Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Rwanda

Vor und nach der Präsidentschaftswahl 2017 gingen die Behörden mit großer Härte gegen Oppositionspolitiker vor. In einigen Fällen wurden die Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit stark eingeschränkt. Außerdem gab es rechtswidrige Tötungen und ungeklärte Fälle des Verschwindenlassens.

Hintergrund

Bei der Präsidentschaftswahl im August 2017 wurde Präsident Kagame mit 98,79 % der Stimmen im Amt bestätigt. Der Kandidat der Demokratischen Grünen Partei Ruandas (Democratic Green Party of Rwanda) erreichte 0,48 % und der unabhängige Kandidat 0,73 % der Stimmen. 

Die nationale Wahlkommission entschied, dass drei unabhängige Bewerber um das Amt, unter ihnen Diane Rwigara, die Bedingungen für die Zulassung zur Wahl nicht erfüllten. Diane Rwigara wurde beschuldigt, für ihre Kandidatur gefälschte Unterschriften vorgelegt zu haben. Am 14. Juli 2017 gründete sie eine neue Bürgerrechtsgruppe, die „Bewegung zur Rettung des Volkes“ (People Salvation Movement).

Mehrere diplomatische Vertretungen und Beobachter aus den Reihen der Zivilgesellschaft bewerteten den Wahlverlauf als friedlich, bemängelten aber Unregelmäßigkeiten, u. a. bei der Auszählung und Auswertung der Stimmen.

Rechte auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

Oppositionsparteien und unabhängige Kandidaten wurden vor und nach der Wahl im August 2017 erheblich in ihrer Arbeit behindert. 

Kurz nachdem Diane Rwigara im Mai 2017 ihre Kandidatur bekanntgegeben hatte, tauchten in sozialen Medien angebliche Nacktfotos von ihr auf. Sie beschwerte sich bei der Polizei und der Wahlkommission, dass ihr Team, das durch Ruanda fuhr, um die nötigen Unterschriften für ihre Bewerbung als unabhängige Kandidatin zu sammeln, Einschüchterungsversuchen ausgesetzt war. Polizisten verhörten Diane Rwigara und ihre Verwandten in ihrem Haus in Kigali am 29. August 2017 und verboten ihnen, das Haus zu verlassen. Am 30. August bestätigte die Polizei, dass Ermittlungen aufgenommen worden seien und sich die Familie nicht in Haft befinde. Rwigara und ihre Familie wurden mehrere Wochen lang von der Polizei verhört. Sie durften sich weder frei bewegen noch konnten sie frei kommunizieren. Am 23. September nahm die Polizei Diane Rwigara zusammen mit ihrer Mutter Adeline und ihrer Schwester Anne fest. Am 3. Oktober bestätigte die Staatsanwaltschaft, dass die drei Frauen wegen „Anstiftung der Bevölkerung zu Aufruhr und Unruhen“ angeklagt seien. Diane Rwigara müsse sich zudem wegen der Verwendung gefälschter Dokumente verantworten, ihre Mutter wegen Diskriminierung und sektiererischer Praktiken. Anne Rwigara wurde am 23. Oktober gegen Kaution aus dem Gewahrsam entlassen; Diane und Adeline Rwigara befanden sich Ende 2017 nach wie vor in Untersuchungshaft.

Am 26. September 2017 wurden acht führende Mitglieder des nicht zugelassenen Oppositionsbündnisses Forces Démocratiques Unifiées (FDU-Inkingi) wegen „Bildung einer irregulären bewaffneten Gruppe“ und „Beleidigung des Präsidenten“ angeklagt. Théophile Ntirutwa, Vertreter der Partei in Kigali, wurde am 6. September 2017 festgenommen und war bis zum 23. September ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert. Später wurde er angeklagt, eine bewaffnete Gruppe unterstützt zu haben.

Unter den im September festgenommenen Mitgliedern der FDU-Inkingi war auch die stellvertretende Schatzmeisterin der Partei, Léonille Gasengayire. Sie war bereits im März 2016 festgenommen worden und musste mehrere Tage in Polizeihaft bleiben. Im August 2016 war sie erneut festgenommen und wegen „Anstiftung der Bevölkerung zu Aufruhr und Unruhen“ angeklagt worden. Am 23. März 2017 wurden die Vorwürfe gegen sie fallengelassen, und sie wurde auf freien Fuß gesetzt.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Im April 2017 erließ die Wahlkommission eine Wahlordnung, in der von den Kandidaten verlangt wurde, der Kommission jegliches Wahlkampfmaterial, das für die Veröffentlichung in sozialen Medien gedacht war, 48 Stunden vorher zur Genehmigung vorzulegen. Dies entfachte im Mai eine ausführliche Diskussion. Die ruandische Regulierungsbehörde erklärte am 31. Mai, dass die Wahlkommission nicht befugt sei, die Nutzung sozialer Medien durch die Bürger zu regulieren oder zu unterbinden. Am Tag darauf gab die Wahlkommission bekannt, dass sie die Wahlordnung auf der Grundlage des Ergebnisses der öffentlichen Diskussion anpassen werde. Dies geschah allerdings nicht.

Verschwindenlassen

Es gingen Berichte über mögliche Fälle von Verschwindenlassen ein. Der Verbleib mehrerer Personen konnte nicht geklärt werden; möglicherweise handelte es sich um Fälle von Verschwindenlassen. Illuminée Iragena, Mitglied der FDU-Inkingi, war am 26. März 2016 in Kigali auf dem Weg zur Arbeit „verschwunden“. Auch 2017 wurde nichts über ihren Verbleib und ihr Schicksal bekannt.

Violette Uwamahoro, britische Staatsangehörige und Frau eines Mitglieds der verbotenen Oppositionspartei Rwanda National Congress, „verschwand“ am 14. Februar 2017 bei ihrer Ankunft mit dem Bus in Kigali. Sie war aus Großbritannien angereist, um in Ruanda der Bestattung ihres Vaters beizuwohnen. Die Behörden bestritten zunächst, ihren Aufenthaltsort zu kennen. Am 3. März gab die Polizei jedoch bekannt, dass sie sich in Polizeigewahrsam befinde. Bis dahin war sie ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gewesen. Violette Uwamahoro und ihr Cousin, der Polizist Jean Pierre Shumbusho, wurden wegen mehrerer Straftaten angeklagt. Die Anklagepunkte lauteten auf Weitergabe von Staatsgeheimnissen, Gründung einer irregulären bewaffneten Gruppe und Straftaten gegen die rechtmäßige Regierung bzw. den Präsidenten. Violette Uwamahoro bestritt alle ihr zur Last gelegten Vorwürfe. Nachdem ein Richter entschieden hatte, dass die Beweise gegen sie nicht ausreichten, wurde sie am 27. März 2017 vorläufig aus der Haft entlassen. Am 12. April durfte sie nach Großbritannien zurückkehren.

Völkerrechtliche Verbrechen

Der 2016 von den USA nach Ruanda ausgelieferte ehemalige Universitätsprofessor Léopold Munyakazi wurde im Juli 2017 des Völkermords für schuldig befunden. Das zweitinstanzliche Gericht (Intermediate Court) in Muhanga verurteilte ihn zu lebenslanger Einzelhaft. Der UN-Menschenrechtsausschuss hat diese Haftform verurteilt, weil sie gegen das Verbot der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung verstößt. 

Der ehemalige Lehrer Jean Twagiramungu wurde im August 2017 von Deutschland an Ruanda ausgeliefert, um sich dort vor Gericht zu verantworten. Ihm wurde vorgeworfen, den Völkermord in der Präfektur Gikongoro (heute zur Südprovinz gehörend) geplant und ausgeführt zu haben.

Der Völkermordprozess gegen Ladislas Ntaganzwa wurde 2017 in Ruanda vor der für völkerrechtliche Verbrechen zuständigen Kammer des Hohen Gerichts fortgesetzt. Der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda (IStGHR) hatte das Verfahren gegen Ladislas Ntaganzwa an Ruanda abgegeben. Emmanuel Mbarushimana, der 2014 von Dänemark an Ruanda ausgeliefert worden war, wurde von der für völkerrechtliche Verbrechen zuständigen Kammer des Hohen Gerichts im Dezember des Völkermords für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt.

Bernard Munyagishari, dessen Fall der IStGHR 2013 an Ruanda übertragen hatte, wurde im April 2017 schuldig gesprochen und wegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Im Februar 2017 lehnte das Hohe Militärgericht die Freilassung von Henri Jean-Claude Seyoboka gegen Kaution ab. Kanada hatte Seyoboka, dem Beteiligung am Völkermord zur Last gelegt wird, 2016 nach Ruanda abgeschoben.

Der 2016 in Deutschland festgenommene Enoch Ruhigira, der in Ruanda wegen Völkermord vor Gericht gestellt werden sollte, wurde im März 2017 aus der Haft entlassen. Die Generalbundesanwaltschaft in Deutschland hatte den Haftbefehl aufgehoben, nachdem das Auswärtige Amt in einer Stellungnahme erklärt hatte, die strafrechtliche Verfolgung von Enoch Ruhigira in Ruanda sei eher politisch motiviert.

Frauenrechte

Im Februar 2017 wurde Ruanda vom UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) überprüft. Der Ausschuss begrüßte die Gesetze gegen Diskriminierung, bemängelte jedoch das Fortbestehen bestimmter diskriminierender Bestimmungen. So werde Vergewaltigung gewöhnlich mit mindestens fünf Jahren Gefängnis, Vergewaltigung in der Ehe jedoch lediglich mit Freiheitsstrafen von zwei bis sechs Monaten und einer Geldstrafe geahndet. Der CEDAW-Ausschuss äußerte sich auch besorgt darüber, dass risikoreiche Schwangerschaftsabbrüche die Müttersterblichkeit erhöhen könnten. Schwangerschaftsabbrüche waren in Ruanda nur in Ausnahmefällen erlaubt. Bei Abbrüchen wegen Vergewaltigung, Inzest oder Zwangsehe musste ein Gerichtsbeschluss vorliegen, bei gesundheitlichen Risiken für die Schwangere oder den Fötus musste die Zustimmung zweier Ärzte eingeholt werden. Nach den vorgeschlagenen Änderungen des Strafgesetzbuchs wäre ein Gerichtsbeschluss nicht mehr erforderlich.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Ruanda nahm auch 2017 Flüchtlinge aus Burundi auf. Ende 2017 befanden sich 89146 burundische Flüchtlinge im Land.

Internationale Kontrolle

Der UN-Unterausschuss zur Verhütung von Folter brach seinen Besuch in Ruanda im Oktober 2017 ab. Als Grund wurde die Verhinderungshaltung der ruandischen Behörden genannt. So habe der Ausschuss Hafteinrichtungen nicht ungehindert besuchen können und in einigen Fällen seien vertrauliche Gespräche mit Gefangenen nicht möglich gewesen. Die Delegationsleitung erklärte, dass viele Gesprächspartner Angst vor Repressalien geäußert hätten. In den vergangenen zehn Jahren hat der Unterausschuss seine Länderbesuche nur in drei Fällen abgebrochen.

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