Anfragebeantwortung zu Ägypten: Lage der koptischen ChristInnen [a-10905]

18. März 2019

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Ältere Informationen zu diesem Thema finden sich in folgender Anfragebeantwortung vom August 2018:

  • ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Ägypten: Lage der koptischen ChristInnen; Anerkennung von Ehen zwischen KoptInnen und MuslimInnen [a-10671-2 (10672)], 20. August 2018
    https://www.ecoi.net/de/dokument/1442911.html

 

Das US-amerikanische Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Bericht zur Menschenrechtslage vom März 2019 (Berichtszeitraum: 2018), dass am dritten November Terroristen einen Bus mit koptischen PilgerInnen auf dem Weg zu einem Kloster in der Provinz Minya angegriffen hätten. Dabei seien sieben KoptInnen getötet und sieben weitere verletzt worden. Die Gruppe Islamischer Staat (IS) habe sich zu diesem Angriff bekannt. Einen Tag später habe laut Regierungsberichten die Polizei in Minya 19 Aufständische getötet, die man für den Vorfall verantwortlich gemacht habe. Es habe während des Berichtszeitraums Fälle von Mobgewalt, darunter insbesondere konfessionell motivierte Gewalt gegen koptische ChristInnen, gegeben. Am 9. Juli habe ein Mob muslimischer Dorfbewohner koptische Häuser im Ort Minbal angegriffen, nachdem ein Kopte angeblich in den sozialen Medien Kommentare gepostet habe, die den Islam beleidigt hätten. Nach der Gewalt habe die Polizei mehr als 90 Muslime unter den Vorwürfen der Bildung eines Mobs, des Angriffes der Häuser von KoptInnen, des Schürens von Zwietracht und des Angriffs auf Polizisten festgenommen. Die Polizei habe allerdings auch den Kopten, Abdu Adel Ayad, der angeblich den beleidigenden Kommentar in sozialen Medien veröffentlicht habe, festgenommen. Alle Festgenommenen seien Ende Juli im Zuge einer Aussöhnungssitzung wieder freigelassen worden, mit Ausnahme eines Angeklagten, dem vorgeworfen worden sei, zur Gewalt angestachelt zu haben:

On November 3, terrorists attacked a bus carrying Coptic Christian pilgrims to a monastery in Minya, killing seven and injuring at least seven others. ISIL-Sinai claimed responsibility for the attack. On November 4, the government reported that police in Minya killed 19 militants responsible for the attack in Assyut.“ (USDOS, 13. März 2019, Section 1b)

There were incidents of mob violence and vigilantism, particularly sectarian violence against Coptic Christian Egyptians. On July 9, a mob of Muslims attacked Copts’ homes in the village of Minbal after a Copt allegedly posted content on social media offensive to Islam. Following the violence police arrested more than 90 Muslims and charged them with forming a mob, attacking Copts’ homes, inciting sedition, and attacking the police. Police also arrested the Copt, Abdu Adel Ayad, alleged to have made the offensive social media post. All of those arrested were released by late July following a customary reconciliation session except for a defendant accused of instigating the attack.“ (USDOS, 13. März 2019, Section 6)

Eshhad, ein Projekt des in Washington ansässigen Tahrir Institute for Middle East Policy (TIMEP), ist eine Datenbank, die Informationen zu Vorfällen religiös motivierter Übergriffe auf ChristInnen in Ägypten sammelt. Auf der Website von Eshhad findet sich sowohl eine chronologische Datenbank mit Informationen zu den einzelnen Übergriffen , als auch eine Karte Ägyptens, auf der die einzelnen Vorfälle verzeichnet werden. Eshhad stützt sich bei seiner Sammlung auf öffentlich zugängliche Quellen wie Medien- und NGO-Berichte. Die Datenbank und die Karte sind unter den folgenden Links abrufbar:


Eshhad hat für den Zeitraum August 2018 bis Mitte März 2019 vier Vorfälle in Zusammenhang mit Übergriffen auf Kopten registriert. Im August 2018 habe es einen versuchten Selbstmordangriff nahe einer Kirche in Qalyubiyya bei Kairo gegeben. Im November habe der IS sieben KoptInnen bei einem Angriff auf einen Bus getötet. Im Dezember habe ein Wachposten vor einer Kirche in Minya zwei Kopten in den Kopf geschossen. Im Jänner 2019 sei ein Polizist getötet worden, als er versucht habe, eine Bombe nahe einer Kirche in Kairo zu entschärfen. (Eshhad, ohne Datum a)

 

Über den Vorfall im August 2018 berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Bezug auf ägyptische staatliche Quellen. Laut Angaben des Staatsfernsehens hätten ägyptische Sicherheitskräfte einen Selbstmordanschlag auf eine Kirche in der Nähe von Kairo verhindert. Der Aufständische sei daran gehindert worden, sich einer Kirche in Qalyubiya zu nähern und habe seine Sprengstoffweste 250 Meter von der Kirche entfernt gezündet, wobei nur er selbst getötet worden sei, so die staatliche Nachrichtenagentur MENA. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums habe ebenfalls den Tod einer Person gemeldet, habe aber nicht spezifiziert, ob es sich bei dem Vorfall um einen gezielten Angriff auf die Kirche gehandelt habe:

„Egyptian security forces have thwarted a suicide bomb attack on a church just outside of Cairo, state television said on Saturday. A militant wearing a suicide vest was prevented from approaching a church in Qalyubiyah, a governorate north of Cairo, and detonated the vest about 250 metres from the church, killing himself but no one else, state news agency MENA reported. A spokesman for the health ministry said that a foreign object had exploded leading to the death of one person but no injuries, without elaborating on whether it was an attempted attack on the church.“ (Reuters, 11. August 2018)

Im November 2018 berichtet Der Spiegel Folgendes über den Angriff auf einen Bus koptischer Pilger:

„In der ägyptischen Provinz Al-Minja südlich von Kairo haben Unbekannte einen Bus mit koptischen Pilgern beschossen und dabei mehrere Menschen getötet. Die Polizei sprach am Freitag offiziell von sieben Toten und sieben Verletzten. Ein Sprecher der koptischen Kirche gab die Zahl der Verletzten mit 19 Pilgern an, von denen fünf schwere Verletzungen erlitten hätten. Die Terrormiliz 'Islamischer Staat‘ (IS) reklamierte die Tat für sich. Die Angreifer seien Anhänger des IS, berichtete deren Sprachrohr 'Amak‘. Aus dem Innenministerium in Kairo hieß es, eine Gruppe Terroristen habe den Bus auf seinem Weg zu dem Kloster des Heiligen Samuel in Al-Minja angehalten und das Feuer auf die Pilger eröffnet. Die Provinz Al-Minja liegt rund 250 Kilometer südlich der Hauptstadt Kairo am Nil. Videos des Nachrichtensenders Al-Arabiya zeigten die zerschossenen Fenster des Kleinbusses und mehrere mutmaßliche Opfer, die sich noch auf ihren Sitzen befanden. Bereits vor eineinhalb Jahren hatten Attentäter in der gleichen Gegend einen Bus mit koptischen Pilgern angegriffen. Damals starben 29 Menschen, 22 wurden verletzt. Der IS reklamierte die Tat im Mai 2017 ebenfalls für sich. Das ägyptische Militär griff daraufhin Ziele in Libyen an.“ (Der Spiegel, 2. November 2018)

Die unabhängige ägyptische Nachrichtenwebsite Mada Masr bezieht sich in ihrer Meldung zum Angriff auf koptische Pilger auf Aussagen des Sprechers der koptischen Kirche, laut denen zunächst ein Bus in der Nähe des Klosters des heiligen Samuel in Minya angegriffen worden sei, hier habe es Verletzte gegeben. Danach seien in derselben Gegend ein weiterer Bus und ein Kleinbus attackiert worden, wobei sieben Personen getötet und weitere verletzt worden seien. Der IS habe sich über seine Website Amaq zu dem Anschlag bekannt:

At least seven people were killed and nearly 20 injured on Friday in a militant attack on two buses and one microbus carrying Coptic Christians back from the St. Samuel Coptic Orthodox Monastery in Upper Egypt’s Minya Governorate, according to a statement released by the official spokesperson for the Coptic Orthodox Church on Facebook.

Assailants opened fire on one bus near the St. Samuel Monastery, according to the statement, resulting in a number of injuries among passengers - a family visiting from the Kawamel Bahari village in the neighboring Sohag Governorate for the baptism of one of the family’s children. A second bus and another microbus traveling from Minya were also attacked in the same area, killing at least seven people and injuring several more.

Two of those injured were transferred to the Sheikh Zayed Hospital, while the others were transferred to the Awda, Maghagha and Samalout hospitals in Minya. The Islamic State claimed responsibility for the attack in a statement released on Friday evening by its media arm, the Amaq News Agency. In a second statement attributed to the militant group, in which a higher death toll of 13 is cited, the group purports that the motive for the attack is to avenge the imprisonment of 'our chaste sisters‘.“ (Mada Masr, 2. November 2018)

Die in London ansässige Online-Nachrichtenorganisation Middle East Eye (MEE), die Artikel freiberuflicher Journalisten und Beiträge von Think Tanks veröffentlicht, berichtet im Dezember 2018 über einen Vorfall in der Stadt Minya , bei dem ein Polizist, dessen Aufgabe es gewesen sei, eine Kirche zu bewachen, einen koptischen Mann (50 Jahre) und dessen Sohn (21 Jahre) erschossen habe. Eine Videoüberwachungsaufnahme zeige, wie der Polizist mit den beiden Männern in einen Streit geraten sei und sie daraufhin mit seinem Maschinengewehr erschossen habe:

On 12 December, in the latest attack in the town of Minya south of Cairo, a focus for sectarian mobs targeting Egypt's Christian community, Emad, 50, and his son David, 21, were shot dead by a lower ranking police officer who was guarding the Church of Nahdet al-Qadasa, which had days earlier tightened the security presence and decorated the entrance with colourful banners. A leaked CCTV shows the police officer getting in an argument with both men, before shooting them with his machine gun. According to the medical report published by Minya’s top health inspector, Hani Shehata, the two victims were shot in the head.“ (MEE, 16. Dezember 2018)

Laut einem Bericht von Mada Masr vom Dezember 2018 sei der Polizist, der die beiden koptischen Männer in Minya erschossen habe, wegen vorsätzlichen Mordes angeklagt worden. Mada Masr schreibt zudem, dass die oberägyptische Provinz Minya seit langem eine Region mit regelmäßigen konfessionell motivierten Angriffen sei. Laut der NGO Egyptian Initiative for Personal Rights (EIPR), die 77 solcher Fälle in den Jahren 2011 bis 2016 dokumentiert habe, seien die gewaltsamsten Angriffe meist auf die ablehnende Haltung muslimischer Bewohner gegenüber dem Bau neuer Kirchen und der Nutzung privater Wohnungen als Gebetshäuser zurückzuführen. Mada Masr verweist daraufhin auf jüngere Vorfälle dieser Art. Am 9. Dezember hätten muslimische Bewohner des Dorfes Kom al-Raheb zwei Tage lang koptische BewohnerInnen angegriffen, bis schließlich Sicherheitskräfte eingeschritten seien. 19 Personen seien verhaftet und die Kirche sei von Sicherheitskräften abgeriegelt worden, darauf habe man sich bei einer traditionellen Aussöhnungssitzung geeinigt, einer Art der Konfliktlösung bei konfessionell motivierter Gewalt, die häufig von Menschenrechtsgruppen kritisiert werde. Am 31. August habe eine Gruppe muslimischer Bewohner koptische Wohnhäuser im Ort Dimschaw Haschim in der Provinz Minya angegriffen, ausgeraubt und in Brand gesteckt. Dabei seien auch die Bewohner der Häuser angegriffen worden, zwei koptische Bewohner und ein Feuerwehrmann hätten ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen:

A police officer has been charged with the murder of two Coptic Christian men who were killed in Upper Egypt’s Minya Governorate last week. On Tuesday, Egypt’s Public Prosecutor referred non-commissioned police officer Rabea Mostafa to criminal court, charging him with the premeditated murder of Emad Kamal Sadiq and his son, Kamal Emad Kamal, on December 12.

A press statement released by the Archdiocese of Minya and Abu Qurqas on the day of the murder stated that a member of Nahdet al-Qadasa Church’s security detail proceeded to kill two civilians, following an altercation that took place while the victims were removing rubble from a building that had collapsed in front of the church. […]

The Upper Egyptian governorate of Minya has long been the site of frequent sectarian attacks, with 77 incidents recorded between January 2011 and 2016, according to a 2016 report by the Egyptian Initiative for Personal Rights. According to the rights organization’s findings, most violent incidents were the result of Muslim residents’ objections to the building of new churches and the use of private residences as places of worship.

Following Sunday prayers on December 9, Muslims in the Minya village of Kom al-Raheb attacked Coptic residents for two days, until security forces intervened on December 11. Nineteen people were arrested and the church building was sealed off by security personnel, as per an agreement reached during a customary reconciliation session - a practice that is often used to mediate sectarian tensions and one that has been criticized by local rights organizations.

[…]

A group of Muslim residents attacked four Coptic homes in the Minya village of Dimshaw Hashim on August 31, looting the properties and setting fire to the houses. The assailants also assaulted several people, leading to the hospitalization of two Coptic residents and one firefighter who was at the scene.“ (Mada Masr, 18. Dezember 2018)

Der Spiegel berichtet im Jänner 2019 Folgendes über eine Sprengstofflegung nahe einer Kirche in Kairo, bei der ein Polizist getötet wurde:

„Bei der Explosion eines Sprengsatzes vor einer Kirche in Ägypten ist ein Polizist getötet worden. Zwei weitere Polizisten wurden vor dem Gotteshaus in Kairo verletzt, meldet die Nachrichtenagentur AFP. Die Explosion ereignete sich demnach am Samstag im Stadtteil Nasr City, als die Sicherheitskräfte den Sprengsatz entschärfen wollten. Bei dem getöteten Polizisten, Mustafa Abid, handelt es sich demnach um einen Sprengstoffexperten. Er leitete den Einsatz vor der al-Asra-Wa-Abu-Sifin-Kirche. Vor der Kirche war der Sprengsatz in einer Tasche entdeckt worden. Sicherheitskräfte hatten daraufhin die Straßen rund um die Kirche abgeriegelt. […]

El-Sisi präsentiert sich gern als Beschützer der ägyptischen Christen. Beobachter und Aktivisten werfen der Regierung jedoch vor, die Kopten nach wie vor zu diskriminieren und nicht ausreichend gegen Islamisten zu verteidigen. Seit Ende 2016 wurden in Ägypten mehr als hundert Menschen bei Angriffen auf Christen getötet.“ (Der Spiegel, 6. Jänner 2019)

Laut einem Bericht von Mada Masr vom Jänner 2019 hätten Sicherheitskräfte ein koptisches Gebetshaus im Ort Manschiyet Zaafarana geschlossen, nachdem ein wütender Mob muslimischer Bewohner das Gebäude umstellt und gegen das Gebetshaus protestiert habe. Die anwesende Polizei habe den Demonstranten versprochen, auf ihre Forderungen einzugehen, und das Gebetshaus geschlossen. Wenige Tage zuvor hätten Anwohner das Gebäude wenige Stunden nach Abhaltung einer Messe gestürmt, bis die Polizei interveniert und die Anwohner aus dem Gebäude gebracht habe. Die Präsenz von Kirchen und anderen christlichen Gebetshäusern sei bereits seit langem der Anlass konfessionell motivierter Gewalt in Ägypten. Christliche Gläubige würden häufig von muslimischen Bewohnern angegriffen und Sicherheitskräfte hätten wenig getan, um die Täter zur Verantwortung zu ziehen:

Security forces closed a Coptic Christian place of worship in the village of Manshiyet Zaafarana on Friday after an angry mob of Muslim residents surrounded the building and protested its presence in the village, according to a statement issued by the Archdiocese of Minya and Abu Qurqas on Saturday. Muslim residents surrounded the building and began chanting using 'offensive and inflammatory‘ language, the statement said. Police on the scene responded by promising the protesters that they would ‘do what they wanted’ and promptly closed down the place of worship. The incident came several days after a number of residents stormed the same building on January 7, a few hours after Christmas mass, prompting police to intervene and remove them from the premises. […]

The presence of churches and other Christian places of worship has long been a source of sectarian violence in Egypt. Christian worshippers have frequently come under attack by Muslim residents and security forces have done little to hold the perpetrators to account.“ (Mada Masr, 16. Jänner 2019)

Die ägyptische NGO Egyptian Initiative for Personal Rights (EIPR), die sich für grundlegende Rechte und Freiheiten einsetzt, veröffentlicht im November 2018 einen Bericht über die Lage derjenigen KoptInnen, die im Februar 2017 aufgrund gewaltsamer Angriffe und gezielter Tötungen aus der Stadt Arisch in der Provinz Nordsinai vertrieben worden seien. Die Untersuchungen von EIPR zur Lage dieser vertriebenen KoptInnen aus Arisch hätten ergeben, dass die Sicherheitslage für KoptInnen dort weiterhin instabil sei und sie keinerlei Schutz genießen würden. Manche RückkehrerInnen seien erneut zum Ziel unbekannter Angreifer geworden und teilweise getötet worden. Es gebe keinen klaren gesetzlichen Rahmen, der den Umgang mit den Opfern sowie Sicherheitsmaßnahmen regele. Die systematische Vertreibung von KoptInnen aus Arisch sei als ein einmaliges Ereignis behandelt worden, das in schnell vorübergehen werde, dabei seien die bereits vor mehr als einem Jahr vertriebenen KoptInnen immer noch nicht zurückgekehrt. Der Staat habe manche vertriebene Familien mit Unterkünften und Beihilfen zum Lebensunterhalt unterstützt, jedoch keinen umfassenden Plan ausgearbeitet, um die Krise zu bewältigen. Die Vertriebenen seien wie Wohlfahrtsempfänger und nicht wie BürgerInnen behandelt worden, denen eine angemessene Entschädigung für ihren verlorenen Besitz sowie die Integration in neue Gemeinschaften und Arbeitsmöglichkeiten zustehen würden. Aufgrund eines fehlenden umfassenden Planes seien die Opfer auch je nach Provinz, in die sie geflohen seien, unterschiedlich behandelt worden. Manche Provinzgouverneure hätten den Vertriebenen monatliche Zahlungen für Mietkosten zukommen lassen, in anderen Provinzen seien temporäre Unterbringungen zur Verfügung gestellt worden, in manchen Provinzen seien die Opfer jedoch komplett ignoriert worden. Die staatlichen Behörden hätten außerdem noch immer keine Informationen über den Stand der Ermittlungen bezüglich der Angriffe auf KoptInnen in Arisch veröffentlicht oder berichtet, ob man individuelle Personen oder Gruppen als Verantwortliche für die Angriffe ausgemacht habe:

It has been one year since Coptic citizens were displaced from Arish amid violent attacks that targeted many inside their homes. The violence spurred an exodus from the city as Copts fled the killing, leaving behind everything they owned and going to several nearby governorates or regions where they had relatives.

The EIPR found that:

• A year after the displacement, the security situation remains unstable and Christians lack even a minimum level of protection. The displaced families are unable to return to Arish. Some people who decided to return were targeted and in some cases even killed by masked men.

• Since state officials failed to accurately describe the crisis, no clear legal framework exists to regulate the treatment of victims and subsequent actions of security and executive officials. The systematic displacement of Copts has been treated as a one-off event that will pass in a matter days when the displaced return to their homes, which has not yet happened.

• Actions by executive officials and administrative leadership during the displacement were influenced by the media uproar surrounding the families’ displacement. The government therefore supported some displaced families with housing and living assistance, but it failed to devise an integrated plan to deal with the crisis. The displaced were treated like charity recipients rather than citizens deserving appropriate compensation for their property, integration into new communities, and jobs to guarantee a dignified life.

• The lack of an integrated plan also meant that victims received different treatment depending on the governorate to which they moved. Some governors issued decrees offering monthly stipends to cover the cost of rent, others provided apartments to be used as temporary residences, and others ignored the victims entirely.

• Although a year has passed, the authorities have released no information about the state of investigations. Have the parties, whether groups or individuals, inciting and committing these crimes been identified? Have the investigating bodies surveyed the scene of the targeted attacks? Were parties arrested in connection with these attacks? The lack of answers to these questions raises doubts about the ability of institutions of justice to do their duty to investigate, summon and question suspects and defendants, and refer them to trial in the competent court“ (EIPR, November 2018, S. 4-5)

Die Minority Rights Group International (MRG), eine in Großbritannien ansässige internationale Menschenrechtsorganisation, die sich für die Rechte von ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten und indigenen Völkern weltweit einsetzt, veröffentlicht im Jänner 2019 einen Bericht zur Lage von Minderheiten in Ägypten seit dem Jahr 2014. Unter den derzeitigen Problemen, von denen die koptische Gemeinschaft in Ägypten betroffen sei, werden die Unterpunkte Zwangsvertreibung als Resultat traditioneller Aussöhnungssitzungen, Entführungen von koptischen Frauen und Mädchen, Angriffe auf religiöse Gebäude und Gläubige, Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und Diskriminierung in Bezug auf öffentliche Ämter genannt.

Traditionelle Aussöhnungssitzungen bei Nachbarschaftsstreitigkeiten würden oft Zwangsvertreibungen nach sich ziehen. Obwohl MuslimInnen davon auch teilweise betroffen seien, hätten ChristInnen als Mitglieder einer Minderheit in diesen Sitzungen eine viel schwächere Position, da islamische Traditionen bei diesen Sitzungen einen großen Einfluss hätten. Oft würden auch staatliche Vertreter an diesen Aussöhnungssitzungen teilnehmen, die die Vertreibung christlicher Familien zum Ergebnis hätten.

Mindestens 21 minderjährige ChristInnen seien zwischen Juni 2014 und Juni 2018 entführt worden. Während in manchen Fällen die Entführungen einen kriminellen Hintergrund wie etwa Diebstahl gehabt hätten, seien in 13 Fällen Mädchen später als erwachsene, zum Islam konvertierte Frauen wieder aufgetaucht. Von den anderen zehn entführten Mädchen seien acht wieder zu ihren Familien zurückgekehrt, der Aufenthaltsort von zwei Mädchen sei weiterhin unbekannt.

Obwohl der Text des Kirchenbaugesetzes Nr. 80 aus dem Jahr 2016 explizit die Schließung von Kultstätten verbiete, in denen vor August 2016 rituelle Handlungen durchgeführt worden seien (auch von denen, die keine offizielle Lizenz hätten), habe die Polizei weiterhin solche „nicht offiziell genehmigte“ Räumlichkeiten aufgrund von Beschwerden muslimischer Dorfbewohner geschlossen.

Eine häufige Quelle von Anschuldigungen der Blasphemie (Ein Straftatbestand in Ägypten, Anm. ACCORD) seien Posts in den sozialen Medien, die Kritik an muslimischen Geistlichen äußeren würden, sowie die Aussagen christlicher Lehrer, die in ihren Klassen angeblich Lehren verbreiten würden, die nicht mit den islamischen Traditionen vereinbar seien. Solche Anschuldigungen würden oft als Vorwand genutzt, um gegen die christliche Gemeinschaft zu mobilisieren und sie anzugreifen. Zwischen Juni 2014 und Juni 2018 habe es fünf Fälle gegeben, in denen ChristInnen wegen Blasphemie angeklagt worden seien. Alle diese Fälle hätten Angriffe gegen christliche Gemeinschaften nach sich gezogen und zu Aussöhnungssitzungen geführt, in denen das gerichtliche Vorgehen gegen die beschuldigten ChristInnen nicht verhindert worden sei:

One of the possible conclusions of reconciliation sessions is forced displacement. While Muslims have also been displaced as a result of forced conciliation sessions following conflicts with their neighbours, Christians are in a much weaker position compared to Muslims due to the strong influence of Islamic traditions on customary reconciliation sessions and their greater vulnerability as members of a religious minority. State officials frequently participate in customary reconciliation sessions that conclude with the displacement of Christian families. […]

At least 21 under-aged Christian girls were forcibly disappeared between June 2014 and June 2018. While in some cases disappearances appear to be related to a criminal offence, such as robbery, in eleven cases involving minors the victim showed up after she had reached adulthood and converted to Islam (of the remaining 10, eight women returned to their families while the location of the other two remains unknown). […]

While the text of Law 80/2016 explicitly prohibits the closure of any place where religious rites were already performed up prior to August 2016, even if it is not formally licensed, police have continued to close ‘unlicensed’ places of worship in response to complaints from Muslim villagers. […]

A common source of blasphemy allegations are Facebook posts critical of members of the Muslim clergy or statements by Christian teachers in classes considered contrary to Islamic traditions. These are often used as a pretext for mobilization and attacks against the Christian community. There were five cases of religious blasphemy cases filed against Christians between June 2014 and June 2018: all of these resulted in communal attacks against the Christian community and included reconciliation sessions that failed to halt the judicial proceedings against Christian defendants.“ (MRG, Jänner 2019, S. 10-13)

  


Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 18. März 2019)