Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Behandlungsmöglichkeiten für psychisch erkrankte/traumatisierte Personen in Kabul [a-9353-3 (9355)]

6. Oktober 2015

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Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie auf Expertenauskünften, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

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Wir empfehlen, die verwendeten Materialien im Original durchzusehen. Originaldokumente, die nicht kostenfrei oder online abrufbar sind, können bei ACCORD eingesehen oder angefordert werden.

 

Informationen zur Behandelbarkeit psychischer Störungen in Kabul finden sich in folgender Anfragebeantwortung vom Juni 2014:

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: 1) Behandelbarkeit von psychischen Störungen im Raum Kabul; 2) Lage von Personen mit psychischer Störung (Diskriminierung, etc.) [a-8722], 3. Juni 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/280437/410547_de.html

 

Darüber hinaus wurden folgende aktuellere Informationen gefunden:

 

Im Länderinformationsblatt Afghanistan vom Oktober 2014, das im Auftrag der Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung (ZIRF) des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von der International Organization for Migration (IOM) verfasst wurde, finden sich im Kapitel zu medizinischer Versorgung unter anderem folgende Informationen:

„Physisch und psychisch behinderte Personen und Opfer von Misshandlungen, die erwägen, in ihr Heimatland zurückzukehren, müssen eine starke Unterstützung seitens ihrer Familie und der betreffenden Kommune sicherstellen. Medizinische Versorgung ist für eine Vielzahl von Krankheiten weitestgehend nicht erhältlich. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Einrichtungen durchgeführt werden, denen es generell an adäquater Ausrüstung und Fachpersonal mangelt. Diagnosegeräte wie zum Beispiel Computertomographen, von denen es nur in Kabul einen gibt, oder Magnetresonanzaufnahmen sind ebenfalls nicht erhältlich.“ (IOM, Oktober 2014, S. 18)

[Passage aus dem Asylbericht des Auswärtigen Amtes entfernt]

 

Bitte beachten Sie, dass die folgenden Übersetzungen aus dem Norwegischen unter Verwendung von technischen Übersetzungshilfen erstellt wurden. Es besteht daher ein erhöhtes Risiko, dass diese Arbeitsübersetzungen Ungenauigkeiten enthalten.

 

Das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo schreibt in einem Bericht vom Jänner 2015 über psychische Gesundheitsversorgung in Afghanistan, dass im Jahr 2014 laut eigenem Kenntnisstand folgende spezialisierte Angebote bestanden hätten:

- Das Kabuler Krankenhaus für psychische Erkrankungen mit 60 Betten; dabei handle es sich um das Fachkrankenhaus für psychische Gesundheit des afghanischen Ministeriums für öffentliche Gesundheit.

- Fünf regionale Krankenhäuser mit neuropsychiatrischen Abteilungen mit jeweils 20 Betten (in Kabul, Dschalalabad, Masar-i Scharif, Herat und Kandahar):

„Etter det Landinfo kjenner til består spesialisttilbodet i 2014 av:

-         Kabul Mental Health Hospital med 60 sengeplassar. Dette er MoPH [Ministry of Public Health] sitt spesialistsjukehus for psykisk helse.

-         Fem regionsjukehus med nevropsykiatrisk avdeling med 20 sengeplassar kvar. Regionsjukehusa er I Kabul, Jalalabad, Mazar-i Sharif, Herat og Kandahar.” (Landinfo, 29. Jänner 2015, S. 5)

Darüber hinaus listet Landinfo drei Beispiele für private Anbieter psychischer Gesundheitsversorgung auf. So habe in der afghanischen Hauptstadt laut Angaben eines Mitarbeiters im Gesundheitswesen in Kabul eine Klinik geöffnet, die von einem Psychiater mit ausländischer Berufsausbildung geleitet werde. Die Klinik biete Konsultationen mit Therapie sowie medikamentösen Behandlungen an. Für jeden Beratungstermin werde eine Stunde angesetzt, außerdem gebe es Folgegespräche:

„I Kabul er det opna ein klinikk driven av ein psykiater med utanlandsk profesjonsutdanning. Denne tilbyr timeskonsultasjonar med terapi og medikamentell behandling. Klinikken set av ein klokketime til kvar konsultasjon, samt har oppfølgingssamtaler (samtale helsearbeidar Kabul 2014).“ (Landinfo, 29. Jänner 2015, S. 6)

In einem im Jänner 2015 veröffentlichten Artikel von NRC, einer niederländischen Tageszeitung, wird erwähnt, dass es sich beim Krankenhaus für psychische Erkrankungen in Kabul um das einzige psychiatrische Krankenhaus Afghanistans handle. Das Krankenhaus verfüge über 60 Betten für psychiatrische PatientInnen und ein vernachlässigbares Budget:

„Adurranik ligt in het Mental Health Hospital in Kabul, Afghanistans enige psychiatrische ziekenhuis. Het heeft 60 bedden voor psychiatrische patiënten en een te verwaarlozen begroting.“ (NRC Reader, 2. Jänner 2015)

Auch die humanitäre, von freiwilligen ÄrztInnen und Krankenpflegern gegründete Non-Profit-Organisation International Medical Corps (IMC) erwähnt in einer Publikation von 2014, dass das Kabuler Krankenhaus für psychische Erkrankungen das einzige psychiatrische Krankenhaus des Landes sei. Seit IMC im Jänner 2011 begonnen habe, in dem Krankenhaus mitzuarbeiten, seien dort 78.000 PatientInnen behandelt worden:

„As of January 2011, International Medical Corps has been working at the mental health hospital in Kabul, the only psychiatric hospital in the country. Since that time, the hospital has served over 78,000 patients.” (IMC, 2014)

Das Institute for War and Peace Reporting (IWPR), ein in London ansässiges internationales Netzwerk zur Förderung freier Medien, zitiert in einem im August 2014 veröffentlichten Artikel über die zunehmende Zahl an Selbstmorden unter Jugendlichen in der afghanischen Hauptstadt eine Person namens Timor, bei der es sich um den Leiter des einzigen psychiatrischen Krankenhauses in Kabul handle (IWPR, 6. August 2014).

 

Der afghanische Nachrichtensender Tolo News berichtet im Juli 2015 über einen Angriff unbekannter Bewaffneter auf das psychiatrische Krankenhaus in Kabul, bei dem laut offiziellen Angaben niemand zu Schaden gekommen sei (Tolo News, 15. Juli 2015).

 

Auf Europa.eu, der offiziellen Website der Europäischen Union (EU), findet sich ein im April 2015 veröffentlichter Artikel der EU-Delegation in Afghanistan, der folgende Informationen zur psychischen Gesundheitsversorgung in Afghanistan anführt:

„Viele Menschen in Afghanistan haben psychologische Probleme. Die letzte verfügbare Umfrage (2004) hat ergeben, dass 68 % der Befragten depressiv waren, dass 72 % Angstzustände hatten und dass 42 % an posttraumatischen Störungen litten. Leider erkennen die Betroffenen aufgrund unzureichender Kenntnisse, kultureller Hindernisse, Mangel an Fachkräften und entsprechender Infrastruktur häufig nicht ihr Problem oder suchen nicht rechtzeitig Hilfe.

Malalay fand im Alter von 16 den Weg zur psychiatrischen Klinik von Kabul – einzige universitäre Gesundheitseinrichtung in ganz Afghanistan, die auf psychische Krankheiten spezialisiert ist. Ihr behandelnder Arzt hatte dort gearbeitet und riet ihr in Kenntnis ihres Zustands, sich Fachleuten anzuvertrauen.

Seither wird sie von einer psychosozialen Beraterin und einer Psychotherapeutin betreut. Die Verfügbarkeit von Ärztinnen, Krankenschwestern, Hebammen, Therapeutinnen und Beraterinnen hat für Frauen die ärztliche Versorgung in einem Land viel leichter gemacht, in dem viele von ihnen sich aus kulturellen Gründen keinem Mann anvertrauen.” (Europa.eu, 23. April 2015)

Die britische Tageszeitung The Guardian schreibt in einem Artikel vom September 2015, dass vierzehn Jahre Gewalt zu einer versteckten Epidemie von posttraumatischen Belastungsstörungen und anderen kriegsbedingten Erkrankungen in Afghanistan geführt hätten. Eine kleine, von einer Frau angeführte Armee an TherapeutInnen versuche nun, sich des Problems anzunehmen. Man befinde sich in einem Teufelskreis aus Gewalt und Trauma, so Dr. Fareshta Quedees, Projektmanagerin bei der International Psychosocial Organisation (Ipso) und treibende Kraft hinter der Ausbildung von 280 im ganzen Land tätigen psychosozialen BeraterInnen.

Laut einer von der UNO finanzierten Erhebung hätten im Jahr 2005 insgesamt 16,5 Prozent der AfghanInnen unter psychischen Erkrankungen gelitten. Seitdem habe das Ausmaß des Problems wahrscheinlich zugenommen.

Wie der Artikel weiters anführt, habe die afghanische Regierung das Vorgehen gegen das Problem psychischer Erkrankungen zu einer Priorität gemacht und eine nationale Strategie für geistige Gesundheit entwickelt. Alle Provinzkrankenhäuser würden nun Beratungen anbieten. Diese seien kostenlos und selbst online verfügbar:

„Fourteen years of violence have created a hidden epidemic in Afghanistan of post-traumatic stress disorder (PTSD) and other war-induced illnesses. It is one of the most enduring damages wrought by the war – one few people understand, and fewer can treat. But a small army of therapists now seeks to change that. And they are led by a woman.

‘We are in a vicious cycle of violence and trauma,’ said Dr Fareshta Quedees, project manager at the International Psychosocial Organisation (Ipso) in Kabul and the driving force behind training 280 psychosocial counsellors who work across the country. […]

A UN-sponsored survey found that in 2005, 16.5% of Afghans suffered from mental disorders. The problem is likely to have grown since then.

The Afghan government has made tackling mental illness a priority and developed a national mental health strategy. All provincial hospitals now offer counselling. Counselling is free, and even available online.” (The Guardian, 2. September 2015)

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 6. Oktober 2015)

·      AA - Auswärtiges Amt (Deutschland): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 31. März 2014

·      ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: 1) Behandelbarkeit von psychischen Störungen im Raum Kabul; 2) Lage von Personen mit psychischer Störung (Diskriminierung, etc.) [a-8722], 3. Juni 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/280437/410547_de.html

·      Europa.eu: Hilfe für psychisch Kranke in Afghanistan (Autor: EU-Delegation in Afghanistan), 23. April 2015
https://europa.eu/eyd2015/de/european-union/stories/week-17-you-are-not-alone-tackling-mental-health-afghanistan

·      IMC - International Medical Corps: International Medical Corps was established in 1984 by volunteer doctors and nurses to address the critical need for medical care in war-torn Afghanistan during the Soviet occupation, 2014
http://internationalmedicalcorps.org/document.doc?id=120

·      IOM - International Organization for Migration: Afghanistan - Länderinformationsblatt 2014, Oktober 2014 (veröffentlicht von ZIRF)
https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/698612/17203115/17376466/Afghanistan_-_Country_Fact_Sheet_2014,_deutsch.pdf?nodeid=17376467&vernum=-2&attlogin

·      IWPR - Institute for War and Peace Reporting: Afghanistan: Kabul Doctors Report Rising Teen Suicides, 6. August 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/282938/413336_de.html

·      Landinfo - Norwegian Country of Origin Information Centre: Afghanistan: Psykisk helsevern, 29. Jänner 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1424264164_3064-1.pdf

·      NRC: Psychische nood na 35 jaar oorlogvoeren, 2. Jänner 2015
http://www.nrcreader.nl/artikel/7787/psychische-nood-na-35-jaar-oorlogvoeren

·      The Guardian: Afghanistan tackles hidden mental health epidemic, 2. September 2015
http://www.theguardian.com/global-development/2015/sep/02/afghanistan-tackles-hidden-mental-health-epidemic-therapists

·      Tolo News: Gunmen Attack Kabul Psychiatric Hospital, 15. Juli 2015
http://www.tolonews.com/en/afghanistan/20465-gunmen-attack-kabul-psychiatric-hospital