Anfragebeantwortung zu Afghanistan: 1) Behandelbarkeit von psychischen Störungen im Raum Kabul; 2) Lage von Personen mit psychischer Störung (Diskriminierung, etc.) [a-8722]

3. Juni 2014

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1) Behandelbarkeit von psychischen Störungen im Raum Kabul

Folgende ACCORD-Anfragebeantwortung vom September 2013 enthält Informationen zu Behandlungsmöglichkeiten für Personen mit psychischen Erkrankungen in Afghanistan, darunter in Kabul:

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Provinz Nangarhar: Behandlungsmöglichkeiten für Personen mit psychischen Erkrankungen [a-8524-2 (8525)], 23. September 2013 (verfügbar auf ecoi.net)

http://www.ecoi.net/local_link/265614/392642_de.html

 

[Passage aus dem Asylbericht des Auswärtigen Amtes entfernt]

 

Im Länderinformationsblatt Afghanistan vom Oktober 2013, das im Auftrag der Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung (ZIRF) beim deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) verfasst wurde, finden sich folgende Informationen zur medizinischen Versorgungslage in Afghanistan:

„Der Großteil der modernen medizinischen Einrichtungen des Landes befindet sich in Kabul und anderen Großstädten. Der generelle Mangel an Gesundheitszentren besteht vor allem in den ländlichen Gebieten bereits seit längerer Zeit. Die aktuelle Regierung arbeitet an der Wiedereröffnung von Krankenhäusern und der Kapazitätserhöhung auf dem medizinischen Sektor. Darüber hinaus sind Ressourcen zum landesweiten Bau von Kliniken bestimmt worden. Problematisch bleibt jedoch weiterhin die Frage des kompetenten medizinischen Personals. Der Bedarf an gut ausgebildetem afghanischen Personal, das in der Lage wäre, der Bevölkerung auf nachhaltige Weise medizinische Versorgung zukommen zu lassen, ist groß. Das Land hat eine der höchsten Sterblichkeitsraten der Welt. […]

Eine Behandlung in Krankenhäusern wird von Personen, die sich die entsprechende Anreise leisten können, gewöhnlich in angrenzenden Ländern, insbesondere in Peshawar (Pakistan) durchgeführt. Das Fehlen eines Gesundheitssystems trägt zur Ungleichheit in der Frage des Zugangs zu medizinischen Dienstleistungen bei. Medikamente, überwiegend Importe aus Pakistan und Iran, sind immer besser erhältlich. […]

Physisch und psychisch behinderte Personen und Opfer von Misshandlungen, die erwägen, in ihr Heimatland zurückzukehren, müssen eine starke Unterstützung seitens ihrer Familie und der betreffenden Kommune sicherstellen. Medizinische Versorgung ist für eine Vielzahl von Krankheiten weitestgehend nicht erhältlich. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Einrichtungen durchgeführt werden, denen es generell an adäquater Ausrüstung und Fachpersonal mangelt. Diagnosegeräte wie zum Beispiel Computertomographen, von denen es nur in Kabul einen gibt, oder Magnetresonanzaufnahmen sind ebenfalls nicht erhältlich.“ (IOM, Oktober 2013, S. 16-18)

In einem im Jahr 2013 veröffentlichten Bericht über psychische Gesundheitsfürsorge schreibt die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO), dass in den fünf Jahren nach dem Sturz der Taliban Entwicklungen bei den Dienstleistungen im Bereich psychische Gesundheit in hohem Maße durch NGO-Projekte vorangetrieben worden seien. Diese Projekte hätten darauf abgezielt, die Dienstleistungen im Bereich psychische Gesundheit in die allgemeinen Gesundheitsdienste zu integrieren.

In Kabul habe Caritas Deutschland zehn Beratungszentren eingerichtet, die später an zwei lokale NGOs übergeben worden seien. Insgesamt sei in den Zentren mehr als 11.000 Personen geholfen worden, von denen 70 Prozent von deutlichen Verbesserungen berichtet hätten. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen und weiterer Pilotprojekte im Bereich öffentliche Gesundheitseinrichtungen sei die Beratung in das Basispaket der Gesundheitsfürsorge aufgenommen worden:

For five years following the fall of the Taliban government, mental health service development was driven to a large extent by NGO projects, which aimed to integrate mental health into general health services. […]

In Kabul, Caritas Germany established 10 counselling centres. These centres were later handed over to two local NGOs. In total, they assisted more than 11 000 clients, 70% of whom reported significant improvements. Based on these experiences and further pilots within public health facilities, counselling was included in the BPHS [Basic Package of Health Services].” (WHO, 2013, S. 28-29)

Im Jahr 2010 habe das Ministerium für öffentliche Gesundheit einer nationalen Fünfjahresstrategie für psychische Gesundheit zugestimmt. Diese Strategie ziele darauf ab, bis 2014 in 75 Prozent aller Gesundheitseinrichtungen Dienstleistungen im Bereich psychische Gesundheit anzubieten. Das Paket der essentiellen Krankenhausdienstleistungen werde gegenwärtig überarbeitet, dabei werde der psychischen Gesundheitsversorgung in allgemeinen Provinz- und Regionalkrankenhäusern mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Im Jahr 2004 sei das psychiatrische Krankenhaus in Kabul wiedereröffnet worden, welches aktuell über 100 Betten und eine Abteilung zur Behandlung von substanzbezogenen Störungen verfüge. Ein aktuelles, von der Europäischen Kommission finanziertes Projekt ziele darauf ab, die Qualität der Dienstleistungen in diesem Krankenhaus zu verbessern und es zu einem Ausbildungszentrum zu entwickeln:

In 2010, a 5-year National Mental Health Strategy was endorsed by the MOPH [Ministry of Public Health]. This strategy aims to have mental health services in 75% of all health facilities by 2014. The EPHS [Essential Package of Hospital Services] is now being revised, with greater attention to mental health services within provincial and regional general hospitals. Meanwhile, the psychiatric hospital in Kabul re-opened in 2004 and now has 100 beds and a unit for the treatment of substance use disorders. A current EC [European Commission]-funded project, implemented by the International Medical Corps, is focused on improving the quality of services in the hospital and developing it as a training centre.” (WHO, 2013, S. 30)

In einer undatierten Pressemitteilung berichtet die deutsche Botschaft in Kabul über eine von einer lokalen NGO geleiteten Einrichtung in Kabul, in der rund 40 geistig behinderte und psychisch kranke Frauen betreut würden:

„Allen widrigen Umständen zu trotz, wie zum Beispiel ein wochenlanger Ausfall der Wasser- und Stromversorgung, konnte jetzt ein Kleinstprojekt der Botschaft zum Wohle psychisch kranker Frauen in Kabul abgeschlossen werden. Die erfolgte bauliche Erweiterung und Ertüchtigung der Einrichtung des ‚Marastoon‘ dient der Verbesserung der äußerst schwierigen Lebens- und Arbeitsbedingungen für Patientinnen und Betreuerinnen. Das Heim für psychisch kranke Frauen wird von der bereits seit etwa 80 Jahren existierenden afghanischen NRO Marastoon geleitet, die heute dem afghanischen Roten Halbmond organisatorisch angegliedert ist. In der Einrichtung werden etwa 40 geistig behinderte und auch psychisch kranke Frauen betreut. Diese sind ausnahmslos mittellos und wurden häufig von ihren Familien aufgrund eigener Bedürftigkeit und/oder Überforderung verlassen.“ (Deutsche Botschaft Kabul, ohne Datum)

Die unabhängige afghanische Nachrichtenagentur Pajhwok Afghan News (PAN) zitiert in einem Artikel vom Oktober 2013 eine Stellungnahme des afghanischen Ministeriums für öffentliche Gesundheit, wonach viele AfghanInnen unter psychischen Problemen leiden würden, die meisten dieser Fälle aufgrund unzureichender Kenntnis psychischer Erkrankungen allerdings nicht gemeldet würden. Dem Ministerium zufolge unternehme es Anstrengungen, um das Bewusstsein für solche Erkrankungen zu verbessern. Im vergangenen Jahr habe die WHO bestätigt, dass mehr als 60 Prozent der AfghanInnen, vorrangig Frauen, unter psychosozialen Problemen oder psychischen Erkrankungen leiden würden. Da nur ein kleiner Teil des Gesundheitsbudgets für die psychische Gesundheit ausgegeben werde, erhalte eine große Mehrheit der Personen mit solchen psychischen Störungen keine Behandlung:

Many Afghans have been suffering from mental health problems, but most of such cases go unreported due to lack of awareness about the illness, the Ministry of Public Health said on Friday, adding its efforts to increase awareness about mental health are underway. […] Last year on this day, the World Health Organization (WHO) confirmed that more than 60 percent of Afghans, mostly women, suffered from psychosocial problems or mental disorders. The WHO said that because only a fraction of the health budget is spent on mental health, a large majority of people suffering from these disorders received no care at all.” (PAN, 11. Oktober 2013)

In einem im Juni 2012 in der Zeitschrift der European Psychiatric Association (EPA) veröffentlichten Artikel mehrerer AutorInnen, darunter die Leiterin der International Psychosocial Organization (IPSO), Inge Missmahl, wird berichtet, dass Kabul trotz einer Bevölkerung, in der Berichten zufolge mehr als die Hälfte an den Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung oder an Depressionen leide, neben neu eingerichteten Suchtzentren nur über zwei öffentliche psychiatrische stationäre Einrichtungen („public psychiatric inpatient services“) verfüge. Sowohl in Kabul als auch in ländlichen Gebieten seien psychiatrische Dienste, darunter ambulante Einrichtungen, sehr selten:

In spite of a population in which more than 50% have been reported to suffer from symptoms of posttraumatic stress disorder and other symptoms of affective disorders, Kabul, a city with more than 5 Million inhabitants, hosts only two public psychiatric inpatient services besides newly developed addiction centers. […] Psychiatric services including outpatient facilities are extremely rare both in Kabul and the countryside.” (Missmahl et al., Juni 2012, S. 76)

Wie der Artikel weiters anführt, gebe es in Kabul, gemessen an der Einwohnerzahl der Stadt, nur eine sehr kleine Zahl an ÄrztInnen mit Schwerpunkt auf psychische Gesundheit (rund 30 ÄrztInnen, die vor allem im Bereich Innere Medizin ausgebildet worden seien und über ein unterschiedliches Ausmaß an Erfahrungen mit psychiatrischen PatientInnen verfügen würden):

The very low number of doctors focusing on mental health care in Kabul (about 30 medical doctors mainly trained in internal medicine with varying degrees of exposure to psychiatric patients) compared to the number of inhabitants of Kabul (about 5 million) shows that even with the highest efforts, training of medical specialists for mental health care cannot match the need for psychosocial care in a highly traumatized and large population.” (Missmahl et al., Juni 2012, S. 77)

Die US-amerikanische Tageszeitung Los Angeles Times erwähnt in einem älteren Artikel vom Mai 2011, dass den Schätzungen von ExpertInnen zufolge 60 Prozent der afghanischen Bevölkerung unter milden bis schweren psychischen Erkrankungen leide. Die drei Dutzend PsychiaterInnen und PsychologInnen des Kabuler psychiatrischen Krankenhauses und Zentrums zur Behandlung von Drogenabhängigkeit, das über 60 Betten verfüge und sich nach einem Bombenanschlag vor sechs Monaten immer noch im Wiederaufbau befinde, würden sich täglich um bis zu 160 PatientInnen kümmern. Zwar habe die afghanische Regierung versprochen, mit internationaler Hilfe Gesundheitsdienste zu verbessern, und psychische Gesundheit zu einer Priorität erklärt, doch habe das Kabuler Krankenhaus Mühe, Therapieangebote zu verbessern und Nachbarschaftskliniken in einem Land einzurichten, das sehr arm sei und in dem die Behandlung psychischer Erkrankungen ein Luxus sei. Seinem Leiter zufolge seien dem Krankenaus von Seiten der afghanischen Regierung 300.000 US-Dollar zugesagt worden, die allerdings bislang noch nicht ausbezahlt worden seien. Vor kurzem habe das Krankenhaus 1,6 Millionen US-Dollar von der Europäischen Union erhalten, um das Krankenhausgebäude zu renovieren, medizinische Ausstattung zu kaufen und das Personal auszubilden:

Experts estimate that 60% of the Afghan populace suffers from mild to severe mental illness. Yarzada [a psychologist at the 60-bed Kabul Psychiatric and Drug Dependency Treatment Center] and the rest of the hospital’s three dozen psychiatrists and psychologists see as many as 160 patients a day at the crumbling 26-year-old facility that they are still rebuilding after a bombing six months ago. Afghan leaders have vowed to use an infusion of international aid to improve medical services and have made mental health a priority. Yet the Kabul hospital is struggling to improve therapy and expand neighborhood clinics in an extremely poor country where mental health treatment remains a luxury. The hospital is supposed to receive $300,000 from the Afghan government this year, but it has not yet been paid, said the hospital’s director, Dr. Timono Shah Musamim. The hospital recently received a $1.6-million grant from the European Union to renovate the buildings, provide medical supplies and staff training.” (Los Angeles Times, 15. Mai 2011)

In einem im März 2012 veröffentlichten Kommentar für den Newsletter des Royal College of Psychiatrists, einer Organisation der PsychiaterInnen im Vereinigten Königreich und Irland, schreibt Yousuf Ali Rahimi, ein in Afghanistan tätiger Psychiater, dass in Afghanistan die Dienstleistungen im Bereich psychische Gesundheit vom Ministerium für Gesundheit erbracht würden, das ein psychiatrisches Krankenhaus in Kabul mit nur 60 Betten für Personen mit psychischen Störungen und 40 Betten für Drogenabhängige betreibe. Das bedeute allerdings nicht, dass eine große Nachfrage nach den Betten bestehe und die Abteilungen überfüllt seien. Im Gegenteil seien die Belegungsraten in der Regel niedrig (weniger als 60 Prozent im Jahr 2011). Dies sei einer Kombination verschiedener Faktoren geschuldet, darunter eine mangelhafte Ausstattung, die schlechte Sicherheitslage, ein mit psychischen Erkrankungen verbundenes Stigma, die Haltung des Personals und wenig hilfreiche Richtlinien (ein(e) Patient(in) werde nur aufgenommen, wenn ein Verwandter die ganze Zeit über bei ihm/ihr bleibe):

Mental Health services are provided by the Ministry of Health who run one psychiatric hospital in Kabul with only 60 beds allocated to people with mental disorders, and 40 beds for drug addicts. This is not to suggest that there is a huge demand for beds, with overflowing wards: on the contrary, bed occupancy rates are usually low (less than 60% in the 2011). This is due to a combination of various factors, such as poor facilities and security, a stigma against mental health, staff attitudes and particularly unhelpful policies (patients are not admitted unless a relative can stay with them at all times).” (Royal College of Psychiatrists, März 2012)

2) Lage von Personen mit psychischer Störung (Diskriminierung, etc.)

Wie im ersten Teil der Anfragebeantwortung erwähnt, berichtet der in Afghanistan tätige Psychiater Yousuf Ali Rahimi im März 2012, dass die Belegungsraten im psychiatrischen Krankenhaus in Kabul in der Regel niedrig seien und nennt eine Kombination verschiedener Faktoren als Grund. Einer der Faktoren sei ein mit psychischen Erkrankungen verbundenes Stigma. (Royal College of Psychiatrists, März 2012)

 

Die afghanische englischsprachige Tageszeitung Daily Outlook Afghanistan berichtet im März 2012, dass psychische Störungen in Afghanistan mit einem Stigma behaftet seien. Über seine Sorgen zu sprechen, sei mit Scham und Schande verbunden, weshalb die meisten dieser Probleme nicht zur Sprache gebracht und geheim gehalten würden. Dies führe dazu, dass die Störungen nicht behandelt und sich verschlimmern würden und manchmal zu schweren Depressionen und Selbstmordgedanken bzw. -versuchen führen würden. Das Problem werde außerdem dadurch verschlimmert, dass manche Menschen mit psychischen Störungen angekettet, misshandelt und verspottet würden. In den meisten Fällen würden Personen mit psychischen Erkrankungen schikaniert und von der Gesellschaft gemieden. Sie verlören den Respekt der anderen und würden als „verrückt“ betrachtet:

In order to provide good mental health services, we need professional psychologists and hypnotherapists who have the correct knowledge and skills of this art. The Afghan society also needs to have knowledge about the nature of mental disorders since they are associated with stigma.

Explaining or describing their worries comes with shame and disgrace in the society. As a result most of these problems are not disclosed and kept as a secret. This means the condition goes untreated, becoming more serious until it reaches a critical point, sometimes with severe depression and suicidal thoughts or attempts. The problem gets more serious because some mentally ill people are chained up, abused and ridiculed, which further prevents the patients from recovering. […] In most cases, patient suffering from mental diseases are bullied and shunned from society. They lose all the respect and are considered ‘crazy’.” (Daily Outlook Afghanistan, 28. März 2012)

In einem älteren Artikel vom November 2010 berichtet die afghanische Nachrichtenagentur Pajhwok Afghan News (PAN) von Unwissenheit hinsichtlich der Symptome psychischer Erkrankungen und einem mit den Erkrankungen verbundenen Stigma. In einigen Gebieten Afghanistans werde versucht, Personen mit psychischen Erkrankungen zu heilen, indem diese zu Schreinen gebracht und dort tagelang angekettet würden:

Other problems include ignorance about symptoms of mental health and the stigma of the illness. In some areas of the country, people with mental illnesses are taken to shrines where they are chained for days in an attempt to cure their sickness.” (PAN, 23. November 2010)

Der im Mai 2011 veröffentlichte Artikel der Los Angeles Times erwähnt, dass es in Afghanistan immer noch üblich sei, dass Familien von Personen mit psychischen Erkrankungen diese zu Hause oder in einem Sufi-Schrein anketten würden. Dort blieben sie wochenlang und erhielten nur Wasser und Gewürzbrot. Einer medizinischen Anthropologin zufolge sei das Krankenhaus in Kabul mit einem überwältigenden Bedarf konfrontiert. Obwohl die ÄrztInnen den PatientInnen nicht das gesamte Ausmaß an sozialer Unterstützung bieten könnten, habe es seit 2003, als sie gesehen habe, dass PatientInnen an die Betten gekettet worden seien, große Fortschritte gegeben. Jetzt würden die PatientInnen nicht mehr gefesselt. Der Anthropologin zufolge gebe es in Pakistan immer noch Einrichtungen, in denen psychisch Erkrankte gefesselt würden. Sie glaube, dass Pakistan in gewisser Weise hinter Afghanistan zurückstehe. So könne man in Afghanistan offener über psychische Gesundheit reden, außerdem gebe es, vielleicht wegen des Krieges, die Erkenntnis, dass Personen, die leiden, Hilfe benötigen würden:

„It is still common in Afghanistan for families to chain the severely mentally ill at home or at Sufi shrines such as Mia Ali Baba outside Jalalabad, where they are left to subsist for weeks on water and peppered bread. […] Patricia Omidian, a medical anthropologist who has studied Afghanistan’s mental health system, said the Kabul hospital is confronting overwhelming need. Though doctors cannot provide all the social support patients come looking for, they have come a long way since 2003, she said, when she saw patients chained to the metal-framed beds. ‘They got the shackles off. There was a real effort,’ Omidian recalled. ‘I work in Pakistan, and there are still shackles in some of the mental institutions. In some ways I think Pakistan is actually behind Afghanistan. For instance, in Afghanistan you can talk more openly about mental health and, maybe it’s because of the war, but there is a recognition that people need help when they suffer.’” (Los Angeles Times, 15. Mai 2011)

Die internationale Nachrichtenagentur Inter Press Service (IPS) schreibt in einem Artikel vom Oktober 2012, dass rund 50 Prozent der AfghanInnen über 15 Jahren unter psychischen Erkrankungen, darunter Depressionen, Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen, leiden würden. Laut Richard Scott von der Universität Calgary, Kanada, gebe es in Afghanistan, und insbesondere außerhalb Kabuls, ein großes Ausmaß an Missverständnissen und Unwissenheit in Bezug auf psychische Störungen. Um afghanische Jugendliche zu erreichen, würden ihnen SMS mit Informationen gesendet, die hoffentlich zu einer Reduzierung der Stigmatisierung führen und eine Diskussion in Gang setzten würden, so Scott. Die erste Herausforderung bestehe darin, mit dem afghanischen Ministerium für Gesundheit zusammenzuarbeiten, um dessen Ansatz zu verändern und es dazu zu bringen, sich an der Erkennung psychischer Störungen zu beteiligen:

About 50 percent of Afghanis over 15 years of age suffer from mental health problems – depression, anxiety or post-traumatic stress disorder. […] ‘There is a great deal of misunderstanding and ignorance about mental disorders in Afghanistan, especially outside of Kabul,’ says Richard Scott of the University of Calgary, Canada. […] ‘We want to educate community health workers and get them to talk about mental disabilities,’ Scott told IPS. To reach Afghan youth, informative text (SMS) messages sent to their mobile phones will hopefully reduce some of the stigma and get some discussion going, he said. ‘The first challenge is working with the Afghan Ministry of Health to change their approach and involve them in recognising mental disorders,’ Scott said.” (IPS, 10. Oktober 2012)

In einer Pressemitteilung vom März 2014 schreibt Caritas International, das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes e.V.:

„Der Bedarf an Therapie ist in Afghanistan immens. Doch Möglichkeiten zur Hilfe gibt es nur wenige. Daher wird über häusliche gewaltförmige Konflikte und emotionale Erpressung oft geschwiegen. Menschen mit akuten Problemen wie psychischen Störungen, Traumata und Angstzuständen finden Unterstützung meist nur in ihrem Familien, die mit den Schwierigkeiten zumeist überfordert sind, selbst traumatisiert oder aber Teil der Probleme sind. Als Ausweg sehen viele nur die Selbstmedikation mit Psychopharmaka, die aber häufig fatale Folgen für die Patient/innen mit sich bringen. Die Zahl derer, die aus Verzweiflung ihrem Leben ein Ende setzen, steigt von Jahr zu Jahr an. Bei vielen hat die jahrelange seelische Belastung zu handfesten körperlichen Problemen geführt: Drogenmissbrauch, Schizophrenie, Symptomen von Epilepsie oder zu chronischen Schmerzen.“ (Caritas International, März 2014)

Weitere Informationen zur Lage von Personen mit psychischen Erkrankungen, darunter auch Informationen zur Behandlung von psychisch Kranken in Schreinen, finden sich in der bereits erwähnten ACCORD-Anfragebeantwortung vom September 2013 (ACCORD, 23. September 2013).

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 3. Juni 2014)

·      AA - Auswärtiges Amt (Deutschland): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan , 4. Juni 2013

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Provinz Nangarhar: Behandlungsmöglichkeiten für Personen mit psychischen Erkrankungen [a-8524-2 (8525)], 23. September 2013 (verfügbar auf ecoi.net)

http://www.ecoi.net/local_link/265614/392642_de.html

·      Caritas International: Afghanistan: Psychosoziale Arbeit: Traumaarbeit stärkt Gewaltopfer, März 2014

http://www.caritas-international.de/hilfeweltweit/asien/afghanistan/trauma-arbeit

·      Daily Outlook Afghanistan: The Stigma of Mental Disorders in Afghanistan, 28. März 2012

http://outlookafghanistan.net/topics.php?post_id=3768

·      Deutsche Botschaft Kabul: Hilfe der Botschaft für psychisch kranke Frauen in Kabul, ohne Datum

http://www.kabul.diplo.de/Vertretung/kabul/de/05/Beispiele__aus__der__entwicklungspolitischen__Zusammenarbeit/Hilfe__der__Botschaft__fuer__psychisch__kranke__Frauen__in__Kabul__s.html

·      IOM - International Organization for Migration: Afghanistan - Länderinformationsblatt, Oktober 2013 (veröffentlicht von ZIRF)

http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_afghanistan-dl_de.pdf?__blob=publicationFile

·      IPS - Inter Press Service: Untreated Mental Illness the Invisible Fallout of War and Poverty, 10. Oktober 2012

http://www.ipsnews.net/2012/10/untreated-mental-illness-the-invisible-fallout-of-war-and-poverty/

·      Los Angeles Times: Tackling mental health problems in Afghanistan, 15. Mai 2011

http://articles.latimes.com/2011/may/15/world/la-fg-afghanistan-therapy-20110515

·      Missmahl, Inge et al.: Teaching psychiatry and establishing psychosocial services – lessons from Afghanistan. In: European Psychiatry, Vol. 27, Supplement No. 2, Juni 2012, S. 76-80

http://webspace.qmul.ac.uk/spriebe/publications/Peer-reviewed%20full%20text%20for%20upload/2012/2012%20-%20Kluge%20-%20Health%20services%20and%20treatment%20of%20immigrants%20%28whole%20journal%29%20-%20EuroPsych%20Supp%2027-556-562.pdf

·      PAN - Pajhwok Afghan News: Afghan health system failing people with mental illness, 23. November 2010

http://www.pajhwok.com/en/2010/11/23/afghan-health-system-failing-people-mental-illness

·      PAN - Pajhwok Afghan News: Many cases of mental problems go unreported, 11. Oktober 2013

http://www.pajhwok.com/en/2013/10/11/many-cases-mental-problems-go-unreported

·      Royal College of Psychiatrists: eNewsletter March 2012: Network news from Kabul: Commentary from Yousuf Ali Rahimi, MD MRCPsych, März 2012

http://www.rcpsych.ac.uk/usefulresources/rcpsychenewsletters/enewsletters2012/march2012/networknewsfromkabul.aspx

·      WHO - World Health Organization: Building Back Better; Sustainable Mental Health Care after Emergencies, 2013

http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/85377/1/9789241564571_eng.pdf