Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bolivia

Berichtszeitraum: 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016

Amtliche Bezeichnung: Plurinationaler Staat Bolivien
STAATS- UND REGIERUNGSCHEF_IN: Evo Morales Ayma

Die Einrichtung einer Kommission für Wahrheit, Gerechtigkeit und Versöhnung zur Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen nach dem Völkerrecht unter der früheren Militärregierung (1964–82) stand weiterhin aus. Es gab Vorwürfe, dass bei Erdölerschließungsprojekten im Amazonasgebiet nicht die freie, vorherige und informierte Zustimmung der indigenen Bevölkerung eingeholt wurde. Fortschritte waren beim Schutz der Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgeschlechtlichen und Intersexuellen (LGBTI) und der sexuellen und reproduktiven Rechte zu verzeichnen. Anlass zur Sorge boten jedoch nach wie vor die Bedingungen im Strafvollzugssystem.

HINTERGRUND

Im August 2016 wurde der stellvertretende Innenminister Rodolfo Illanes Alvarado bei Bergarbeiterprotesten getötet. Die Proteste richteten sich u. a. gegen eine Gesetzesänderung im Bergbau, die das Recht auf eine gewerkschaftliche Organisation für die in Genossenschaften organisierten Bergarbeiter vorsieht.

STRAFLOSIGKEIT

Bolivien hatte noch immer keine Kommission für Wahrheit, Gerechtigkeit und Versöhnung für Verbrechen unter der Militärregierung eingerichtet, obwohl es dies im März 2015 nach einer öffentlichen Anhörung vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission zugesichert hatte.

RECHTE VON MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN

Im September 2016 veröffentlichte der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen seinen Bericht zu Bolivien. Darin empfahl er Bolivien u. a. eine Verbesserung und Anpassung seiner Mechanismen und Verfahren, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zur Justiz haben, sowie die Praxis der Sterilisation von Menschen mit Behinderungen ohne deren freie, vorherige und informierte Zustimmung abzuschaffen.

RECHT AUF VERSAMMLUNGSFREIHEIT

Im Juni 2016 wurden friedliche Proteste von Menschen mit Behinderungen, die eine monatliche Behindertenunterstützung forderten, von der Polizei mit Tränengas unterdrückt. Im August gingen dem UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen Berichte über den exzessiven Einsatz von Gewalt bei diesen Protesten zu. Der Ausschuss forderte die bolivianischen Behörden auf, eine gründliche und unparteiische Untersuchung des Vorfalls einzuleiten.

RECHTE INDIGENER BEVÖLKERUNGSGRUPPEN

Im März 2016 prangerten Sprecher indigener Bevölkerungsgruppen des Amazonasgebiets sowie des bolivianischen Dokumentations- und Informationszentrums (Centro de Documentación e Información Bolivia – CEDIB) das Versäumnis an, die freie, vorherige und informierte Zustimmung der indigenen Bevölkerung bei Vorhaben zur Erdölförderung auf indigenem Gebiet einzuholen.

RECHTE VON LESBEN, SCHWULEN, BISEXUELLEN, TRANSGESCHLECHTLICHEN UND INTERSEXUELLEN

Im Mai 2016 verabschiedete das Abgeordnetenhaus das Gesetz zur geschlechtlichen Identität, das ein Verfahren für transgeschlechtliche Personen über 18 Jahren vorsieht, die ihren Namen, ihr Geschlecht und ihre Bilddaten auf offiziellen Dokumenten ändern lassen wollen.

Im September 2016 unterzeichnete der Ombudsmann einen Gesetzentwurf, der die Eheschließung unter gleichgeschlechtlichen Personen erlaubt und LGBTI im Hinblick auf Gesundheitsversorgung und Sozialversicherung die gleichen Rechte zugesteht wie anderen Paaren. Der Gesetzesvorschlag sollte im weiteren Jahresverlauf noch der Plurinationalen Legislativen Versammlung vorgelegt werden.

SEXUELLE UND REPRODUKTIVE RECHTE

Im August 2016 richteten das Gesundheitsministerium sowie die Universität San Andrés die erste Beobachtungsstelle für Mütter- und Säuglingssterblichkeit ein, um gegen die hohe Mütter- und Säuglingssterblichkeitsrate im Land vorzugehen. Das Gesundheitsministerium kündigte außerdem die Ausarbeitung eines Gesetzes zur Gewährleistung des rechtzeitigen Zugangs zu Möglichkeiten der Familienplanung an.

RECHT AUF VEREINIGUNGSFREIHEIT

Im Juli 2016 lehnte das Verfassungsgericht die Petition ab, zwei Artikel des Gesetzes zur Rechtspersönlichkeit und dessen Bestimmungen als verfassungswidrig zu erklären. Die Petition war vom Ombudsmann mit der Begründung vorgelegt worden, dass das Gesetz das Recht auf Vereinigungsfreiheit und damit auf Gründung von NGOs oder Stiftungen verletzen könnte. Im Oktober reichten vier NGOs eine das Gesetz betreffende Petition vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte ein.

HAFTBEDINGUNGEN

Im Juni 2016 veröffentlichte der Ombudsmann einen Bericht über die erheblichen Probleme der Überbelegung und Korruption im Strafvollzugssystem und die fortdauernden Menschenrechtsverletzungen gegen Personen, die eine Freiheitsstrafe verbüßen.

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