Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Timor-Leste

 

Die Verantwortlichen für die schweren Menschenrechtsverletzungen während der indonesischen Besatzung von 1975 bis 1999 genossen weiterhin Straffreiheit. Angehörigen der Sicherheitskräfte wurden willkürliche Festnahmen und unnötige oder exzessive Gewaltanwendung bei ihren Operationen im Distrikt Baucau zur Last gelegt. Familiäre Gewalt war weiterhin an der Tagesordnung.

Hintergrund

Im Februar 2015 wurde Rui Maria de Araújo, ein führendes Mitglied der Revolutionären Front für die Unabhängigkeit von Timor-Leste (Frente Revolucionária do Timor-Leste Independent), als Ministerpräsident vereidigt. Der neuen Regierungskoalition gehörten die meisten Parteien des Landes an, darunter auch der Nationale Kongress für den Timoresischen Wiederaufbau (Conselho Nacional de Reconstrução de Timor) unter "Xanana" Gusmão. Im September 2015 wurde Timor-Leste vom UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes überprüft.

Straflosigkeit

Bei der Aufarbeitung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und anderer Menschenrechtsverletzungen der indonesischen Sicherheitskräfte und ihrer Hilfstruppen zwischen 1975 und 1999 gab es kaum Fortschritte. Viele mutmaßliche Täter befanden sich nach wie vor in Indonesien auf freiem Fuß.

Es existierten keine Berichte über Fortschritte bei der Umsetzung der Empfehlungen zur Beseitigung der Straflosigkeit der Kommission für Wahrheit und Versöhnung (Comissão de Acolhimento, Verdade e Reconciliacão em Timor-Leste - CAVR) und der von Indonesien und Timor-Leste gemeinsam eingerichteten bilateralen Kommission für Wahrheit und Freundschaft (Comissão de Verdade e Amizade - CVA). Im September 2015 stellte die UN-Arbeitsgruppe zur Frage des Verschwindenlassens von Personen in ihrem Folgebericht mit Bedauern fest, dass die Prüfung eines Gesetzentwurfs zur Einrichtung eines "Instituts des Gedenkens", mit dem die Empfehlungen von CAVR und CVA umgesetzt werden sollten, noch immer nicht stattgefunden hatte.

Justizsystem

Nach wie vor gab es Berichte über Misshandlungen und unnötige und exzessive Gewaltanwendung durch Angehörige der Sicherheitskräfte. Die Mechanismen für die Verfolgung von Verstößen blieben unzureichend.

Zwischen März und August 2015 wurden im Zuge gemeinsamer Sicherheitseinsätze von Polizei und Militär im Distrikt Bacau Dutzende Menschen willkürlich festgenommen und von den Sicherheitskräften gefoltert oder anderweitig misshandelt. Mit diesen Einsätzen reagierten die Behörden auf Angriffe gegen die Polizei in den Subdistrikten Laga und Baguia, die Mauk Moruk (Paulino Gama) und der von ihm gegründeten verbotenen paramilitärischen Organisation Konsellu Revolusaun Maubere zugeschrieben wurden. Örtliche Menschenrechtsorganisationen dokumentierten zahlreiche Fälle, in denen Angehörige der Sicherheitskräfte mutmaßliche KRM-Mitglieder mit Schlägen misshandelten und ihr Hab und Gut zerstörten. Im August 2015 wurde Mauk Moruk erschossen. Die Ergebnisse der vom Provedor (Ombudsmann für Menschenrechte und Gerechtigkeit) durchgeführten Ermittlungen wurden im November 2015 veröffentlicht.

Das Justizsystem wurde nach wie vor durch einen eingeschränkten Zugang zu den Gerichten und das Fehlen rechtsstaatlicher Verfahren behindert. Durch die im Oktober 2014 erfolgte Ausweisung aller ausländischen Justizbeamten, die als Richter, Anwälte oder Ermittler tätig waren, wurden erneut laufende Verfahren gefährdet, darunter auch solche, in denen es um Verbrechen gegen die Menschlichkeit ging.

Frauenrechte

Das Gesetz gegen häusliche Gewalt von 2010, mit dem familiäre Gewalt zum Offizialdelikt erklärt wurde, fand ungeachtet aller bestehenden Zweifel weiterhin Anwendung. NGOs äußerten sich besorgt darüber, dass Frauen nur eingeschränkten Zugang zur Justiz hatten, der Schutz von Zeugen und Opfern nicht gewährleistet war und ein Rückstau anhängiger Verfahren bestand, weshalb nur wenige Frauen überhaupt Anzeige erstatteten.

Im November empfahl der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau, dass Timor-Leste gesetzliche Vorschriften verabschieden solle, um eine umfassende Wiedergutmachung für Überlebende von Vergewaltigungen und anderen Formen sexueller Gewalttaten, die während der indonesischen Besatzung und des Referendums von 1999 begangen wurden, sicherzustellen. Zudem solle per Gesetz festgelegt werden, dass für sexuelle Gewalttaten während der Besatzung keine Straffreiheit gelte.

Amnesty International: Bericht

 

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