Document #1119201
Amnesty International (Author)
Amtliche Bezeichnung:
Plurinationaler Staat Bolivien
Staats- und Regierungschef: Evo Morales Ayma
Das Recht indigener Bevölkerungsgruppen auf vorherige Konsultation und freiwillige, vorab und in Kenntnis der Sachlage gegebene Zustimmung zu Entwicklungsprojekten, die sie betreffen, wurde weiter missachtet. Opfern von Menschenrechtsverletzungen während der Militärregierung wurde eine umfassende Entschädigung nach wie vor verweigert. Die Verzögerungen in der Justizverwaltung setzten sich fort. Es gab im Berichtszeitraum Meldungen über Verstöße gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung.
2012 fanden zahlreiche Demonstrationen zur Durchsetzung wirtschaftlicher und sozialer Forderungen und der Rechte der indigenen Bevölkerung statt. In einigen Fällen reagierte die Polizei darauf mit exzessiver Gewaltanwendung.
Im September erklärte der UN-Sonderberichterstatter über Rassismus nach einem Besuch in Bolivien, dass das Land einige Fortschritte gemacht habe, er äußerte jedoch Besorgnis angesichts der fortdauernden Diskriminierung indigener Bevölkerungsgruppen und anderer gefährdeter Gemeinschaften.
Im Februar 2012 wurde ein Gesetz verabschiedet, das die vorherige Konsultation der indigenen Bevölkerung zu dem von der Regierung geplanten Bau einer Straße durch das Indigenen-Gebiet Isiboro-Sécure und den dortigen Nationalpark (Territorio Indígena y Parque Nacional Isiboro-Sécure - TIPNIS) vorsieht. Im April marschierten indigene Bevölkerungsgruppen, die gegen das Projekt sind, nach La Paz. Ihrer Ansicht nach verstößt die Befragung gegen eine frühere Rechtsprechung zum Schutz des TIPNIS und gegen internationale Standards sowie die Verfassung.
Im Juni 2012 kam das plurinationale Verfassungsgericht (Tribunal Constitucional Plurinacional) zu dem Urteil, dass die Konsultation verfassungsgemäß ist, die entsprechenden Parameter jedoch mit allen potenziell betroffenen indigenen Gemeinschaften abzusprechen sind. Im Juli beschloss die Regierung, die Befragung fortzusetzen, nachdem nur mit einigen der indigenen Gemeinschaften eine Einigung erzielt werden konnte. Im Oktober, noch vor Abschluss der Befragung, begannen die Arbeiten am ersten Straßenabschnitt außerhalb des Nationalparks und des Gebietes der indigenen Gemeinschaften. Offizielle Berichte über das Ergebnis der Konsultation lagen Ende des Jahres noch nicht vor.
Ende 2012 war von den Polizeibeamten, die 2011 bei friedlichen Protesten gegen die Straße durch das Indigenen-Gebiet exzessive Gewalt eingesetzt hatten, noch niemand zur Rechenschaft gezogen worden.
In Mallku Khota im Departamento Potosí kam es zu gewalttätigen Unruhen zwischen örtlichen Gemeinschaften und der Polizei, weil die bolivianische Niederlassung einer kanadischen Bergbaugesellschaft es versäumt hatte, die Betroffenen vorher zu einem Minenprojekt zu befragen. Im August gab die Regierung die Verstaatlichung der Mine bekannt, um den Protesten durch Gegner der kanadischen Bergbaugesellschaft ein Ende zu setzen. Die Konflikte zwischen Befürwortern und Gegnern des Projekts waren im Dezember noch nicht beendet.
Nach wie vor kam es zu Verzögerungen, wenn es darum ging, Verantwortliche für unter der Militärregierung (1964-82) begangene Menschenrechtsverletzungen vor Gericht zu bringen. Verzögerungen in der Justizverwaltung führten in anderen Fällen zu Straflosigkeit. Es wurden Fälle von Missbrauch richterlicher Gewalt gegen Gegner oder Kritiker der Regierung gemeldet.
Im August 2012 wurde gegen zwei Zeitungen und eine staatliche Nachrichtenagentur Klage wegen Anstiftung zum Rassismus und zur Diskriminierung eingereicht. Die Regierung führte an, die drei Medieninstitutionen hätten Kommentare von Präsident Morales über das Verhalten der Menschen im Osten des Landes missbraucht und ihn als Rassisten dargestellt. Es gab Bedenken, dass es sich dabei um eine unverhältnismäßige Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung handeln könnte.
Das plurinationale Verfassungsgericht (Tribunal Constitucional Plurinacional) kam im September 2012 zu dem Urteil, dass der Straftatbestand der "Beamtenbeleidigung" gegen die Verfassung sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung verstößt.
Im September 2012 wurde ein Gesetz verabschiedet, das Belästigung und politische Gewalt gegen Frauen unter Strafe stellt. Das von Frauenorganisationen begrüßte Gesetz sieht präventive Maßnahmen und Sanktionen bei Fällen von Belästigung und Gewalt gegen Wahlkandidatinnen, gewählte Beamtinnen oder in öffentlichen Institutionen arbeitende Frauen vor.
Eine Delegation von Amnesty International besuchte Bolivien im März und im Juni.
© Amnesty International
Amnesty International Report 2013 - The State of the World's Human Rights - Bolivia (Periodical Report, English)