Amnesty International Report 2012 - The State of the World's Human Rights

Amtliche Bezeichnung: Italienische Republik
Staatsoberhaupt: Giorgio Napolitano
Regierungschef: Mario Monti (löste im November Silvio Berlusconi im Amt ab)
Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft
Einwohner: 60,8 Mio.
Lebenserwartung: 81,9 Jahre
Kindersterblichkeit: 4 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 98,9%

Auch 2011 wurden Roma-Siedlungen rechtswidrig zwangsgeräumt und Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe diskriminiert. Der 2008 in Bezug auf die Siedlungen nicht sesshafter Gemeinschaften in mehreren Regionen des Landes verhängte "Nomaden-Notstand" (Emergenza nomadi) wurde im November vom Staatsrat für rechtswidrig erklärt. Die unangemessene Reaktion der italienischen Behörden auf den Zustrom von Flüchtlingen aus Nordafrika, die auf dem Seeweg nach Italien gelangen wollten, hatte zahlreiche Verstöße gegen die Menschenrechte von Migranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden zur Folge. Es gab erneut rassistische Übergriffe, und die Diskriminierung von Minderheiten wie der Roma und Migranten dauerte an. Auch im Berichtsjahr richtete Italien keine wirksamen Mechanismen zum Schutz vor Folter und Misshandlung und zur Strafverfolgung der mutmaßlichen Täter ein.

Hintergrund

Als Folge der Wirtschaftskrise, die Teile Europas erfasst hat, wurde die Regierung Silvio Berlusconi im November 2011 von einer neuen Regierung unter Führung von Mario Monti abgelöst. Ende des Jahres wurden umfangreiche Sparmaßnahmen verabschiedet.

Internationale Beobachtung

Internationale Gremien kritisierten die Behandlung von Roma, Muslimen, Migranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden in Italien. Im September 2011 erklärte der Menschenrechtskommissar des Europarats in seinem Bericht, dass die Verhängung des "Nomaden-Notstands" im Jahr 2008 die Grundlage für die zahlreichen Räumungen von Roma-Siedlungen darstelle, die oft mit der Verletzung von Menschenrechtsstandards verbunden seien. So seien die Präfekten einiger Regionen als Commissari Delegati eingesetzt und beim Umgang mit den Bewohnern von "Nomadensiedlungen" befugt, von verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen abzuweichen. Des Weiteren wurde im Bericht darauf hingewiesen, dass die Zahl der Flüchtlinge aus Nordafrika, die auf dem Seeweg nach Italien gelangten, seit Beginn des Jahres 2011 stark angestiegen sei und die Aufnahmeeinrichtungen für Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchende unter erheblicher Überlastung litten. Der Kommissar drängte die italienischen Behörden, die Aufnahmekapazitäten des Landes zu erhöhen und die Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen und anderen Personen, die internationalen Schutz in Anspruch nehmen können, zu verstärken. Außerdem forderte er die Behörden auf, dafür zu sorgen, dass bei Flüchtlingsbooten in Seenot die Sicherheit der Menschen an Bord und ihre Rettung absolute Priorität vor allen anderen Überlegungen erhalten.

Im Mai 2011 veröffentlichte der Beratende Ausschuss für das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten seine dritte Stellungnahme zu Italien. Er verzeichnete eine Zunahme rassistischer und fremdenfeindlicher Verhaltensweisen gegenüber Minderheitengruppen wie den Roma, Muslimen, Migranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden.

Der Ausschuss äußerte sich auch besorgt über die Verschlechterung der Lebensbedingungen von Roma-Gemeinschaften.

Im Juli forderte der UN-Ausschuss zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW-Ausschuss) in seiner abschließenden Stellungnahme Italien u.a. nachdrücklich dazu auf, politische Maßnahmen zu ergreifen, um der Darstellung der Frau als Sexualobjekt Einhalt zu gebieten und gegen stereotype Vorstellungen zur Rolle von Männern und Frauen in Familie und Gesellschaft vorzugehen.

Diskriminierung

Laut Berichten kam es zu schwerwiegenden Fällen rassistischer Gewalt. Auch 2011 wurden Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer Religion diskriminiert.

Dem Parlament lag ein Gesetzentwurf zur Beratung vor, mit dem das Tragen des Ganzkörperschleiers in der Öffentlichkeit verboten werden soll. Ein solches Verbot würde Frauen, die als Ausdruck ihrer Identität oder ihres Glaubens die Burka oder den Nikab tragen wollen, unverhältnismäßig stark beeinträchtigen.

Rassistische Gewalt
Im Dezember 2011 legten einige Anwohner Feuer in einer Roma-Siedlung in Turin. Der Anschlag ereignete sich nach einer Protestveranstaltung, bei der die Teilnehmenden vermeintlich ihre Solidarität mit einer 16-Jährigen ausdrücken wollten, die zwei Roma der Vergewaltigung beschuldigte. Die junge Frau räumte später ein, dass dieser Vorwurf eine Lüge war.

Roma
Unter dem "Nomaden-Notstand" konnten die Behörden in fünf Regionen weiter von den Gesetzen zum Schutz der Menschenrechte einschließlich einiger Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes abweichen. So wurden die Zwangsräumungen von Roma-Siedlungen und die Diskriminierung dieser Bevölkerungsgruppe fortgesetzt. Die Verantwortlichen für die an Roma verübten Menschenrechtsverletzungen mussten nicht befürchten, zur Rechenschaft gezogen zu werden. Im November 2011 erklärte der Staatsrat den "Nomaden-Notstand" für rechtswidrig.

Auch in anderen Regionen, in denen der "Nomaden-Notstand" nicht galt, kam es weiter zu rechtswidrigen Zwangsräumungen.

  • In Rom setzten die Behörden den nach der Erklärung des "Nomaden-Notstands" entwickelten "Nomaden-Plan" (Piano Nomadi) 2011 weiter um. Dieser sah die Schließung aller nicht genehmigten Lager und die Umsiedlung von bis zu 6000 Roma in 13 neue oder sanierte Lager vor. Im ganzen Jahr wurden Roma-Siedlungen von den Behörden zwangsgeräumt, und ihre Bewohner wurden obdachlos. Die Räumungen erfolgten ohne rechtzeitige Bekanntgabe und ohne ordnungsgemäßes Verfahren, und meist stellten die Behörden nur für Frauen und kleine Kinder Behelfsunterkünfte bereit. Örtliche NGOs berichteten, dass die Lebensbedingungen und Unterbringungsstätten nicht den internationalen Standards für eine angemessene Unterkunft genügten.
  • Die seit Mai 2011 amtierende neue Stadtverwaltung von Mailand ließ zwar, anders als ihre Vorgängerin, die Räumung von Roma-Lagern nicht öffentlich in den Medien feiern, doch wurden die Räumungen in einer Weise fortgesetzt, die mit den Menschenrechtsstandards nicht im Einklang stand. Im April 2011 erklärte die Stadtverwaltung, seit 2007 seien mehr als 500 illegale Siedlungen zwangsgeräumt worden. Genau wie in Rom erfolgten die Räumungen nicht gemäß den vorgesehenen Verwaltungsverfahren, und die Bewohner der Siedlungen hatten nicht die Möglichkeit, effektive Rechtsmittel in Anspruch zu nehmen; weder gab es eine echte Konsultation der Betroffenen noch erfolgte eine rechtzeitige Ankündigung der Räumung. Es wurden lediglich Behelfsunterkünfte bereitgestellt und diese auch nur für Frauen mit kleinen Kindern. Die Behörden begannen mehrere genehmigte Lager zu schließen, was zum Teil mit den Baumaßnahmen für die Weltausstellung EXPO 2015 zusammenhing. Die Bewohner der genehmigten Lager in der Via Triboniano und in der Via Barzaghi, deren Räumung über mehrere Monate hinweg erfolgte, erhielten keinen angemessenen alternativen Wohnraum zur Dauernutzung. Auch fand keine Konsultation der Betroffenen zur Räumung ihrer Unterkünfte oder zu Umsiedlungsmöglichkeiten statt.
    Im August 2011 traten neue gesetzliche Bestimmungen in Kraft, welche die Abschiebung von EU-Bürgern aus Italien ermöglichten, wenn diese die Anforderungen der EU-Freizügigkeitsrichtlinie nicht erfüllten und einer Ausreiseanordnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist nachkamen. Es wurden Befürchtungen laut, dass diese Bestimmungen diskriminierend angewandt werden könnten und somit den Weg für die selektive Abschiebung von Angehörigen bestimmter ethnischer Minderheiten, insbesondere von Roma-Angehörigen, bereiten könnten.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern

Die italienischen Behörden unterließen es, die Lücken in den Gesetzen zur Ahndung von Hassverbrechen zu schließen. Dadurch wurden die Opfer von Straftaten, die auf die sexuelle Orientierung, die Geschlechtsidentität und den Ausdruck der Geschlechtlichkeit bestimmter Menschen abzielten, nicht im gleichen Maße geschützt wie die Opfer von Straftaten, die durch andere Arten von Diskriminierung motiviert waren.

Im Juli 2011 lehnte das Parlament einen Gesetzentwurf zu Straftaten gegen Homosexuelle und Transsexuelle als unvereinbar mit der italienischen Verfassung ab.

Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten

Bis Ende 2011 waren mehr als 52000 Flüchtlinge, deutlich mehr als in den Vorjahren, aus Nordafrika auf dem Seeweg nach Italien gelangt. Ein Großteil von ihnen kam auf der Insel Lampedusa an. Die Maßnahmen, mit denen die Behörden auf die hohe Zahl eintreffender Menschen reagierten, wiesen Mängel auf und führten zur Verletzung der Menschenrechte der Asylsuchenden, Migranten und Flüchtlinge. So erfolgten kollektive Abschiebungen, Verstöße gegen das Non-Refoulement-Prinzip der Genfer Flüchtlingskonvention und Inhaftierungen ohne rechtliche Grundlage. Es wurde befürchtet, dass die Umsetzung der Vereinbarungen zur Migrationskontrolle, die Italien und mehrere nordafrikanische Länder, u.a. Libyen, Tunesien und Ägypten, getroffen hatten, dazu führten, dass Asylsuchenden der Zugang zu internationalem Schutz versperrt wurde und sie nach Schnellverfahren abgeschoben wurden. Die Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen und Haftzentren genügten internationalen Standards nicht, und die Flüchtlinge und Asylsuchenden waren völlig mittellos.

  • Im März 2011 kam es auf der Insel Lampedusa zu einer humanitären Krise, weil die Behörden nicht rechtzeitig für die Verlegung einer ausreichenden Zahl von Flüchtlingen nach Sizilien und in andere Regionen Italiens gesorgt hatten. Tausende von Migranten, Asylsuchenden und Flüchtlingen waren gezwungen, unter völlig unzumutbaren Bedingungen auf Lampedusa zu bleiben. Viele von ihnen mussten im Freien kampieren und hatten kaum Zugang zu sanitären Einrichtungen und Waschgelegenheiten.
  • Im April traf die italienische Regierung mit den tunesischen Behörden eine Vereinbarung, die die Rückführung tunesischer Staatsangehöriger im Schnellverfahren ermöglichte. Genau wie bei den anderen Übereinkünften zur Migrationskontrolle wurde auch hier der Inhalt der Vereinbarung nicht vollständig veröffentlicht.
  • Im Juni unterzeichnete die italienische Regierung mit dem libyschen Übergangsrat eine Vereinbarung zur Migrationskontrolle, in der sich beide Parteien zur Umsetzung der bestehenden Abkommen verpflichteten. Es wurde befürchtet, dies könne wie in den Vorjahren dazu führen, dass Asylsuchenden der Zugang zu den Verfahren verwehrt blieb, in denen sie internationalen Schutz beantragen könnten, und dass es zu Verstößen gegen das Non-Refoulement-Prinzip kommen könnte.
  • Am 21. August 2011 führten die italienischen Behörden eine sogenannte Push-Back-Operation durch, nachdem italienische Schiffe ein Boot aus Nordafrika abgefangen hatten, das nach Lampedusa unterwegs war. Ein Großteil der Personen soll dann tunesischen Schiffen übergeben worden sein, welche die Personen nach Tunesien brachten. Berichten zufolge handelte es sich dabei nicht um einen Einzelfall, vielmehr fanden solche Operationen regelmäßig statt.
  • Im September 2011 setzten Bewohner des überbelegten Erstaufnahmelagers auf der Insel Lampedusa aus Protest gegen ihre Unterbringung und die angedrohte Zwangsrückführung das Gebäude in Brand. Bei dem Feuer wurde der Großteil des Aufnahmezentrums zerstört. Einige der Bewohner protestierten nach ihrer Evakuierung auf den Straßen von Lampedusa. Es kam zu Zusammenstößen mit der italienischen Polizei und mit einigen Bewohnern der Insel, in deren Verlauf mehrere Verletzte zu beklagen waren. Als Reaktion auf diese Ereignisse nahmen die italienischen Behörden die Verlegung von Flüchtlingen in andere Regionen Italiens wieder auf.
    Im August 2011 wurde ein Gesetz verabschiedet, mit dem die EU-Rückführungsrichtlinie in nationales Recht umsetzt werden sollte. Das Gesetz verstößt gegen die Freiheitsrechte der Flüchtlinge, da es die Höchstdauer des Aufenthalts von Migranten in einem Ausweisungszentrum von sechs auf 18 Monate anhebt. Es fehlen darin außerdem in der EU-Richtlinie enthaltende wichtige Schutzbestimmungen. Bemühungen zur Förderung der freiwilligen Rückkehr werden dadurch untergraben und stattdessen die Inhaftierung und Abschiebung der Flüchtlinge begünstigt.
    Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Fall El Dridi vom 28. April wurde die gegen Hassen El Dridi verhängte Haftstrafe von ein bis vier Jahren wegen Verstoßes gegen eine ergangene Abschiebungsanordnung im August 2010 durch eine Geldstrafe ersetzt. Der Gerichtshof hatte die Übereinstimmung der italienischen Gesetze mit der EU-Rückführungsrichtlinie zu prüfen.
    Im Oktober beanstandeten mehrere Organisationen, darunter der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) und die Internationale Organisation für Migration, dass man ihnen in Bari den Zugang zu 150 auf See abgefangenen Flüchtlingen verwehrte. Mehr als 70 von ihnen waren umgehend in ihr Herkunftsland rückgeführt worden. Die genannten Organisationen arbeiteten als Partner im "Präsidium-Projekt" mit der Regierung zusammen; Ziele dieses Projekts waren die Steigerung der Aufnahmekapazitäten und die Verbesserung der Aufnahmeeinrichtungen für Menschen, die eventuell internationalen Schutz benötigen.

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

Auch 2011 rief die Anwendung der Gesetze zur Bekämpfung des Terrorismus Besorgnis hervor.

Im April befand der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Toumi gegen Italien, dass Italien mit der 2009 durchgeführten Abschiebung des Tunesiers in sein Herkunftsland gegen das Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung verstoßen habe. Der Gerichtshof befand, Ali Ben Sassi Toumi, der in Tunesien im Zusammenhang mit terroristischen Straftaten zu sechs Jahren Haft verurteilt worden war, sei entgegen der Aufforderung des Gerichts an die italienischen Behörden, die Abschiebung zu stoppen, zwangsweise nach Tunesien rückgeführt worden. Nach Ansicht des Gerichtshofs reichten die diplomatischen Zusicherungen der tunesischen Regierung, dass Ali Ben Sassi Toumi nach seiner Rückführung menschlich behandelt werde, nicht aus, um die Gefahr von Folter und Misshandlung auszuschließen.

Guantánamo Bay
Im April 2011 berichteten die Medien, dass der 2009 aus der Haft in Guantánamo nach Italien überstellte tunesische Staatsbürger Adel Ben Mabrouk aus Italien nach Tunesien abgeschoben worden sei. Er war im Februar wegen terroristischer Straftaten zu zwei Jahren Haft verurteilt, aber nach Ablauf der Untersuchungshaft auf freien Fuß gesetzt worden, weil das Gericht auch die Haftjahre berücksichtigte, die er in Guantánamo verbüßt hatte.

Außerordentliche Überstellungen
Die Rechtsmittelverfahren im Fall des 2003 von CIA-Agenten rechtswidrig in sein Herkunftsland verbrachten Ägypters Abu Omar waren noch vor dem Obersten Gerichtshof anhängig. Das Berufungsgericht Mailand hatte im Dezember 2010 die Schuldsprüche gegen die 25 US-amerikanischen und italienischen Sicherheitsbeamten bestätigt, die Abu Omar in Mailand auf offener Straße gekidnappt hatten, und Haftstrafen von bis zu neun Jahren gegen sie verhängt. Das Gericht hatte auch die Einstellung des Verfahrens gegen fünf hochrangige Beamte des italienischen Geheimdienstes aus Gründen der Staatssicherheit bestätigt. Der Prozess gegen die 23 US-Geheimdienstbeamten war in Abwesenheit der Angeklagten durchgeführt worden. Abu Omar war nach seiner Entführung vom CIA rechtswidrig von Italien nach Ägypten verbracht worden, wo er an einem unbekannten Haftort gefoltert worden sein soll.

Folter und andere Misshandlungen

Auch im Jahr 2011 trafen aus Italien Berichte über Misshandlungen durch Polizeibeamte ein. Es wurden keine wirksamen Mechanismen eingerichtet, um solche Übergriffe der Polizei zu verhindern. Auch wurden keine konkreten Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass in solchen Fällen gründliche Ermittlungen durchgeführt und alle an Menschenrechtsverletzungen beteiligten Beamten mit Polizeibefugnissen strafrechtlich verfolgt wurden. Italien hat das Fakultativprotokoll zum UN-Übereinkommen gegen Folter noch nicht ratifiziert und auch noch keinen unabhängigen Nationalen Präventionsmechanismus zur Verhütung von Folter und anderen Misshandlungen eingerichtet. Die Aufnahme eines spezifischen Straftatbestands "Folter" ins italienische Strafgesetz stand ebenfalls noch aus.

G8-Gipfel in Genua
Die Rechtsmittel gegen Urteile, die das Berufungsgericht Genua wegen der Misshandlung von Demonstrierenden während des G8-Gipfels von 2001 gegen Polizisten, medizinisches Personal und Vollzugsbeamte verhängt hatte, waren noch immer beim Obersten Gerichtshof anhängig.

  • Im März 2011 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall des Todes des Demonstranten Carlo Giuliani, der am 20. Juli 2001 durch Polizeischüsse ums Leben gekommen war, dass es sich nicht um eine Verletzung des Rechts auf Leben handele. Im Mai 2003 war die Untersuchung der tödlichen Schüsse auf Carlo Giuliani mit der Feststellung der Untersuchungsrichterin abgeschlossen worden, dass der Beamte in Notwehr gehandelt hätte und somit keine Anklage gegen ihn erhoben werden solle.

Todesfälle in Gewahrsam

  • Im Juni 2011 bestätigte das Berufungsgericht Bologna den Schuldspruch der ersten Instanz gegen vier Polizeibeamte wegen der rechtswidrigen Tötung des 18-jährigen Federico Aldrovandi. Die Anwendung eines Begnadigungsgesetzes führte zur Reduzierung des ursprünglichen Strafmaßes von dreieinhalb Jahren auf lediglich sechs Monate. Federico Aldrovandi war im September 2005 in Ferrara bei einer Polizeikontrolle ums Leben gekommen. Es wurde Berufung vor dem Obersten Gerichtshof eingelegt. Im Mai wurden gegen einen der drei Polizeibeamten, die im Jahr 2010 wegen Behinderung der Ermittlungen zu Haftstrafen von acht, zehn und zwölf Monaten verurteilt worden waren, weitere drei Monate Haft auf Bewährung verhängt. Im Januar erging gegen einen vierten wegen Behinderung der Ermittlungen angeklagten Polizisten ein Freispruch.
  • Im März begann der Prozess gegen einen Gefängniswärter wegen unterlassener Hilfeleistung und anderer Straftaten im Fall von Aldo Bianzino, der im Jahr 2007 in Perugia zwei Tage nach seiner Verhaftung im Gefängnis gestorben war. Ein Verfahren gegen Unbekannt wegen Totschlags war bereits 2009 eingestellt worden.
  • Der Prozess zum Tod von Stefano Cucchi ging weiter. Sechs Ärzte, drei Krankenpfleger sowie drei Vollzugsbeamte waren wegen verschiedener Straftaten wie Autoritätsmissbrauch, Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung angeklagt. Im Januar 2011 wurde ein hochrangiger Justizbeamter wegen Falschbeurkundung und Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt. Stefano Cucchi war im Oktober 2009 wenige Tage nach seiner Festnahme in der Häftlingsabteilung eines römischen Krankenhauses gestorben.
  • Die Ermittlungen zu den Misshandlungen, die Giuseppe Uva in den Stunden vor seinem Tod in Polizeigewahrsam erlitten haben soll, dauerten noch immer an. Giuseppe Uva war im Juni 2008 in einem Krankenhaus in Varese gestorben. Auch das Gerichtsverfahren gegen einen der fahrlässigen Tötung angeklagten Arzt, der Giuseppe Uva falsch behandelt haben soll, war noch nicht abgeschlossen. Im Dezember 2011 wurde der Leichnam von Giuseppe Uva exhumiert, um weitere gerichtsmedizinische Untersuchungen durchzuführen.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Vertreter von Amnesty International hielten sich im März, April, Juli und November in Italien auf.

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