Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - North Korea

Berichtszeitraum: 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016

Amtliche Bezeichnung: Demokratische Volksrepublik Korea
STAATSOBERHAUPT: Kim Jong-un
STAATS- UND REGIERUNGSCHEF_IN: Pak Pong-ju

Die Bevölkerung der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea) litt 2016 weiterhin unter der Verletzung fast aller Aspekte ihrer Menschenrechte. Nordkoreanische und ausländische Staatsangehörige wurden willkürlich festgenommen und nach unfairen Gerichtsverfahren wegen krimineller “Delikte” verurteilt, die international nicht als solche anerkannt waren. Es herrschten weiterhin scharfe Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Die Behörden schickten Zehntausende Nordkoreaner ins Ausland, wo diese häufig unter extrem harten Bedingungen arbeiten mussten. Die Zahl der Nordkoreaner, die aus dem Land flohen und in der Republik Korea (Südkorea) aufgenommen wurden, nahm zu.

HINTERGRUND

Die Regierung führte 2016 zweimal Atomwaffentests durch – im Januar und im September. Dies führte zu wachsenden Spannungen zwischen Nordkorea und der internationalen Gemeinschaft. Als Reaktion auf die Tests verschärften die Vereinten Nationen ihre Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea, was im Land selbst und bei ausländischen Experten Befürchtungen weckte, die Lebensmittelknappheit könne sich weiter verschärfen und der Lebensstandard noch weiter sinken. Kenner Nordkoreas hielten es für möglich, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen noch mehr Menschen dazu bewegen könnten, das Land zu verlassen. Als Hauptgrund für die Flucht aus dem Land galt jedoch die Gefahr politischer Säuberungen in Form von Inhaftierungen; als weiterer wichtiger Faktor wurden Berichte über Hinrichtungen von Angehörigen der politischen Elite angesehen.

Im Mai 2016 hielt die Partei der Arbeit Koreas (PdAK) zum ersten Mal seit 36 Jahren einen Parteikongress ab. Aus diesem Anlass wurden Journalisten internationaler Medien nach Nordkorea eingeladen. Sie konnten aber nur unter drastischen Einschränkungen arbeiten und durften nicht über die Kongresssitzungen berichten.

Nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen wurden im August 2016 infolge schwerer Überflutungen mindestens 138 Menschen getötet, und 69000 weitere Personen mussten ihre Wohnorte verlassen. Die Regierung bat um humanitäre Hilfe wie Nahrung, Notunterkünfte, Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen. Die Hilfsbereitschaft der internationalen Gemeinschaft war jedoch gering, da unter den potenziellen Geldgebern Besorgnis angesichts des nordkoreanischen Nuklearprogramms herrschte.

RECHT AUF BEWEGUNGSFREIHEIT

2016 verließen 1414 Personen Nordkorea und fanden Zuflucht in Südkorea. Dies bedeutete einen Anstieg um 11 % gegenüber 2015. Es war das erste Mal seit der Machtübernahme durch Kim Jong-un im Jahr 2011, dass die Flüchtlingszahlen zunahmen.

Neben Meldungen über die Flucht einfacher nordkoreanischer Staatsangehöriger gab es in südkoreanischen und japanischen Medien auch Berichte darüber, dass mehrere hochrangige Regierungsangehörige ihre Ämter aufgegeben und im Ausland Asyl beantragt hätten. Im August 2016 bestätigte die südkoreanische Regierung, dass der stellvertretende Botschafter Nordkoreas in Großbritannien, Thae Young-ho, und seine Familie nach Südkorea eingereist seien.

Eine Gruppe von 13 Personen, die im Auftrag der nordkoreanischen Regierung in einem Restaurant in Ningbo in China gearbeitet hatten, flog im April 2016 von dort aus auf direktem Weg nach Südkorea (siehe Länderbericht Korea [Süd]). Nach ihrer Ankunft in Südkorea behaupteten die nordkoreanischen Behörden, die zwölf Frauen in der Gruppe seien aus China nach Südkorea verschleppt worden. Bei einem von der nordkoreanischen Regierung in der Hauptstadt Pjöngjang arrangierten Interview erklärten ehemalige Kolleginnen, den Arbeiterinnen seien in China die Pässe abgenommen worden, sie hätten daher nicht frei reisen können.

Interviews mit geflüchteten Nordkoreanern und Medienberichten war zu entnehmen, dass die Regierung ihre Bemühungen zur Überwachung der Grenze zu China verstärkte, um die Flucht von Menschen zu verhindern. Personen, denen die Flucht gelungen war, mussten weiterhin Festnahme, Inhaftierung, Zwangsarbeit, Folter und andere Misshandlungen befürchten, wenn sie in China festgenommen und nach Nordkorea zurückgeschickt wurden.

RECHTE VON ARBEITSMIGRANTEN

Die Regierung schickte mindestens 50000 Personen über staatseigene Unternehmen in etwa 40 Länder, u. a. nach Angola, China, Katar, Kuwait und Russland, um dort in Bereichen wie Medizin, Bauwesen, Forstwirtschaft oder Gastronomie zu arbeiten. Die Arbeitsmigranten erhielten ihre Löhne nicht direkt von ihren Arbeitgebern, sondern von der Regierung Nordkoreas, die einen hohen Anteil einbehielt. Die meisten von ihnen waren weder über internationales Arbeitsrecht noch über die Arbeitsgesetzgebung in ihrem Gastland informiert. Außerdem hatten sie häufig keinen Zugang zu Regierungsbehörden, die für die Einhaltung der Arbeitsgesetze zuständig waren, oder zu Organisationen, die Hilfe boten, um Arbeitnehmerrechte einzuklagen.

Die Arbeitsmigranten mussten häufig übermäßig viele Überstunden machen und waren der Gefahr von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ausgesetzt. Polen erklärte im Juni 2016, dass es die Einreise nordkoreanischer Arbeiter nicht länger erlauben werde, nachdem Medien über einen tödlichen Unfall eines nordkoreanischen Arbeiters auf einer Schiffswerft im Jahr 2014 berichtet hatten. Eine ähnliche Entscheidung traf die Republik Malta, die im Juli 2016 bekannt gab, sie werde die Visa nordkoreanischer Arbeiter, die bereits im Land waren, nicht verlängern.

WILLKÜRLICHE FESTNAHMEN UND INHAFTIERUNGEN

Die Behörden verurteilten Menschen weiterhin in unfairen Gerichtsverfahren zu langjährigen Gefängnisstrafen. Dazu gehörten auch ausländische Staatsangehörige. So wurde der US-amerikanische Student Frederick Otto Warmbier wegen “Subversion” schuldig gesprochen. Seinem Geständnis zufolge hatte er lediglich ein Propagandatransparent gestohlen. Er wurde im März 2016 zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Mindestens sechs Monate lang wurde ihm der Zugang zum US-Konsulat verwehrt. Kim Dong-chul, ein in Südkorea geborener 62-jähriger US-amerikanischer Bürger, wurde im April 2016 wegen “Spionage” zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Die Behörden machten keine näheren Angaben zu der ihm vorgeworfenen Spionagetätigkeit. Die Urteile wurden verkündet, nachdem der UN-Sicherheitsrat zu Beginn des Jahres neue Sanktionen gegen Nordkorea beschlossen hatte, und im Vorfeld des Parteikongresses der PdAK im Mai, der vermehrte internationale Aufmerksamkeit auf Nordkorea lenkte.

In den vier bekannten Straflagern für politische Gefangene waren weiterhin bis zu 120000 Personen inhaftiert. Sie waren dort systematischen, weitverbreiteten und schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, wie Zwangsarbeit, Folter und anderen Misshandlungen, die teilweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkamen. Viele derjenigen, die in diesen Lagern festgehalten wurden, waren nicht wegen einer international als Straftat anerkannten Handlung verurteilt, sondern in Sippenhaft genommen worden, weil sie mit Personen in Verbindung standen, die als Bedrohung für den Staat betrachtet wurden.

RECHT AUF FREIE MEINUNGSÄUßERUNG

Die Behörden schränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung weiterhin drastisch ein, dazu zählte auch das Recht, ohne Rücksicht auf nationale Grenzen Informationen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten. Die Regierung unterband nach wie vor den Zugang zu ausländischen Informationsquellen. Im Inland gab es weiterhin weder unabhängige Zeitungen oder andere Medien noch zivilgesellschaftliche Organisationen.

Die wenigen zugelassenen internationalen Journalisten waren in ihrer Arbeit massiv eingeschränkt. Journalisten der BBC, die Nordkorea vor dem Kongress der PAdK im Mai 2016 besuchten, wurden kurzfristig ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert, verhört und des Landes verwiesen, da die Regierung ihre Berichte über das Alltagsleben in Pjöngjang als “respektlos” ansah. Die Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) eröffnete im September ein Büro in Pjöngjang und war damit eines von wenigen in Nordkorea tätigen ausländischen Medienunternehmen.

Nur einer verschwindend kleinen Anzahl von Personen war es erlaubt, das Internet und Mobiltelefone mit internationalem Zugang zu benutzen. Nordkoreaner, die nahe der chinesischen Grenze lebten, gingen ein hohes Risiko ein, wenn sie geschmuggelte Mobiltelefone benutzten, die auf chinesische Netze zugriffen, um Kontakt mit Menschen im Ausland aufzunehmen. Personen, die kein derartiges Mobiltelefon besaßen, mussten für Verbindungen ins Ausland maßlos überteuerte Gebühren an Vermittler zahlen. Der Gebrauch geschmuggelter Mobiltelefone, die mit chinesischen Netzwerken verbunden waren, setzte alle Beteiligten dem Risiko aus, überwacht und wegen Spionage oder anderen Anschuldigungen festgenommen und inhaftiert zu werden.

Das existierende Computernetzwerk konnte auch weiterhin nur von einer sehr kleinen Anzahl von Personen benutzt werden und ermöglichte nur den Zugang zu einheimischen Internetseiten und E-Mail-Diensten. Im September 2016 kam durch die Fehlkonfiguration eines Servers in Nordkorea ans Licht, dass das Netzwerk lediglich 28 Internetseiten umfasste, die alle von offiziellen Institutionen oder staatlichen Unternehmen kontrolliert wurden.

VERSCHWINDENLASSEN

Im Februar 2016 stellten die Behörden alle Untersuchungen über die Verschleppung japanischer Staatsangehöriger ein und hoben damit ein im Jahr 2014 geschlossenes bilaterales Abkommen zur Untersuchung dieser Fälle auf. Medienberichten zufolge reagierte Nordkorea damit auf die Entscheidung Japans, nach den nordkoreanischen Atomwaffentests im Januar 2016 die zuvor gelockerten Sanktionen gegen Nordkorea erneut zu verschärfen. Nordkorea hatte zu einem früheren Zeitpunkt zugegeben, dass Geheimdienstmitarbeiter des Landes in den 1970er und 1980er Jahren zwölf japanische Staatsangehörige entführt hatten.

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