a-4782 (ACC-CIV-4782)

Nach einer Recherche in unserer Länderdokumentation und im Internet können wir Ihnen zu oben genannter Fragestellung Materialien zur Verfügung stellen, die unter anderem folgende Informationen enthalten:

Rebellentätigkeit September - Dezember 2002 im Raum Bouaké

Nach Angaben mehrerer Quellen sei die Stadt Bouaké (und andere Städte) im September 2002 von rebellierenden Soldaten eingenommen (und gehalten) worden. Im Folgenden wird auf einige Berichte über den Aufstand verwiesen. Um einen Überblick zu bieten, wird aus dem Länderkurzbericht von Amnesty International (AI) vom April 2003 ausführlicher zitiert:

„Die Phase relativer Ruhe fand im September 2002 ein jähes Ende, als am 19. des Monats Einheiten der Streitkräfte in den drei Städten Abidjan, Korhogo und Bouaké meuterten. Die Aufständischen übernahmen die Kontrolle über die Städte Bouaké und Korhogo und dehnten ihre Herrschaft rasch über den nördlichen Teil des Landes aus.
Es wurde jedoch recht schnell deutlich, dass es sich nicht um einen kurzfristigen Aufstand von Soldaten handelte. Die Aufständischen selbst bezeichneten sich als Mouvement patriotique de Cote dIvoire - Patriotische Bewegung der Elfenbeinküste (MPCI). Ziel und Absicht ihres Aufstandes war es, den Rücktritt Präsident Laurent Gbagbos zu erreichen, um im Anschluss an die Ernennung eines Übergangspräsidenten freie und faire Neuwahlen abzuhalten. [...]
Während der Kämpfe um den 19. September 2002 wurden zahlreiche Menschen getötet, unter ihnen auch der Ex-Staatschef Robert Guei und seine Frau Rose Guei. Nach Informationen von amnesty international ist davon auszugehen, dass Robert Guei und seine Frau Rose von Angehörigen der Sicherheitskräfte der Regierung extralegal hingerichtet wurden [...]
Seit November 2002 operieren in einigen westlichen Landesteilen die beiden Rebellenbewegungen Mouvement pour la justice et la paix (MJP) und das Mouvement populaire ivorien du grand-ouest (MPIGO), die nach eigenen Angaben unabhängig vom Mouvement partiotique de Cote d Ivoire (MPCI) handeln. Sie seien vielmehr Anhänger des am 19. September 2002 getöteten Ex-Präsidenten Guei. Beide Gruppen bewegen sich im Westen des Landes, in der Grenzregion zu Liberia. [...]
Am 18.10.2002 um 00.00 Uhr trat ein Waffenstillstandsabkommen zwischen den Konfliktparteien in Kraft [...] Überwacht wurde das Waffenstillstandabkommen von Angehörigen der französischen Streitkräfte. Ihr Auftrag setzte sich aus zwei Teilen zusammen: zum einen sollten sie den Waffenstillstand überwachen. Zum anderen war es ihre Aufgabe, die im Land lebenden Franzosen und Ausländer zu schützen. [...]
Ungeachtet der Friedensbemühungen im Rahmen eines formalen Waffenstillstandsabkommens, kam es weiterhin zu gewaltsamen Ausschreitungen. Sie richteten sich zunächst anscheinend ausschließlich gegen Personen, die der Sympathie mit der MPCI verdächtigt wurden. Als Regierungstruppen im Oktober 2002 die im Westen des Landes gelegene Stadt Daloa von Rebellen zurückeroberten, wurden mind. 50 Zivilisten von Personen in Kampfanzügen extralegal hingerichtet. Bei den Ermordeten handelte es sich um Ivoirer mit moslemischem Namen (moslemische Dioula) und um Staatsbürger aus den Nachbarländern, vor allem aus Mali, Burkina Faso und Guinea. Sie wurden pauschal der Unterstützung der MPCI verdächtigt. [...]
Mitte Dezember 2002 wurde ein erneutes Massaker an Rebellenangehörigen bekannt und bestätigt. Französische Truppen gingen Hinweisen aus der Bevölkerung des Ortes Moloko- Zohi im Westen der Côte d`Ivoire nach und fanden ein etwa 30 Meter langes Massengrab mit 120 Toten. Zwar versuchte ein Armeesprecher der Regierung die Verantwortung zunächst den Rebellen zuzuweisen. Er gab jedoch nach dem Bekanntwerden von immer mehr Einzelheiten die Verantwortlichkeit der Regierungstruppen zu. [...]
Nach Informationen von amnesty international sind auch Kämpfer aller drei Oppositionsgruppen- die MPCI, die MPIGO und die MJP - für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. [...]
Untersuchungen von amnesty international in den Regionen, die unter Kontrolle der verschiedenen Rebellenorganisationen stehen, haben ergeben, dass mehrere unbewaffnete Angehörige der Sicherheitskräfte und vermeintliche Anhänger der Regierung von Angehörigen aller Rebellengruppen in Schnellverfahren hingerichtet wurden. [...]
Darüber hinaus nahmen die Rebellen eine Reihe von Menschen willkürlich gefangen, deren Aufenthaltsort unbekannt blieb und die seither als vermisst gelten. Die drei Gruppen forderten die Bevölkerung auf, jeden zu denunzieren, der dem Militär angehören oder ein Anhänger der Regierung sein könnte. In der Folge sollen mehrere Verdächtige getötet worden sein.
Andere Menschen, die man des Diebstahls oder sonstiger gewöhnlicher Straftaten bezichtigte, wurden öffentlich in Schnellverfahren hingerichtet.
Die MPCI verbot verschiedenen Personen aus dem Süden des Landes oder Menschen mit ungewöhnlichen Familiennamen, die von ihr besetzten Gebiete zu verlassen. [...]
Alle drei bewaffneten Oppositionsgruppen, vor allem aber die MPCI, rekrutierten junge Menschen, darunter auch offenbar erst 14-jährige, als Soldaten.“ (AI, April 2003, S.5-9)

Siehe hierzu auch den im März 2003 veröffentlichten Menschenrechtsbericht 2002 des US-Außenministeriums US Department of State (USDOS). Das USDOS erwähnt darüber hinaus Zwangsrekrutierungen durch die Rebellen (USDOS, 31. März 2003).

Das Integrated Regional Information Network (IRIN) berichtet im Dezember 2002 von weiterhin anhaltenden Kämpfen zwischen Rebellen und Armee, die zur Flucht von über 30.000 Menschen nach Liberia und Guinea geführt hätten (IRIN, 9. Dezember 2002).

Siehe für weitere Details:

Human Rights Watch (HRW) mit einem Bericht über die Reaktion der Regierung auf den Aufstand (HRW, November 2002).

Konrad Adenauer Stiftung (KAS) mit einem Bericht über den Aufstand und die Suspendierung der Friedensgespräche vom November 2002 (KAS, 19. November 2002).

Le Monde Diplomatique vom April 2003 (Le Monde Diplomatique, 11. April 2003).

BBC bietet einen kurzen Fotobericht zur Evakuierung französischer Staatsbürger aus Bouake durch französische Truppen im September 2002 (BBC, 26. September 2002).

Aktuelle allgemeine Sicherheitslage bzw. Rebellentätigkeit, insbes. in Bouaké

Reuters bietet eine Chronologie wichtiger Ereignisse im Konflikt in der Elfenbeinküste von September 2002 bis Jänner 2006. Um einen Überblick über den Verlauf des Konflikts zu bieten, folgt eine ausführliche Zusammenfassung der Chronologie:

19. September 2002: Rebellierende Soldaten versuchen Laurent Gbagbos Präsidentschaft umzustürzen, scheitern, nehmen aber den Norden des Landes ein.

Im Mai 2003 hätten Rebellen und Armee ein Waffenstillstandsübereinkommen unterzeichnet.

Im Juli 2003 erklären Rebellen und Armee den Krieg offiziell als beendet, das Land ist geteilt zwischen Rebellen im Norden und dem von der Regierung kontrollierten Süden.

Am 27. März 2004 verlassen die Rebellen und die Oppositionspartei RDR die Regierung, nach einem Sturm auf eine verbotene Anti-Präsidenten-Demonstration, bei dem laut UN-Angaben 120 Menschen gestorben seien.

Am 4. November lässt die Regierung Bouaké bombardieren, um die Kontrolle über den Nordern wieder zu erlangen. Dabei sterben 9 Mitglieder der französischen Friedenstruppen. Frankreich habe daraufhin große Teile der Luftwaffe der Elfenbeinküste zerstört. Es folgen anti-französische Ausschreitungen in Abidjan.

Im April 2005 einigen sich die Rebellen und Gbagbo auf Friedensgespräche.

Am 2. Juni 2005 werden mindestens 100 Menschen bei einem Massaker und darauf folgenden Racheakten in Duekoue im Westen getötet.

Im August 2005 kündigen die Rebellen an, dass sie die Abhaltung der für Oktober geplanten Präsidentschaftswahlen im Norden nicht zulassen würden.

Im Oktober 2005 werden die geplanten Präsidentschaftswahlen vertagt, die UNO erlaubt Präsident Gbagbo ein Jahr lang weiter im Amt zu bleiben.

Am 4. Dezember 2005 wird Charles Konan Banny zum interimistischen Premierminister ernannt.

Am 16. Dezember erlauben die Verfassungsbehörden dem Parlament, weiter zu arbeiten, auch nachdem dessen Mandat beendet ist.

Am 15. Jänner 2006 empfehlen ausländische Mediatoren, das Mandat des Parlaments nicht zu verlängern. Anti-UN Proteste durch Anhänger des Präsidenten Gbagbo folgen in Andidjan und anderen Teilen des Landes. (Reuters, 18. Jänner 2006, Arbeitsübersetzung ACCORD)

Nach Angaben des Guardian vom Jänner 2006 stehe die Elfenbeinküste nach Angriffen auf Friedenstruppen vor einem möglichen Bürgerkrieg: UN-Truppen hätten am 18. Jänner 2006 eine Basis in Guiglo, im Südosten des Landes, verlassen müssen, nachdem Bewaffnete die Basis angegriffen hätten. Bei dem Angriff habe es 4 Tote gegeben. Auslöser der Unruhen sei die Empfehlung einer internationalen, von der UNO unterstützten Mediatorengruppe gewesen, das abgelaufene Mandat des Parlaments nicht zu verlängern. Das Parlament bestehe hauptsächlich aus Gbagbo-Unterstützern. Gbagbos Partei habe angekündigt, den Friedensprozess zu verlassen und die UN-Kräfte zum Verlassen des Landes aufgefordert (Guardian, 19. Jänner 2006).

Siehe zu den Unruhen vom Jänner 2006 beispielsweise auch:

BBC, 23. Jänner 2006

BBC, 18. Jänner 2006

Human Rights Watch (HRW), 19. Jänner 2006

Reporters Sans Frontieres/Reporters Without Borders (RSF), 25. Jänner 2006

Laut einem Bericht von Agence France-Presse (AFP) vom 1. Februar 2006 habe UN-Generalsekretär Kofi Annan vor dem möglichen Aufflammen großer Gewalt in der Elfenbeinküste gewarnt. Laut AFP werde eine Liste von Namen von Verantwortlichen gemeinsam mit Sanktionen des UN-Sicherheitsrats in den nächsten Tagen erwartet (AFP, 1. Februar 2006).

Zur Situation vor den Unruhen vom Jänner 2006

Im Jänner 2004 rät UNHCR aufgrund unkontrollierter bewaffneter Gruppen und ernster Bedrohung der Sicherheit der Bevölkerung von einer Rückkehr in Gebiete außerhalb Abidjans ab. Eine Rückkehr nach Abidjan sei laut UNHCR damals möglich gewesen, soferne es dort Familienangehörige gebe:

“21. As regards individuals originating from Abidjan, where a relative level of security has been established, such persons may be returned there, provided that family members have been identified, to avoid creating a situation of internal displacement.
22. With regard to individuals originating from outside Abidjan, where uncontrolled armed elements continue to pose a serious threat to the security of the population and private property, return to Côte d’Ivoire should be avoided, lest it may increase further the number of internally displaced persons and/or their physical safety is put in jeopardy. States should therefore refrain from forcibly returning such persons to Côte d’Ivoire and grant them complementary forms of protection instead, until further notice. This position will be reviewed in the second half of 2004.” (UNHCR, Jänner 2004, S.5)

In einer neueren Position vom September 2005 (nur auf Französisch verfügbar) ändert UNHCR bezugnehmend auf obige Stellungnahme diese Sicht. Insbesondere aufgrund von Angriffen von Regierungstruppen auf Rebellenregionen hätten sich die politische Situation und die Sicherheitslage signifikant verschlechtert. Der Friedensprozess habe seit dessen Beginn an Blockierungen gelitten, unter den Konfliktparteien gebe es fundamentale Meinungsverschiedenheiten, sowohl über den Inhalt als auch den Zeitplan des Prozesses. Die Sicherheitslage habe sich endgültig verschlechtert, als die Rebellenhauptstadt Bouaké nach Anordnung des Präsidenten bombardiert worden sei. Neun Mitglieder der französischen Friedenstruppen seien dabei gestorben, die zivilen Opfer seien von UNHCR nicht abschätzbar. Der französische Präsident habe daraufhin die Luftwaffe der Elfenbeinküste zerstören lassen. Seither hätten die „Jungen Patrioten“, eine Teilorganisation der Populären Front der Elfenbeinküste („Front Populaire Ivoirien“, FPI, Partei des Präsidenten Gbagbo) mit gewaltsamen Protesten gegen jegliche französischen Symbole, Personen und Güter begonnen. Diese Proteste hätten schwerwiegenden Schaden und hohe Opferzahlen gefordert.

Deshalb spreche sich UNHCR gegen jede Zwangsrückkehr in die Elfenbeinküste, Abidjan inklusive, aus. (UNHCR, 19. September 2005).

In einem Fortschrittsbericht vom 3. Jänner 2006 an den UN-Sicherheitsrat hält der Generalsekretär der Vereinten Nationen folgendes zur Sicherheitslage fest:

Das Potential gewaltsamer Unruhen sei weiterhin hoch in den meisten Teilen des Landes. Die wichtigsten Bedrohungen der Sicherheit und Stabilität seien: die Kämpfer, die noch entwaffnet werden müssen; ethnische und urbane Milizen; extremistische Gruppen wie die „Jungen Patrioten“; die steigende Kriminalitätsrate; sowie anhaltende Menschenrechtsverletzungen. Entgegen anhaltender Gerüchte von Angriffen sei jedoch die Wahrscheinlichkeit eines erneuten direkten Konfliktes zwischen den Regierungskräften und den Rebellen („Forces Nouvelles“) jedoch relativ gering (UN-Sicherheitsrat, 3. Jänner 2006, Abs. 25).

Die ungezügelte Unsicherheit („rampant insecurity“) in Abidjan sei laut dem Generalsekretär verbunden mit der Möglichkeit von gewaltsamen Straßendemonstrationen und Gewalt durch den Mob, durch organisiertes Verbrechen, Erpressung, etc. (UN-Sicherheitsrat, 3. Jänner 2006, Abs. 26).

Die UN-Mission in Cote d’Ivoire habe von zunehmender Gewalt gegen Oppositionspolitiker und manche Angehörige der Sicherheitskräfte berichtet. Einige Sicherheitsbehörden seien in Erpressung und Kriminalität verwickelt. Personen, die deren Geldforderungen nicht nachkämen, seien häufig schweren Menschenrechtsverletzungen (physische Gewalt, illegale Haft) ausgesetzt (UN-Sicherheitsrat, 3. Jänner 2006, Abs. 27).

Im Westen des Landes seien gezielte ethnisch motivierte Morde weit verbreitet - hauptsächlich begangen von Milizgruppen (UN-Sicherheitsrat, 3. Jänner 2006, Abs. 28; siehe Abs. 28-31 für weitere Details zu regionalen Lagen).

In seinem Global Appeal 2006 spricht UNHCR davon, dass der Entwaffnungsprozess noch nicht abgeschlossen sei („by no means complete“) und die Sicherheitslage unberechenbar. Regierungsanhänger würden mutwillig die Aktivitäten der UN-Truppen beeinträchtigen. Die fragile Sicherheitslage würden laut UNHCR möglicherweise dazu führen, dass die Anzahl von Mitarbeitern humanitärer Hilfsorganisationen reduziert werde, was den Zugang zu Flüchtlingen und Rückehrern begrenzen würde (UNHCR, Dezember 2005).

Im World Report 2006 von Human Rights Watch (HRW), im Jänner 2006 erschienen, berichtet HRW neben Menschenrechtsverletzungen durch Regierungskräfte und durch Milizen, die die Regierung unterstützen, auch von Menschenrechtsverletzungen durch die Rebellen (Forces Nouvelles): Die Forces Nouvelles würden systematisch Geld erpressen und Güter plündern, Opfer seien Zivilisten sowohl in Gebieten die von Rebellen kontrolliert werden, als auch in der Pufferzone [die „Zone of confidence“ der UNO, die den Norden vom Süden trennt, Anm.]. In einigen Fällen seien Personen, die der Unterstützung der Regierung oder der Spionage verdächtigt wurden, gefoltert und hingerichtet worden. Kommandanten der Rebellen würden die Justiz willkürlich suspendieren: zahlreiche Personen, die gewöhnlicher Verbrechen verdächtig seien, würden oft für lange Zeiträume in Gefängnissen, informellen Haftzentren und Militärcamps festgehalten. Die „Dozos“, eine traditionelle, stammesbasierte Zivilverteidigungsgruppe, die nun mit den Forces Nouvelles kollaborieren, hätten laut HRW ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen begangen, darunter Erpressung, willkürliche Verhaftung, Folter und Vergewaltigung. (HRW, 18. Jänner 2006)

Im Dezember 2005 veröffentlichte HRW einen ausführlichen Bericht zur Lage in der Elfenbeinküste (HRW, 21. Dezember 2005). Er enthält Informationen zu Menschenrechtsverletzungen sowohl durch Regierungskräfte, als auch durch die Rebellen (Forces Nouvelles). Zu den Menschenrechtsverletzungen der Rebellen zählten laut HRW willkürliche Festnahmen, Raub und Erpressung sowie Massenhinrichtungen (siehe hierzu: Kapitel „Human Rights Violations by the New Forces: 2005 Trends“ http://hrw.org/backgrounder/africa/cote1205/4.htm).

Die tageszeitung (taz) bietet im September 2005 einen Hintergrundartikel zur Lage in der Elfenbeinküste, insbesondere in Bouaké:

„Bouaké ist eine Geisterstadt
Die Rebellion in der Elfenbeinküste vor drei Jahren hat das Land in Nord und Süd geteilt. Die Friedensbemühungen sind festgefahren und die Wahlen abgesagt
Nichts in dieser Stadt ist, wie es mal war. Die wenigen offenen Läden bieten ein Minimalangebot an. Die Banken sind geschlossen, seit Rebellen in der Elfenbeinküste die Kontrolle über Bouaké im Zuge des Putschversuchs am 19. September 2002 übernommen haben. Kaum ein produzierender Betrieb hält in der Stadt durch.
Die Verwaltung der Rebellen hat immerhin mit der Ausbildung von Polizisten begonnen. Auch eine kommunale Sparkasse gibt es jetzt. Notdürftig versuchen geplünderte Schulen, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Doch nur wenige der Lehrer, die in den Süden geflüchtet sind, kehren zurück. Die Abwanderung hält an. Die Hauptstadt Abidjan beherbergt ein Drittel der Gesamtbevölkerung von rund 17 Millionen Menschen. Bouaké, Hauptsitz der Rebellen, wirkt zunehmend wie eine Geisterstadt. Einst war sie wichtigstes Wirtschaftszentrum neben der südlichen Metropole Abidjan.
Und alles sieht danach aus, dass sich in absehbarer Zukunft nichts ändert. Mitte dieser Woche hat Präsident Laurent Gbagbo, der den Süden kontrolliert, die für Ende Oktober geplanten Wahlen abgesagt. Schon in den Wochen zuvor ließ die UNO-Friedensmission in der Elfenbeinküste verlauten, dass der Zeitplan nicht einzuhalten sei. Damit stehen die jüngsten Vermittlungsbemühungen Südafrikas vor dem Ende. Vorher hatten sich schon über ein halbes Dutzend Regierungen verschiedenster Länder an der friedensstiftenden Aufgabe abgearbeitet.
Gbagbos reguläre Amtszeit endet in diesem Herbst. Er kann weitere drei Monate im Amt bleiben. Das sieht die Verfassung im Fall verzögerter Wahlen vor. Aber ohne baldige Wahlen könnte sich die Regentschaft von Gbagbo verlängern. Die einen sagen, das stünde im Einklang mit der Verfassung, die anderen, das sei nicht der Fall. Gbagbo selbst sagt, die Souveränität des Landes sei nicht gegeben, also könnten keine Wahlen stattfinden. Seine Gegner fordern eine Regierung der nationalen Einheit.
Überall in der Elfenbeinküste stößt man auf entgegengesetzte Ansichten. Eine wirkliche Annäherung der Positionen haben all die Vermittler aus Frankreich, Gabun, Togo, Senegal, Niger und Ghana nicht erreicht. Das einzige Ergebnis ist, dass der umstrittene politische Führer des Nordens, Alassane Ouattara, für das Präsidentenamt kandidieren darf. Das ist Südafrika zu verdanken. Zuvor war Ouattara aufgrund seiner angeblich ausländischen Herkunft ausgeschlossen worden. Aber das Hauptproblem bleibt: Wer ist Ivorer, wer darf wählen und gewählt werden?
Die geplante Entwaffnung der Rebellen und Milizen, angeblich der Grund, warum das letzte Abkommen platzte, scheint dagegen noch eher durchführbar. Bislang weigern sich die Rebellen, die Waffen abzugeben, weil sie keine vertrauensbildenden Schritte bei den Gbagbo-Milizen erkennen konnten.
Stets waren es Gbagbo und seine Regierungspartei, die sich mit dem Rücken an die Wand gedrängt sahen - von der internationalen Gemeinschaft, aber auch von den meisten afrikanischen Ländern. Nun hat sich das Blatt gewendet. Die Südafrikaner sagten deutlich, es sei die bewaffnete politische Opposition, die sich nicht an die Absprachen halte. [...]“ (taz, 30. September 2005)

Dasu US-Außenministerium US Department of State (USDOS) berichtet in seinem im Februar 2005 veröffentlichten Menschenrechtsbericht 2004 folgendes zur Lage in den von Rebellen kontrollierten Gebieten:

Die Beachtung der Menschenrechte durch die „New Forces“-Rebellen sei äußerst schwach. Die Rebellen hätten im Norden des Landes Massenexekutionen durchgeführt, zahlreiche Zivilisten getötet, willkürlich Personen verhaftet und hätten willkürliche und ad-hoc-Justiz angewandt. In den von Rebellen kontrollierten Gebieten seien Massengräber gefunden worden. In Bouaké würden die Rebellen die nationalen Fernsehstationen kontrollieren und die Reden und Ansprachen ihrer Führer ausstrahlen. Die Bewohner des Nordens seien üblicherweise von Nachrichten aus dem Süden abgeschnitten, fallweise hätten sie Zugang zu Fernseh- und Radioprogrammen aus dem Süden. Die Bewegungsfreiheit habe sich im Rebellengebiet etwas verbessert (für mehr Details zur Bewegungsfreiheit siehe Sektion 2.d des USDOS-Berichts). Im Jahr 2004 sei von keinen Zwangsrekrutierungen berichtet worden (Anm: In Sektion 1.f spricht das USDOS von bestätigten Berichten von Zwangsrekrutierungen durch Rebellen. Es finden sich keine Informationen, ob sich dieser Absatz auf frühere Jahre bezieht, oder ob es sich um einen Widerspruch handelt). Im Gegensatz zu vergangenen Jahren habe die Zahl der Rekrutierungen von Kindersoldaten abgenommen, viele seien entlassen worden. Rebellen und Söldner im Westen und Norden hätten besonders schwere Menschenrechtsverletzungen begangen:

“The NF’s [New Forces] human rights record was extremely poor. The rebels in the north summarily executed persons, killed numerous civilians, arbitrarily arrested and detained persons, and conducted arbitrary ad hoc justice. Mass graves were found in rebel-held territory. In Bouake, the NF continued to operate the national television station and aired their leaders’ speeches and deliberations. Citizens in the north were usually cut off from news aired in the south, although they were occasionally given access to the national radio and television programs broadcast in the south. Freedom of movement improved somewhat in rebel held territory. There were no reports that rebels forcibly conscripted persons during the year and unlike in previous years, there were fewer reports of the enrollment of children soldiers, and many were released. Rebels and mercenaries committed particularly grave abuses in the western region of the country and in the north.” (USDOS, 28. Februar 2005)

Das USDOS erwähnt Bouaké unter anderem in folgenden Fällen explizit:

Im August 2004 sei ein Journalist einer pro-regierungs-Zeitschrift in Bouaké verschwunden. Wochen vor seinem Verschwinden hätten Anführer der New Forces-Rebellen den Journalisten öffentlich bedroht (USDOS, 28. Februar 2005, Sektion1.b). Nach seinem Wiederauftauchen habe er berichtet, 5 Tage von Rebellen gefangen gehalten und gefoltert worden (USDOS, 28. Februar 2005, Sektion 1.g).

Im Juni, nach einem Mordversuch an MPCI-Generalsekretär Guillaume Soro durch Rebellen, die einem anderen New Forces-Rebellenführers nahestünden (Ibrahim Coulibaly), seien in Bouaké und Korhogo hunderte Rebellen und Zivilisten verhaftet worden, die verdächtigt wurden, Coulibaly nahe zu stehen. Sie seien im Juli wieder entlassen worden, nach einem Besuch der UN-Friedensmission (USDOS, 28. Februar 2005, 1.d). Es habe nach dem Mordversuch auch zwischen den beiden Fraktionen Kämpfe nahe Bouaké und Korhogo gegeben, bei denen mindestens elf Personen starben (USDOS, 28. Februar 2005, Sektion 1.g). Ein Machtkampf zwischen Soro und Coulibaly über die Führung der Rebellen habe im Lauf des Jahres 2004 in Bouaké und Korhogo zu zahlreichen Morden und Gräueltaten („atrocities“) an Rebellen und Zivilisten beider Seiten geführt (USDOS, 28. Februar 2005, Sektion 1.g).

Über das Justizsystem, das die New Forces im Norden und Westen des Landes anwenden, gebe es laut USDOS wenig Informationen. Es gebe jedoch laut USDOS mehrere glaubwürdige Berichte, dass die Rebellen im Juni (2004) in Bouaké und Korhogo mutmaßliche Plünderer und Mitglieder rivalisierender Fraktionen ad hoc ohne Festnahme oder Prozess hingerichtet hätten (USDOS, 28. Februar 2005, Sektion 1.e).

Es gebe laut USDOS glaubwürdige Berichte, dass die New Forces in Bouaké (u.a.) Missionshäuser geplündert und besetzt hätten (USDOS, 28. Februar 2004, Sektion 1.f).

In Zusammenhang mit Binnenvertreibung berichtet das USDOS auch von Bouaké. Es gebe im Land etwa eine halbe Million Binnenvertriebene, die in vielen Fällen vom Norden in den Süden geflohen seien. Insbesondere sei dies in der zweitgrößten Stadt, Bouaké, sichtbar. Deren Bevölkerungszahl sei von rund 500.000 vor der Krise auf geschätzte 300.000 gesunken (USDOS, 28. Februar 2005, Sektion 2.d).

Diese Informationen beruhen auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen. Die Antwort stellt keine abschließende Meinung zur Glaubwürdigkeit eines bestimmten Asylansuchens dar.

Quellen:

Rebellentätigkeit September - Dezember 2002 im Raum Bouaké

Aktuelle a llgemeine Sicherheitslage bzw. Rebellentätigkeit , insbes. in Bouaké