Anfragebeantwortung zu Libyen: Humanitäre Lage und medizinische Versorgung [a-11328-1]

18. August 2020

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Der offizielle staatliche Auslandssender der USA, Voice of America (VOA), berichtet im April 2020 über die Auswirkungen der Kriegshandlungen auf das libysche Gesundheitssystem. Im März hätten sich vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie beide Parteien in dem seit einem Jahr andauernden Kampf um die Hauptstadt Tripolis auf einen Waffenstillstand geeinigt. In den Häusern der Stadt könne man seither jedoch täglich Bombardierungen hören, während die Kämpfe eskalieren würden und das Gesundheitssystem zusammenfalle. Ein Angriff auf eine Wasserstation habe scheinbar die Wasserleitungen in die Stadt abgeschnitten. Viele Familien hätten berichtet, dass aus ihren Wasserhähnen kein Wasser komme, und das zu einem Zeitpunkt, an dem das Händewaschen die beste Vorbeugung gegen das Virus sei. Die BewohnerInnen von Tripolis würden täglich unter einem 19-stündigen Lockdown leben, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Mohammed Ghiblawi, ein junger Aktivist, der versuche, im Angesicht eines potenziellen Ausbruchs in Tripolis Feldspitäler zu errichten, habe berichtet, dass Länder, die zuvor im Krieg verwundete Kämpfer aufgenommen hätten, nun aufgrund der Coronavirus-Pandemie ebenfalls im Lockdown seien. Daher seien lokale Spitäler beinahe voll mit verwundeten Kämpfern und Personen mit anderen Krankheiten. Laut dem humanitären Koordinator der UNO, Yacoub El Hillo, seien allein in den vergangenen fünf Wochen 27 Gesundheitseinrichtungen im Zuge der Kämpfe beschädigt worden und 14 seien bereits geschlossen. Wasef Gelani, der Bewohner eines Appartements im Stadtzentrum, habe berichtet, dass er täglich Bombardierungen höre. Er sei mit seiner Familie aus der Vorstadtwohnung geflohen, als in dem Viertel im vergangenen Jahr Kämpfe ausgebrochen seien. Aisha, eine Studentin aus Tripolis, habe gegenüber VOA angegeben, dass sie vor dem Hintergrund des darniederliegenden Gesundheitssystems Angst habe, sich zu infizieren und dann keine Anlaufstelle habe, um Hilfe zu bekommen. Jedoch sei wie auch bei Gelani das Coronavirus nicht ihre größte Sorge. Die Preise grundlegender Lebensmittel würden stark ansteigen, während die Einkommen der meisten Leute zusammenschrumpfen würden. Das größte Problem für libysche Familien sei die finanzielle Situation. Zwischen Krieg und Lockdown wisse sie nicht, wie man diese Zeit überleben könne, ohne zu verhungern:

„Last month, both sides of Libya’s now one-year-old war for Tripoli again agreed to a cease-fire as the coronavirus pandemic spread around the world. But since then, bombings can be heard daily from Tripoli homes as the fighting escalates and the health care system crumbles. An added level of horror hit Tripoli, after an attack Tuesday on a water facility apparently cut pipelines into the city. By afternoon, some families reported their faucets were running dry at a time when their main defense against the virus is hand washing. […]

Tripoli residents are living under a 19-hour-a-day lockdown to try to prevent the pandemic from spreading beyond the 18 cases and 1 death reported as of April 6. But the continued battles have left the country vulnerable to disaster, according to local aid workers, and the capacity of the hospitals is rapidly decreasing. ‘Countries that used to receive wounded patients from the war are now locked down because of coronavirus,’ said Mohammed Ghiblawi, a youth-activist leader who is trying to set up field hospitals ahead of a potential outbreak in Tripoli. ‘Local hospitals are now already almost full with wounded fighters and people with other diseases.’ After the attack Monday, the United Nations humanitarian coordinator for Libya, Yacoub El Hillo, released a stark warning. He said 27 health facilities have been damaged in the fighting in the past five weeks alone, and 14 have already closed. The war has killed more than 350 civilians and nearly 150,000 people have fled their homes. ‘If Libya is to have any chance against COVID-19, the ongoing conflict must come to an immediate halt,’ Hillo said in a statement.

While confined to their homes, Tripoli residents can hear bombs every day, said Wasef Gelani, 40, a father of four living in a downtown apartment. He fled his suburban apartment after fighting engulfed his neighborhood last year. […] Fear now colors every aspect of life, added Aisha Salheen Emhemed, a 23-year-old law student in Tripoli. […] With the health care system in shambles, she said, she fears getting infected and having nowhere to go for help. But like Gelani, coronavirus is not her greatest worry. Prices of basic food items are soaring as incomes for many people are dwindling to little or nothing. ‘The hardest thing for Libyan families is the financial situation,’ she said. ‘Between the war and the curfew, how will we survive and pass this time without starving?’”  (VOA, 7. April 2020)

The New Humanitarian (TNH), ein unabhängiger, humanitärer Nachrichtendienst mit geographischem Schwerpunkt Zentralasien, Naher Osten und Afrika südlich der Sahara, schreibt im Juni 2020, dass Libyen Ende März seinen ersten Covid-19-Fall bekanntgegeben habe. Mit Stand vom 8. Juni habe es 332 Infektionen und fünf Todesfälle gegeben. 200 dieser Infektionsfälle seien in der südlichen Stadt Sabha registriert worden. Da jedoch kaum getestet werde bestehe die Befürchtung, dass die eigentlichen Zahlen viel höher seien. Das Virus übe zusätzlichen Druck auf ein bereits belastetes öffentliches Gesundheitsversorgungsnetzwerk aus, das die Sicherheit des eigenen Personals nicht gewährleisten könne und Probleme habe, zwischen den verschiedenen miteinander Krieg führenden Mächten im Land eine einheitliche Reaktion auf Covid-19 zu koordinieren. Laut einer libyschen Krankenschwester am al-Khadra General Hospital in Tripolis, einem Krankenhaus, das Anfang April an fünf Tagen mit Granaten beschossen worden sei, würde das Gesundheitssystem kollabieren und Krankenhäuser seien weder für das medizinische Personal noch für die PatientInnen sicher. Das 400 Betten zählende al-Khadra General Hospital sei als Krankenhaus für Covid-19-PatientInnen ausgewiesen worden, jedoch seien seit der Bombardierung im April die Abteilungen für Gynäkologie und Geburtshilfe sowie die Intensivstation geschlossen. Mohammed, ein Arzt am al-Khadra General Hospital, habe mitgeteilt, dass das Krankenhaus weiterhin für Notfälle geöffnet sei, jedoch hätten Ärzte wie er Angst davor, zu arbeiten, da das Krankenhaus jeden Moment wieder getroffen werden könne. Selbst vor dem ersten registrierten Covid-19-Fall in Libyen seien die Krankenhäuser weder mit genügend Medikamenten noch genügend Personal ausgestattet gewesen. Viele medizinische Fachkräfte hätten im Zuge der Gewalt, die auf die Absetzung des Diktators Muammar Gaddafi im Jahr 2011 gefolgt sei, das Land verlassen. Einem libyschen Anästhesisten zufolge herrsche ein Mangel an Medikamenten wie zum Beispiel Narkosemittel, es gebe nicht genügend qualifiziertes medizinisches Personal und Krankenhäuser seien beschädigt und bräuchten Instandhaltung. Vor dem Ausbruch von Covid-19 seien diejenigen, die es sich hätten leisten können, darunter Kämpfer, oft zur Behandlung an privaten Institutionen nach Tunesien gereist. Nun, da die Grenzen geschlossen seien, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, gebe es noch mehr PatientInnen, die in den bereits überbelasteten Gesundheitseinrichtungen in Libyen behandelt werden müssten:

„Libya announced its first COVID-19 case on 24 March, and as of 8 June there were 332 confirmed cases, and five deaths. Around 200 of those infections are in the southern city of Sabha. But, with testing extremely limited, many fear the real numbers are much higher. And the virus is putting new pressure on an already stressed public healthcare network that can’t ensure its workers are safe and is struggling to coordinate a coherent response to COVID-19 between different warring authorities across the country. ‘Our healthcare system is collapsing,’ one Libyan maternity nurse, who works in Tripoli’s al-Khadra General Hospital – hit three times by shelling in five days in early April – told The New Humanitarian. ‘Hospitals are not safe, either for us or for our patients. But we keep working to serve our country.’ […]

Mohammed, a doctor who has worked for four years at al-Khadra General Hospital, said he feels ‘at risk everyday, and overwhelmed by the situation’. Like many of the health professionals who spoke to TNH – by phone in late May – Mohammed asked that his real name not be published because he didn’t want to risk his job and feared for his personal safety. The 400-bed al-Khadra had been designated as a hospital that could treat COVID-19 patients, but the obstetrics, gynaecology, and intensive care units have all had to shut their doors because of damage from the April shelling. The hospital is still open for emergencies, but Mohammed told TNH that doctors like him ‘are afraid to go to work, because [the hospital] could be attacked at any time. But we are still on duty’. Even before Libya’s first COVID-19 case, most hospitals did not have sufficient medication or personnel, with many medical professionals leaving the country in the violence that followed dictator Muammar Gaddafi’s 2011 ouster. ‘There is a shortage of medical supplies like anaesthetic, a lack of qualified medical staff, and our hospitals are damaged and need maintenance,’ said a Libyan anaesthetist who works on two hospitals on Tripoli’s front lines, earning the equivalent of less than $200 a month overall. […]

The pandemic has only added to the stress of healthcare workers, as they try to prepare and treat people in the midst of the fighting. Before COVID-19, those who could afford it – including fighters – often sought treatment at private facilities across the border in Tunisia. With borders closed to stem the spread of the coronavirus, there are now even more patients for Libya’s already overburdened facilities to treat.” (TNH, 10. Juni 2020)

Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) berichtet in ihrem monatlichen Überblick zum libyschen Gesundheitssystem vom Juli 2020, dass Libyen sich in einer kritischen Phase der Orientierung seines Energiesystems befinde. Im Westen und Süden des Landes würden die täglichen Stromausfälle 12 bzw. 14 Stunden dauern. In ganz Libyen hätten Erwerbslosigkeit und Bewegungseinschränkungen zu einem deutlichen Anstieg der Ernährungsunsicherheit geführt, den Zugang zu Gesundheitsdiensten eingeschränkt und die Bewältigungsmöglichkeiten vulnerabler Segmente der Bevölkerung erodiert. Es habe neue Vertreibungsbewegungen aus Tarhouna und Sirte in östlich gelegene Gemeinden gegeben. Der nationale Vorsorge- und Reaktionsplan für Covid-19 sei von den libyschen Behörden nicht unterstützt worden. Die Testkapazitäten für Covid-19 seien landesweit eingeschränkt. Treibstoffmangen und tägliche Stromausfälle von mehr als 18 Stunden würden die Funktionsfähigkeit von Gesundheitseinrichtungen beeinträchtigen. Die Liquidität sei eine weitere große Sorge: viele Menschen hätten seit mehreren Monaten keinen Lohn mehr erhalten. Die libyschen Behörden würden die größten Herausforderungen wie folgt definieren: Fragmentierung der Einrichtungen des Gesundheitssektors, schlechte Verwaltung, Mangel an Rechenschaftspflicht, extremer Mangel an medizinischer Ausrüstung und Gesundheitspersonal im ganzen Land, Schließung von mehr als 50 Prozent aller Gesundheitseinrichtungen insbesondere in ländlichen Gebieten, eine sich zuspitzende Bedrohung der Sicherheit sowie ein extremer Mangel an Finanzierung. Libyen bleibe eines der gefährdetsten Länder der Region aufgrund des bestehenden bewaffneten Konflikts, der Präsenz ausländischer bewaffneter Gruppen, dem Schmuggel von Drogen und MigrantInnen, unkontrollierter Grenzen, organisiertem Verbrechen und Korruption. Die libyschen Behörden würden die humanitäre Lage als katastrophal und durch Covid-10 zusätzlich verschlimmert bezeichnen. Die internationale Hilfe reiche nicht aus und viele Programme und Projekte seien aufgrund von Covid-19 zurückgefahren worden:

„Libya is at a critical phase in the orientation of its energy system. Daily electricity blackouts in the West currently average 12 hours and 14 in the South, increasingly triggering demonstrations. […] Across Libya, unemployment and mobility restrictions, as well as migrants’ lack of access to livelihoods, have significantly increased food insecurity, reduced access to health services, and eroded the coping capacities of vulnerable segments of the population. There have been fresh population displacements from Tarhouna and Sirte to the eastern municipalities. […]

The national preparedness and response plan for COVID-19 has not been endorsed by the Libyan authorities. Limited COVID-19 testing capacity throughout the country. […] Fuel shortages and daily electricity cuts of more than 18 hours are affecting the functioning of health facilities. Liquidity is another serious concern: many people have not been paid for several months. […]

The Libyan authorities define the current top challenges as follows: fragmentation of the health sector institutions, poor governance, lack of accountability, extreme shortage of medical supplies and health care workers across the country, closure of more than 50% of healthcare facilities especially in the rural areas, escalating security treats and severe shortage of funding. Libya remains one of the vulnerable countries in the region due to ongoing armed conflict, presence of foreign armed groups, trafficking of drugs and migrants, uncontrolled borders, organized crime and corruption. The humanitarian situation is defined by Libyan authorities as dire and aggravated by COVID-19. International assistance is not enough, and many programmes/projects were rolled back due to COVID-19.” (WHO, Juli 2020, S. 2-3)

Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UN Support Mission in Libya, UNSMIL) veröffentlicht vierteljährlich einen Überblick zu zivilen Opfern des Konflikts. Im Überblick zum zweiten Quartal des Jahres 2020 wird erwähnt, dass UNSMIL weiterhin Angriffe auf gesundheitliche Einrichtungen dokumentiert habe, die den Zugang von ZivilistInnen zur Gesundheitsversorgung einschränken würden. Von April bis Juni 2020 seien neun Angriffe auf sechs verschiedene Gesundheitseinrichtungen und ein Angriff auf einen Rettungswagen dokumentiert worden. Sieben dieser Angriffe seien der Libyschen Nationalen Armee (Truppen des Generals Khalifa Haftar, Anm. ACCORD) zugeschrieben worden, bei zwei Angriffen habe die verantwortliche Partei nicht festgestellt werden können. Im Berichtszeitraum sei beispielsweise das Al-Khadra Krankenhaus in Tripolis, das beauftragt worden sei, Covid-19-PatientInnen aufzunehmen, viermal von Raketen getroffen worden:

„UNSMIL continued documenting attacks on schools and healthcare facilities that impede access to education and health services by civilians in Libya. […] In addition to attacks on schools, UNSMIL documented nine attacks on six different healthcare facilities, as well as one attack on an ambulance during the second three months of 2020. Seven of these attacks were attributed to the LNA and it was not possible to attribute two of the attacks. For example the al Khadra hospital in Tripoli, which was assigned to receive COVID-19 patients, was struck on four different occasions by rockets during the reporting period.” (UNSMIL, 29 Juli 2020)

Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, UN OCHA) schreibt im Juli 2020 (Berichtszeitraum Mai 2020), dass in Libyen eine Million Menschen humanitäre Hilfe und Schutz benötige. Im Mai seien 658 Fälle registriert worden, in denen die Bewegung humanitärer Organisationen, humanitärer Helfer und humanitärer Güter eingeschränkt worden seien. Es habe 39 Berichte gegeben, in denen signalisiert worden sei, dass Militäroperationen und laufende Gefechte humanitäre Operationen verhindert hätten. Kämpfe und Beschuss verbunden mit der Präsenz bewaffneter Gruppen hätten humanitäre Operationen verzögert und in manchen Fällen Organisationen dazu gebracht, ihre Programme umzustrukturieren. Militäroperationen hätten zudem wesentliche Auswirkungen auf öffentliche Einrichtungen gehabt, die grundlegende Dienste wie Gesundheitsversorgung zur Verfügung stellen würden. In manchen Fällen seien bestimmte Orte, wie zum Beispiel Tarhuna, aufgrund der bestehenden militärischen Operationen in der Gegend für humanitäre Akteure nicht zugänglich gewesen:

„A total of 1 million people in Libya are in need of some form of humanitarian and protection assistance. […] Similar to what was reported in April, restrictions of movements of humanitarian agencies, humanitarian personnel, or humanitarian goods into Libya make up the majority of reported access constraints during May 2020 with 658 reported access constraints (64% of all reported access constraints during the month). These constraints include delays and inconsistencies in obtaining and renewing work permits and registrations for humanitarian agencies to operate in Libya as well as significant delays and difficulties in issuing visas and security clearances for international humanitarian staff members. […] A total of 39 reports indicated that military operations and ongoing hostilities impeded humanitarian operations during the month. This constitutes approximately 4% of all reported access constraints and incidents. The ongoing fighting and shelling in addition to the presence of armed groups have caused delays in humanitarian operations and in some instances, has led some organizations to restructure their programming. Military operations also significantly impacted public facilities that provided basic services such as healthcare. On some occasions, certain locations, such as Tarhuna, could not be accessed by several humanitarian actors because of the ongoing military activity in the area.” (UN OCHA, 13. Juli 2020, S. 1-2)

Al-Araby Al-Jadeed, ein 2014 in London gegründetes Medienunternehmen, berichtet in einem Artikel auf seiner Nachrichtenwebseite vom Jänner 2020, dass laut Angaben libyscher Bürger ein extremer Mangel an Medikamenten bestehe, während die Preise verfügbarer Medikamente angestiegen seien. Das Gesundheitsministerium der Nationalen Einheitsregierung (die international anerkannte und Teil des Landes im Westen kontrollierende Regierung, Anm. ACCORD) habe bekanntgegeben, daran zu arbeiten, die Grundmedikamente für chronische Krankheiten zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig habe das Ministerium darauf hingewiesen, dass aufgrund der Militäroperationen, die die Milizen des Generals Khalifa Haftar mit dem Versuch der Einnahme von Tripolis durchführen würden, befinde sich der Gesundheitssektor in einer schwierigen Lage. Ein Bewohner von Tripolis habe sich gegenüber Al-Araby Al-Jadeed über die hohen Medikamentenpreise beschwert und gesagt, dass eine Erkältungsmedizin mittlerweile 120 Dinar (etwa 72 Euro, Anm. ACCORD) koste während das Einkommen der meisten Bürger im Monat nicht mehr als 450 Dinar (etwa 277 Euro, Anm. ACCORD) betrage. Ein Mann namens Ali, der aus der Gegend um die Straße zum Flughafen in Tripolis vertrieben worden sei, habe berichtet, dass er keine Diabetesmedizin erhalten habe, seine finanzielle Situation aufgrund der gegenwärtigen Lage schlecht sei und das Diabeteskrankenhaus in einem umkämpften Gebiet liege. Der Staat stelle den BürgerInnen Medikamente für chronische Krankheiten gratis zur Verfügung, darunter Diabetes-, Krebs-, Herz- und Nierenerkrankungen. Der Sprecher des Gesundheitsministeriums habe erklärt, dass der Krieg Auswirkungen auf den Gesundheitssektor habe und dass das Gesundheitsministerium daran arbeite, Medikamente für chronische Krankheiten über das medizinische Versorgungssystem bereitzustellen. Aktivisten auf dem Pharmamarkt hätten den Anstieg der Preise auf die Spekulationen mancher Personen zurückgeführt, die viele notwendige Artikel lagern würden, um deren Preise in die Höhe zu treiben und somit große Gewinne zu erzielen. (Al-Araby Al-Jadeed, 6. Jänner 2020)

Der Nachrichtensender Libya 24 meldet im August 2020, dass Beamte der tunesischen Zollbehörden einen Transporter aufgehalten hätten, der 17.000 Packungen Medikamente nach Libyen habe schmuggeln wollen. Bei den sichergestellten Medikamenten habe es sich zu einem großen Teil um aus dem Ausland importierte Medikamente gegen chronische Krankheiten mit einem Wert von etwa 150.000 Dinar (etwa 92.142 Euro, Anm. ACCORD) gehandelt. (Libya 24, 15. August 2020)

 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 18. August 2020)

·      Al-Araby Al-Jadeed: Libyen – Mangel an Medikamenten und Anstieg der Preise

 [ليبيا: نقص في الأدوية وارتفاع الأسعار], 6. Jänner 2020
https://www.alaraby.co.uk/%D9%84%D9%8A%D8%A8%D9%8A%D8%A7-%D9%86%D9%82%D8%B5-%D9%81%D9%8A-%D8%A7%D9%84%D8%A3%D8%AF%D9%88%D9%8A%D8%A9-%D9%88%D8%A7%D8%B1%D8%AA%D9%81%D8%A7%D8%B9-%D8%A7%D9%84%D8%A3%D8%B3%D8%B9%D8%A7%D8%B1

·      Libya 24: Tunesien vereitelt Versuch, 17.000 Packungen Medikamente nach Libyen zu schmuggeln [تونس تحبط محاولة تهريب 17 ألف علبة أدوية إلى ليبيا], 15. August 2020
https://libya24.tv/news/323851

·      TNH – The New Humanitarian (ehemals: IRIN News): Libyan doctors battle on two dangerous fronts: Coronavirus and war, 10. Juni 2020
https://www.thenewhumanitarian.org/news-feature/2020/06/10/Libya-war-coronavirus-hospital-doctors

·      UN OCHA – UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs: Libya: Humanitarian Access Report (May 2020), 13. Juli 2020
https://www.ecoi.net/en/file/local/2033895/access_report_may_2020_v4.pdf

·      UNSMIL - UN Support Mission in Libya: Civilian Casualties Report - 1 April- 30 June 2020, 29. Juli 2020
https://unsmil.unmissions.org/civilian-casualties-report-1-april-30-june-2020

·      VOA – Voice of America: Libya War Escalates as Health Care System Crumbles, 7. April 2020
https://www.voanews.com/middle-east/libya-war-escalates-health-care-system-crumbles

·      WHO – World Health Organization (Autor), Health Cluster (Autor): Libya: Health Sector Bulletin (July 2020), Juli 2020
https://www.ecoi.net/en/file/local/2035078/health_sector_bulletin_july_2020.pdf