Anfragebeantwortung zu Afghanistan: 1) Sicherheitslage in der Provinz Bamiyan und in Kabul; 2) Medizinische Versorgung [a-8598]

4. Februar 2014
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1) Sicherheitslage in der Provinz Bamiyan und in Kabul
Informationen zur allgemeinen Sicherheitslage und zur Sicherheitslage in Kabul entnehmen Sie bitte folgendem Dokument:
 
Das UNO- Flüchtlingskommissariat (UN High Commissioner for Refugees, UNHCR) schreibt in einem monatlichen Bericht zu freiwilliger Rückkehr vom Dezember 2013, dass die Provinz Bamiyan (neben Kabul, Herat, Takhar, Parwan, Sari Pul, Samangan, Balkh, Panjshir, Laghman und Nangarhar) eine „relativ sichere Provinz“ sei:
„Of those who cited the improvement of security situation in some parts of Afghanistan as the primary pull factor of their return, 65% returned to relatively secure provinces such as Kabul, Herat, Takhar, Parwan, Sari Pul, Samangan, Balkh, Bamyan, Panjshir, Laghman and Nangarhar. While 35% returned to insecure secure provinces; Farah, Ghazni, Baghlan, Kunduz, Faryab, Wardak and Kandahar.“ (UNHCR, Dezember 2013, S. 3)
Die US-amerikanische Rechercheagentur des Kongresses (Congressional Research Service, CRS) beschreibt im Oktober 2013 unter anderem die Provinz Bamiyan als eine der „stabileren Provinzen“. Die politische Führung der Provinzen Bamiyan und Balkh würde sich jedoch beschweren, dass 80 Prozent der internationalen Hilfe in unruhige Provinzen fließen würde und die Bedürfnisse von armen AfghanInnen in friedlichen Gebieten ignoriert würden:
„Some of the more stable provinces, such as Bamiyan and Balkh, complain that 80% of international aid has flowed to the restive provinces and ignoring the needs of poor Afghans in peaceful areas.“ (CRS, 23. Oktober 2013, S. 58)
Die Online-Ausgabe der australischen Tageszeitung The West Australian schreibt im Jänner 2014, dass die Hauptstraße zwischen Kabul und Bamiyan durch Aufständische gefährdet sei. Die Straße sei bis 2010 eine sichere Route für KabulerInnen gewesen, welche die zerstörten Buddha-Statuen von Bamiyan besucht hätten:
„The insurgents in the province also regularly menace the main road from Kabul to Bamiyan, a route that until 2010 was a safe and scenic trip for Kabulis visiting the site of the destroyed ‘Bamiyan Buddhas’.” (The West Australian, 25. Jänner 2014)
Ein Artikel der kanadischen Zeitung Montreal Gazette beschäftigt sich ebenfalls mit Vorfällen auf der „Todesstraße“ zwischen Kabul, Bamiyan und Maidan Shahr:
 
Zwischen 1. Jänner 2013 und 12. Juni 2013 hätte das Mine Action Coordination Center of Afghanistan (MACCA) 10 getötete ZivilistInnen und 23 Verletzte durch die Explosion von Kriegsüberresten dokumentiert, so die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (United Nations Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) im Juli 2013. Diese Zwischenfälle hätten sich unter anderem in der Provinz Bamiyan bei oder in der Nähe von geschlossenen Militärstützpunkten ereignet. Örtliche Gemeinschaften hätten dem MACCA von explosiven Kriegsüberresten bei einem ehemaligen Stützpunkt der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (International Security Assistance Force in Afghanistan, ISAF) in der Provinz Bamiyan berichtet. Die MACCA habe die Säuberung des Gebietes eingeleitet:
„Between 1 January and 12 June, MACCA [Mine Action Coordination Center of Afghanistan] documented 10 civilian deaths and 23 injuries from ERW [Explosive Remnants of War] detonation; these incidents took place in Bamyan, Logar, Parwan, Paktika, Wardak, Khost, Ghazni, Kunar and Kandahar provinces at or in immediate proximately of military bases which had closed. […] Local communities reported to MACCA the presence of ERW at the site of a former ISAF [International Security Assistance Force in Afghanistan] base in Bamyan province and MACCA arranged for the area to be cleared. As of 13 June 2013, another ATC [Afghan Technical Consultants] EOD [Explosive Ordinance Disposal] team completed clearance of 14 percent of the suspected area and had cleared 235 UXO [unexploded ordnance], 230 of NATO [North Atlantic Treaty Organization], Soviet and unknown origin.” (UNAMA, Juli 2013, S. 58-59)
Die US-Behörde US Agency for International Development (USAID) berichtet im September 2013, dass unter anderem die Provinz Bamiyan aufgrund des trockenen Wetters von einer Verschlechterung der Nahrungsmittelsicherheit betroffen sei:
„The USAID-funded Famine Early Warning Systems Network (FEWS NET) anticipates near-normal second crop performance, which combined with the above-normal wheat harvest, is forecast to improve food stocks at both the household and market levels in many areas of Afghanistan. However, poor food security conditions resulting from dry weather are affecting Bamyan, Daykundi, and Ghor provinces, the U.N. reports.” (USAID, 30. September 2013, S. 1)
2) Medizinische Versorgung
Die Minority Rights Group International (MRG) schreibt in ihrem Bericht zur Lage von Minderheiten und indigenen Völkern vom September 2013 (Berichtszeitraum 2013), dass der Konflikt negative Auswirkungen auf die Gesundheit von AfghanInnen gehabt habe. Landesweit sei die Infrastruktur für die Gesundheitsversorgung schlecht, was sich insbesondere auf marginalisierte Gruppen negative auswirke. Die Provinz Bamiyan etwa, wo die Minderheit der Hazara stark vertreten sei, sei in der Vergangenheit von Diskriminierung seitens der Zentralregierungen betroffen gewesen. Laut Angaben des United Nations Development Programme (UNDP) seien in der Region kaum Gesundheitsdienste verfügbar. Dies habe geringe Impfraten, weit verbreitete durch Wasser übertragene Krankheiten und eine hohe Rate von Mütter- und Kindersterblichkeit zur Folge:
„Conflict has had a negative impact on the health of Afghans, and the health care infrastructure throughout the country is poor – with a particularly negative impact on marginalized groups. Bamyan province, for example, has a large Hazara minority population and has faced discrimination on the part of central governments in the past. According to the United Nations Development Programme (UNDP), there are hardly any services available in the region. This has resulted in low vaccination rates, widespread waterborne diseases, and high levels of maternal and infant mortality. There have been mixed results from attempts to open the region up to mining in order to exploit its deposits of ores and coal. While the closure of unlicensed mines may have protected children from dangerous and unhealthy work, the Chinese firm that won the tender for mining in the region had reportedly not replaced the jobs with new ones. Reports emerged in 2012 that the lack of opportunities may have pushed people into the employment of the Taliban, which the government has vigorously denied.” (MRG, 24. September 2013, S. 129-130)
Das deutsche Auswärtige Amt (AA) schreibt in seinen Reise- und Sicherheitshinweisen mit Stand 4. Februar 2014 Folgendes zur Lage in Afghanistan:
„Die medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen unzureichend, eine Notfallversorgung mit funktionierender Rettungskette meist nicht existent. Auch in Kabul entspricht die medizinische Versorgung nicht immer europäischem Standard. Bei schweren Erkrankungen oder Verletzungen kann in Einzelfällen, soweit lokal vorhanden, ggf. eine erste Versorgung in einer Sanitätseinheit oder einem Feldlazarett der ISAF Truppen erfolgen. Diese Einheiten sind jedoch in erster Linie für die Truppenangehörigen gedacht. Bei beruflichen Aufenthalten empfiehlt sich die vorherige Kontaktaufnahme zur nächsten, erreichbaren Sanitätseinheit bereits vor einer möglichen Inanspruchnahme. Bei schweren Erkrankungen muss eine medizinische Evakuierung, zum Beispiel nach Indien oder nach Dubai, erwogen werden. Ein ausreichender und gültiger Krankenversicherungsschutz einschließlich einer Reiserückholversicherung ist zwingend notwendig, kann aber die unzureichende medizinische Infrastruktur vor Ort nicht ersetzen. Eine individuelle Beratung durch einen reisemedizinisch erfahrenen Arzt in ausreichendem Abstand vor der Ausreise wird dringend empfohlen. Besonders chronisch kranke und behandlungsbedürftige Menschen müssen sich des hohen gesundheitlichen Risikos einer Reise nach Afghanistan bewusst sein. Die Versorgung mit zuverlässigen Medikamenten und eine ununterbrochene Kühlkette sind häufig nicht gesichert. Es muss damit gerechnet werden, dass insbesondere in kleinen Apotheken auf dem Land auch Fake-Produkte statt richtiger Medikamente verkauft werden. Reisende sollten regelmäßig einzunehmende Medikamente in ausreichender Menge nach Afghanistan mitbringen und sich für die Einreise die Notwendigkeit von ihrem Arzt auf Englisch bescheinigen lassen. Landesweit treten zahlreiche Resistenzen gegen häufig eingesetzte Antibiotika auf.” (AA, 4. Februar 2014)
The World Bank Group (WBG), ein Zusammenschluss internationaler Organisation, die armen Staaten fremdfinanzierte Kredite bietet, schreibt in einem Überblick zur Lage in Afghanistan, dass etwa 85 Prozent der Bevölkerung in Bezirken leben würden, in denen es Gesundheitsdienstleister gebe, die grundlegende Gesundheitsdienste anbieten würden. Ungefähr 57,4 Prozent der Bevölkerung könnten innerhalb einer Stunde eine öffentliche Gesundheitseinrichtung zu Fuß erreichen. Die Organisation stütze sich dabei auf Daten aus dem Jahr 2010 und 2009:
„According to recent data from Afghanistan Mortality Survey 2010 (AMS 2010), life expectancy at birth is at 64 years. Only 27% of Afghans have access to safe drinking water and 5% to adequate sanitation. Nevertheless, there has been considerable progress over the last nine years. About 85% of the population lives in districts which now have health care providers to deliver basic health services. About 57.4% of the population lives within one hour’s walking distance from a public health facility (NRVA 2007/08) [National Risk and Vulnerability Assessment (NRVA) 2007/8]. Infant and under-5 mortality in 2010 has declined to 77 and 97 per 1,000 live births respectively, from 111 and 161 per 1,000 live births in 2008. The pregnancy-related mortality ratio is about 327 per 100,000 births, which means that every two hours, a woman dies in Afghanistan from pregnancy-related causes.“ (WBG, ohne Datum)
Die Regierung von Kanada (Government of Canada) berichtet in seien Reisehinweisen mit Stand Jänner 2014, dass die afghanischen Gesundheitsdienste unzulänglich seien und die Hygiene in medizinischen Einrichtungen unangemessen sei. PatientInnen, die medizinische Behandlung für Schnittwunden oder Wunden benötigen würden, seien dem Risiko von Infektionen ausgesetzt. Private Kliniken, die höhere Standards bieten würden, seien in Kabul verfügbar. Alle medizinischen Dienste würden eine sofortige Barzahlung erfordern. Verschreibungspflichtige Medikamente seien nicht verfügbar:
„Health services are substandard and medical facilities are not appropriately sanitized. Patients requiring medical treatment for incisions or wounds run a significant risk of infection. Private clinics, which offer a higher standard of service, are available in Kabul. Immediate cash payment is required for any medical service. […] Prescription medicine is not available.“ (Government of Canada, 23. Jänner 2014)
Das Büro für konsularische Angelegenheiten (Bureau of Consular Affairs) des US-Außenministeriums (US Department of State, USDOS) schreibt im Abschnitt zu Gesundheit („Health“) in seinen Reisehinweisen zu Afghanistan vom August 2013, dass landesweit nur ganz vereinzelt gut ausgestattete medizinische Einrichtungen verfügbar seien. Europäische und amerikanische Medikamente seien eingeschränkt verfügbar, könnten aber teuer oder schwer zu finden sein. Es gebe einen Mangel an grundlegender medizinischer Ausstattung. Grundlegende in Iran, Pakistan, China und Indien hergestellte Medikamente seien verfügbar, jedoch könne deren Verlässlichkeit fragwürdig sein. Öffentliche Krankenhäuser sollten gemieden werden. Personen ohne Regierungslizenz oder auch medizinische Ausbildung würden oftmals private Kliniken betreiben. Es gebe keine öffentliche Behörde, die deren Tätigkeiten überwache. Westlich ausgebildete MitarbeiterInnen im Gesundheitssystem seien im Großteil der Gebiete außerhalb Kabuls nicht zu finden, obwohl es einige internationale Hilfsorganisationen gebe, die vorübergehend grundlegende medizinische Hilfe in verschiedenen Städten und Dörfern anbieten würden. Jegliche medizinische Behandlung erfordere Bezahlung im Voraus:
„Well-equipped medical facilities are few and far between throughout Afghanistan. European and American medicines are available in limited quantities and may be expensive or difficult to locate. There is a shortage of basic medical supplies. Basic medicines manufactured in Iran, Pakistan, China and India are available, but their reliability can be questionable. […] Afghan public hospitals should be avoided. Individuals without government licenses or even medical degrees often operate private clinics; there is no public agency that monitors their operations. You will not be able to find Western-trained medical personnel in most parts of the country outside Kabul, although there are some international aid groups temporarily providing basic medical assistance in various cities and villages. For any medical treatment, payment is required in advance.” (USDOS, 28. August 2013)
 
 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 4. Februar 2014)
1) Sicherheitslage in der Provinz Bamiyan und in Kabul
2) Medizinische Versorgung