Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Swaziland

 

 

Mehrere politische und gewaltlose politische Gefangene kamen 2015 frei. Repressive Rechtsvorschriften wurden jedoch weiterhin dazu benutzt, abweichende Meinungen zu unterdrücken. Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit waren nach wie vor eingeschränkt.

Hintergrund

Im Januar 2015 ließen die USA die auf Grundlage des Gesetzes zur Förderung von Wachstum und Chancen in Afrika (African Growth and Opportunity Act) gewährten Handelspräferenzen mit der Begründung auslaufen, dass die Regierung Swasilands die zugesagten Menschenrechtsreformen nicht durchgeführt habe. Der Verlust der Vorzugsbehandlung hinsichtlich des Zugangs zum US-amerikanischen Textilmarkt führte zur Schließung von Fabriken und zum Abbau von Arbeitsplätzen. Auf internationalen Druck hin ließ die Regierung mehrere Gefangene aus der Haft frei. Unter ihnen befanden sich auch gewaltlose politische Gefangene.

Trotz eklatanter Verstöße gegen die grundlegenden Verfassungsrechte von Gewerkschaften und deren Spitzenfunktionären sowie von Lehrern, Parteien und der Zivilgesellschaft entging die Regierung weitgehend anhaltender Kritik in den internationalen Medien. Dies lag zum Teil daran, dass die swasiländische Gesellschaft oberflächlich betrachtet den Eindruck einer eng verbundenen und homogenen Gemeinschaft machte.

Rechtliche Entwicklungen

Die Krise der Rechtsstaatlichkeit, die 2011 begonnen hatte, setzte sich fort und nahm im April 2015 mit der Inhaftierung mehrerer Beamter der Justizbehörden eine neue Wendung.

Am 17. April 2015 erließ das Hohe Gericht Haftbefehle gegen den Obersten Richter Michael Ramodibedi und den Richter des Hohen Gerichts Mpendulo Simelane. Den Haftbefehlen lagen 23 von der Antikorruptionskommission vorgebrachte Beschuldigungen, wie Strafvereitelung und Machtmissbrauch, zugrunde. Michael Ramodibedi, ein lesothischer Staatsbürger, entging seiner Inhaftierung, weil er sich weigerte, sein Haus zu verlassen. Am 6. Mai 2015 suspendierte ihn die Regierung und ernannte einen stellvertretenden Obersten Richter, Bheki Maphalala, zu seinem Nachfolger. Nach einer von der Kommission der Justizdienste durchgeführten Ermittlung zu drei Fällen, in denen Michael Ramodibedi Amtsmissbrauch vorgeworfen wurde, entließ ihn König Mswati III. am 17. Juni 2015 wegen "schweren Fehlverhaltens" aus dem Amt.

Am 20. April 2015 wurden Richter Mpendulo Simelane und Justizminister Sibusiso Shongwe festgenommen. Man warf ihnen u. a. Machtmissbrauch und Strafvereitelung vor. Der Richter des Hohen Gerichts, Jacobus Annandale, und Fikile Nhlabatsi, eine Beamtin des Hohen Gerichts, wurden ebenfalls wegen des Verdachts der Strafvereitelung festgenommen, nachdem sie versucht hatten, den Haftbefehl gegen den Obersten Richter Ramodibedi aufzuheben. Alle kamen später gegen Kaution frei. Sibusiso Shongwe wurde am 21. April 2015 von König Mswati III. aus seinem Amt als Justizminister entlassen. Die Anklagen gegen Jacobus Annandale und Fikile Nhlabatsi wurden fallengelassen. Beide unterstützten die Staatanwaltschaft im Fall von Sibusiso Shongwe, der im August 2015 zum zweiten Mal wegen weiterer Korruptionsvorwürfe inhaftiert wurde. Er kam auch in diesem Fall gegen Kaution frei.

Die Suspendierung und Entlassung des Obersten Richters Michael Ramodibedi bedeutete, dass der Oberste Gerichtshof zwischen Mai und Juli 2015 Berufungsverfahren verschieben musste. Gemäß Bestimmungen der Verfassung von 2006 wurden Ende Juli 2015 mehrere Beamte der Justizbehörden an den Obersten Gerichtshof berufen.

Unfaire Gerichtsverfahren

Politisch motivierte Gerichtsverfahren und Gesetze, die den Grundsatz der Rechtmäßigkeit verletzten, wurden weiterhin dazu benutzt, abweichende Meinungen zu unterdrücken. Zwar konnte die Freilassung politischer und gewaltloser politischer Gefangener als Zeichen der Verbesserung betrachtet werden, doch blieben die verzeichneten Fortschritte ohne eine grundlegende Rechtsreform und die umfassende Verpflichtung zur Einhaltung der Menschenrechtsstandards fragil.

Bheki Makhubu, der Herausgeber eines Nachrichtenmagazins, und der Menschenrechtsverteidiger Thulani Maseko wurden am 30. Juni 2015 nach ihrem Berufungsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof freigelassen. Der Staatsanwalt _(Crown Prosecutor) _räumte ein, dass keine Beweise gegen sie vorlägen. Die beiden Männer waren in einem äußerst unfairen Verfahren der Missachtung des Gerichts für schuldig befunden worden, nachdem man sie im März 2014 wegen der Veröffentlichung von Artikeln im Magazin The Nation festgenommen hatte, in denen sie die Unabhängigkeit der Justiz und die politische Rechenschaftspflicht in Swasiland hinterfragten. Die dem Nachrichtenmagazin auferlegte Geldstrafe wurde ebenfalls aufgehoben.

Die Behörden nutzten weiterhin das Gesetz zur Terrorbekämpfung (2008 Suppression of Terrorism Act - STA) _und das Gesetz über staatsgefährdende und subversive Aktivitäten _(1938 Sedition and Subversive Activities Act), um Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten, die lediglich ihre Rechte wahrnahmen, festzunehmen oder ihnen mit einer Festnahme zu drohen. In der Folge waren die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung eingeschränkt.

In fünf separaten Fällen wurden Ermittlungsverfahren gegen 13 Personen fortgeführt, die im Jahr 2009 festgenommen und wegen Verstößen gegen das Gesetz zur Terrorbekämpfung und das Gesetz über staatsgefährdende und subversive Aktivitäten angeklagt worden waren. Alle Angeklagten befanden sich gegen Kaution auf freiem Fuß, erschienen jedoch bei der Fortsetzung ihrer Verfahren vor Gericht. Zehn von ihnen wurden unter beiden Gesetzen angeklagt. Die Anklagepunkte bezogen sich auf Handlungen wie das Rufen von Parolen zur Unterstützung der verbotenen Oppositionspartei People's United Democratic Movement (PUDEMO), das Besitzen von Flugblättern der PUDEMO, das Tragen von T-Shirts mit dem Emblem von PUDEMO und das Aufrufen zum Boykott der Wahlen im Jahr 2013. Alle Gerichtsverfahren wurden bis zur Entscheidung über eine gegen die beiden Gesetze eingereichte Verfassungsklage ausgesetzt. Das Hohe Gericht eröffnete zwar im September 2015 das diesbezügliche Verfahren, vertagte es aber auf Februar 2016.

Unter den Angeklagten befanden sich mehrere Mitglieder von PUDEMO, u. a. der Generalsekretär Mlungisi Makhanya, der Parteivorsitzende Mario Masuku und der Präsident der Jugendbewegung der Partei, Maxwell Dlamini. Mario Masuku und Maxwell Dlamini waren am 1. Mai 2014 wegen Parolen, die sie während einer Kundgebung zum Internationalen Tag der Arbeit gerufen haben sollen, in Untersuchungshaft genommen worden. Am 14. Juli 2015 wurden sie auf Anordnung des Obersten Gerichtshofs auf freien Fuß gesetzt. Sie hatten bereits im Jahr 2014 zweimal vergeblich ihre Freilassung gegen Kaution beantragt und gegen die vom Hohen Gericht angeordnete Verweigerung ihrer Freilassung beim Obersten Gerichtshof Rechtsmittel eingelegt.

Recht auf Vereinigungsfreiheit

Die Polizei hinderte Mitglieder des swasiländischen Gewerkschaftsdachverbands Trade Union Congress of Swaziland (TUCOSWA) im Februar und März 2015 daran, Versammlungen abzuhalten. Der Generalsekretär der swasiländischen Lehrergewerkschaft Swaziland National Association of Teachers (SNAT), Muzi Mhlanga, wurde am 14. März 2015 von Polizisten angegriffen, als Mitglieder des TUCOSWA versuchten, in den Räumlichkeiten der SNAT in Manzini eine Versammlung abzuhalten.

Am 12. Mai 2015 wurde TUCOSWA schließlich vom Ministerium für Arbeit und Soziale Sicherheit amtlich registriert, nachdem die Organisation mehr als drei Jahre lang verboten war.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Menschenrechtsverteidiger, politische Aktivisten, religiöse Würdenträger und Gewerkschaftsfunktionäre wurden mit Polizeigewalt, Inhaftierung und anderen Druckmitteln bedroht, weil sie für Menschenrechte, die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und politische Reformen eintraten.

Tod in Gewahrsam

Fälle, in denen Gefangene unter ungeklärten Umständen in Polizeigewahrsam ums Leben kamen, gaben weiterhin Anlass zur Besorgnis. Am 12. Juni 2015 starb der Mosambikaner Luciano Reginaldo Zavale in Polizeigewahrsam, nachdem er wegen des Besitzes eines gestohlenen Laptops inhaftiert worden war. Unabhängige gerichtsmedizinische Beweise deuteten auf eine unnatürliche Todesursache hin. Im September 2015 wurde eine gerichtliche Untersuchung zu seinen Todesumständen eingeleitet.

Folter und andere Misshandlungen

In Polizeigewahrsam wurden Gefangene weiterhin gefoltert. Im März 2015 erhielt der Menschenrechtsanwalt Thulani Maseko im Gefängnis Big Bend eine Disziplinarstrafe von drei Wochen Einzelhaft, weil er angeblich gegen die Gefängnisregeln verstoßen hatte. Während des Disziplinarverfahrens hatte er keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand; die Dauer seiner Einzelhaft entsprach Folter oder anderweitiger Misshandlung.

Der Vorsitzende von PUDEMO, Mario Masuku, hatte während seiner insgesamt 14-monatigen Untersuchungshaft in den Hafteinrichtungen Zakhele Remand Centre und Matsapah Central Prison keinen Zugang zu angemessener und unabhängiger medizinischer Behandlung, die er aufgrund von Komplikationen im Zusammenhang mit einer Diabetes-Erkrankung benötigte.

Frauenrechte

Trotz des hohen Ausmaßes an geschlechtsspezifischer Gewalt war das Gesetz über Sexualstraftaten und häusliche Gewalt (Sexual Offences and Domestic Violence Bill) bis Ende 2015 noch nicht verabschiedet worden. Der Gesetzentwurf wird seit 2006 im Parlament diskutiert. Der ursprünglich progressive Entwurf wurde verwässert und enthält u. a. nur noch eine enge Definition von Vergewaltigung; Vergewaltigung in der Ehe wird gar nicht mehr thematisiert.

Todesstrafe

Einer Person drohte Ende 2015 weiterhin die Vollstreckung des Todesurteils. Im Jahr 2015 wurden jedoch keine neuen Todesstrafen verhängt. Zwei Todesurteile wurden vom König in lebenslange Haftstrafen umgewandelt.

Amnesty International: Bericht

 

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