsräumungen

Informelle Straßenhändler wurden aus den Zentren Harares und anderer Städte vertrieben. Im Juni 2015 setzte die Regierung den Händlern eine Frist für das Verlassen von Städten und Ortschaften und drohte bei Nichtbefolgung mit dem Einsatz des Militärs. Im Juli 2015 kam es in Harare bei einem Versuch der städtischen Polizei, informelle Straßenhändler aus dem zentralen Geschäftsviertel der Stadt zu vertreiben, zu gewaltsamen Zusammenstößen. Dutzende Händler wurden festgenommen und inhaftiert, darunter auch führende Vertreter der Gewerkschaft National Vendors Union Zimbabwe. Gegen 16 von ihnen wurde Anklage wegen öffentlicher Gewalt erhoben. Sie kamen zwar gegen Kaution frei, ihre Gerichtsverfahren waren am Jahresende jedoch noch anhängig.

Im ganzen Land wurden Tausende Menschen Opfer von rechtswidrigen Zwangsräumungen. Einige von ihnen beantragten vor Gericht Schutzmaßnahmen. Am 12. Januar 2015 stoppte das Hohe Gericht in Harare die Vertreibung von etwa 150 Familien von der Arnold Farm im Bezirk Mazowe. Da die Polizei am 7. Januar 2015 die Unterkünfte der Familien abgerissen hatte, waren diese obdachlos und in der Regenzeit der Witterung schutzlos ausgeliefert. Die rechtswidrigen Zwangsräumungen waren ungeachtet einer Verfügung des Hohen Gerichts vom August 2014 erfolgt, mit der die Zwangsräumung der Bewohner der Arnold Farm auf Grundlage von Artikel 74 der Verfassung untersagt worden war.

Im Juli 2015 ordnete die Stadtverwaltung von Harare ohne die erforderlichen Gerichtsbeschlüsse den Abriss von Gebäuden an, die in "illegalen Siedlungen" errichtet worden waren. In den Vororten Warren Park und Westlea wurden zahlreiche von Wohnungsgenossenschaften gebaute Häuser abgerissen. Im Dezember 2015 wurden 200 weitere Gebäude in der Nähe des Vororts Kambuzuma auf Anordnung der Stadtverwaltung von Harare abgerissen.

Entwicklungen in Justiz, Verfassung und Institutionen

Am 28. Oktober 2015 ordnete das Verfassungsgericht in einem beispiellosen Schritt 30 Tage Haft gegen Generalstaatsanwalt Johannes Tomana wegen Verstößen gegen Artikel 164(3) der Verfassung an. Er wurde beschuldigt, sich in zwei Fällen von großem öffentlichem Interesse den Anordnungen des Hohen Gerichts und des Obersten Gerichtshofs widersetzt zu haben, Privatpersonen eine Klageerhebung wegen Betrugs und Vergewaltigung zu ermöglichen. Nach Ansicht des Verfas-sungsgerichts war der Generalstaatsanwalt per Gesetz dazu verpflichtet, die in Paragraph 16 des Strafverfahrens- und Beweismittelgesetzes (Criminal Procedure and Evidence Act) für eine Privatklageerhebung erforderliche Bescheinigung auszustellen. Unter der Bedingung, dass der Generalstaatsanwalt diesen früheren gerichtlichen Anordnungen Folge leisten würde, wurde die Freiheitsstrafe für zehn Tage ausgesetzt. Am 5. November stellte dann die stellvertretende Generalstaatsanwältin im Namen ihres Vorgesetzten die Bescheinigung aus, die die Fortsetzung der Strafverfolgung im Wege der Privatklage ermöglichte.

Die Anpassung der Gesetze an die neue Verfassung von 2013 wurde fortgesetzt, verlief aber sehr schleppend. Da Polizei und andere Strafverfolgungsbehörden weiter die alten Gesetze anwendeten, waren die in der Verfassung verankerten Menschenrechtsgarantien nach wie vor gefährdet. So wurden Aktivisten auf der Grundlage von eindeutig verfassungswidrigen Rechtsvorschriften festgenommen und unter Anklage gestellt. Einige mussten ihre Rechte vor dem Verfassungsgericht ein-klagen.

Todesstrafe

Laut Stand vom Juli 2015 hatten in Simbabwe seit zehn Jahren keine Hinrichtungen mehr stattgefunden.

Amnesty International: Berichte

 

   

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