Anfragebeantwortung zum Irak: Rekrutierung von schiitischen Milizen (insb. Asaib Ahl al-Haqq), Konsequenzen bei Weigerung [a-10893-2]

27. Februar 2019

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Expertenauskünften, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

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Im Bericht zu einem vom Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO) im April 2017 veranstalteten Meetings zu Herkunftslandinformationen äußert sich Belkis Wille, Irakzuständige bei Human Rights Watch, zur Frage, ob Fälle von Zwangsrekrutierung vonseiten der Milizen der Volksmobilisierung (Popular Mobilization Forces/Units, PMF/PMU) dokumentiert seien. Wille antwortet, dass bei schiitischen Milizen Zwangsrekrutierung extrem selten sei, mit vielleicht drei oder vier dokumentierten Fällen:

„Are there any cases of forced recruitment to the PMU [Popular Mobilization Units]? (Wille) Within the militias, the problem of recruitment that is ‘not totally voluntary’ concerns mainly the Sunni tribal militias. Young men, sometimes minors, are recruited in camps for displaced persons through tribal leaders; they can also be strongly encouraged by their brothers or their parents, or they may follow in a relatives’ footsteps, or go along to accompany a father or brother to the fighting and become involved that way. There was a wave of recruitment in the spring of 2016. Forced recruitment by PKK [Partiya Karkerên Kurdistanê] was reported among the Yezidis of Sinjar. In Halabja (south-eastern Iraqi Kurdistan), there was forced recruitment by the PKK, as well as by IS [‘Islamic State’]. In Shiite militias, forced recruitment remains very rare, perhaps three or four cases reported. In some cases, young Sunni men enlisted in a Shiite militia (Kataeb Hezbollah).” (EASO, Juli 2017, S. 14-15)

Die Denkfabrik Carnegie Endowment for International Peace (CEIP) veröffentlicht im Februar 2016 einen Artikel von Renad Mansour, Rechercheur für das Nahost und Nordafrika-Programm der britischen Denkfabrik Chatham House, zum Thema PMF. Darin hält Mansour fest, dass (mit Stand Februar 2016) die Zahl der Rekruten der PMF (mit mehr als 75 Prozent der in schiitisch dominierten Provinzen lebenden Männer im Alter zwischen 18 und 30 Jahren, laut verschiedenen gut-informierten Quellen aus Bagdad) enorm hoch sei. Dies würde zeigen, wie groß die Unterstützung der PMF in diesen Gebieten sei. Eine so hohe Zahl an Rekruten würde üblicherweise auf die Existenz einer Art Wehrpflichtsystem hinweisen. Jedoch gebe es formal keine solche verpflichtende Einberufung:

„[T]he number of recruits rushing to enlist with the PMF [Popular Mobilization Forces] is substantial. According to various claims from well-informed sources in Baghdad, more than 75 percent of men ages 18 to 30 residing in the Shia provinces have signed up. Although most of these recruits are reservists who will not fight, the mere volume is indicative of the PMF’s support in that region. The sheer extent of such numbers would typically indicate some form of conscription. However, there is no such formal mandatory recruitment in place.” (CEIP, 1. Februar 2016)

Im Dezember 2015 die in London ansässige, unabhängig finanzierte Online-Nachrichtenorganisation Middle East Eye (MEE) einen Artikel des Journalisten Jonathan Steele, in dem dieser auf das Thema Rekrutierung durch schiitische Milizen eingeht. Vor dem Hintergrund des zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels aufflammenden Kampfes gegen den „Islamischer Staat“ (IS) erwähnt Steele, dass auf junge Männer vonseiten ihrer Gemeinden starker Druck ausgeübt werde, den PMF beizutreten. Von einigen der nach Europa Geflüchteten sei bekannt, dass sie von den PMF desertiert seien, andere hätten angegeben, dass sie vor den plumpen („heavy-handed“) Rekrutierungsstrategien der PMF geflohen seien:

„There is strong communal pressure for young men to join the hashd. They are supposed to earn $625 a month, a relatively generous wage, but there is no time limit on their service. ’They will fight until the battle against IS [‘Islamic State’] is over,’ as Maytham Rahi of the Abbas battalion put it. Some of this summer’s refugees to Europe are known to be deserters from hashd, while other refugees have claimed that they have escaped the hashd's heavy-handed recruiting tactics.” (MEE, 1 Dezember 2015)

Es konnten keine aktuelleren Quellen zum Thema Zwangsrekrutierung vonseiten schiitischer Milizen sowie zum Thema Konsequenzen im Falle der Weigerung gefunden werden. Weitere ältere Informationen zur Fragestellung (Zwangs-)Rekrutierung finden sich auch in den folgenden Anfragebeantwortungen von März und Juni 2017. Darin finden sich auch Informationen zur Rekrutierung von jungen Männern und Kindern:

  • ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Iraq: recruitment (including forced recruitment) of young men by Shia militias in Shia regions; consequences of refusal to be recruited [a-10168], 9.Juni 2017
    https://www.ecoi.net/en/document/1408035.html
  • ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: (Zwangs-)Rekrutierung durch schiitische Milizen: Sunniten, Schiiten, spezifische Gruppen; Konsequenzen bei Entziehung einer Rekrutierung [a-10079], 27.März 2017
    https://www.ecoi.net/de/dokument/1396974.html

 

 

 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 27. Februar 2019)