a-5966-4 (ACC-IRN-5969)
Nach einer Recherche in unserer Länderdokumentation und im Internet können wir Ihnen zu oben genannter Fragestellung Materialien zur Verfügung stellen, die unter anderem folgende Informationen enthalten:
Ist ein im Ausland geschiedenes iranisches Ehepaar nun auch nach islamischem iranischem Recht geschieden?
Das Oberlandesgericht Stuttgart hält in einem Informationsblatt vom 1. März 2005 fest:
„C) Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile in der Heimat
Ein ausländisches Scheidungsurteil eines iranischen Staatsangehörigen muss zur Wirksamkeit für den iranischen Rechtsbereich durch die zuständige iranische Behörde registriert werden, wenn die Ehe nach iranischem Recht gültig war. Bei einer im Ausland geschlossenen Ehe ist dies dann der Fall, wenn diese durch die iranischen Behörden registriert wurde.
Zum Nachweis der Wirksamkeit des ausländischen Scheidungsurteils im Iran ist daher ein urkundlicher Nachweis über die Scheidungsregistrierung im Original mit Legislation (*) und einer vollständigen Übersetzung in die deutsche Sprache vorzulegen.“ (Oberlandesgericht Stuttgart, 1. März 2005)
In einem Expose zum Thema „Die Anerkennung von Zivilurteilen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Islamischen Republik Iran“, vorgelegt von Marjan Heydari im September 2005, heißt es (teilweise unter Bezugnahme auf eine Auskunft des iranischen Außenministeriums aus dem Jahr 1988):
„In Bezug auf die Ehesachen sieht das iranische Recht grundsätzlich die Scheidung durch Verstoßung (talâq) der Frau seitens des Mannes vor (Art. 1133- 1149 iran.ZGB). Die Frau kann hingegen die Scheidung verlangen, wenn die Aufrechterhaltung der Ehe für sie eine Härte bedeutet und sie sich schuldig macht (Art. 1130 iran.ZGB). Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ist ein bestimmtes förmliches Verfahren einzuhalten. In diesem Fall wird der Mann zum Ausspruch der Verstoßung vom zivilen Sondergericht, vor dem die Frau auf Scheidung klagen muss, angehalten. Weigert sich der Mann, die Anordnung des Gerichts zu befolgen und die Frau zu verstoßen, wird die Ehe durch Urteil geschieden. Die Scheidung wird jedoch nicht vom zivilen Sondergericht, sondern vom Sharia- Richter ausgesprochen (Art. 1130 S. 2 iran.ZGB). Man geht davon aus, dass dem Scheidungsstatut nur die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Scheidungen zu entnehmen sind, die Frage, wie die Scheidung durchgeführt wird, sich aber nach der verfahrensrechtlichen lex fori richtet, so sind das iranische Scheidungsrecht und das deutsche Verfahrensrecht ohne weiteres miteinander zu vereinbaren.
Ausländische Scheidungen werden anerkannt, wenn sie den iranischen Gesetzen entsprechen. Erforderlich ist, dass die ausländische Ehescheidung dem zuständigen iranischen Konsulat oder dem zum Ausspruch der Scheidung zuständigen iranischen Notariat zur Eintragung vorgelegt wird. Diese Eintragung gewährleistet die Anerkennung. Dazu teilte das iranische Außenministerium, Abteilung für Ausweise und Personalien mit:
1. Die Eheschließung von iranischen Staatsangehörigen im Ausland ist nur dann anerkannt, wenn die Ehe in einer der iranischen Vertretungen registriert wird.
2. a) wenn einer der Ehepartner gestorben ist, kann die Ehe mit Genehmigung der iranischen Justizbehörden registriert werden. b) Falls einer der Ehepartner sich weigert, zur Registrierung der Ehe die zuständigen Stellen der Islamischen Republik aufzusuchen, so kann die Eheschließung mit Genehmigung eines iranischen Gerichts registriert werden. c) Wenn die Ehefrau Moslemin und Iranerin ist, und der Ehegatte Bundesdeutscher , der nicht bereit ist, Moslem zu werden, so kann solche Eheschließung nicht registriert werden. Eine solche Eheschließung ist nichtig und ungültig.
3. Ein von deutschen Gerichten gefälltes Scheidungsurteil, falls dagegen von einem oder beiden Partner(n) innerhalb eines Monats ab Zustellungsdatum kein Widerspruch erhoben wird, ist gültig. Die Scheidung kann in Anwesenheit beider Partner registriert werden.
4. Die Ehe- und Scheidungsregistrierung kann direkt unter Berücksichtigung der betreffenden Vorschriften in den zuständigen iranischen Stellen vorgenommen werden.“ (Heydari Marjan, 26. September 2005, S. 24-26)
In einem bereits etwas älteren Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes (BGH) vom 6. Oktober 2004 heißt es:
“Im übrigen ist - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - weder ersichtlich, daß die Islamische Republik Iran eine ausschließliche internationale Zuständigkeit für Ehesachen ihrer im Ausland lebenden Staatsangehörigen beansprucht (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Iran III A 4; Finger FuR 1999, 215, 217; Jayme IPrax 1988, 367), noch erscheint eine Anerkennung der deutschen Entscheidung aus anderen Gründen offensichtlich ausgeschlossen (vgl. MünchKomm-ZPO/Bernreuther 2. Aufl. § 606 a Rdn. 80 m.w.N.).
aa) Insoweit kann dahinstehen, ob die (einen Teil des Gesetzestextes bildende) Anmerkung zu Art. 7 des iranischen Gesetzes über den Schutz der Familie vom 12. Februar 1975 (deutsche Übersetzung bei Bergmann/Ferid aaO III B 3a), derzufolge im Ausland wohnende iranische Staatsangehörige wegen einer "Familienstreitigkeit" auch das Gericht ihres Wohnortes anrufen können, nach der islamischen Revolution noch uneingeschränkt weitergilt, insbesondere soweit es sich um einen Scheidungsantrag der schiitischen Ehefrau handelt (vgl. Bergmann/Ferid aaO III A 1c und III B 3a Fn. 1; Finger aaO S. 218; ausführlich Elwan in: Steinbach/Robert [Hrsg.], Der Nahe und mittlere Osten, Opladen 1988; ders. IPrax 1994, 282, 283 ff.; IPRG [Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht] 1998, 334, 340; zuletzt Safa'i, zitiert bei Haars in: Iranian Family and Succession Laws and their Application in German Courts [2004] S. 97, 98).
bb) Jedenfalls kann ein in Deutschland ergangenes rechtskräftiges Scheidungsurteil, sofern es auf der Anwendung iranischen Sachrechts beruht (vgl. Finger aaO S. 217; MünchKomm-ZPO/Bernreuther aaO § 606 a Rdn. 80), beim zuständigen iranischen Konsulat registriert und im Iran anerkannt werden (vgl. Pournouri in: Iranian Family and Succession Laws and their Application in German Courts aaO S. 129, 137; IPRG 1998, 334, 348), zumindest dann, wenn keine der Parteien innerhalb eines Monats ab Zustellung der Entscheidung Widerspruch einlegt und das Zivile Sondergericht der Stadt Teheran zwecks Überprüfung der Beachtung iranischen Rechts anruft (vgl. Ziffer 3 des Schreibens des iranischen Außenministeriums vom 28. April 1988 an die deutsche Botschaft in Teheran sowie Rundschreiben des Iranischen Generalkonsulats in Hamburg, abgedruckt bei Bergmann/Ferid aaO III A 4 Fn. 8a und III B 3b Fn. 7; Finger aaO S. 217; zur vorrevolutionären Rechtspraxis im Iran vgl. auch Krüger FamRZ 1972, 545, 547)
Eine das Revisionsgericht möglicherweise bindende entgegenstehende Feststellung der ausländischen Rechtspraxis enthält die angefochtene Entscheidung nicht. Soweit sie darauf verweist, nach der eingeholten Auskunft der Botschaft der Deutschen Bundesrepublik in Teheran vom 2. August 1998 sei die Anerkennung der Scheidung der Ehe zweier iranischer Staatsangehöriger "nur" möglich, wenn beide Ehegatten auf die Scheidung angetragen hätten, enthält die eingeholte Auskunft diese Einschränkung gerade nicht, sondern weist lediglich darauf hin, daß grundsätzlich eine Anerkennung möglich sei, wenn die genannte Voraussetzung erfüllt ist.“ (BGH, 6. Oktober 2004)
Das iranische Konsulat in Frankfurt am Main/Deutschland nennt folgende für eine Ehescheidung erforderlichen Dokumente:
„· Schriftlicher Antrag des Ehepaares auf die Scheidungseintragung [...]
· Das Ehepaar sollte persönlich im Konsulat erscheinen
· Vorlage der neuen iranischen Kennkarte (von Mann und Frau)
· Scheidungsurteil (Original): Dieses sollte von einem Öffentlichen Gericht ausgestellt und übersetzt sein (dreifache Kopien).
· Religiöse Scheidungsurkunde: Diese kann bei dem Islamischen Zentrum in Hamburg oder von einem bekannten Islamischen Zentrum in Frankfurt ausgestellt sein.
· Heiratsurkunde (Original) dreifache Kopien
· Zwei Zeugen: Die Zeugen sollten ihre Kennkarte oder ihre Pässe vorlegen
· Zwei Lichtbilder beider Parteien
· Uberweisung von 14,-EUR Scheidungsgebühr auf die Konto-Nr.:103960 bei der Frankfurter Sparkasse, BLZ: 500 502 01“ (Generalkonsulat der Islamischen Republik Iran in Frankfurt, kein Datum angegeben)
In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Materialien konnten im Rahmen einer zeitlich begrenzten Recherche keine weiteren bzw. aktuelleren Informationen zu obiger Fragestellung gefunden werden.
Würden iranische Behörden einer Frau die Scheidung im Westen unter dem Stichwort Verweltlichung, Werteverfall vorwerfen?
In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Materialien konnten im Rahmen einer zeitlich begrenzten Recherche keine Informationen darüber gefunden werden, ob iranische Behörden einer Frau die Scheidung im Westen vorwerfen würden.
Würden iranische Behörden einer im Ausland geschiedenen iranischen Frau das Kind wegnehmen oder sie bei der Rückkehr zwingen, nach iranischem Recht wieder mit ihrem Mann zusammen zu leben?
[Textpassage entfernt]
Das US Department of State (USDOS) macht in seinem Jahresbericht zur Menschenrechtslage für 2006, veröffentlicht am 6. März 2007, folgende Angaben zur Regelung der Obsorge nach einer Scheidung:
“A widely used model marriage contract limits privileges accorded to men by custom, and traditional interpretations of Islamic law recognize a divorced woman's right to a share in the property that couples acquire during their marriage and to increased alimony. In 2002 the law was revised to make adjudication of cases in which women demand divorces less arbitrary and costly. Women who remarry are forced to give the child's father custody of children from earlier marriages. However, the law granted custody of minor children to the mother in certain divorce cases in which the father was proven unfit to care for the child. In 2003 the government amended the existing child custody law to give a mother preference in custody for children up to seven years of age (previously she only had preference for sons up to age two); thereafter, the father had custody. After the age of seven, in disputed cases custody of the child was to be determined by the court.” (USDOS, 6. März 2007, Sektion 5 – Women)
Zur iranischen Sorgerechtsregelung im Fall einer Scheidung finden sich die folgenden Informationen in einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 2. August 2006:
„Nach einer Scheidung haben Mütter das Recht, ihre Kinder bis zum siebten Lebensjahr bei sich zu behalten. Danach kommen die Kinder in die Obhut des Vaters. Wenn die Frau erneut heiratet, muss sie auch unter siebenjährige Kinder dem Vater oder seiner Familie übergeben. Es ist zwar rechtlich vorgesehen, dass die Mutter das Sorgerecht erhalten kann, zum Beispiel wenn sie nachweisen kann, dass der Vater die Kinder körperlich oder sexuell misshandelt. In der Praxis sind die Chancen einer Frau auch in diesem Falle äusserst gering, das dauerhafte Sorgerecht für ihre mehr als sieben Jahre alten Kinder zu erhalten.“ (SFH, 2. August 2006, S. 6)
Weiters schreibt die SFH, für allein stehende oder geschiedene Frauen sei es auch bei guter Ausbildung schwer, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Darüber hinaus seien geschiedene Frauen einer enormen sozialen Stigmatisierung ausgesetzt:
„5.1.3 Alleinstehende Frauen
Für alleinstehende oder geschiedene Frauen ist es auch bei guter Ausbildung äusserst schwer, ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Die meisten Frauen haben viel zu wenig Geld, um eine eigene Wohnung zu mieten. Aber auch Frauen, die von ihrer Familie in ausreichendem Masse unterstützt werden, haben wegen moralischer Bedenken der Hausbesitzer kaum eine Chance, eine Wohnung zu mieten. Besonders geschiedene Frauen sind einer enormen sozialen Stigmatisierung ausgesetzt.“ (SFH, 2. August, 2006, S. 7)
Laut einem Bericht der UN-Sonderberichterstatterin zu Gewalt gegen Frauen vom Jänner 2006 würde das iranische Sorgerecht Männer bevorzugen:
“Child custody
47. Child custody laws also favour men over women. In principle, both the physical custody (hezanat) and the legal guardianship (velayat) of the child belong to the father. While, under certain circumstances, women are granted physical custody, legal guardianship, which includes the authority over decisions regarding the child’s well-being, is almost exclusively given to the father. Following a divorce, physical custody was until recently granted to the mother until age 7 for girls and age 2 for boys. In 2003, the law was changed to allow both children to remain with the mother till age 7, custody is then automatically transferred to the father, or if he is absent or incapable, to another male in his family. If the mother remarries, the physical custody then shifts to the father. Women who have been subjected to violence frequently do not want to risk losing their children and, when faced with such a possibility, they often feel they have no choice but to remain in a relationship with a violent partner.” (UN Human Rights Council, 27. Jänner 2006, S. 14)
Diese Informationen beruhen auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen. Diese Antwort stellt keine Meinung zum Inhalt eines bestimmten Ansuchens um Asyl oder anderen internationalen Schutz dar. Wir empfehlen, die verwendeten Materialien zur Gänze durchzusehen.
Quellen:
Anerkennung einer im Ausland geschiedenen Ehe im Iran
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Heydari Marjan: Expose zum Thema Die Anerkennung von Zivilurteilen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Islamischen Republik Iran, 26. September 2005 (veröffentlicht auf Katholischer Akademischer Ausländer-Dienst)
http://www.kaad.de/Boerse/Projekte/Expose_Heydari.pdf (Zugriff am 10. März 2008)
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Folgen der Ehescheidung; Sorgerecht
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UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights): Report of the Special Rapporteur on violence against women, its causes and consequences; Mission to the Islamic Republic of Iran; Addendum [E/CN.4/2006/61/Add.3], 27. Jänner 2006 (veröffentlicht auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/227_tmpphpI5UbnU.pdf (Zugriff am 10. März 2008)
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