Azerbaijan: Media Freedoms in Grave Danger

Eurovision Song Contest ist Schlüsselereignis für Meinungsfreiheit
3. Mai 2012

(Berlin, 3. Mai 2012) - Die Europäische Rundfunkunion (EBU) soll sich im Vorfeld des Eurovision Song Contests gegen Verletzungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung in Aserbaidschan aussprechen, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Videobericht. Der Eurovision Song Contest findet vom 22. bis 26. Mai 2012 in Baku statt. Die EBU, ein Zusammenschluss von Rundfunkanstalten, veranstaltet den Musikwettbewerb.

Am 2. Mai, einem Tag vor dem Internationalen Tag der Pressefreiheit veranstaltete die EBU einen Workshop in Genf zur Medienfreiheit in Aserbaidschan. Die EBU nutzte diese Gelegenheit jedoch nicht, um die Regierung des Landes aufzufordern, zu handeln und sich klar zur massiven Einschränkung der Meinungsfreiheit in Aserbaidschan zu äußern.

„Die schiere Existenz der Rundfunkunion hängt von der Meinungsfreiheit ab“, so Hugh Williamson, Direktor der Abteilung Europa und Zentralasien von Human Rights Watch. „Dass sie sich gestern nicht eindeutig, klar und deutlich zu der sich verschlechternden Lage der Medienfreiheit in Aserbaidschan geäußert hat, stellt ihr Bekenntnis zu diesem Prinzip in Frage.“

Das Video von Human Rights Watch portraitiert Journalisten, Sänger und Menschenrechtsaktivisten, die das rigorose Vorgehen der aserbaidschanischen Regierung gegen die Meinungsfreiheitanklagen. Genauso dokumentiert es, dass die EBU zögert, sich öffentlich gegen diese Entwicklung zu positionieren.

Human Rights Watch wollte das Video auf dem Workshop am 2. Mai zeigen, doch in letzter Minute lehnte die EBU dies ab, mit dem Hinweis auf technische Probleme. Die EBU weigerte sich auch, Videomaterial zu zeigen, das die aserbaidschanische Regierung auf der Veranstaltung vorführen wollte.

Das Human Rights Watch-Video zeigt, wie unabhängige und oppositionelle Journalisten in Aserbaidschan regelmäßig schikaniert, eingeschüchtert und angegriffen werden. In solchen Fällen leitet die Polizei keine angemessenen Ermittlungen ein und bringt die Täter nicht vor Gericht.

Am 18. April, gerade einmal einen Monat, bevor Tausende europäische Journalisten nach Baku kommen und über den Eurovision Song Contest und das heutige Aserbaidschan berichten werden, haben Sicherheitsbeamte des staatlichen Öl-Unternehmens Idrak Abbasov brutal zusammengeschlagen. Der bekannte Journalist hat Zwangsräumungen und die Zerstörung von Wohnungen gefilmt, für die das Öl-Unternehmen verantwortlich ist. Die Beamten haben ihn bewusstlos getreten und geschlagen. Er trug eine Gehirnerschütterung und zahlreiche Blutergüsse davon.

Im März wurde eine Journalistin von Radio Liberty, Khadija Ismailova, Opfer einer massiven Erpressungskampagne. Ein heimlich aufgenommenes Video mit privaten Szenen wurde am 14. März im Internet veröffentlicht. Eine Woche zuvor hatte sie sich geweigert, auf Erpressungsversuche einzugehen und von ihrer kritischen Berichterstattung Abstand zu nehmen. Einen Tag bevor das Video veröffentlicht wurde, griff eine regierungsnahe Zeitung die Journalistin in einem langen Artikel an und kritisierte ihr Privatleben.

Journalisten und Regierungskritiker werden häufig aus zweifelhaften Gründen angeklagt. Die Vorwürfe reichen von angeblicher Erpressung über Steuerhinterziehung bis hin zu Drogenbesitz, der mit langen Gefängnisstrafen geahndet werden kann.

Auch mit anderen Methoden werden Kritiker zum Schweigen gebracht. Journalisten berichten, dass Regierungsbeamte ihre Anzeigenkunden und Druckereien angerufen und unter Druck gesetzt haben, die Zusammenarbeit mit regierungskritischen Medien zu beenden.

Darüber hinaus schränkt die Regierung die Meinungsfreiheit ein, indem sie friedliche Proteste oftmals gewaltsam zerschlägt und gewaltfrei Demonstrierende, Organisatoren oder andere Teilnehmer an den Protesten inhaftiert und verurteilt.

Im März wurden Jamal Ali, der Sänger einer bekannten Band, und der Bassist Natig Kamilov festgenommen, als sie auf einer öffentlichen Demonstration auftraten. Zuvor war es zu einem Handgemenge zwischen ihnen und unbekannten Männern gekommen, nachdem Ali die Regierung mit vulgären Worten kritisiert hatte. Polizisten sollen Ali geschlagenhaben. Die Musiker und einer der Organisatoren der Demonstration wurden nach unangemessenen Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit wegen „Rowdytums“ verurteilt.

Mindestens elf Personen, die im Zuge friedlicher Proteste im April 2011 festgenommen wurden, befinden sich in Haft.

Die EBU hat sich öffentlich dazu verpflichtet, in den Ländern, in denen ihre Mitglieder aktiv sind, für das Recht auf freie Meinungsäußerung einzutreten. Die Generalversammlung der EBU hat 2010 in Baku eine Erklärung über die Meinungsfreiheit, die Unabhängigkeit der Medien und die Demokratieangenommen. In ihr verpflichtet sich die Rundfunkunion, sich für die Meinungsfreiheit einzusetzen, und formuliert eine Reihe von Empfehlungen unter anderen an die aserbaidschanische Regierung, um die Meinungs- und Pressefreiheit zu verbessern.

An dem eintägigen Workshop der EBU in Genf nahmen Vertreter von aserbaidschanischen und internationalen Nichtregierungsorganisationen sowie Mitarbeiter von Internationalen Regierungsorganisationen wie dem Europarat teil. Zudem waren einge aserbaidschanische Regierungsvertreter anwesend, unter der Leitung von Ali Hasanov, einem leitendem Beamten der Präsidialverwaltung. Zudem nahmen Vertreter von Ictimai TV, Aserbaidschans öffentlichem Fernsehen teil, das auch die gastgebende Rundfunkanstalt für den Eurovision Song Contest ist.

„Es ist enttäuschend, dass die EBU ihre eigene Veranstaltung zur Medienfreiheit nicht genutzt hat, um sich klar und öffentlich zu der massiven Einschränkung der Medienfreiheit in Aserbaidschan zu äußern“, sagt Williamson. „Kurz bevor die Welt ihre Aufmerksamkeit auf den Eurovision Song Contest in Baku lenkt, wäre dies die beste Möglichkeit gewesen, um sich klar zur schlechten Menschenrechtslage in Aserbaidschan zu äußern.“

Associated documents