Anfragebeantwortung zu Pakistan: Gesellschaftliche Lage - insbesondere männlicher - Vergewaltigungsopfer, konkrekte Beispiele für gesellschaftliche Stigmatisierung, sexueller Verkehr mit männlichen Minderjährigen als Statussymbol [a-11247]

9. April 2020

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Gesellschaftliche Lage weiblicher Vergewaltigungsopfer

Der im März 2020 veröffentlichte Jahresbericht zur Menschenrechtslage 2019 des US-Außenministeriums (USDOS) berichtet im Abschnitt zur Situation von Frauen, dass Vergewaltigung in Pakistan häufig sei, aber nur selten strafrechtlich verfolgt werde. Es gebe aufgrund von Unterberichterstattung („underreporting“) keine verlässlichen Statistiken zu Vergewaltigungen, außerdem verfüge Pakistan über kein zentrales Datenerfassungssystem für Strafverfolgungsbehörden. Nichtregierungsorganisationen hätten berichtet, dass die Polizei manchmal Bestechungsgelder von Tätern akzeptiere, Opfer misshandle oder bedrohe und von ihnen verlange die Anzeige zurückzuziehen, vor allem wenn die als Täter verdächtigen Personen einflussreich seien. Einige Polizisten würden für die Aufnahme der Anzeige Schmiergeld verlangen und die Untersuchungen seien oft oberflächlich. Außerdem würden Vergewaltigungsvorwürfe oft mittels außergerichtlicher Maßnahmen geregelt, wobei das Opfer öfter gezwungen werde ihren Angreifer zu heiraten:

„Although rape was frequent, prosecutions are rare [...].There were no reliable national, provincial, or local statistics on rape due to underreporting and no centralized law enforcement data collection system. [...] NGOs reported police sometimes accepted bribes from perpetrators, abused or threatened victims, and demanded victims drop charges, especially when suspected perpetrators were influential community leaders. Some police demanded bribes from victims before registering rape charges, and investigations were often superficial. Furthermore, accusations of rape were often resolved using extrajudicial measures, with the victim frequently forced to marry her attacker.“ (USDOS, 11. März 2020, Section 6)

Die Nachrichtenagentur Inter Press Service (IPS), eine weltweit agierende Non-Profit- und Nicht-Regierungsorganisation mit Fokus auf Entwicklungsarbeit, Globalisierung, Menschenrechte und Umweltthemen, publizierte 2017 einen Artikel zur Problematik der Straffreiheit für Vergewaltiger in Pakistan. Darin wird der Gründer einer nationalen Helpline für Frauen und Kinder zitiert, der viele Anrufe von Frauen erhalte, die unentschlossen seien, ob sie eine Anzeige erstatten oder lieber schweigen sollten, um Erniedrigung und ein lebenslanges Stigma zu vermeiden. Die Straffreiheit der Vergewaltiger und die Tortur der Opfer hielten die letzteren davon ab, Gerechtigkeit zu suchen. Der Artikel zitiert weiters einen in Karachi ansässigen Anwalt, der die beschämende („shameful“) Haltung der Gesellschaft, der Polizei und der Anwälte gegenüber Vergewaltigungsopfern als größte Hürde für eine Sicherstellung von Gerechtigkeit genannt habe:

„Zia Awan, founder of the Madadgar National Helpline for women and children, told IPS, ‚The number of rape cases reported in Pakistan is only a fraction of the actual number.’ He receives a large number of calls from women who are undecided on whether to report the case or remain silent in order to avoid humiliation and life-long stigma. The impunity of rapists and the ordeal of rape victims deter the latter from seeking justice, he says. ‚The shameful attitude of society, police and lawyers towards rape victims is the biggest hurdle in securing justice,’ said Faisal Siddiqui, a Karachi-based lawyer.“ (IPS, 3. Februar 2017)

Gesellschaftliche Lage männlicher Vergewaltigungsopfer

Laut dem oben genannten USDOS-Bericht definiere das pakistanische Strafgesetzbuch Vergewaltigung als Verbrechen, das von einem Mann an einer Frau verübt werde. Im Jahr 2016 habe die Regierung die Definition des Straftatbestands der Vergewaltigung Minderjähriger („statutory rape“) dahingehend geändert, dass er zusätzlich zu Geschlechtsverkehr mit Mädchen unter 16 Jahren auch Buben inkludiere:

„The law [...] defines rape as a crime committed by a man against a woman. Although rape was frequent, prosecutions are rare. [...] In 2016 the government updated its definition of statutory rape and expanded the previous definition, which was sexual intercourse with a girl younger than 16, to include boys.“ (USDOS, 11. März 2020, Section 6).

In einem Artikel der englischsprachigen pakistanischen Zeitung Daily Times vom Februar 2020 schreibt der Autor, dass die Nachlässigkeit in Bezug auf das Thema Vergewaltigung von Männern lange Zeit negative Auswirkungen auf die Gesetze zu Vergewaltigung in einer patriarchalischen Gesellschaft wie der Pakistans gehabt habe. Männer würden im Allgemeinen als dominante und sexuell unangreifbare Wesen betrachtet und daher werde männliche Vergewaltigung als Tabuthema angesehen, das nicht offen diskutiert oder dokumentiert werden dürfe. Das vorgefasste Bild von Männlichkeit und Geschlecht habe dazu geführt, dass Männer üblicherweise als Täter von Vergewaltigungen und nicht als Opfer betrachtet würden. Es sei nicht überraschend, dass nur sehr wenige Daten zu gemeldeten und nicht gemeldeten sexuellen Übergriffen auf Männer vorliegen würden. Die pakistanischen Gesetze zu Vergewaltigung, die Angst vor dem Stigma und der Mangel an Rechtsmitteln würden eine große Anzahl männlicher Opfer sexueller Übergriffe sich selbst überlassen („leaves out a large swathe of male sexual assault victims“). Männliche Vergewaltigungsopfer würden lautlos leiden. Die Gesellschaft erkenne nicht einmal an, dass dieses Phänomen real sei:

„Negligence on the issue of male rape has long caused negative repercussions in regard to rape laws within a patriarchal society like that of Pakistan’s. Men are generally positioned as dominant and sexually impenetrable beings, and thus male rape is considered to be a taboo topic, not to be openly discussed or kept record of. The preconceived notion of masculinity and gender has made it common to view men as perpetrators of rape and less likely to be considered as victims of sexual assault. It is not surprising that there exists very little statistical data on the reported and unreported sexual assaults on men. [...] The existing rape laws in Pakistan, fear of stigma and lack of legal recourse leaves out a large swathe of male sexual assault victims. Male rape survivors in Pakistan suffer silently. It is almost like a double-edged sword: on one hand, they have gone through something so traumatic, and on the other, society doesnot even acknowledge it is real.“ (Daily Times, 6. Februar 2020)

In einem etwas älteren Artikel zu demselben Thema in der englischsprachigen pakistanischen Zeitung The Express Tribune vom Juli 2016 beschreibt eine Mitarbeiterin der Organisation WAR [War Against Rape] namens Rukhsana Siddiqi die Situation ebenfalls so, dass die Vorstellung, dass Männer vergewaltigt werden könnten, in Pakistan nicht annehmbar sei. Männer würden glauben sie seien stark, sie könnten andere verletzen, aber nicht selbst verletzt werden. Fälle von vergewaltigten Männern würden fast nie bekannt werden, da das Opfer und seine Familie den Vorfall nicht offenlegen würden. Ein 18-jähriger Junge sei von Feinden seines Vaters als Drohung sexuell missbraucht worden. Die Familie habe den Vorfall öffentlich abgestritten, gegenüber der Organisation WAR aber erklärt, sie verfolge den Fall nicht rechtlich, da sie den Missbrauch geheim halten wolle. Diesem Männlichkeitsbild sei es auch geschuldet, dass von Männern erwartet werde, ihre Probleme nicht zu teilen. Sexueller Missbrauch werde manchmal als eine Angelegenheit der männlichen Ehre betrachtet, wodurch männliche Opfer keine Möglichkeit hätten ihre Erlebnisse zu teilen und sich dadurch zu erleichtern. Eine für den Artikel befragte Psychologin und Direktorin der Organisation WAR erklärt, dass sexueller Missbrauch in der pakistanischen Gesellschaft ein Tabu sei. Für Frauen sei es zumindest akzeptabel, wenn sie ihre Tortur teilen würden, während dies für Männer sehr schwer sei. Die meisten Opfer von Vergewaltigungen würden sich fürchten von Missbrauch zu berichten, da sie soziale Auswirkungen fürchten würden. Ein weiterer Grund sei der Aufbau des Justizsystems. Die Fragen der Polizei seien erniedrigend. Eine weitere Mitarbeiterin der Organisation WAR berichtet, dass wenn eine Chance bestehe, dass die Opfer [einen Prozess] gewinnen könnten, die Täter sie drangsalieren würden eine Entschuldigung anzunehmen, Kompensation anbieten und in extremen Fällen mit Drohungen versuchen würden, den Fall außergerichtlich zu lösen. Es laste so viel gesellschaftlicher und rechtlicher Druck auf den Opfern, dass sie gezwungen seien im Verborgenen zu leben, Wohnorte zu wechseln, ihre wahre Identität zu verbergen und Telefonnummern zu wechseln. Die WAR-Mitarbeiterin berichtet von einem Fall, in dem ein vierzehnjähriger Junge von einigen anderen Jungen der Nachbarschaft gekidnappt und Opfer einer Massenvergewaltigung geworden sei. Seine Mutter sei entschlossen gewesen für eine Verurteilung zu kämpfen und habe den Fall zu Gericht gebracht, wo er zwei Jahre lang gelegen habe. Dann aber sei der Onkel des Jungen getötet worden, und die Familie glaube, dass dies eine Drohung gewesen sei, damit sie die Anklage fallen lasse. Außerdem würden in einer Gesellschaft, die unter der Annahme lebe, dass Männer nicht vergewaltigt werden könnten, die Menschen nicht wissen, wie sie reagieren sollten, wenn jemand, der ihnen nahe stehe, missbraucht werde. Die Eltern eines zehnjährigen Jungen, der vergewaltigt worden sei, hätten reagiert, als sei ein Familienmitglied verstorben. Nachbarn und Verwandte seien gekommen und hätten ihr Beileid ausgesprochen. Wegen der andauernden Diskussion des Übergriffs sei der Junge zwei Mal von zu Hause weggelaufen:

„’In Pakistan, it is unacceptable that someone can rape men. Men believe they are the strongest and they can hurt others but no one can hurt them,’ says Rukhsana Siddiqi, survivors’ support officer at WAR. Cases of male rape, Siddiqi says, almost never become public because the survivor and their family don’t disclose the incident. Eighteen-year-old Ahmed was sexually assaulted by the enemies of his father as a threat. The family publically denied the incident but confided to WAR that they will not pursue a legal case because they want to hide the abuse. [...]

Owing to how we view masculinity in Pakistan, males are not expected to share their problems. And with sexual abuse sometimes seen as a matter of male honour, the survivors are deprived of the process of sharing and unburdening. Nida Idrees, psychologist and director of WAR, says male survivors don’t get to talk about their emotions and as a result, can become more frustrated than women. ‚Talking about sexual abuse is a taboo in our society; it is still acceptable for women to share their ordeal but for men, it is very difficult to discuss what they went through,’ she says. [...] ‚Most survivors fear to report abuses because of social repercussions and also because how our justice system is structured. Questions asked by police, [...] are demeaning,’ she says. Support officer Siddiqi adds that if the survivor has a chance to win, the abusers pester them asking for forgiveness, offering compensation and in extreme cases, using threats to settle the case out of court. ‚There’s so much societal and legal pressure on them that they are forced to live in obscurity, moving between different cities, changing houses, concealing their real identity and switching phone numbers,’ she states.

Fourteen-year-old Fahad was kidnapped and gang-raped by a few boys from his neighbourhood. Determined to fight for a conviction, his mother filed a case which went on in court for two years, but then Fahad’s uncle was murdered and the family believes it was a threat for them to drop the charges. [...] In a society that lives under the assumption that males cannot be raped, Siddiqi says people don’t know how to react if someone close to them is sexually abused. ‚A 10-year-old boy was raped and his parents reacted as if someone had died in their family; neighbours and relatives would come to their house and condole,’ she shares. The constant discussion about the assault, Siddiqi notes, made the survivor run away from his house twice.“ (The Express Tribune, 29. Juli 2016)

Gesellschaftliche Lage von Kindern, die Opfer von Vergewaltigung

Die Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Rechte der Kinder vor sexueller Ausbeutung (ECPAT), ein globales Netzwerk, das den Missbrauch von Kindern bekämpft, veröffentlichte im Jahr 2017 einen Bericht zu sexueller Ausbeutung von Kindern in Südasien. Darin wird die Kultur Südasiens als eine Kultur der Scham beschrieben, in der Ehre vom Urteil der Gemeinschaft abhänge. Die Erpressung von Kindern und ihrer Familien durch sexuelle Erpressung („sexual extortion“) [mittels kinderpornographischen Materials, Anmerkung ACCORD] könne dazu führen, dass der Ruf des betroffenen Mädchens ruiniert werde und berufliche Möglichkeiten, Ausbildung und Heiratsmöglichkeiten gefährdet seien:

„In shame cultures like those prevalent in South Asia, where the perception of honour depends on the community’s judgement, blackmailing children and their families through sexual extortion may result in entrapping a child and ruining her reputation, thus jeopardising opportunities for professional development, education or marriage.“ (ECPAT International, September 2017, S. 37)

Auch Buben seien oft Opfer von sexueller Gewalt. Familien würden normalerweise ihre Söhne als fähig erachten, sich selbst zu schützen und würden den sexuellen Missbrauch von Buben genauso wie einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen Männern leugnen. Solche kulturellen Einstellungen könnten teilweise erklären, warum der sexuelle Missbrauch von Buben noch weniger gemeldet werde als der von Mädchen („is even more underreported“).[1] Der ECPAT-Bericht schreibt weiters, dass es unveröffentlichte Daten Beweise aus Pakistan gebe, in denen Informanten Sex mit jungen Buben als eine Frage des Stolzes und Statussymbol betrachten würden. In konservativen Stammesgemeinschaften werde ein Bub zu einem Mann, wenn er heirate. Davor würden Buben als für andere Männer sexuell verfügbar betrachtet. Die biologische Tatsache, dass Buben nicht schwanger werden könnten, sei oft die Grundlage für die Annahme, dass sie physisch und emotional von sexuellem Missbrauch unberührt bleiben würden:

„[...] boys are also victims of sexual violence. As families normally consider their sons more capable of protecting themselves, they tend to deny the sexual abuse of boys, as well as consensual sexual relationships between males. Such cultural attitudes may partly explain why the sexual abuse of boys is even more underreported than that of girls. In unpublished evidence from Pakistan, informants considered sex with young boys a matter of pride and a symbol of status. In conservative tribal communities, a boy is perceived as turning into a man when he marries. Before that, boys are considered sexually available to other men. The biological notion whereby a boy cannot get pregnant is often the basis for believing that they remain physically and emotionally unaffected by sexual abuse.“ (ECPAT, S. 24)

In einem Blog der Kampagne Pakistan’s Hidden Shame, die sich für die Rechte von Straßenkindern einsetzt, berichtet die Autorin, dass in Peshawar, aufgrund afghanischen Einflusses, eine ungesetzliche Praxis namens „Bacha Baazi“ Eingang gefunden habe. Bacha Baazi sei eine Praxis, bei der Buben als Mädchen gekleidet tanzen würden, um am Ende mit dem meistbietenden Mann zu schlafen. Dies sei ein offenes Geheimnis („openly secret norm“). Diese ungesetzlichen Praktiken seien so selbstverständlich geworden, dass die Öffentlichkeit darauf nicht mehr geschockt oder emotional reagiere. Außerdem spiele Ehre in dieser [der afghanischen] Kultur eine große Rolle. Wenn man Schande über die Familie bringe, könne dies in extremen Fällen den sicheren Tod bedeuten. Viele der Männer, die Straßenkinder missbrauchen würden, seien Männer mit hohem gesellschaftlichem Status, die, um sich selbst vor den Folgen einer Enthüllung zu schützen, Menschen durch Bestechung oder Mord zum Schweigen bringen würden. Da meist Buben die Opfer seien, seien die meisten dieser Kontakte homosexuell, was in dieser Kultur um jeden Preis verheimlicht werden müsse. Männliche Straßenkinder seien aufgrund ihrer physischen Vorteile oft die „bevorzugten“ Opfer der Männer. Buben würden nicht schwanger, sie seien mobil, das bedeute, man könne sie, ohne Misstrauen zu erregen, überallhin mitnehmen, und es müsste nie die finanzielle Verantwortung für sie übernommen werden, wie das bei Mädchen der Fall sein könne:

Peshawar being the main center of the refugees was influenced heavily by the Afghani culture. In Afghanistan, ‘bacha baazi’- a practice where small boys are dressed up as girls, perform a dance and then eventually sleep with the highest male bidder for entertainment- is another openly secret norm. However, even though bacha baazi is not the issue at hand, it shows us why street children are sold for sex so easily- such illicit practices have become so commonplace that the public no longer has a shocking or emotional reaction to it, [...] Furthermore, honour, plays a huge role in said culture; bringing shame upon the family can, in extreme cases, even mean certain death. [...] Many of the abusers of street children are men with high status; police men, guards, wealthy business men etc. thus to save themselves from being exposed they will shut people up, by either bribing or killing. [...] Since young boys are often the main target, most of the relations are homosexual- something anyone in that culture would do anything to hide. [...] Male street children are often the ‘preferred’ target of men due to their physical advantages. Boys will not get pregnant, they are mobile- meaning they can take them with them anywhere without making people suspicious- and they will never have to take responsibility of them financially as they could be possibly for girls.“ (Pakistan’s Hidden Shame, 7. Jänner 2018)

Im Distrikt Kasur [Provinz Pundjab, Anmerkung ACCORD], wo laut einem Artikel der Zeitung Al Jazeera vom Oktober 2019 im Jahr 2015 ein großer Kinderpornographie-Ring ausgehoben worden sei, seien trotz strengeren Gesetzen für den Kinderschutz 2019 vier Buben entführt, vergewaltigt und getötet worden. Männer in Kasur würden berichten, dass sexueller Missbrauch und Übergriffe in Kasur üblich seien, fast ein Übergangsritus („rite of passage“) wenn man hier aufwachse. Der Al Jazeera-Artikel zitiert einen Betreiber mehrerer Schulen in der Nähe von Kasur mit den Worten, dass auf der Straße Cricket zu spielen oder auf das Spielfeld zu gehen bedeutet habe, von älteren Buben missbraucht zu werden. Es sei für einen älteren Buben ein Zeichen von Männlichkeit gewesen ein Kind bei sich zu haben, mit dem er sexuelle Handlungen ausführen könne. Andere Einwohner hätten gesagt, dass die Reaktionen der Gesellschaft oft stark nach Geschlecht des Opfers variieren würden. Wenn ein Mädchen missbraucht werde, werde dies als Verbrechen behandelt, wenn es sich um Buben handle, würde dies milde betrachtet („it is seen in good humour“):

„[...] the fourth victim of a series of child kidnappings and murders in the area located in northern Punjab state. [...]

Kasur - under the microscope after a child pornography ring was broken up here in 2015 - illustrates how Pakistan's newly strengthened child protection laws and authorities have failed to stop such crimes.

Men here said that sexual abuse and assault in Kasur is common, almost a rite of passage when growing up here. Playing cricket on the street or stepping out to the playground meant being abused by older boys, said Waqas Khan, who runs several schools around Kasur. He said it was seen as a sign of masculinity for an older boy to have a child with him to perform sexual acts with. Residents said societal reactions often vary when it comes to the gender of the child being abused. When a girl child is abused it is treated as a crime, but for the boys, it is seen in good humour, said community members.“ (Al Jazeera, 28. Oktober 2019)

In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Quellen konnten keine Informationen zu konkreten Beispielen für gesellschaftliche Stigmatisierung gefunden werden. Dies lässt nicht notwendigerweise Rückschlüsse auf die Lage von stigmatisierten Personen zu.

Gesucht wurde mittels ecoi.net und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: Pakistan, rape/statutory rape, child abuse, victim, stigma/stigmatization, shame, consequences, sodomy, Taliban

                                   

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 9. April 2020)

Al Jazeera: In Pakistan’s Kasur, child rapes and killings continue unabated, 28. Oktober 2019
https://www.aljazeera.com/indepth/features/pakistan-kasur-child-rapes-killings-continue-unabated-191028193228404.html

Daily Times: No justice for a male rape victim, 6. Februar 2020
https://dailytimes.com.pk/552964/no-justice-for-a-male-rape-victim-daily-times/

ECPAT International: Combating the sexual exploitation of children in South Asia, September 2017
https://www.ecpat.org/wp-content/uploads/2018/03/Regional-Overview_South-Asia.pdf

IPS – Inter Press Service: Pakistan Moves to End Impunity for Rapists, 3. Februar 2017
http://www.ipsnews.net/2017/02/pakistan-moves-to-end-impunity-for-rapists/

·      Pakistan’s Hidden Shame, Nisar, Zainab (Autorin): A Blog on the abuse of street children, 7. Jänner 2018
https://www.pakistanshiddenshame.org/single-post/2018/01/07/Culture-and-abuse-in-Peshawar

Sahil: Cruel Numbers 2019, A Compilation of Statistics on Child Sexual Abuse Cases in Pakistan, ohne Datum
http://sahil.org/wp-content/uploads/2020/03/Cruel-Numbers-2019-final.pdf

·  The Express Tribune: Pakistan’s shameful denial of male rape, 29. Juli 2016
https://tribune.com.pk/story/1149618/pakistans-shameful-denial-male-rape/

USDOS – US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2019 - Pakistan, 11. März 2020
https://www.ecoi.net/de/dokument/2026342.html



[1] Sahil, eine pakistanische Nichtregierungsorganisation, die sich für den Schutz von Kindern insbesondere vor sexuellem Missbrauch einsetzt, schreibt in ihrem Jahresbericht Cruel Numbers 2019, dass von insgesamt 2.846 in pakistanischen Zeitungen berichteten Fällen zu 46 Prozent Buben betroffen gewesen seien. (Sahil, ohne Datum, S. 7)