Anfragebeantwortung zum Irak: Lage in Mosul bzw. Provinz Ninewa: Sicherheitslage; humanitäre Lage für Familien mit Kindern; Fluchtbewegungen und Rückkehr [a-10850]

6. Februar 2019

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Expertenauskünften, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

Diese Antwort stellt keine Meinung zum Inhalt eines Ansuchens um Asyl oder anderen internationalen Schutz dar. Alle Übersetzungen stellen Arbeitsübersetzungen dar, für die keine Gewähr übernommen werden kann.

Wir empfehlen, die verwendeten Materialien im Original durchzusehen. Originaldokumente, die nicht kostenfrei oder online abrufbar sind, können bei ACCORD eingesehen oder angefordert werden.

Sicherheitslage in der Provinz Ninewa mit Fokus auf Mosul

Für den Monat Dezember 2018 dokumentiert die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für den Irak (UN Assistance Mission for Iraq, UNAMI) 32 bei terroristischen Anschlägen oder durch konfliktbezogene Gewalt getötete ZivilistInnen. 32 weitere seien bei derartigen Vorfällen verletzt worden. Ninewa sei dabei mit 26 zivilen Opfern (sieben Tote, 19 Verletzte) die am stärksten betroffene Provinz gewesen, gefolgt von Bagdad und Salahuddin:

„During December 2018 a total of 32 Iraqi civilians were killed and another 32 injured in acts of terrorism and conflict-related violence. Ninewa was the worst affected Governorate with 26 civilian casualties (07 killed, 19 injured) followed by Baghdad with (17 killed and 03 injured) and Salahadin (03 killed and 03 injured).” (UNAMI, 3. Jänner 2019)

In der unter dem folgenden Link abrufbaren Kurzübersicht (Berichtszeitraum 3. Quartal 2018) über Konfliktvorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data (ACLED) Project der University of Sussex finden sich Informationen zu den Zahlen der sicherheitsrelevanten Vorfälle und der Todesopfer in den verschiedenen Provinzen Iraks, sowie eine Karte, in der diese Zahlen grafisch darstellt werden. Für die Provinz Ninewa werden für das dritte Quartal 65 Vorfälle mit insgesamt 184 Todesopfern dokumentiert:

  • ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Irak, 3. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) - aktualisierte 2. Version, 20. Dezember 2018
    https://www.ecoi.net/en/file/local/2002458/2018q3Iraq_de.pdf

 

 

Aus dem im Februar 2019 heruntergeladenen Datensatz von ACLED ergeben sich für das Gesamtjahr 2018 die folgenden Zahlen zu sicherheitsrelevanten Vorfällen in den einzelnen Distrikten der Provinz Ninewa und den dabei Getöteten. Für den Distrikt Mosul dokumentiert ACLED 186 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 567 Todesopfern:

 

ACLED/Jahr 2018

Sicherheitsrelevante Vorfälle

dabei Getötete

Distrikt Al Baadsch

18

93

Distrikt Hamdaniya

8

28

Distrikt Hatra

40

61

Distrikt Mosul

186

567

Distrikt Sindschar

12

31

Distrikt Telefar

39

121

Distrikt Tilkaif

4

0

Provinz Ninewa

307

901

(Daten von ACLED, 6. Februar 2019)

Aus demselben ACLED-Datensatz ergeben sich für das Gesamtjahr 2018 die folgenden Zahlen zu sicherheitsrelevanten Vorfällen und den dabei Getöteten in den verschiedenen Gebieten des Distrikts Mosul:

 

ACLED/Jahr 2018

Sicherheitsrelevante Vorfälle

dabei Getötete

Adayah

1

1

Al Buwayr

1

1

Al Houd

2

0

Al Qayyarah

2

12

Albu Sayf

8

39

Al-Sahaji

2

4

As Salahiyah

1

1

Aski Musil

1

2

Atashana Mountains

3

22

Ayn al Jahesh

1

0

Badiyat al Jazirah

1

0

Badush

18

90

Badush Mountains

2

20

Duwayzat al Ulya

1

0

Hajj Ali

1

2

Hallah

1

0

Hammam al Alil

15

31

Jabal Alan

1

14

Karaj

2

1

Mosul

55

195

Mosul - Al-Ghizlani

1

1

Mosul - Al-Hadbaa

9

9

Mosul - Al-Jadeda

6

26

Mosul - Al-Rabee

14

48

Mosul - Al-Salam

8

6

Mosul - Al-Zuhur

10

5

Mosul - Old City

13

19

Qaryat Imam Gharbi

1

3

Qaryat Lazakah

2

3

Qaryat Saff at Tut

1

2

Sheikh Mohammad

1

10

Telkessab

1

0

Distrikt Mosul

186

567

(Daten von ACLED, 6. Februar 2019)

Auf Musings on Iraq, einem Blog des US-amerikanischen Irakexperten Joel Wing findet sich eine Zusammenfassung zu den die Sicherheit des Irak betreffenden Trends im Jahr 2018. Zur Provinz Ninewa wird festgehalten, dass das südliche Gebiet der Provinz eines von drei Hauptunterstützungsgebieten für den IS („Islamischer Staat“) darstelle. In der Provinz hätten im Jahr 2018 durchschnittlich 20 Vorfälle pro Monat stattgefunden. Von Februar bis März und Juli bis August 2018 habe es zwei kurze Höchstwerte und einen starken Rückgang im Juni 2018 auf nur neun Anschläge pro Monat gegeben. Vor allem in der ersten Jahreshälfte habe es eine konstante Zahl von Schießereien mit den Sicherheitskräften gegeben. Erst gegen Ende des Jahres habe die Gruppe damit begonnen, Anschläge auf Städte zu verüben. Zur selben Zeit hätten vier Selbstmordanschläge stattgefunden, bei denen Autos eingesetzt worden seien:

„Southern Ninewa is the third main support area for the Islamic State. There were an average of 20 incidents per month in the province. From February to March and July to August there were two short jumps in attacks along with a large dip down to just 9 in June. There was a steady number of shootings with the security forces, especially during the first half of the year. The group didn’t start attacking towns until the end of the year, which also coincided with 4 suicide-car bombings.” (Musings on Iraq, 15. Jänner 2019)

In dem Blogeintrag findet sich die folgende Grafik, die die monatlichen Zahlen der für die Provinz Ninewa für das Jahr 2018 dokumentierten sicherheitsrelevanten Vorfälle darstellt:
 

[Bild entfernt]

(Musings on Iraq, 15. Jänner 2019)

Weiters wird in dem Blogeintrag festgehalten, dass einer der drei im Jahr 2018 in Ninewa verübten Autobombenanschläge im November 2018 in Mosul stattgefunden habe. (Musings on Iraq, 15. Jänner 2019)

Die folgende Tabelle zeigt die für das Jahr 2018 dokumentierten in der Provinz Ninewa durchgeführten Aktionen des IS, aufgeschlüsselt nach der Art der Aktion und dem Monat, in dem sie durchgeführt worden sei:
 

[Bild entfernt]

(Musings on Iraq, 15. Jänner 2019)

Der in Doha ansässige arabische Nachrichtensender Al Jazeera berichtet in einem Online-Video über die Lage in Mosul. In der zu dem Video gehörenden Zusammenfassung schreibt Al Jazeera, dass sich das Leben im Osten Mosuls ein Jahr nach der Niederlage des IS wieder zu normalisieren beginne. Für die Menschen aus dem Westen von Mosul stelle sich die Situation allerdings komplett anders dar. Dieser Teil der Stadt liege immer noch in Trümmern und die Menschen, die dort gelebt hätten, würden sagen, dass sie nicht dorthin zurückkehren würden:

„Life in the east of Iraq’s second largest city is beginning to return to normal, a year after the Islamic State of Iraq and the Levant, also known as ISIL, was defeated. But for those from the west of Mosul, it's a completely different story. It still lies in ruins and people who used to live there say they won't return.” (Al Jazeera, 8. Dezember 2018)

In einem Artikel vom Jänner 2019 stellt die Jamestown Foundation, eine unabhängige, unparteiische und gemeinnützige Organisation, die Informationen zu Terrorismus, den ehemaligen Sowjetrepubliken, Tschetschenien, China und Nordkorea zur Verfügung stellt, ins Englische übersetzte Ausschnitte von arabischsprachigen Zeitungsartikeln zur Lage in Mosul zusammen. Unter Verweis auf einen Artikel von Al Arabiya vom November 2018 wird darin festgehalten, dass es mehrere Warnrufe prominenter irakischer politischer Parteien bezüglich der prekären Lage in Mosul gegeben habe. Mehr als ein Jahr sei vergangen, seit Mosul vom IS befreit worden sei, das Gebiet scheine jedoch weiterhin gefährdet zu bleiben.

Unter Verweis auf einen Artikel von Al-Ittihad vom November 2018 schreibt die Jamestown Foundation, dass es zwar seit der Rückeroberung der Stadt keine größeren militärischen Operationen mehr gegeben habe, dass jedoch über ähnliche Zustände wie vor dem Sturz Mosuls im Jahr 2014 berichtet werde. Korruption und der Mangel an effektiven Wiederaufbaubemühungen würden einer Normalisierung der Lage entgegenstehen. Verschiedene irakische Regierungskräfte und Milizen würden die Stadt Mosul und den Rest der Provinz Ninewa kontrollieren. Diese würden beschuldigt, ihre Macht zu nutzen, um mittels umstrittener oder illegaler Mittel Einnahmen zu lukrieren. Es habe keine tatsächlichen Anstregungen gegeben, die Grundursachen des damaligen Aufstiegs des IS zu beheben, und Iraks schiitisch geführte Regierung habe den Wiederaufbau Mosuls nicht als Priorität gesehen. Aufgrund der jüngsten Entscheidung der US-Regierung, sich aus Syrien zurückzuziehen, spiele die Situation in Mosul und jene in der Provinz Ninewa bezüglich der Bemühungen, den IS vollständig zu besiegen, eine noch größere Rolle.

Unter Verweis auf einen Artikel von Vice vom Dezember 2018 hält die Jamestown Foundation fest, dass seit der Befreiung viele nach Hause zurückgekehrt seien, andere jedoch in den Lagern bleiben würden. Auch Ehefrauen und minderjährige Kinder von IS-Mitgliedern würden nun in Lagern leben. Missbrauch von LagerbewohnerInnen, einschließlich sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung, werde häufig gemeldet. Bislang befänden sich die Lager unter Kontrolle, hätten aber das Potenzial, zu „Brutstätten“ von Dschihadisten zu werden. Es gebe auch Hinweise darauf, dass der IS mehr Kämpfer habe, als aufgrund der nur spärlichen Aktivitäten, die die Gruppe seit dem Verlust Mosuls durchgeführt habe, vermutet würde. Irakische Quellen würden schätzten, dass es allein in Mosul mindestens 300 in Schläferzellen organisierte IS-Kämpfer gebe, einige davon vermutlich in Vertriebenenlagern.

Am Ende des Artikels kommt die Jamestown Foundation zu dem Schluss, dass die in Mosul präsenten Parteien, darunter verschiedene Einheiten von Sicherheitskräften, die gemeinsam die Kontrolle über die Stadt innehaben würden, die Situation kompliziert und unvorhersehbar machen würden. Diese Gruppen würden manchmal gut nebeneinander koexistieren können, insbesondere dann, wenn sie finanziell von der Machtausübung profitieren könnten. Ohne eine starke Regierung, die die Rechtsstaatlichkeit durchsetze und die Korruption bekämpfe, werde die Situation jedoch fragil und anfällig für ein mögliches Wiederaufleben des IS oder eines etwaigen IS-Nachfolgers bleiben:

Several warning calls by prominent Iraqi political parties regarding the precarious situation in Mosul have emerged. More than a year has passed since Iraq’s second largest city was cleared of Islamic State (IS), but the area seemingly remains vulnerable (Al Arabiya, November 21, 2018).

Although there have been no major military operations since the city was retaken, circumstances similar to those that preceded the fall of Mosul in 2014 are widely reported. Corruption and the lack of effective reconstruction efforts have stalled normalization. Different Iraqi government forces and militias control the city of Mosul and the wider Ninawa province and are accused of using their power to generate revenue through controversial or illegal means. There has been no real work to address the root causes that led to IS’ rise, and Iraq’s Shia-led federal government has not prioritized Mosul. The U.S. administration’s recent decision to withdraw from Syria makes the situation in Mosul and Ninawa even more relevant for the efforts to defeat IS completely (Al-Ittihad, November 9, 2018).

Since the liberation, many returned home but others remain in the camps. Wives and minor children of IS members are also living in camps now. Abuses of camp residents, including sexual abuse and exploitation, are frequently reported. So far, the camps are under control but have the potential to become jihadist hotbeds. Indications also exist of IS having more fighters than suggested by the sparse activities the group has conducted since it lost the battle of Mosul. Iraqi sources estimated that, in Mosul alone, there are at least 300 IS fighters in sleeper cells, some likely within IDP [Internal displaced person] camps, who are ready to move when the opportunity arises (Vice, December 20, 2018). […]

Having several parties, including different units of security forces, on the ground who share control makes the situation complicated and unpredictable. Those groups might coexist well at times, especially when they enjoy the financial rewards of power. However, without a powerful government that imposes the rule of law and fights corruption, the situation will remain fragile and vulnerable to a possible resurgence of IS, or its successor.” (Jamestown Foundation, 11. Jänner 2019)

Laut einem im Februar 2019 veröffentlichten Artikel des in der Autonomen Region Kurdistan ansässigen Nachrichtensenders Kurdistan 24 seien Tausende aus Mosul stammende Binnenvertriebene aus Sorge um ihren Lebensunterhalt und ihre Sicherheit aus Mosul zurück in Lager innerhalb der kurdischen Region gekehrt. Salim Shaback, ein ehemaliges Mitglied des irakischen Repräsentantenrates, habe angegeben, dass die von den Schiiten dominierten Hashd al-Shaabi-Milizen, auch bekannt als Volksmobilisierungseinheiten (Popular Mobilization Forces, PMF), weiterhin die Rechte von nach Mosul zurückkehrenden Binnenvertriebenen verletzen würden. Shaback habe auf der Webseite der Demokratischen Partei Kurdistan (KDP) angegeben, dass täglich Verletzungen der Würde und der Menschenrechte von Rückkehrern stattfinden würden. Diese würden gezwungen, in die Vertriebenenlager innerhalb der kurdischen Region zurückzukehren. Er habe hinzugefügt, dass die Hashd al-Shaabi Zollgebühren einnehmen würden und die Menschen daran hindern würden, sich in ihrem täglichen Leben frei zu bewegen.

Unter Einsatz seiner Schläferzellen führe der IS in der Provinz Ninewa und den umliegenden Gebieten weiterhin Anschläge, Hinterhalte und Entführungen durch, was die Stabilität der Region beeinträchtige:

„Thousands of Internally Displaced Persons (IDPs) from Iraq’s Mosul have returned to camps inside the Kurdistan Region out of fear for their livelihood and safety. Salim Shaback, a former member of Iraq’s Council of Representatives, said the Shia-dominated Hashd al-Shaabi militias, also known as the Popular Mobilization Forces (PMF), continue to violate the rights of IDPs returning to Mosul. There are ‘daily violation on the returnees’ dignity and human rights forcing them to return to the safety of the IDP camps inside the Kurdistan Region,’ Shaback told the Kurdistan Democratic Party’s (KDP) website. He added that the Hashd al-Shaabi take ‘customs fees from the people and prevent them from moving freely in their daily lives.’ […]

Through its sleeper cells, the Islamic State continues to launch insurgency attacks, ambushes, and kidnappings in the Nineveh governorate and its surrounding areas, compromising the region’s stability.” (Kurdistan 24, 4. Februar 2019)

Fluchtbewegungen, Rückkehr

Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO) ist eine Agentur der Europäischen Union, die die praktische Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten im Asylbereich fördern soll und die Mitgliedsstaaten unter anderem durch Recherche von Herkunftsländerinformation und entsprechende Publikationen unterstützt. In einem Bericht vom Februar 2019 zitiert EASO verschiedene Quellen zum Thema Vertreibung und Rückkehr im Irak. Die Rückeroberungsversuche der Regierung und die damit verbundenen Gefechte im Jahr 2017 hätten zur Vertreibung von mehr als 800.000 Menschen aus der Stadt Mosul geführt. Gegen Ende des Jahres 2017 habe die Zahl der nach Mosul Zurückgekehrten 564.120 und mit Stand Mai 2018 habe diese Zahl 77.200 betragen. Nach Berichten aus dem Jahr 2018 übersteige die Zahl der Rückkehrer im Irak jene der Vertriebenen, es würde jedoch weiterhin neuerliche und sekundäre Vertreibung verzeichnet, die hauptsächlich auf schlechte oder fehlende Grundversorgung, Existenzgrundlagen, Sicherheitsbedenken und der Gefahr von Explosionen in den Herkunftsgebieten zurückzuführen sei:

„During 2017 the government’s effort to retake Mosul from ISIL [Islamic State of Iraq and the Levant] caused more than 800 000 people to be displaced from the city by the fighting. UNAMI [United Nations Assistance Mission for Iraq] reported that the returnee population to Mosul was 564 120 by the end of 2017 and up to 77 200 as of May 2018. Returns trends were reported to exceed displacement across Iraq according to 2018 reports; however, ‘new and secondary displacements’ continue to be recorded mainly due to poor or lacking basic services, livelihoods, security concerns and explosive hazards in the areas of origin”. (EASO, Februar 2019, S. 13)

Laut einem Bericht der Displacement Tracking Matrix (DTM) der Internationalen Organisation für Migration (IOM) vom Dezember 2018 gebe es mit Stand 15. Dezember 2018 im Irak 1.802.832 Binnenvertriebene (nach dem 1. Jänner 2014 vertrieben und nach wie vor vertrieben, Anmerkung ACCORD) und 4.165.320 Zurückgekehrte. Die Binnenvertriebenen seien auf über 51 Distrikte von acht Provinzen des Landes, darunter neun Distrikte der Provinz Ninewa verteilt. Die Hälfte aller Binnenvertriebenen stamme aus fünf Distrikten, von denen die vier in diesem Zusammenhang wichtigsten alle in der Provinz Ninewa liegen würden (Mosul: 300.678 Personen, entspricht 17 Prozent), Sindschar (299.694, entspricht 17 Prozent), Telafar (106.438, entspricht 6 Prozent) and al-Ba‘adsch (101.346, entspricht 6 Prozent).

„As of 15 December 2018, IDPs [Internal displaced persons] come from 51 districts across eight governorates: Anbar (8 districts), Babylon (4 districts), Baghdad (10 districts), Erbil (1 district), Diyala (6 districts), Kirkuk (4 districts), Ninewa (9 districts) and Salah al-din (9 districts). However, despite this spread, half of all IDPs come from just five districts. Of these, the top four districts are all in Ninewa governorate: Mosul (300,678 individuals, 17%), Sinjar (299,694, 17%), Telafar (106,438, 6%) and al Ba’aj (101 346, 6%) while the fifth district Ramadi is in Anbar (85,860, 5%).” (IOM, Dezember 2018a, S. 1-2)

IOM erwähnt weiters in dem Bericht, dass es mit Stand 15. Dezember 2018 in der Provinz Ninewa 576.030 Binnenvertriebene und 1.614.150 Zurückgekehrte, davon 955.140 nach Mosul Zurückgekehrte, gebe (IOM, Dezember 2018a, S. 3; S. 6)

 

Im zum Bericht zugehörigen DTM-Datensatz zum Thema Binnenvertriebene vom Dezember 2018 findet sich die folgende Tabelle, aus der ersichtlich ist, in welche Provinzen die aus Ninewa stammenden Binnenvertriebenen gemäß IOM geflohen seien. Die Zahlen beziehen sich jeweils auf Familien, nicht auf Einzelpersonen:
 

[Bild entfernt]

(IOM, Dezember 2018b, Tabelle “Summary”)

Im zum Bericht zugehörigen DTM-Datensatz zum Thema Rückkehrer vom Dezember 2018 findet sich die folgende Tabelle, aus der ersichtlich ist, dass laut IOM 269.025 Familien in die Provinz Ninewa zurückgekehrt seien, davon 12.055 nach Juli 2017:
 

[Bild entfernt]

(IOM, Dezember 2018c, Tabelle “Summary”)

Humanitäre Lage in Ninewa mit Fokus auf Mosul

 

In dem oben bereits angeführten DTM-Datensatz der IOM findet sich eine Tabelle, aus der ersichtlich ist, in welchen Unterkünften zurückgekehrte Familien nun (mit Stand Dezember 2018) leben würden. Beispielsweise würden 156 nach Ninewa zurückgekehrte Familien in informellen Siedlungen leben. 9.159 Familien würden in ihrem – jedoch nun „unbewohnbaren“ – gewöhnlichen Wohnsitz leben:
 

[Bild entfernt]

(IOM, Dezember 2018c, Tabelle “Summary“)

Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, UN OCHA) veröffentlicht im November 2018 einen Bericht zur humanitären Lage im Irak. Darin findet sich eine Karte, die die Zahlen der bedürftigen Personen in den unterschiedlichen Provinzen des Irak darstellt. Für Ninewa hält UN OCHA eine Zahl von 2.168.222 fest:
 

[Bild entfernt]

(UN OCHA, November 2018, S. 2)

Eine weitere Karte zeigt das Ausmaß der Not bezüglich der Wasserversorgung, den Sanitäreinrichtungen und der Hygiene, aufgeschlüsselt auf die Distrikte des Irak. Innerhalb der Provinz Ninewa ist der Distrikt Sindschar jener, in dem laut der Karte die größte Not herrscht (schwerwiegendste Kategorie). Der Distrikt Mosul fällt in die zweit-schwerwiegenste Kategorie:
 

[Bild entfernt]

(UN OCHA, November 2018, S. 36)

Die folgende Karte zeigt das Ausmaß der Ernährungsunsicherheit, aufgeschlüsselt auf die Distrikte des Irak. Für einen großen Teil der Distrikte Ninewas (Hatra, Al-Ba’adsch, Sindschar und Mosul) liegen keine Daten vor, die übrigen Distrikte fallen laut der Karte in die geringfügigste Kategorie:
 

[Bild entfernt]

(UN OCHA, November 2018, S. 39)

Eine weitere Karte zeigt das Ausmaß der Not in Bezug auf Unterkünfte und Waren (Nicht-Lebensmittel). Ninewas Distrikte Sidschar, Mosul, Telafar, Tilkaif und Al-Shikan fallen in die schwerwiegendste Kategorie, der Distrikt Hatra in die geringfügigste:
 

[Bild entfernt]

(UN OCHA, November 2018, S. 42)

Eine weitere Karte zeigt das Ausmaß der Not in Bezug auf Bildung. Ninewas Distrikte Sidschar, Mosul, Telafar und Al-Hamdaniya fallen in die schwerwiegendste Kategorie, die Distrikte Hatra und Al-Ba‘adsch in die geringfügigste:
 

[Bild entfernt]

(UN OCHA, November 2018, S. 48)

Al Jazeera schreibt in einem Artikel vom November 2018, dass seit Juli letzten Jahres, als in Mosul der Sieg über den IS erklärt worden sei, die Stadt zahlreiche Wiederaufbauprojekte durch Regierungsorganisationen und NGOs erlebt habe. Die überwiegende Mehrheit dieser Projekte finde in der Altstadt von Mosul statt und konzentriere sich vor allem auf die Straßenreinigung, den Wiederaufbau von Schulen und grundlegende Infrastruktur wie Wasser- und Stromversorgung. Im Jahr 2015 sei ein Fonds von 400 Millionen US-Dollar eingerichtet worden, um den Wiederaufbau des Iraks zu unterstützen. Jedoch habe die Stadt im Jahr 2017 nur 252.000 US-Dollar erhalten, und der Gouverneur der Provinz Ninewa, Nofal Hammadi, habe laut einem Gemeindevorsteher Mosuls angegeben, dass er im Jahr 2018 nichts aus diesem Fonds erhalten habe. Darüber hinaus habe Hammadi letzten Monat gesagt, dass für den Wiederaufbau von Privatwohnungen in Mosul kein Budget bereitgestellt worden sei.

Weder lokale Behörden noch internationale Organisationen würden den Wiederaufbau von Häusern vorantreiben, so Mutaz Yosif, der Direktor der Helping Hand Organization, einer irakischen NGO, die in ganz Mosul tätig sei, um Familien beim Wiederaufbau ihrer Häuser zu unterstützen.

Zahlreiche Bezirke im Westen Mosuls seien nach wie vor unbewohnbar, da dort im Kampf gegen den IS 40.000 Häuser zerstört worden seien. Nach Angaben des Norwegian Refugee Council (NRC) vom Juli 2018 gebe es in Mosul etwa acht Millionen Tonnen Schutt und mehr als 63.000 Familien seien immer noch Vertriebene innerhalb und außerhalb der Stadt.

Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme, UNDP) plane, in den kommenden Monaten (nach Veröffentlichung des Artikels, Anmerkung ACCORD) insgesamt 10.000 Häuser im Westen Mosuls zu sanieren. Das Programm sei jedoch nur für Häuser vorgesehen, die weniger als zu 60 Prozent beschädigt seien.

Bislang seien keine in Mosul lebenden Familien für den Verlust ihrer Häuser entschädigt worden, und die Ansprüche auf finanzielle Entschädigung würden sich vor dem Mosuler Gericht stapeln:

Since July last year, when victory was declared in Mosul, the city has witnessed numerous reconstruction projects run by government organisations and NGOs. The vast majority of these projects are taking place in the old city of Mosul, focussing mostly on cleaning the streets, helping rebuild schools and basic infrastructures, such as water supply and electricity network. A fund of $400m was established in 2015 to help Iraq's reconstruction. However, the city received only $252,000 in 2017 and in 2018, the Governor of Nineveh Governorate, Nofal Hammadi, claimed to have received nothing from the fund, Mosul's municipality chief Abdelsattar al-Hibbu told Reuters news agency earlier this year. Furthermore, Hammadi told Al Jazeera last month that no budget was allocated to rebuild private housing in Mosul. […]

'Neither local authorities nor international organisations rebuild houses,' said Mutaz Yosif, director of Helping Hand Organization, an Iraqi NGO that operates across Mosul to assist families in rebuilding their houses. […]

Numerous districts in west Mosul remain uninhabitable, as 40,000 homes were destroyed there during the fight against ISIL. According to figures released by the Norwegian Refugee Council in July 2018, about eight million tonnes of debris was present in Mosul and more than 63,000 families are still displaced inside and around the city. […]

In the months ahead, the United Nations Development Programme (UNDP) aims to rehabilitate a total of 10,000 houses in west Mosul. However, the program only concerns houses less than 60 percent damaged, and not 'full rebuilds'. […]

So far, no families living in Mosul have been compensated for the loss of their houses and claims for financial compensation are piling at Mosul's court.” (Al Jazeera, 11. November 2018)

Global News, die Nachrichtenabteilung des kanadischen TV-Netzwerks Global Television Network, schreibt in einem Artikel vom Oktober 2018, dass zu diesem Zeitpunkt fast 5.000 [Es geht nicht eindeutig aus der Quelle hervor, ob hier Personen oder Familien gemeint sind, Anmerkung ACCORD] nach wie vor im Baharka Camp im Norden Iraks leben würden. Laut einem Camp-Manager hätten 400 Familien das Camp verlassen, nur um aufgrund der in ihren Herkunftsgemeinden in Mosul herrschenden Zerstörung und Unsicherheit wieder ins Camp zurückzukehren.

Die Bewohner Mosuls hätten über die Wasser- und Stromversorgung und die schwache lokale Regierung geklagt. Sie hätten auch gesagt, dass sie sich vor IS-Schläferzellen fürchten würden, aber am wütendsten über den Mangel an Wohnungen seien. Dieser habe die Mietpreise in die Höhe getrieben, wodurch die Wohnungen für diejenigen, die gerade versuchen würden, ihre Arbeit wiederaufzunehmen, unerschwinglich seien:

Almost 5,000 still live at the Baharka Camp in northern Iraq. A camp manager said 400 refugee families had left, only to return because of the devastation and insecurity they encountered upon arriving in their home communities. […]

Residents complained about the supply of water and electricity, and a weak local government. They said they feared ISIS sleeper cells but were most angry about a housing shortage they said had driven up rents, making them unaffordable to those struggling to get back to work.” (Global News, 13. Oktober 2018)

Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UN High Commissioner for Refugees, UNHCR) berichtet in seinem Update zum Schutz im Irak vom Oktober 2018, dass gemäß einem von UNHCR-Partnerorganisationen in der letzten Oktoberwoche durchgeführten Begutachtung der Lage im Viertel Jabisat in West-Mosul Rückkehrer-Familien berichtet hätten, dass sie nur eingeschränkte humanitäre Unterstützung erhalten hätten. Es habe einen besonders markanten Bedarf an Rechtsbeistand für die Wiedererlangung fehlender Dokumente sowie an psychosozialer Unterstützung gegeben. Berichten zufolge würde eine Reihe vulnerabler Familien Unterstützung von anderen Familien in ihrer Gastgemeinde oder über die örtlichen Moscheen erhalten:

„During the last week in October, UNHCR [United Nations High Commissioner for Refugees] partners conducted a protection assessment in Yabisat neighbourhood in west Mosul, Ninewa. Returnee families reported they have received limited humanitarian assistance. Needs related to legal assistance to replace missing documents, including birth certificates for children , and psychosocial support were particularly prominent. A number of vulnerable families reportedly receive assistance from other families in the host community or through the local mosques.” (UNHCR, Oktober 2018, S. 2)

Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, UNESCO) hält in einem Artikel vom September 2018 fest, dass es aufgrund der Zerstörung der Bildungseinrichtungen, Häuser und massiven Fluchtbewegungen für die irakische Regierung in Bezug auf das Bildungswesen große Herausforderungen gebe. Eine der Hauptaufgaben sei der Wiederaufbau der Infrastruktur, da viele Schulen und Bildungseinrichtungen stark beschädigt worden seien und andere nicht den Standards entsprechen würden, den das Land für seine Kinder und Jugendlichen anstrebe.

Laut Dr. Hamid Ahmed, einem Berater des irakischen Premierministers, müssten mindestens 20 Prozent des Staatshaushalts für das Bildungsministerium aufgewendet werden, um das gesamte landesweite Schulsystem wieder aufzubauen, zu rehabilitieren und zu modernisieren. Es bestehe im gesamten Land ein großer Mangel an Schulen und mindestens 3.000 neue Schulen müssten errichtet werden, um dem dringenden Bedarf gerecht zu werden:

„With the destruction of educational facilities, homes and major population displacement, there are multiple priorities and major challenges in education for the Iraqi Government. One of the main tasks is rebuilding the infrastructure as many schools and educational facilities have been heavily damaged and others are not up to the standards that the country aspires for its children and young people. […]

According to Dr. Ahmed, at least 20 per cent of the government’s budget must be dedicated to the Ministry of Education in order to rebuild, rehabilitate and modernized the entire system. There is a major shortage of schools throughout the country and at least 3,000 new ones have to built in order to accommodate the urgent need.” (UNESCO, 13. September 2018)

In einem mit November 2018 datierten Artikel von Insight, einer vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) betriebenen Informationsplattform, findet sich eine weitere Beschreibung der Lage in Mosul. Auf jeder der Straßen würde sich knietief Schutt befinden, Möbel würden aus zerstörten Gebäuden herausragen und einige Gebäude seien so stark bombardiert worden, dass nur noch deren Rahmen übrig geblieben seien. Die Altstadt sei eine staubbraune Ödlandschaft voller Ruinen. Aber Zeichen des Lebens würden sich zu zeigen beginnen: Wagen mit Granatäpfeln und Wassermelonen, Friseurläden, Cafeterien, die gebratene Hühner anbieten, und kleine Geschäfte, die Werkzeuge und Öl verkaufen würden. In einer bescheidenen Straße im Stadtteil Al Jadeda befinde sich eines der Gemeinschafts-Ressourcenzentren (Community Resource Centres, CRC), die die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Gebieten eingerichtet habe, in die Vertriebene zurückkehren würden. Diese Zentren würden für die betroffenen Menschen als Zentren für Information und Vermittlung von Dienstleistungen fungieren - seien es Rückkehrer, durch Konflikte aus anderen Landesteilen Vertriebene oder Einheimische. Agenturen und Organisationen würden dort Workshops zu Themen wie Gefahr durch Minen, Rechtsbeistand, Erstellung von Lebensläufen, sowie Englischunterricht abhalten. Dies sei eines von drei Zentren, die vom Emergency Telecommunications Cluster (ETC), einem globalen Netzwerk von Organisationen unter der Leitung des WFP, unterstützt würden. Ein weiteres befinde sich in Ost-Mosul und eines in der Stadt Falludscha, weitere würden folgen:

There is graphic evidence of what this ancient city has gone through: rubble is piled up knee-deep on every street, furniture spills out of destroyed buildings and some structures have been bombed so badly that only their frames remain. The Old City is a dust-brown wasteland of ruins. But signs of life are starting to show: carts laden with pomegranates and deep green watermelons, barber shops, cafeterias with roasted chickens turning on rotisseries, and small shops selling tools and oil. On an unassuming street in Al Jadeda neighbourhood is one of the Community Resource Centres (CRC) the International Organization for Migration has set up in areas where displaced people are returning. These centres serve as hubs of centralized information and service referral for affected peoplewhether they are returnees, people displaced by conflict from other parts of the country or locals. Agencies and organizations convene awareness sessions on topics ranging from mine risk education and legal assistance to English classes and writing CVs [Curriculum Vitae]. This is one of three centres that the Emergency Telecommunications Cluster (ETC)a global network of organizations led by the World Food Programme (WFP), working to provide shared communications services in humanitarian emergenciesis supporting along with another in East Mosul and one in Fallujah, with more to follow.” (WFP, 7. November 2018)


 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 6. Februar 2019)