Document #1047444
AI – Amnesty International (Author)
Das Parlament stimmte einem Antidiskriminierungsgesetz zu, dessen Verabschiedung mehrere Jahre durch ein Veto des Staatspräsidenten verhindert worden war. 2009 gab es vermehrt Hassreden gegen Roma sowie Aufmärsche rechtsextremer Parteien und Gruppen. Roma wurden weiterhin in den Bereichen Bildung und Wohnen ausgegrenzt. Zwar entschuldigte sich die Regierung für Zwangssterilisierungen von Roma-Frauen aus der Vergangenheit, doch wiesen die Gerichte individuelle Anträge auf Entschädigungszahlungen ab.
Im März 2009 verlor die Regierung unter Ministerpräsident Mirek Topolánek ein Misstrauensvotum und wurde im April durch eine Übergangsregierung unter Jan Fischer abgelöst.
Das Parlament verabschiedete im Juni gegen das Veto von Staatspräsident Václav Klaus ein Antidiskriminierungsgesetz. Somit kam das Land mit einigen Jahren Verzögerung schließlich seinen Verpflichtungen gemäß den EU-Richtlinien in Bezug auf das Recht auf Gleichbehandlung am Arbeitsmarkt und den Schutz vor Rassendiskriminierung nach. Das neue Gesetz gewährleistet das Recht auf Gleichbehandlung und verbietet Diskriminierung in den Bereichen Bildung, Arbeit und Wohnen.
Roma waren in zunehmenden Maße unverhohlener Feindseligkeit im öffentlichen Raum ausgesetzt und litten unter Ausgrenzung in Schulen und auf dem Wohnungsmarkt sowie unter Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt.
Das Oberste Verwaltungsgericht wies den Antrag der Regierung auf Verbot der rechtsextremen Arbeiterpartei (Delnická strana) unter Hinweis auf eine unzureichende Beweislage ab. Auf Initiative der Arbeiterpartei entstanden Bürgerwehren, deren Patrouillen sich gegen Roma richteten.
Der Europäische Ausschuss gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) wies in einem Bericht vom September mit Besorgnis auf vermehrte Hassreden gegen Roma im öffentlichen Diskurs sowie auf wiederholte Demonstrationen rechtsextremer Gruppierungen hin. Der Ausschuss empfahl eine rigorose Anwendung von Gesetzen, die rassistisch motivierte Gewalt und Volksverhetzung unter Strafe stellen.
Im Oktober nahm die Polizei acht Personen fest, die unter dem Verdacht standen, im November 2008 Angriffe auf Roma in Havírov verübt zu haben. Der Fall wurde Ende des Jahres vor dem Regionalgericht in Ostrava (Ostrau) verhandelt.
Auch zwei Jahre nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dem zufolge die Tschechische Republik Roma-Kinder durch die Einweisung in Sonderschulen diskriminiert hatte, wurde diese Praxis der Ausgrenzung beibehalten. Ihre Zahl in den Grundschulen und Klassen für Schüler mit "leichten geistigen Behinderungen" oder in gesonderten Regelschulen und -klassen für Roma war nach wie vor unverhältnismäßig hoch, obwohl seit 2005 ein Schulgesetz in Kraft ist, das die Kategorie der "Sonderschulen" für Schüler mit leichten geistigen Behinderungen abgeschafft hat. In diesen Klassen und Schulen war das Bildungsangebot oft schlechter als in den Regelschulen.
Die tschechische NGO "Menschen in Not" (Clovek v tísni) stellte im Februar in einem Bericht fest, dass das Bildungssystem des Landes dazu neige, Schüler mit besonderen Bildungsdefiziten auszugrenzen. Eine vom Erziehungsministerium in Auftrag gegebene und im April veröffentlichte Studie zur Segregation von benachteiligten Kindern kam zu dem Schluss, dass fast die Hälfte der Grundschüler aus Roma-Familien entweder keinen Abschluss erlangten oder in Sonderschulen eingewiesen wurden.
Auch was ihre Wohnsituation anging, hatten Roma weiterhin unter Ausgrenzung zu leiden. In seinem Bericht vom September verzeichnete ECRI keine positiven Entwicklungen zur Lösung dieses Problems und hob das Versäumnis der Regierung hervor, Kommunalbehörden zur Rechenschaft zu ziehen, die das Recht auf angemessenen Wohnraum nicht achteten.
Es gab Schritte in Richtung des Eingeständnisses der Verantwortung für vergangene Zwangssterilisierungen. So äußerte der Ministerpräsident im November sein Bedauern über rechtswidrige Sterilisierungen und forderte den Gesundheitsminister auf, über die Durchsetzung bestehender Verbotsbestimmungen Bericht zu erstatten. Nach Angaben der Vereinigung der durch Zwangssterilisierungen geschädigten Frauen (Spolek ÿzen postiÿzench neoprávnenou sterilizací), einer tschechischen NGO, sind möglicherweise nicht weniger als 100 Frauen gegen ihren Willen sterilisiert worden. Die meisten dieser Zwangssterilisierungen waren zwar in den 1970er und 1980er Jahren durchgeführt worden, der jüngste berichtete Fall ereignete sich jedoch 2007.
Die tschechische Ombudsperson wies in ihrem Bericht vom März darauf hin, dass einige psychiatrische Einrichtungen immer noch Fixierbetten einsetzten, selbst wenn von den Patienten keine Gefahr für sie selbst oder ihre Umgebung ausging. In einigen Fällen waren diese Betten im Inventar der Kliniken aufgeführt. Das Gesundheitsministerium gab im September einen Leitfaden für die Anwendung von Fixierungsmethoden einschließlich des Einsatzes von Betten mit Netzvorrichtung heraus. Der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter hatte 2004 die Empfehlung ausgesprochen, umgehend auf Käfigbetten zu verzichten, sowie so rasch wie möglich Betten mit Netzvorrichtung abzuschaffen, die eingesetzt werden, um emotional stark erregte Patienten oder Heimbewohner unter Kontrolle zu bringen.
Vertreter von Amnesty International besuchten im Februar und April die Tschechische Republik.
Injustice renamed: discrimination in education of Roma persists in Czech Republic (EUR 71/003/2009)
© Amnesty International
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Amnesty International Report 2010 - The State of the World's Human Rights (Periodical Report, English)