Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Informationen zu Überfällen der Kuchis auf den Distrikt Behsud, Provinz Wardak, im Jahr 2010; Informationen zur Kontrolle im Distrikt Behsud (Zentralregierung oder Aufständische?) [a-9029]

30. Jänner 2015
 

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Informationen zu Überfällen der Kuchis auf den Distrikt Behsud, Provinz Wardak, im Jahr 2010

Fabrizio Foschini vom Afghanistan Analysts Network (AAN), einer unabhängigen, gemeinnützigen Forschungsorganisation mit Hauptsitz in Kabul, erklärt in einem Bericht vom November 2013, dass der Zugang für Nomaden zum Hazaradschat (traditionelles Hauptsiedlungsgebiet der Hazara in Zentralafghanistan, Anm. ACCORD) nach 2001 zu einer Triebfeder für ethnische Spannungen und politische Propaganda geworden sei. Seinen jährlichen Höhepunkt erreiche das Problem in den Monaten Mai und Juni, wenn sich die Nomaden dem Hochland nähern würden. Die ersten Vorfälle in Bezug auf den Zugang zu Weideflächen und Wasserressourcen seien im Jahr 2004 aus Dschaghatu (Ghazni) und Behsud (Wardak) berichtet worden. Seit 2007 würden Spannungen oftmals in offene Gewalt umschlagen, da die Kuchis begonnen hätten, in einer zunehmend aggressiven und militarisierten Art und Weise ins Hazaradschat zu drängen. Obwohl die Weideflächen, an denen die Kuchis vor allem interessiert seien, im Inneren des Hazaradschat liegen würden, würden die Auseinandersetzungen üblicherweise in den ersten von Hazara bewohnten Distrikten stattfinden, auf die die Kuchis bei ihrem Zug durch die Provinz Wardak treffen würden: Daimirdad und Behsud. Diese Auseinandersetzungen würden in den Medien deshalb häufig als „Behsud-Konflikt“ bezeichnet.

Im Frühling 2010 hätten viele bewaffnete Nomaden in diesen Distrikten Hazara-Siedlungen angegriffen und dadurch eine großen Abwanderung der dort ansässigen Bevölkerung ausgelöst. Zwischen 500 und 1.000 gut ausgerüstete Kuchi-Kämpfer seien in die nördliche, von Hazara bewohnte Hälfte von Daimirdad eingedrungen, woraufhin die meisten lokalen BewohnerInnen das Gebiet verlassen hätten. Selbst nachdem ein Waffenstillstand vereinbart worden sei, seien Kuchi-Kämpfer noch mehrere Wochen in dem Gebiet geblieben, bevor sie eingewilligt hätten, sich zurückzuziehen. Insgesamt seien mehr als 2.500 Familien vertrieben worden. In ihrer Abwesenheit sei das Eigentum vieler BewohnerInnen geplündert worden und die Jahresernte sei verloren gewesen:

„After 2001, the issue of nomad access to Hazarajat became a driver of ethnic tension and political propaganda in Afghanistan. Its yearly climax is in the months of May and June, when nomads approach the highlands. The first incidents over access to pastures and water sources were reported in 2004 in Jaghatu (Ghazni) and Behsud (Wardak), and the first lives claimed. Since 2007, tension has often broken into open conflict, as the Kuchis have started pushing on the borders of Hazarajat in an increasingly aggressive and militarised way. Although the pastures that the Kuchis are mainly interested in lie well inside Hazarajat, the confrontation usually takes place in the first Hazara-inhabited districts encountered by the Kuchis in their migration through Wardak province: Daimirdad and Behsud – often called the ‘Behsud conflict' in the press. […]

In the spring of 2010, for example, many armed nomads attacked Hazara settlements in these districts, triggering a large exodus of the settled population. Between 500 and 1,000 well-armed Kuchi fighters entered the northern, Hazara-inhabited half of Daimirdad. Most of the local population left the area. Even after a ceasefire was reached, Kuchi fighters remained for several weeks before accepting to withdraw. Altogether, more than 2,500 families were displaced, mainly to Kabul. Upon returning, many found their property looted. Their long absence from the fields also meant that the year’s harvest was lost.” (Foschini, 28. November 2013, S. 18-19)

Der im Mai 2012 veröffentlichte Bericht der dänischen Einwanderungsbehörde (Danish Immigration Service, DIS) zu einer Fact-Finding-Mission nach Kabul vom 25. Februar bis 4. März 2012 beinhaltet ein Kapitel über den Konflikt zwischen Kuchis und Hazara, in dem verschiedene Quellen zitiert werden.

Laut der Afghanischen Menschenrechtskommission (Afghan Independent Human Rights Commission, AIHRC) handle es sich bei dem Konflikt zwischen Kuchis und Hazara um einen Konflikt zwischen zwei ethnischen Gruppen, dessen Wurzeln zurück in das Jahr 1887 reichen würden. Der Konflikt sei von 2007 bis 2010 jedes Jahr ausgebrochen, 2011 sei es allerdings zu weniger Auseinandersetzungen gekommen. Laut AIHRC habe der Konflikt in den Distrikten Hisa-I-Awali Bihsud, Markazi Bihsud und Day Mirdad (Provinz Wardak) sowie im Distrikt Nawur (Provinz Ghazni) zu Zerstörungen geführt. Dörfer seien niedergebrannt und 2.000 Hazara-Familien vertrieben worden. Es gebe Behauptungen, wonach die Taliban die Kuchis unterstützt hätten. Diese Behauptungen seien jedoch nicht belegt. Fest stehe allerdings, dass die Kuchis bewaffnet seien.

Dem Hohen Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) zufolge sei der Konflikt zwischen Kuchis und Hazara im Prinzip ein geographisch isolierter Konflikt zwischen zwei Gemeinschaften, bei dem es um lokale Ressourcen gehe. Zwar hätten sich die letzten Vorfälle im Jahr 2010 ereignet, doch sei der Konflikt weiterhin ungelöst.

Die Civil Society and Human Rights Organization (CSHRO), ein Netzwerk aus zivilgesellschaftlichen und Menschenrechtsorganisationen, habe angegeben, dass der Konflikt zwischen Kuchis und Hazara die größte Herausforderung im Gebiet Maydan Wardak darstelle. Laut CSHRO seien die Kuchis bewaffnet und hätten mit Unterstützung der Taliban Angriffe ausgeführt. In den letzten Jahren sei es zu Auseinandersetzungen in den beiden Behsud genannten Distrikten der Provinz Wardak und im Distrikt Nawur der Provinz Ghazni gekommen. Bei dem Konflikt zwischen Kuchis und Hazara handle es sich um einen saisonalen Konflikt, der jedes Jahr im Frühling ausbreche, wenn Hirten Weideland in den betroffenen Distrikten benötigen würden. CSHRO zufolge sei es 2011 zu keinen größeren Kämpfen gekommen, 2010 allerdings seien bei gewaltsamen Zusammenstößen eine große Anzahl an Häusern niedergebrannt und viele Hazara vertrieben worden. Außerdem hätten viele Familien ihr Eigentum verloren:

„AIHRC [Afghan Independent Human Rights Commission] emphasized that the KuchiHazara conflict is a very sensitive issue as it is a conflict between two ethnic groups and it is a conflict which has roots back in 1887 after the massacre of Hazaras and the King’s policy to contain them. The conflict erupted each year from 2007 up to 2010, but in 2011 there have been fewer disputes.

According to AIHRC, the conflict has been destructive in HisaIAwali Bihsud, Markazi Bihsud and Day Mirdad districts in Wardak province and Nawur district in Ghazni. Villages have been burned and 2,000 Hazara families have left the area. Most of the families have settled in Kabul, some have moved to Mazar, while others have left the country. According to AIHRC, there have been allegations that the Taliban have supported the Kuchis, but it has not been documented. However, it is a fact that the Kuchis have been armed.

UNHCR stated that the conflict between Kuchis and Hazaras is in principle a geographically isolated conflict between two communities over local resources. The last incidents were in 2010, and in 2011 there were no violent attacks reported. However, the conflict remains unresolved. […]

CSHRO [Civil Society and Human Rights Organization] stated that the biggest challenge in the central region (Maydan Wardak area) today is the dispute between the Hazaras and Kuchis. According to CSHRO, the Kuchis are armed and they have attacked people with the support of Taliban. Kuchis have caused disputes in the two Behsud districts in Wardak province and in Nawur district in Ghazni in recent years.

According to CSHRO, the KuchiHazara dispute is a seasonal conflict which arises in the spring each year where herdsmen need pastures in the involved districts. CSHRO mentioned that while there were violent clashes between Hazaras and Kuchis in 2010, no major clashes took place in 2011. As a result of the 2010 clashes, a large number of houses were burned, many families lost their properties, and many Hazaras moved to neighbouring districts in Bamyan.” (DIS, 29. Mai 2012, S. 46)

In einem im Mai 2010 veröffentlichten Artikel über den Konflikt zwischen Kuchis und Hazara im Jahr 2010 schreibt Fabrizio Foschini, dass das Problem weder neu noch unerwartet aufgetreten sei. Allerdings sei der Level der Gewalt von 2010, zumindest seit 2001, nur selten erreicht worden. Berichten zufolge seien bei Kämpfen am 15. und 16. Mai 2010 in Daimirdad acht Hazara und zwei Kuchis getötet worden, während die Zahl der vertriebenen Personen in den vergangenen Tagen ständig zugenommen habe. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels belaufe sich die Zahl der Vertriebenen auf 1.958 Familien, wovon fast 1.000 aus Daimirdad kommen würden.

Weil sich die Gewalt ausbreite, hätten Personen aus den nördlich gelegenen Tälern Daimirdads begonnen, in die benachbarten Distrikte Behsud 1 und 2 zu fliehen, und von dort aus weiter nach Kabul. Einige wenige Familien seien in die Provinz Bamiyan geflüchtet, während viele andere vertriebene Familien aus Behsud 1 und 2 sich in sicherere Gebiete der Distrikte begeben hätten.

Foschini berichtet weiters, dass eine von der Regierung entsendete hochrangige Kommission am 18. Mai 2010 die Provinz Wardak erreicht und eine Vereinbarung ausgearbeitet habe, die den Rückzug der Kuchis aus Daimirdad und die Rückkehr der vertriebenen Personen vorgesehen habe. Doch selbst dieses provisorische Übereinkommen sei von den Kuchis nicht eingehalten worden. Die Kuchis würden nicht nur ihre territorialen Gewinne nicht aufgeben, sondern hätten Berichten zufolge am 21. Mai 2010 auch den an der Grenze zwischen Daimirdad und Behsud 1 gelegenen Dschawqul-Pass sowie das Dorf Chaharpaskha in Behsud 2 eingenommen:

„The issue is definitely not new or unexpected, especially at this time of year, when Kuchis grazing animals head for higher pastures. However, the level of violence witnessed this year had rarely been reached, at least since 2001. Reportedly eight local Hazaras residents and two Kuchis have been killed in the fighting of 15 and 16 May in Daimirdad while numbers of displaced persons have been rising steadily in past days. Currently, they reach a total of 1,958 families, almost 1,000 of which from Daimirdad. This last number could well match the claim made by locals that the majority of the Hazara population of the district, estimated at around 12,000 persons, had to flee their homes. […]

As violence spread, people from the northern valleys of Daimirdad started to move hurriedly to the neighbouring districts of Behsud 1 and 2, and from there to Kabul. In the following days most of them reached the capital travelling in often desperate conditions, the swiftness of their flight causing a complete lack of food provisions or clothes. They are currently settled in West Kabul, especially around Dasht-e Barchi and Dehburi, partly with relatives and partly hosted in mosques or squatting in open air. Few families reached Bamian, while at the same time many others displaced households from Behsud 1 and 2 retreated to safer areas of those districts. […]

Then, as the verbal conflict in the Wolesi Jirga between Hazara and Kuchi leaders rose to dangerous heights, the government was quick to recognize the need for a high-level commission to be sent. Headed by Second Vice-President Karim Khalili, Minister of Interior Muhammad Hanif Atmar, Chief of Staff Omar Daudzai and the powerful Kuchi leader, former Talib commander and Guantanamo detainee Haji Naim, the commission reached Wardak province on 18 May, and worked out an agreement to the effect that Kuchis were to withdraw from Daimirdad area and allow the return of displaced persons. Even this very provisional accord, representing more a cease-fire than an attempt at solving the problem, has not being respected by the Kuchis, who not only avoid relinquishing their territorial gains, but on 21 May moved on to occupy the pass of Jawqul at the border between Daimirdad and Behsud 1 and the village of Chaharpaskha inside Behsud 2 district, according to reports from the area.” (Foschini, 27. Mai 2010)

Im Mai 2010 stellt UNHCR eine Landkarte zur Vertreibung aus den Distrikten bzw. innerhalb der Distrikte Bihsud und Day Mirdad (Stand: 24. Mai 2010) zur Verfügung. Unterhalb der Karte wird erwähnt, dass Berichten zufolge 708 Familien aus den Dörfern/Siedlungen Sar-e-Tanoor, Sar-e-Tala, Charpakhsa, Dasht-e-Abdul Khaliq, Dahan-e-Garmab und Shar-e-Niro im Distrikt Hisa-I-Awali Bihsud (Behsood I) vertrieben worden seien. Von diesen Familien seien 400 in sicherere, südlicher gelegene Gebiete des Distrikts, rund 308 nach Kabul und fünf nach Bamiyan geflohen.

Darüber hinaus seien 300 Familien aus den Dörfern/Siedlungen Kadschab-e-bala, Mir Hazara und Bad Asya im Distrikt Markazi Bihsud (Behsood II) vertrieben worden. Alle Familien seien in sicherere Dörfer im Süden und Westen des im Distrikt gelegenen Kadschab-Tals geflohen:

„708 families originally from Sar-e-Tanoor, Sar-e-Tala, Charpakhsa, Dasht-e-Abdul Khaliq, Dahan-e-Garmab & Shar-e-Niro villages/settlements of Hisa-I- Awali Bihsud (Behsood I) district were reported as displaced. Of which, 400 families fled to safer southern areas within the district (mainly to Sia Sang, Jamil, Awdila & Dan-e-Tanor villages/settlements) and an approximately 308 families to Kabul city (Dasht-e-Barchi) and 5 families to Bamyan

300 families originally from Kajab-e-bala, Mir Hazara & Bad Asya villages/settlements of Markazi Bihsud (Behsood II) district were displaced.

All of the families were fled to safer villages in south and west of Kajab valley within the district (mainly to Paye-e Kotal-e-Mollah Yaqob and surrounding villages and Moshak Valley)” (UNHCR, 24. Mai 2010)

Laut einem Bericht des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, UNOCHA) vom Juli 2010 habe UNHCR am 17. Mai 2010 berichtet, dass zwischen Kuchi-Hirten und Hazara-Bauern in den Distrikten Behsud I, Behsud II und Daimirdad in der Provinz Wardak Kämpfe ausgebrochen seien. In diesem Zusammenhang habe es drei Tote und drei Verletzte gegeben und sechs Menschen seien verschleppt worden. Am 25. Mai 2010 seien bereits 1.958 Familien vertrieben gewesen. Ende Mai 2010 hätten sich die Kuchis Berichten zufolge nach von der Regierung vermittelten Verhandlungen zurückgezogen:

„On 17 May, UNHCR reported that an outbreak of conflict between Kuchi herders and Hazara farmers in Behsud I, Behsufd II, and Daimirdad districts in Wardak province resulted in three deaths, three injuries, and six abductions. ANA [Afghan National Army] and ANP [Afghan National Police] were deployed to the area; on 18 May UNHCR reported that there had been a pause in the fighting. As of 25 May a total of 1,958 families were displaced; food for 1,200 was distributed (by ANDMA [Afghanistan National Disaster Management Authority]) and distribution of UNHCR NFIs [Non-Food Items] to 1,000 households started on 25 May. In late May, it was reported that the Kuchis had withdrawn following negotiations brokered by the government; a resumption of the conflict is not expected this year.” (UNOCHA, 8. Juli 2010, S. 3)

Die in den USA ansässige Online-Nachrichtenagentur GlobalPost führt in einem Artikel vom Juni 2010 an, dass die saisonalen Auseinandersetzungen zwischen den Kuchis und Hazara fast immer in Gewalt umschlagen würden. Im Jahr 2010 seien bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels laut Angaben des afghanischen Innenministeriums fünf Hazara getötet, zwischen 30 und 50 Personen verletzt, mehrere Häuser niedergebrannt und hunderte Familien vertrieben worden. Darüber hinaus seien vier Kuchis verschwunden. Lokale BewohnerInnen würden allerdings angeben, dass die tatsächlichen Zahlen weit höher liegen würden. Die Konfliktzone, so der Artikel weiter, umfasse die Distrikte Behsud und Daimerdad in der Provinz Wardak:

„The seasonal clashes between the two groups almost always escalate to violence; so far this year, according to the Ministry of the Interior, five Hazaras have been killed, four Kuchis have disappeared, between 30 and 50 people have been injured, several houses have been burned and hundreds of families have been displaced. Local residents say the actual figures are much higher. The conflict zone encompasses Behsud and Daimerdad districts of Wardak, a province nestled right up against the capital, Kabul. Demonstrations have broken out in Kabul and several other provinces; a group of Hazaras even held a protest in London.” (GlobalPost, 1. Juni 2010)

Das US-amerikanische Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Länderbericht zur Menschenrechtslage vom April 2011 (Berichtszeitraum 2010), dass hochrangige Regierungsbeamte in der Provinz Wardak am 8. April 2010 eine Beilegung des 30 Jahre alten Landkonflikts zwischen Kuchi und Hazara ausgehandelt hätten. Am 19. Mai 2010 sei es jedoch zu Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen gekommen:

„Long-standing disputes between the Kuchis (nomads) and Hazaras escalated during the year. In April tensions with Kuchis flared in Baraki Barak, Logar Province. Villagers claimed that the Kuchis allowed their animals to graze too close to the settled areas. At least one person was killed in the fighting. On April 8 in Wardak Province, senior government officials negotiated a settlement of a 30-year-old land dispute between the Hazaras and the Kuchis, but on May 19, Hazaras and Kuchis fought over land disputes.” (USDOS, 8. April 2011, Section 6)

In einem im Juni 2012 veröffentlichten Gastbeitrag für die afghanische Nachrichtenwebsite Wahdat News schreibt Abbas Daiyar, Mitarbeiter der afghanischen Tageszeitung Daily Outlook Afghanistan, dass es den Kuchis laut Gesetz erlaubt sei, Kleinwaffen als Teil ihrer traditionellen nomadischen Lebensweise zu besitzen. Dies habe jedes Jahr zu mehreren bewaffneten Auseinandersetzungen mit Dutzenden Todesopfern geführt. Wie der Artikel anführt, sei es der Regierung nicht gelungen, eine dauerhafte Lösung des Problems zu finden. Im Jahr 2010 hätten die US-amerikanischen Truppen in der Provinz Maidan Wardak Kuchi-Familien Hilfe zukommen lassen, um sie davon abzuhalten, die Weideflächen in den Distrikten Behsud und Daimirdad aufzusuchen, und um Gewalt zu verhindern. Dies sei eine vorübergehende Lösung gewesen, jedoch sei später trotzdem Gewalt ausgebrochen:

„Under law, Kuchis are allowed to keep small arms as part of their traditional nomadic lifestyle. It has caused several armed clashes resulting in death of dozens every year. The Government has failed to find a permanent resolution to the issue. […] In 2010, the US Forces in Maidan Wardak province distributed aid to Kuchi families to stop them from going to the grazing lands of Behsud and Daimirdad. The move was aimed at avoiding the clash and violence. It was a temporary solution and even then violence erupted later.” (Wahdat News, 7. Juni 2012)

In einem Bericht der unabhängigen Forschungseinrichtung Afghanistan Research and Evaluation Unit (AREU) vom Jänner 2012 geht die britische Afghanistan-Spezialistin Emily Winterbotham auf die Wahrnehmung von Kuchis durch von ihr befragte Hazara ein. Laut Winterbotham gebe es den weitverbreiteten Glauben, dass die Kuchis bei ihrer Entscheidung, sich in Hazara-Gebiete zu begeben und dort ihr Vieh grasen zu lassen, Unterstützung von den Taliban erhalten hätten. Zusammenstöße zwischen den Kuchis und Hazara im Jahr 2010, vor allem in Behsud und Daymerdad, hätten der Hazara-Bevölkerung in der Provinz Bamiyan Sorgen bereitet:

„Hazaras interviewed had the perception that the Kuchis have adopted a more political angle to their migration patterns. There was the widespread belief that they have been receiving Taliban support in choosing to migrate to Hazara areas and grazing their livestock on their land. Clashes in 2010 between the Kuchis and Hazaras, largely in Behsud and Daymerdad of Wardak Province, caused concern among Hazara populations in Bamiyan.” (AREU, 9. Jänner 2012, S. 81)

Informationen zur Kontrolle im Distrikt Behsud (Zentralregierung oder Aufständische?)

Eine detaillierte Landkarte der Provinz Wardak, in der beide Behsud genannten Distrikte gelegen sind, findet sich unter folgendem Link:

·      UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs: Wardak Province – Reference Map, 19. Februar 2014

http://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/Wardak_Province_Reference_Map_DD_20140209FEB09_A0.pdf

 

Das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo zitiert in einem älteren, im November 2011 veröffentlichten Bericht über den Konflikt zwischen Hazara und Kuchis eine E-Mail-Auskunft der norwegischen Botschaft in Afghanistan vom Juli 2008, der zufolge rund 500.000 bis 600.000 Menschen in der Provinz Wardak leben würden. Die Hazara würden 30 Prozent der Gesamtbevölkerung der Provinz ausmachen und vor allen im Nordwesten Wardaks, darunter in den Behsud-Distrikten, leben. Die Paschtunen, die rund 60 Prozent der Bevölkerung ausmachen würden, würden in den südlich und östlich gelegenen Gebieten leben:

„Approximately 5-600,000 people live in Wardak province. The Hazaras make up about 30% of the population. They mainly live in the north-western part of the province, which includes the Behsud districts. The Pasthuns, who constitute about 60% of the population, live in the southern and eastern areas (Norwegian Embassy in Afghanistan, email July 2008).” (Landinfo, 1. November 2011, S. 4)

Derselbe Bericht erwähnt, dass die Entwicklung der allgemeinen Sicherheitslage in Wardak Auswirkungen auf den Konflikt zwischen Kuchis und Hazara habe. Die Taliban hätten in den paschtunischen Gebieten zunehmend an Kontrolle gewonnen, während die Lage in den von Hazara dominierten Gebieten stabiler gewesen sei. Es sei berichtet worden, dass einige Taliban-Gruppen in diesen Gebieten die Kuchis unterstützt hätten:

„The development of the general security situation in Wardak also affects how the conflict between the Kuchis and the Hazaras is played out. The Taliban has increasingly gained control in the Pashtun areas, while the areas dominated by Hazaras have been more stable. It has been reported that some Taliban groups in the area have supported the Kuchis.” (Landinfo, 1. November 2011, S. 4)

Landinfo erwähnt in einem ebenfalls älteren Bericht vom Oktober 2012, dass es in den beiden Behsud-Distrikten und im Distrikt Day Mirdad im nordwestlichen Teil der Provinz Wardak relativ wenige Auseinandersetzungen zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften gebe. Man habe den Eindruck, dass die Aufständischen in diesen mehrheitlich von Hazara besiedelten Distrikten keine starke Machtbasis hätten. Im Mai und Juni 2012 habe es saisonale gewaltsame Konfrontationen zwischen dort ansässigen Hazara und nomadischen Kuchis gegeben. Es scheine indes, dass die Auseinandersetzungen diesmal von geringerer Intensität gewesen seien als in vergangenen Jahren:

„I provinsens nordvestlige distrikter, de to Beshud-distriktene og Day Mirdad, er det relativt få konfrontasjoner mellom opprørere og sikkerhetsstyrker. Inntrykket er at opprørerne har dårlig fotfeste i distriktene, hvor befolkningen i hovedsak er hazaraer. I mai/juni har det vært sesongbaserte voldelige konfrontasjoner mellom bofaste hazaraer og nomadiske kuchier. I 2012 ser det ut til at konfliktnivået har vært lavere enn i tidligere år.” (Landinfo, 5. Oktober 2012, S. 19)

Folgende ACCORD-Anfragebeantwortung geht auf die Aktualität des Konflikts zwischen Kuchis und Hazara in Behsud zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung (Juli 2014) ein:

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Provinz Wardak, Distrikt Behsud: 1) Konflikt zwischen Kuchis und Hazara (Aktualität, Konfliktgründe); 2) Sind Sesshaftigkeit, Viehzucht oder Landwirtschaft Identitätsmerkmale der Ethnie der Hazara?; 3) Informationen zu Taliban, die auf Seiten der Kuchi kämpfen [a-8744], 10. Juli 2014 (verfügbar auf ecoi.net)

http://www.ecoi.net/local_link/283895/414368_de.html

 

Auf der Website des französischen Online-Magazins MultiDimension findet sich ein im Jahr 2014 veröffentlichter Artikel über den Konflikt zwischen Kuchis und Hazara von Sébastien Sénépart, der über einen Master-Abschluss vom Institut français de géopolitique in Paris verfügt und als freier Übersetzer für u.a. Persisch und Paschto arbeitet. Dem Text ist zu entnehmen, dass der Autor etwas mehr als ein Jahr vor dem Abzug der westlichen Truppen und den Präsidentschaftswahlen von 2014 in den Distrikt Hissa-e Awal Behsud gereist sei, um dort die Entwicklung des Konflikts zu erforschen.

Wie Sénépart anführt, befinde sich der Distrikt Behsud im Westen der Provinz Wardak. Diese Provinz sei eine der unbeständigsten Provinzen des Landes. Seit 2009/2010 habe sich die allgemeine Sicherheitslage bedeutend verschlechtert und die Aufständischen, seien es die Taliban oder die Hezb-e Islami, seien in der Lage gewesen, Wardak zu einer ihrer Hochburgen zu machen. Dies sei der Kontext, in dem der Konflikt in Behsud stattfinde.

Laut dem Distriktchef von Hissa-e Awal Behsud sei die Zentralregierung nicht willens, den Konflikt zu beenden, und die Taliban würden aus benachbarten Distrikten gemeinsam mit den Kuchis eindringen. Die fehlende Sicherheit, so Sénépart, sei in der Tat offenkundig. So werde das Gebäude, in dem sich das Büro des Distriktchefs befinde, nur von einem bewaffneten Polizisten bewacht. Wie Sénépart anführt, sei die Infiltration von Nomaden-Konvois durch die Taliban bei seiner Reise wiederholt diskutiert worden:

„Behsud district is located in the west of Wardak province, in the center of Afghanistan. This province is one of the most unstable province in the country. The overall security situation has greatly deteriorated since 2009-2010. The insurgent, whether Taliban or Hezb - e Islami was able to strengthen and make Wardak one of its strongholds. It is in this deleterious security context the conflict in Behsud revolves. […]

The district administrator of Hissa-e Awal Behsud, Sharif Aminyar, expressed that only the resources distributed by Kabul can put an end to this violence but the resources are lacking. According to him, the central Government does not have the will to solve this problem: ‘We do not have enough ground security forces, the Taliban infiltrating from neighboring districts, come with Kuchis. The Government does nothing about it.’ Indeed, the lack of security is flagrant. The building where the office of this chief is located, is actually a small dusty building, guarded by a single policeman armed with a Kalashnikov. Hazara farmers denounced vehemently the incursions of the Pashtun nomads on their territories where they practice all day subsistence farming. The destruction of crops by the animals of nomads and armed attacks are part of their grievances against the latter. We saw partially destroyed fields, burned houses, abandoned by their inhabitants. The Taliban infiltration in nomad convoys was also discussed, repeatedly.” (Multidimension, 2014)

Die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) erklärt in einem Artikel vom Jänner 2014, dass der Highway von Kabul nach Behsud, die Hauptverbindung zwischen Kabul und dem Hazaradschat, von Autofahrern als „Todesstraße“ bezeichnet werde. Wie der Artikel anführt, hätten auf einem 30 Kilometer langen Abschnitt von der Stadt Maidan Schar (Hauptstadt des gleichnamigen Distrikts sowie der Provinz Wardak, Anm. ACCORD) Richtung Westen in den letzten Jahren viele Enthauptungen, Entführungen und andere Taliban-Angriffe auf Mitglieder der Hazara-Gemeinschaft stattgefunden. Mittlerweile werde der Straßenabschnitt von fast allen Autofahrern gemieden. Eine Alternativroute aus dem Hazaradschat heraus bedeute einen langen Umweg über den Norden und passiere Gebiete, wo die Hazara zum Ziel von Angriffen geworden seien. Die Gefahr von Angriffen auf dem Kabul-Behsud-Highway sei so groß, dass Hazara, die sich auf der Suche nach Arbeit nach Kabul begeben hätten, Angst davor hätten, in ihre Heimatdörfer zurückzureisen.

Wie der Artikel weiters anführt, sei die Gegend zu einem Brennpunkt des Konflikts zwischen Hazara und Paschtunen geworden.

Zwar hätten sich seit 2011 keine großangelegten Angriffe auf Hazara wie in Pakistan ereignet, doch würden Tötungen in kleinerem Ausmaß wie auf dem Kabul-Behsud-Highway weiterhin für Angst sorgen. Im August 2013 seien drei Hazara bei verschiedenen Taliban-Angriffen entlang der Straße entführt und getötet worden.

Laut dem Polizeichef von Wardak sei die Straße mittlerweile sicher. Dem habe Mohammad Fahimi, der höchstrangige Hazara im Provinzrat, widersprochen. Fahimi zufolge sei der Distrikt Behsud „in Bezug auf die Sicherheit der schlimmste Platz für Hazara in ganz Afghanistan“. Seinen Schätzungen zufolge seien während der letzten zehn Jahre rund 40 Prozent der Bevölkerung des Distrikts geflohen. Wie der Artikel anführt, seien die Abwanderungen nicht nur auf die Sicherheitslage zurückzuführen, sondern auch oder sogar insbesondere auf die Arbeitssuche und den Wunsch nach besserer Bildung:

„Maps refer to it as part of the Kabul-Behsud Highway. Motorists call it Death Road. A 30-kilometer (18-mile) stretch of two paved lanes heading west from the town of Maidan Shahr in central Afghanistan has seen many beheadings, kidnappings and other Taliban attacks in recent years against members of the minority ethnic Hazara community. Nowadays, nearly all drivers avoid it. The highway is the main route between the Afghan capital and Hazarajat, the informal name of the 45,000-square mile (116,550-square kilometer) region of highlands and rich pastures where Hazaras have traditionally settled. An alternate route out of Hazarajat involves a long detour to the north, and passes through areas where they have been targets of violence. The threat of attack on Death Road is so great that Hazaras who've moved by the tens of thousands east to the capital in search of work are afraid to travel back to their home villages. […]

The area has become a flashpoint for conflict between the Hazaras and Afghanistan's majority ethnic group, the Pashtuns. The Taliban are predominantly Pashtun. The vast majority of Hazaras are also Shiite Muslims, reviled as heretics by Sunni Muslim extremists such as the Taliban. […]

Since a 2011 suicide bombing that killed over 70 Hazaras in Kabul, Afghanistan has not seen the sort of large-scale massacres that have claimed the lives of hundreds of Hazaras in neighboring Pakistan each year. But smaller-scale killings like those on the road remain a source of fear. Last August, three Hazaras were kidnapped and killed in separate Taliban attacks along the road. […]

The police chief, Gen. Mohammad Fahim Qhiem, has promised to improve security on the road. Qhiem said the August killings remain unsolved, but he's talked with village elders among the largely Pashtun population living along the road. ‘Now it is OK, the road is safe,’ Qhiem said. [Mohammad] Fahimi [the highest-ranking Hazara on the local provincial council] disagreed. He called his district, Behsud, ‘the worst place for Hazara safety in all of Afghanistan.’ He estimates that over the past 10 years some 40 percent of the district's population has fled. The flight is fueled by the search for jobs and better education as much or more than for security. They've flooded into Kabul, 100 miles (160 kilometers) east of the Hazara's biggest city, Bamiyan.” (AP, 22. Jänner 2014)

Die vom US-amerikanischen Regionalkommando für den Nahen Osten, Nordafrika und Zentralasien (USCENTCOM) finanzierte Website Central Asia Online erwähnt in einem etwas älteren Artikel vom Juni 2013, dass laut Angaben des Sprechers des Gouverneurs von Maidan Wardak Sicherheitskräfte fünf Rebellen im Gebiet Kadschab des Distrikts Behsud getötet hätten:

„Security forces killed another five rebels in the Kajab area of Behsud District and killed seven more insurgents in the Khwaja Karez and Shah Kabul areas of Nirkh District, he [the governor's spokesman, Attaullah Khogyani] added.” (Central Asia Online, 14. Juni 2013)

Die unabhängige afghanische Nachrichtenagentur Pajhwok Afghan News (PAN) führt in einem etwas älteren Artikel vom August 2013 an, dass im einst friedlichen Distrikt Behsud nun auch Rechtlosigkeit und Unsicherheit herrschen würden:

„Similarly, the once peaceful Behsud district is in grip of lawlessness and insecurity.” (PAN, 1. August 2013)

Über die obenstehenden Informationen hinaus konnten keine weiteren Informationen zum Einfluss der Taliban bzw. zur Sicherheitslage in Behsud gefunden werden. Nachstehende Informationen beziehen sich auf andere Gebiete in der Provinz Wardak bzw. auf die Provinz im Allgemeinen.

 

Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UN High Commisioner for Refugees, UNHCR) zählt Wardak in einem monatlichen Update zur freiwilliger Rückkehr vom Dezember 2014 zu den unischeren Provinzen Afghanistans (UNHCR, 31. Dezember 2014, S. 3)

 

Philipp Münch von der in Berlin ansässigen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die sowohl den deutschen Bundestag als auch die Bundesregierung in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik berät, und Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network (AAN), einer unabhängigen, gemeinnützigen Forschungsorganisation mit Hauptsitz in Kabul, gehen in einem Bericht von 2014 auf die Situation des afghanischen Aufstandes ein. Unter anderem erwähnen die Autoren, dass die aufständische Hezb-e Islami vor allem in Gebieten in Logar, Wardak, Kapisa, im Osten Kabuls, Parwan, Baghlan und Kundus Einfluss hätten („has pockets of influence“):

„[…] Hezb-e Islami has pockets of influence, mainly in Logar, Wardak, Kapisa, east of Kabul, Parwan, Baghlan and Kunduz.” (Münch/Ruttig, 2014, S. 29)

Wie der Bericht anführt sei die Hezb-e Islami in sporadische Kämpfe mit den Taliban um die Kontrolle über bestimmte Gebiete, vor allem in Wardak und Baghlan, verwickelt:

„The party [Hezb-e Islami Afghanistan] is also involved in sporadic fighting with the Taleban for control of certain areas, mainly in Wardak and Baghlan.” (Münch/Ruttig, 2014, S. 35)

Afghanistan Today, ein vom deutschen Außenministerium finanziertes Ausbildungsprojekt für afghanische JournalistInnen, schreibt in einem Artikel vom Oktober 2014, es sei in der unbeständigen Provinz Wardak ein gewöhnliches Bild, dass normale Schulkinder in Klassenräumen neben Taliban-Aufständischen sitzen würden. Die meisten Schulen in Distrikten in der Nähe des Kabul-Kandahar-Highway würden über zwei Schulleiter verfügen: einen von der Regierung ernannten und einen von den örtlichen Taliban-Kommandanten ausgewählten und genehmigten Leiter. Da sich die Provinz praktisch unter der Kontrolle lokaler Taliban-Gruppen befinde, bliebe der Regierung in vielen Sekundarschulen nichts anderen übrig als sich auf diese Doppel-Leitung einzulassen.

Wie Afghanistan Today anführt, gehe fast die Hälfte der 160.000 Schulkinder in Wardak in Gebieten zur Schule, in denen die Regierung nur begrenzte oder gar keine Kontrolle habe. Die Auswirkungen der Taliban auf die Gemeinschaften seien stärker als in anderen Gebieten Afghanistans und Waffen auf Spielplätzen seien dort ein genauso gewöhnlicher Anblick wie Schultaschen:

„Pens, books and ordinary schoolchildren sit side-by-side in class with armed Taliban insurgents. It is an ordinary sight in many secondary schools in volatile Wardak Province, the corridor to Kabul, where large numbers of students live a double life outside of classrooms as anti-government militants. Most schools in districts near the Kabul-Kandahar Highway, nicknamed the Highway of Horrors, have two headmasters, one government appointed and another chosen and approved by local Taliban commanders. […]

Nearly half of Wardak's 160,000 schoolchildren go to school in areas where there is limited, or even no government control. The Taliban's footprint on communities is stronger than in other areas of Afghanistan and guns are as common a sight in playgrounds as satchels. […]

With the province practically under the control of local Taliban groups, the government has little choice but to co-administer many secondary schools.” (Afghanistan Today, 1. Oktober 2014)

Das Long War Journal, eine US-amerikanische Nachrichtenwebsite, die nach eigenen Angaben über den „globalen Krieg gegen den Terrorismus” berichtet, gibt im Oktober 2014 an, dass die Taliban die Kontrolle im Distrikt Sayyidabad, Provinz Wardak, übernommen hätten. Ein BBC-Reporter habe sich vor kurzem ins in Sayyidabad gelegene Tangi-Tal begeben und angegeben, dass sich der Distrikt unter der vollständigen Kontrolle der Taliban befinde:

„The Afghan Taliban took control of three districts, one in the province of Wardak which is just south of Kabul, and the other two in the northern province of Kunduz, that were heavily contested during the US troop surge that began in 2010 and ended in 2011. […] Reports from Afghanistan indicate that the district of Sayyidabad in Wardak as well as the districts of Chahar Darah and Dasht-i-Archi in Kunduz province are under the Taiban's thumb. A reporter from the BBC recently visited the Tangi Valley in the district of Sayyidabad and noted that the Taliban fully control the district. He was given a tour by Said Rahman, the Taliban's shadow district governor who is ‘popularly known as Governor Badr.’” (Long War Journal, 22. Oktober 2014)

Die englischsprachige, sich im Besitz der Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate befindende Tageszeitung The National schreibt in einem Artikel vom Mai 2014, dass die Hauptstraße von Kabul nach Südafghanistan durch die Provinz Wardak verlaufe und die Provinz deshalb von strategischer Bedeutung sei. Gegenwärtig würden sich die Taliban in weiten Teilen der Provinz die Vorteile zunutze machen, die sich für sie aus dem Rückzug der internationalen Truppen ergeben würden. Laut dem Anführer einer kleinen Taliban-Einheit im Distrikt Sayed Abad könnten sich die Aufständischen im Tangi-Tal frei bewegen und würden über die de-facto-Kontrolle in diesem Gebiet verfügen:

„Wardak is a mountainous region situated to the west of Kabul with a majority ethnic Pashtun population that relies largely on farming for an income. The main road connecting the capital to southern Afghanistan runs through the province, making it strategically crucial. Growing alarm over the deteriorating security there meant it became a key focus for the Obama administration from 2009 onwards. After years in which only a small contingent of foreign soldiers operated locally, thousands of US troops were sent to Wardak and neighbouring Logar province to try to stabilise the situation. Now, in large parts of Wardak, the Taliban are reaping the benefits of the on-going withdrawal, with only a small number of US forces remaining there. […] The Tangi Valley is a picturesque area of apple orchards and wheat fields connecting Wardak and Logar. According to Osman [Qazi Mohammed Osman – a pseudonym – heads a small unit of Taliban insurgents deployed to carry out special operations in the Sayed Abad district of Maidan Wardak], the militants can move freely there and have de-facto control of the area.” (The National, 29. Mai 2014)

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 30. Jänner 2015)

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Provinz Wardak, Distrikt Behsud: 1) Konflikt zwischen Kuchis und Hazara (Aktualität, Konfliktgründe); 2) Sind Sesshaftigkeit, Viehzucht oder Landwirtschaft Identitätsmerkmale der Ethnie der Hazara?; 3) Informationen zu Taliban, die auf Seiten der Kuchi kämpfen [a-8744], 10. Juli 2014 (verfügbar auf ecoi.net)

http://www.ecoi.net/local_link/283895/414368_de.html

·      Afghanistan Today: Student by day, Talib at night, 1. Oktober 2014

http://www.afghanistan-today.org/article/?id=788

·      AP - Associated Press: ‘Death Road’ blocks Afghan minority from homeland, 22. Jänner 2014 (verfügbar auf news.yahoo.com)

http://news.yahoo.com/39-death-road-39-blocks-afghan-minority-homeland-190254136.html

·      AREU - Afghanistan Research and Evaluation Unit (Autorin: Emily Winterbotham): Healing the Legacies of Conflict in Afghanistan: Community Voices on Peace, Justice and Reconciliation, 9. Jänner 2012 (verfügbar auf ecoi.net)

http://www.ecoi.net/file_upload/2162_1326102513_2012-01-09-areu-healing-the-legacies-of-conflict-in-afghanistan.pdf

·      Central Asia Online: Afghan security forces kill 20 militants, 14. Juni 2013

http://centralasiaonline.com/en_GB/articles/caii/newsbriefs/2013/06/14/newsbrief-18

·      DIS - Danish Immigration Service: Afghanistan; Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process; Report from Danish Immigration Service’s fact finding mission to Kabul, Afghanistan; 25 February to 4 March 2012, 29. Mai 2012

http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/3FD55632-770B-48B6-935C-827E83C18AD8/0/FFMrapportenAFGHANISTAN2012Final.pdf

·      Foschini, Fabrizio: The Kuchi-Hazara Conflict, Again, 27. Mai 2010 (veröffentlicht von AAN)

https://www.afghanistan-analysts.org/the-kuchi-hazara-conflict-again/

·      Foschini, Fabrizio: The Social Wandering of the Afghan Kuchis: Changing patterns, perceptions and politics of an Afghan community, 28. November 2013 (veröffentlicht von AAN)

http://www.afghanistan-analysts.org/wp-content/uploads/2013/11/20131125_FFoschini-Kuchis.pdf

·      GlobalPost: Afghan leaders threaten Karzai's peace effort, 1. Juni 2010

http://www.globalpost.com/dispatch/afghanistan/100527/local-conflict-spills-over-national-crisis

·      Landinfo - Norwegian Country of Origin Information Centre: Afghanistan: The conflict between Hazaras and Kuchis in the Beshud Districts of Wardak Province, 1. November 2011 (verfügbar auf ecoi.net)

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1337001983_2057-1.pdf

·      Landinfo - Norwegian Country of Origin Information Centre: Afghanistan: Sikkerhetsrapport januar – august 2012, 5. Oktober 2012 (verfügbar auf ecoi.net)

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1382977515_afghanistan-sikkerhetsrapport-jan-aug2012.pdf

·      Long War Journal: Taliban control 3 districts in Afghan provinces of Wardak and Kunduz, 22. Oktober 2014

http://www.longwarjournal.org/archives/2014/10/taliban_control_3_di.php

·      MultiDimension: Afghanistan after 2014: Heading towards an ethnic civil war; Zooming in on the Behsud Conflicts (Autor: Sébastien Sénépart), 2014

http://www.multidimensionparis.com/new_site/html/actualite_page/actualite_en/afgan_en.html

·      Münch, Philipp / Ruttig, Thomas: Between Negotiations and Ongoing Resistance: The Situation of the Afghan Insurgency. In: Orient III, 2014, S. 25-41

http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/fachpublikationen/Muench_Ruttig_2014_Situatio_of_the_AFG_INS.pdf

·      PAN - Pajhwok Afghan News: ‘Unchecked insecurity in Maidan Wardak hampering projects’, 1. August 2013

http://www.elections.pajhwok.com/en/content/%E2%80%98unchecked-insecurity-maidan-wardak-hampering-projects%E2%80%99

·      The National: On Kabul’s doorstep, Taliban emboldened by US withdrawal, 29. Mai 2014

http://www.thenational.ae/world/central-asia/on-kabuls-doorstep-taliban-emboldened-by-us-withdrawal#page2

·      UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Internal Displacement - Bihsud & Day Mirdad - Wardak Province (24 May 2010), 24. Mai 2010

http://www.refworld.org/docid/4c035d102.html

·      UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Afghanistan; Volrep and Border Monitoring Monthly Update; 01 January - 31 December 2014, 31. Dezember 2014 (verfügbar auf ecoi.net)

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1421833227_54b62e964.pdf

·      UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs: Humanitarian Update - Afghanistan - April/May 2010, 8. Juli 2010

http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/641179A530E41CF8C125775A00441486-Full_Report.pdf

·      UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs: Wardak Province – Reference Map, 19. Februar 2014

http://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/Wardak_Province_Reference_Map_DD_20140209FEB09_A0.pdf

·      USDOS - US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2010, 8. April 2011 (verfügbar auf ecoi.net)

http://www.ecoi.net/local_link/158210/275144_de.html

·      Wahdat News: Kuchi Conflict Needs Permanent Resolution (Autor: Abbas Daiyar), 7. Juni 2012

http://www.wahdatnews.com/archives/831