Zentralafrikanische Republik 2019

Berichtszeitraum: 1. Januar bis 31. Dezember 2019

Bewaffnete Gruppen begingen schwerwiegende Menschenrechtsverstöße, darunter rechtswidrige Tötungen, sexualisierte Gewalt und illegale Steuererhebungen. Sie profitierten außerdem wie schon in den Vorjahren von der illegalen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. Die Straflosigkeit bestand trotz intensiver Bemühungen auf nationaler und internationaler Ebene fort. Die staatlichen Stellen schränkten die Versammlungsfreiheit ein.

Internationale Kontrolle

Am 6. Februar 2019 unterzeichneten die Regierung der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) und 14 bewaffnete Gruppen ein Abkommen für Frieden und Aussöhnung ("das Friedensabkommen"). Damit sollte der Konflikt beendet werden, durch den die Bevölkerung in großer Unsicherheit lebt. In Übereinstimmung mit dem Friedensabkommen wurde am 3. März 2019 eine Einheitsregierung gebildet, der auch Anführer_innen bewaffneter Gruppen angehören. Trotz des Abkommens begingen einige bewaffneten Gruppen, unter ihnen die Ex-Séléka- und Anti-Balaka-Milizen, weiterhin Menschenrechtsverstöße an der Zivilbevölkerung. Außerdem kontrollierten bewaffnete Gruppen immer noch 80 % des Staatsgebiets.

Menschenrechtsverstöße durch bewaffnete Gruppen

Bewaffnete Gruppen – auch diejenigen, die das Friedensabkommen unterzeichnet hatten – verübten nach wie vor schwerwiegende Menschenrechtsverstöße, darunter rechtswidrige Tötungen, sexualisierte Gewalt und illegale Steuererhebungen.

Zwischen Februar und Oktober 2019 verzeichnete die Mehrdimensionale integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in der Zentralafrikanischen Republik (MINUSCA) rund 600 Fälle von Verstößen gegen internationale Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht, von denen mindestens 1000 Einzelpersonen betroffen waren.

Bei einem der schlimmsten Sicherheitsvorfälle tötete die bewaffnete Gruppierung Retour, réclamation, réhabilitation (3R) mindestens 40 Menschen. Der Überfall wurde in den Dörfern Lemouna, Koundjiki und Bohong (Provinz Ouham Pendé) verübt. Bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Bewaffneten und Händler_innen kamen am 25. Dezember 2019 mehr als 30 Menschen im Stadtteil PK5 der Hauptstadt Bangui um.

Die Vereinten Nationen berichteten nach wie vor von vielen Fällen sexualisierter Gewalt. Die Täter_innen gehörten in den allermeisten Fällen bewaffneten Gruppierungen an.
Die ZAR blieb eines der gefährlichsten Länder für Mitarbeiter_innen humanitärer Hilfsorganisationen. Im Bericht des UN-Generalsekretärs an den UN-Sicherheitsrat vom Oktober 2019 hieß es, dass die Vereinten Nationen zwischen Januar und August 188 Überfälle auf Mitarbeiter_innen, Büros und Güter humanitärer Hilfsorganisationen dokumentiert hätten. In dem Zeitraum wurden auch drei Mitarbeiter_innen humanitärer Hilfsorganisationen getötet.

Straflosigkeit

Auf nationaler und internationaler Ebenen wurden große Anstrengungen gegen die chronische Straflosigkeit unternommen, um diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die im Verdacht standen, in den Konflikten seit 2003 schwere Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben.

Das Justizwesen der ZAR hat zwar weder die Mittel noch die Kapazitäten, dennoch befassten sich die ordentlichen Gerichte in Bangui und Bouar mit Fällen von Menschenrechtsverletzungen durch bewaffnete Gruppen und führten Strafprozesse. So kam es, dass Oberst Abdoulaye Alkali-Said, ein ranghohes Mitglied der Ex-Séléka-Gruppierung Mouvement Patriotique pour la Centrafrique, am 23. September 2019 in einem Strafprozess in Bangui wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Die Anklagen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden aus Mangel an Beweisen fallengelassen. Es bestehen allerdings berechtigte Bedenken, ob diese Gerichtsverfahren ordnungsgemäß und fair geführt wurden.

Die Operationalisierung des Sondergerichts (Cour Pénale Spéciale) machte deutliche Fortschritte. Das Gericht gab im Juni 2019 bekannt, dass 27 Klagen bei ihm eingegangen seien. Man habe in vier Fällen Voruntersuchungen eingeleitet. Drei Verfahren seien von ordentlichen Gerichten an das Sondergericht verwiesen worden. Die Ermittlungskammern seien dabei, diese zu bewerten. Im August 2019 wurde auch das Verfahren wegen der Tötungen vom 21. Mai an das Sondergericht verwiesen. Das Sondergericht war im Juni 2015 durch ein Gesetz eingerichtet worden. Die offizielle Eröffnung fand im Oktober 2018 statt. Es handelt sich um ein hybrides Gericht, das mit Richter_innen und Mitarbeiter_innen aus der ZAR und dem Ausland besetzt ist. Das Gericht soll völkerrechtliche Verbrechen zunächst für einen Zeitraum von fünf Jahren untersuchen und strafrechtlich verfolgen.

Fälle, die die Situation in der ZAR betrafen, wurden auch vor den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gebracht. Patrice-Edouard Ngaïssona, Anführer einer Anti-Balaka-Gruppe, wurde am 23. Januar 2019 an den IStGH überstellt. Er muss sich dort für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verantworten, die er in den Jahren 2013 und 2014 begangen haben soll. Am 20. Februar 2019 wurde das Verfahren gegen Ngaïssona mit dem Verfahren gegen Alfred Yekatom zusammengelegt. Yekatom war ebenfalls Anführer einer Anti-Balaka-Gruppe und ist wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. In einer Entscheidung vom 11. Dezember 2019 bestätigte der IStGH Teile der Anklagepunkte gegen Ngaïssona und Yekatom. Der IStGH ist für die Ermittlung und strafrechtliche Verfolgung bei Verbrechen im Sinne des Völkerrechts zuständig, die seit 2012 in der ZAR begangen wurden. Dies geschieht ergänzend zum und in Zusammenarbeit mit dem Sondergericht in der ZAR. Die Regierung der ZAR hat diese Fälle seit 2014 an den IStGH überwiesen.

In Übereinstimmung mit dem Friedensabkommen wurde durch einen Erlass des Präsidenten vom 8. Februar 2019 eine inklusive Kommission ins Leben gerufen, die aus Vertreter_innen der bewaffneten Gruppen, die das Friedensabkommen unterzeichnet hatten und den staatlichen Stellen bestand. Die Kommission soll Empfehlungen für die zukünftige Kommission für Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Aussöhnung (Commission vérité, justice, réparation et réconciliation – CVJRR) erarbeiten. Die inklusive Kommission trat am 28. Mai 2019 zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Am 20. Juni 2019 begann der nationale Konsultationsprozess für die Gestaltung des Gesetzes über die CVJRR.
 

Binnenvertriebene

Die Zugangsmöglichkeiten zu humanitärer Hilfe waren wegen der prekären Sicherheitslage nach wie vor extrem erschwert. Am 31. Oktober 2019 gab es rund 600.000 Binnenvertriebene im Land.

Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit

Die zivilgesellschaftliche Organisation Groupe de Travail de la Société Civile (GTSC) rief am 10. April 2019 zu einer Demonstration auf, um gegen die Berufung von Vertreter_innen der bewaffneten Gruppen in die Regierung zu protestieren. Paul Crescent Beninga, Sprecher der GTSC, wurde am Abend vor der Demonstration unter dem Vorwurf der Gefährdung der Staatssicherheit festgenommen. Am 21. April wurde er wieder freigelassen. Die Demonstration fand letztlich nicht statt.

Im Mai 2019, wenige Tage nachdem Angehörige der bewaffneten Gruppe 3R in den Dörfern Lemouna, Koundjiki und Bohong (Provinz Ouham Pendé), Gräueltaten verübt hatten, rief die Front Uni pour la Défense de la Nation, ein Bündnis von Oppositionspolitiker_innen und Vertreter_innen zivilgesellschaftlicher Organisationen, zu Demonstrationen am 15., 22. und 29. Juni 2019 auf. Das Bündnis wollte damit gegen die Beteiligung von Vertreter_innen der bewaffneten Gruppen an der Regierung protestieren und darauf hinweisen, dass dieser Schritt keine positiven Auswirkungen auf  Frieden und Sicherheit im Land hat. Das Innenministerium verbot die Demonstrationen. Zur Begründung hieß es in einer Erklärung, dass sich Terrorist_innen unter die Demonstrierenden mischen könnten. Dennoch gingen am 15. Juni ungefähr hundert Menschen auf die Straße. Sicherheitskräfte trieben sie auseinander.

Illegale Ausbeutung von Bodenschätzen

Der Export von Rohdiamanten aus weiten Teilen des Landes war im Rahmen des Kimberley-Prozesses nach wie vor verboten. Allerdings beuteten bewaffnete Gruppen diese Bodenschätze wie schon in den weiterhin aus. Die Kämpfe zwischen bewaffneten Gruppen um die Kontrolle der Diamantminen hielten ebenfalls an.

In einem Parlamentsbericht vom 13. Juli 2019 wurde deutliche Kritik an chinesischen Bergbauunternehmen geäußert. Die Unternehmen seien für eine Umweltkatastrophe und die Verschmutzung des Ouham-Flusses in der Region Bozoum, nordwestlich von Bangui, verantwortlich. In dem Bericht wurde empfohlen, Ermittlungen hinsichtlich einer möglichen Verwicklung von Politiker_innen und hochrangigen Regierungsvertreter_innen in die betrügerische Erteilung von Schürferlaubnissen einzuleiten.

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