Anfragebeantwortung zum Irak: Medizinische Versorgung (insbesondere bei Herzproblemen) in Dohuk, Erbil und im gesamten Irak [a-10955-2 (10956)]

18. April 2019

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Behandlung von Herzproblemen in der Autonomen Region Kurdistan (ARK)

Par Hospital ist ein privates Krankenhaus in Erbil und hat Angaben auf seiner Website zufolge ein eigenes Zentrum für Herzkrankheiten, das verschiedene Arten von Herzkrankheiten behandelt. (Par Hospital, ohne Datum)

Ebenfalls in Erbil ansässig ist das Surgical Speciality Hospital Cardiac Center, eine tertiäre Gesundheitseinrichtung, die ambulante und stationäre Behandlung anbietet und über 100 Betten verfügt.

Built in 2007, on the road to Kirkuk, the Surgical Specialty Hospital (SSH) Cardiac Center is a far-sighted healthcare facility that will allow large numbers of adults and children access to cardiac catheterization and/or cardiac surgery. […] The SSH- Cardiac Center is a contemporary, specialized tertiary referral centre providing ambulatory as well as inpatient care. The hospital compound includes 100 beds and 4 operating rooms, 2 cardiac catheterization units, with full diagnostic, laboratory, and CT angiography departments. Clinical departments include pediatric, medical and surgical specialties, outpatient departments, primary PCI clinic, and coronary care unit with primary PCI facilities, intensive care units, respiratory care unit, as well as a dental department. In addition to providing in-patient and outpatient facilities the SSH-Cardiac Center provides clinical training facilities to work together with the local medical universities in developing the next generation of healthcare providers. This will allow students of medicine, nursing and allied health to benefit from gaining clinical experience in a local environment. The on-site learning and training facilities also serve the local healthcare community by holding seminars and training workshops promoting international standards of best practice.“ (Surgical Speciality Hospital Cardiac Center, ohne Datum)

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), eine staatliche Entwicklungszusammenarbeitsorganisation der Bundesrepublik Deutschland, stellt in einem Informationsblatt vom Jänner 2017 ihr Projekt zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in der Provinz Dohuk mit einer Laufzeit bis Mai 2019 vor und erwähnt Folgendes:

„Um für Notfälle besser gerüstet zu sein, wird die Abteilung für Notfallversorgung im Azadi-Lehrkrankenhauses in Dohuk vergrößert. Mithilfe baulicher Maßnahmen wird die Kapazität von 20 auf 100 Betten aufgestockt, um insbesondere medizinische Notfälle, wie z. B. schwere Unfälle, Herzinfarkte oder Schlaganfälle entsprechend behandeln zu können.“ (GIZ, Jänner 2017)

Allgemeine medizinische Versorgung in der Autonomen Region Kurdistan (ARK)

Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO), eine Agentur der Europäischen Union, die die praktische Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten im Asylbereich fördern soll und die Mitgliedsstaaten unter anderem durch Recherche von Herkunftsländerinformation und entsprechende Publikationen unterstützt, veröffentlicht im Februar 2019 einen Bericht zur sozioökonomischen Lage im Irak. Der Bericht enthält einen Abschnitt zur Gesundheitsversorgung in der ARK, insbesondere in Erbil, der sich auf verschiedene Quellen, darunter vor allem eine Quelle aus dem Jahr 2014 stützt.

Laut EASO sei die Anzahl von Gesundheitseinrichtungen in der ARK höher als im Rest des Irak. Die Gesundheitsversorgung werde vornehmlich durch 59 öffentliche Spitäler und hunderte medizinische Grundversorgungseinrichtungen (Primary Health Care Centre) bereitgestellt. Darüber hinaus gebe es private Krankenhäuser und Ordinationen. Aufgrund der relativ stabilen und sicheren Lage werde die gesundheitliche Infrastruktur in der ARK im Vergleich zum restlichen Irak als besser eingestuft. Einem Bericht der RAND Corporation von 2014 zufolge hätten alle kurdischen Provinzen ein öffentliches allgemeines Krankenhaus und mindestens ein Notfall- und ein Kinderspital. Die große Anzahl von Binnenflüchtlingen in der Region habe jedoch enormen Druck auf die Kapazität des Gesundheitssystems ausgeübt und zu Fällen geführt, in denen Wartelisten für Behandlungen erstellt worden seien. Es gebe auch eine steigende Anzahl privater Spitäler, insbesondere in Erbil, die viel kleiner als öffentliche Krankenhäuser seien. Die meisten gesundheitlichen Einrichtungen würden sich im Stadtzentrum von Erbil befinden. In den ländlichen Gebieten der Provinz Erbil gebe es jedoch nur wenige ÄrztInnen. Alle IrakerInnen in der ARK hätten Zugang zu medizinischen Grundversorgungseinrichtungen und Anspruch auf gesundheitliche Behandlung, Zahnbehandlungen und Notversorgungen in öffentlichen Krankenhäusern oder Grundversorgungseinrichtungen. Die zur Verfügung gestellten Dienste seien vom Budget, der verfügbaren Ausstattung und Medikamente und der Ausbildung des medizinischen Personals abhängig. Die medizinischen Grundversorgungseinrichtungen seien nicht gleichmäßig in der ARK verteilt, die Haupteinrichtungen seien Anlaufstellen für zu viele PatientInnen und in die kleineren Einrichtungen würden zu wenige PatientInnen gehen. Die Einrichtungen mit einer größeren Anzahl von PatientInnen seien jedoch meistens mit mehr ÄrztInnen und KrankenpflegerInnen ausgestattet. Im August 2018 habe das Mediennetzwerk Rudaw berichtet, dass Medikamente illegal in die ARK eingeführt würden und darunter auch gefälschte Medikamente seien:

There is a higher number of health facilities in KRI than in other parts of Iraq. KRI’s health care system is primarily provided by 59 public hospitals and hundreds of primary health care centres in the region. Health care is also provided in private clinics, private hospitals, and by private physicians. KRI’s health infrastructure is considered to be better than in the rest of the country due to the relative stability and security of the region. According to a Rand Corporation 2014 report on the health care system in KRI ‘all provinces have public general hospitals and at least one emergency and pediatric hospital.’ The large amount of IDPs in the area has however put significant pressure on the health system’s capacity, leading to cases where waiting lists for treatment have been issued. According to 2014 data the average population size covered by a hospital in Erbil was 89 882. Erbil had the second most physicians in KRI with 12.9 per 10 000 population and 36 % of Primary Health Care Centres were staffed with physicians. A growing number of private hospitals has been registered, particularly in Erbil. These are much smaller in size than the public hospitals. Most health facilities in Erbil are concentrated in the centre of the city, attracting a considerable number of qualified specialists that ‘put pressure on the health authorities to work in hospitals and Primary Health Care Centres inside Erbil City’. At the governorate level Erbil exhibits an urban - rural imbalance with a low density of doctors outside of Erbil City. […]

Many of the basic primary care services are provided in the KRI, however not in a consistent way. The PHC [Primary Health Care] system covers all Iraqis, including non –Kurdistan Region residents who are Iraqi citizens. However, non -Kurdistan residents who do not have citizenship of Iraq cannot avail themselves of health facilities and medicines under the same terms as Kurdistan citizens. The same source notes that ‘all citizens are eligible for a broad package of health care, dental, and emergency services in public hospitals and PHCs. The services provided are limited by the budget, available equipment and medicines, and the education and training of the staff’. […] The distribution of PHC centres is not necessarily uniform across the Kurdistan Region, with most main PHCs serving too many people, and most sub-centres serving too few people. The centres providing services to a larger population are, however, equipped with more doctors and nurses than the sub-centres. In August 2018, Rudaw reported that medication is illegally imported into the KRG and that this includes counterfeit medication.“ (EASO, Februar 2019, S 81-82)

Im November 2018 veröffentlichen die dänische Einwanderungsbehörde (Danish Immigration Service, DIS) und das norwegische Herkunftsländerinformationszentrum Landinfo einen gemeinsamen Bericht zu einer im April 2018 durchgeführten Fact-Finding-Mission nach Erbil und Sulaimaniya. Bei einem Treffen mit Vertretern der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) in Erbil hätten diese erklärt, dass die WHO Berichte über Engpässe im Hinblick auf Medikamente und Dienste in manchen öffentlichen Krankenhäusern erhalten habe. Außerdem sei die WHO über den unvernünftigen Gebrauch von Medikamenten besorgt, der viele Risiken mit sich bringe, darunter Antibiotikaresistenz:

WHO received reports of shortage in some public hospitals, both with regards to medicines and services. On a second note, WHO is concerned about the irrational use of medication, this might lead to many risks including antimicrobial resistance. […]

With regard to mental health, WHO stated that there are huge needs and the available services does not meet the demand. Mental health interventions is time and resource consuming and it requires qualified medical personnel who are properly trained to give this treatment.“ (DIS/Landinfo, 5. November 2018, S. 53-54)

Die Weltgesundheitsorganisation WHO berichtet im März 2015, dass sie den Gesundheitsbehörden in der Provinz Dohuk offiziell 15 Krankenwagen und zwei mobile Kliniken übergeben habe. In den letzten drei Jahren sei die Bevölkerung von Dohuk um fast 20 Prozent angestiegen und beherberge mehr als 50 Prozent aller syrischen Flüchtlinge im irak sowie mehr als eine halbe Million Binnenflüchtlinge. Aufgrund der vielen Binnenflüchtlinge in Dohuk sei das Gesundheitssystem überfordert, da die Arbeitsbelastung durch zusätzliche PatientInnen in den Gesundheitszentren um mehr als 65 Prozent angestiegen sei. Dies habe zu Engpässen bei Gesundheitspersonal, essentiellen Medikamenten und medizinischer Ausrüstung geführt:

WHO’s Regional Director for the Eastern Mediterranean, Dr Ala Alwan, visited Dohuk governorate of the Kurdistan region of Iraq to officially hand over 15 ambulances and 2 mobile medical clinics to Dohuk health authorities. The donation will provide health services and medical treatments for more than 60 000 beneficiaries for three months. […] Over the past three years, Dohuk has seen its population increase by almost 20%, hosting more than 50% of all Syrian refugees in Iraq and receiving more than half a million displaced Iraqis since June 2014, accounting for almost 30% of the total number of IDPs in the entire country. There are currently 17 IDP camps in Dohuk, with many IDPs also living among host communities and in public spaces, such as abandoned buildings and unused schools. As a result of the influx of IDPs in Dohuk, the health system is overwhelmed, with an increase of more than 65% of the patient caseload on existing health facilities. This has led to shortages in health staff and essential medicines and medical supplies, and resulted in an increased number of health risks.“ (WHO, 14. März 2015)

Allgemeine medizinische Versorgung im Irak

In einem Entscheidungstext des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom Dezember 2018 finden sich folgende Informationen aus dem Länderinformationsblatt (LIB) der BFA Staatendokumentation vom November 2018:

„Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt (AA 12.2.2018). Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 13.6.2018).

Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore (GIZ 11.2018).

Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD. Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind dann noch zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 11.2018).

In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.2.2018). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Die große Zahl von Flüchtlingen und IDPs belastet das Gesundheitssystem zusätzlich. Hinzu kommt, dass durch die Kampfhandlungen nicht nur eine Grundversorgung sichergestellt werden muss, sondern auch schwierige Schusswunden und Kriegsverletzungen behandelt werden müssen (AA 12.2.2018).

Quellen:

- AA– Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak- stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf , Zugriff 12.10.2018

- GIZ – Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak – Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/#c37767 , Zugriff 20.11.2018

- IOM – International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak (2017), https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/ Informationsblaetter/cfs_irak- dl_de.pdf;jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1_cid294? __blob=publicationFile , Zugriff 16.10.2018

- WHO – World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff 16.10.2018“ (BVwG, 11. Dezember 2018)

Auf der Seite des deutschen Auswärtigen Amtes (AA) finden sich folgende Informationen zur medizinischen Versorgung im Irak mit Stand 16. April 2019 (Unverändert gültig seit: 10. April 2019):

Das Versorgungsniveau ist in weiten Landesteilen zurzeit weder technisch noch personell ausreichend. […] Als bestes privates einheimisches Krankenhaus kann das St. Raphael Krankenhaus genannt werden. Im Irak sind nicht alle Medikamente immer erhältlich. Dauermedikationen daher in ausreichender Menge mitführen. Eine Ausnahme bilden die kurdischen Autonomiegebiete im Norden. Dort ist eine vergleichsweise bessere Versorgung gewährleistet. Westeuropäischer Standard wird aber auch dort oft nicht erreicht. (AA, 16. April 2019)

Im Länderinformationsblatt Irak von 2018, das für das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von der International Organization for Migration (IOM) verfasst wurde, finden sich folgende Informationen zu Zugang und Kosten medizinischer Versorgung im Irak:

„Zugang: Alle irakischen StaatsbürgerInnen haben Zugang zu Gesundheitseinrichtungen. Es ist jedoch kein staatliches Krankenversicherungssystem etabliert. Für den Zugang wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt. Leistungen und Kosten: Die Krankenversicherung übernimmt keinerlei Kosten. Öffentliche Gesundheitsdienstleister bieten Behandlungen an, die normalerweise kostengünstiger als private Dienstleistungen sind. Die Preise von Medikamenten variieren je nach Diagnose. […]

Verfügbarkeit und Kosten von Medikamenten: In staatlichen Kliniken sind bisher nur wenige Medikamente erhältlich. Diese sind jedoch günstig. In privaten Kliniken sind qualitative Medikamente meist erhältlich, jedoch teurerer. Die Kosten sind von verschiedenen Faktoren wie Alter, Geschlecht und Wohnort abhängig.“ (IOM, 2018, S. 4)

Weitere allgemeine Informationen zum irakischen Gesundheitssystem finden sich auch auf den Seiten 74-77 eines EASO-Berichts vom Februar 2019:

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 18. April 2019)