Anfragebeantwortung zum Irak: Autonome Region Kurdistan: Sicherheitslage; Kampfhandlungen, Anschlagskriminalität (Zielgruppe) [a-10882-1]

21. Februar 2019

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Ältere Informationen zur Sicherheitslage in der Autonomen Region Kurdistan (ARK) finden sich in folgender ACCORD-Anfragebeantwortung vom März 2018:

  • ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Autonome Region Kurdistan: Sicherheitslage; Kampfhandlungen, Zielgruppe von Anschlägen [a-10541-1], 29. März 2018
    https://www.ecoi.net/de/dokument/1429069.html

 

Die international tätige Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) schreibt in ihrem Jahresbericht vom Jänner 2019 zur Menschenrechtslage im Jahr 2018, dass die Türkei während des Jahres ihre Operationen im Nordirak gegen bewaffnete Mitglieder der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) ausgeweitet habe. Die PKK sei seit langem im Nordirak an der Grenze zur Türkei, zu Syrien und zum Iran präsent. Beginnend mit März 2018 hätten türkische Armeekräfte ihre Präsenz im Nordirak um mindestens 30 Kilometer ausgeweitet und Außenposten unter anderem in den Provinzen Dohuk und Erbil errichtet. Im März und im Juni seien bei zwei türkischen Militäroperationen, die ohne erkennbare militärische Ziele durchgeführt worden seien, fünf ZivilistInnen getötet worden. Im September hätten Berichten zufolge iranische Einheiten Angriffe auf die Zentralen der im Irak ansässigen iranischen Oppositionsparteien Kurdistan Democratic Party of Iran und Democratic Party of Iranian Kurdistan ausgeführt. Hierbei seien mindestens 13 Personen getötet und 39 verletzt worden:

While the United States-led Global Coalition against ISIS continued its military operations in Iraq, Turkey increased its operations in northern Iraq against the armed Kurdistan Workers’ Party (PKK). The PKK, an outlawed armed group active in Turkey, has long maintained a presence in northern Iraq near the Turkish, Iranian, and Syrian borders. Turkish forces have conducted operations against the PKK in Iraq at various times for over two decades. Starting in March, Turkish forces extended their presence into northern Iraq by at least 30 kilometers, establishing multiple outposts, including in rural areas of Dohuk and Erbil governorates. In March and June, two Turkish military operations in the area killed five non-combatants in attacks where there were no apparent military objectives. In September, Iranian forces reportedly carried out an attack on the headquarters of the Kurdistan Democratic Party of Iran and the Democratic Party of Iranian Kurdistan, two opposition groups in the northern town of Koya, in northern Iraq, killing at least 13 individuals and wounding another 39.“ (HRW, 17. Jänner 2019)

In einer Stellungnahme des UNO-Generalsekretärs an den UNO-Sicherheitsrat zu aktuellen Entwicklungen im Irak vom Februar 2019 (Berichtszeitraum: 31. Oktober 2018 bis Ende Jänner 2019) wird ebenfalls erwähnt, dass das türkische Verteidigungsministerium Luftangriffe auf PKK-Ziele im Irak zugegeben habe. Die irakische Regierung sei weiterhin über zivile Opfer und die Zerstörung von Eigentum durch diese Angriffe besorgt. Am 14. Dezember habe das irakische Außenministerium in einer Stellungnahme die türkischen Luftangriffe auf PKK-Stellungen in den Sindschar-Bergen und im Distrikt Makhmur verurteilt. Laut der Stellungnahme hätten die Luftangriffe vier zivile Opfer gefordert:

During the reporting period, the Turkish Ministry of Defence acknowledged air strikes against Kurdistan Workers Party (PKK) targets in northern Iraq. Civilian casualties and property damage from those attacks remain of concern to the Government of Iraq. On 14 December, the Ministry of Foreign Affairs of Iraq issued a statement deploring Turkish military air strikes against PKK positions in the Sinjar mountains and in Makhmur. According to the statement, the air strikes resulted in the deaths of four civilians.“ (UN Security Council, 1. Februar 2019, S. 4)

Auf Musings on Iraq, einem Blog des US-Amerikanischen Irakanalysten Joel Wing, finden sich in einwöchigen oder zweiwöchigen Abständen Übersichten zu sicherheitsrelevanten Vorfällen im Irak, deren Daten sich wiederum auf verschiedene, meist regionale Nachrichtenquellen stützen. Die bis dato erstellten Übersichten zum Jahr 2019 wurden jeweils nach Vorfällen in den drei kurdischen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaimaniya durchsucht. Die wenigen dokumentierten sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Region Kurdistan sind, wie in diesen Übersichten zu erkennen ist, meistens auf Luftangriffe der Türkei zurückzuführen.

In der Wochenübersicht vom 1. -7. Jänner schreibt Musings on Iraq, dass ein türkischer Luftangriff in Kurdistan sieben Anhänger der PKK getötet habe (Musings on Iraq, 11. Jänner 2019). In der Woche vom 8.- 14. Jänner wurden in Kurdistan zwei türkische Luftangriffe mit drei getöteten PKK-Kämpfern dokumentiert (Musings on Iraq, 16. Jänner 2019). Weitere drei türkische Luftangriffe und sechs tote PKK-Kämpfer wurden in Kurdistan in der Woche vom 15. Bis zum 21. Jänner 2019 dokumentiert (Musings on Iraq, 23. Jänner 2019). In der Wochenübersicht vom 22. Bis zum 28. Jänner meldet Musings on Iraq, dass die türkische Luftwaffe im Norden von Kurdistan fünf Angriffe durchgeführt habe, bei denen 15 PKK-Kämpfer und vier ZivilistInnen getötet worden seien (Musings on Iraq, 30. Jänner 2019). In der ersten Februarwoche hat Musings on Irak keine sicherheitsrelevanten Vorfälle in der Autonomen Region Kurdistan dokumentiert (Musings on Iraq, 11. Februar 2019).

 

Im Juli 2018 meldet die Nachrichtenagentur Reuters, dass kurdische Sicherheitskräfte in Erbil bewaffnete Männer erschossen hätten, die ein Regierungsgebäude gestürmt und Geiseln genommen hätten. Die Bewaffneten seien mit Maschinengewehren und Handgranaten über zwei Eingänge in das Gebäude eingedrungen. Ersten Ermittlungen zufolge seien bei den vier Stunden dauernden Zusammenstößen ein Regierungsmitarbeiter getötet und zwei Polizisten verletzt worden. Einem Sicherheitsbeamten zufolge habe es sich bei den Angreifern um Kämpfer der Gruppe Islamischer Staat (IS) gehandelt. Laut einem IS-Experten seien es jedoch wahrscheinlicher Mitglieder der Ansar al-Islam gewesen, einer vornehmlich kurdischen, salafistischen Organisation mit Verbindungen zu Al-Qaida. Der Artikel fügt weiters noch hinzu, dass solche Angriffe größeren Ausmaßes in Erbil, dem Sitz der kurdischen Regionalregierung, selten seien:

Kurdish security forces killed gunmen who had stormed a government building in the Kurdish city of Erbil on Monday and took hostages in an attack suspected of being carried out by Islamic State, security officials said. Armed with pistols, AK-47 rifles and hand grenades, the assailants shot their way into the building housing the governorate from the main gate and a side entrance. According to preliminary investigations, one government employee was killed in four hours of clashes. Two policemen were wounded. […]

'We believe that the attackers are from Islamic State because of the tactics they used in breaking into the building from the main gate. Two gunmen used pistols to shoot at the guards,‘ said a security official. Hisham al-Hashimi, an expert on Islamic State who advises the Iraqi government, said the attack was more likely carried out by Ansar al-Islam, a predominantly Kurdish, Salafist organization which had links to Al Qaeda. […]

Such high-profile assaults are rare in Erbil, seat of the Kurdistan Regional Government (KRG).“ (Reuters, 23. Juli 2018)

Reuters berichtet in einem weiteren Artikel vom September 2018, dass die iranischen Revolutionsgarden sieben Raketen auf in Koya in Kurdistan lebende iranisch-kurdische Dissidenten abgefeuert hätten. Dabei seien mindestens elf Personen getötet worden. Gleichzeitig habe die Türkei ihre Luftangriffe auf Stützpunkte der PKK in Kurdistan ausgeweitet. Regelmäßig würde sie das Rückzugsgebiet der PKK in den Qandil-bBergen in der Nähre der iranischen Grenze ins Visier nehmen:

„Iran’s Revolutionary Guards fired seven missiles in an attack on Iraq-based Iranian Kurdish dissidents that killed at least 11 people on Saturday, the elite military unit was reported as saying by Iranian news agencies on Sunday. Iraqi Kurdish officials said Iran attacked the base of an Iranian Kurdish armed opposition group in northern Iraq on Saturday, killing at least 11 people and wounding scores more.[…]

The Democratic Party of Iranian Kurdistan, an armed opposition group fighting for greater autonomy for Iran’s Kurdish community, posted on Twitter pictures and video of explosions, as well as of the wounded, at its headquarters in Koya, in Iraq’s semi-autonomous Kurdistan region.

Turkey has also ramped up air strikes on Kurdistan Workers’ Party (PKK) bases in northern Iraq this year. It routinely targets the PKK stronghold in the Qandil mountains, near the border with Iran, where Ankara suspects high-ranking members of the militant group are located.“ (Reuters, 9. September 2018)

BBC schreibt im Jänner 2019, dass mindestens eine Person getötet und zehn weitere verletzt worden seien, als eine wütende Menge ein türkisches Militärlager in Kurdistan gestürmt habe. Lokale Bewohner hätten Fahrzeuge und Gebäude in Brand gesetzt, um gegen türkische Luftangriffe in der Region zu protestieren, bei denen Berichten zufolge mehrere Personen getötet worden seien. Laut einem örtlichen Beamten hätten türkische Soldaten auf Demonstranten geschossen und seien dann verschwunden. Es sei noch nicht genau klar, wie es zu dem Todesfall nahe der Stadt Dohuk gekommen sei:

At least one person has died and 10 have been injured after an angry crowd stormed a Turkish military camp in Iraq's Kurdish region. Residents set light to vehicles and buildings in protest against Turkish airstrikes in the area, which are said to have killed several people. Turkey conducts frequent raids against the militant group, the PKK, which is based on the Iraqi side of the border. It accuses insurgents of disguising as civilians to fuel conflict in the area. Local official Najib Saeed said Turkish soldiers had shot at protesters and then left, and that the fires had caused several explosions. He said it was not yet clear what caused the death near the city of Dohuk.“ (BBC, 26. Jänner 2019)

Die derzeit gültigen Sicherheitshinweise des österreichischen Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA) sowie des deutschen Auswärtigen Amtes (AA) zur Autonomen Region Kurdistan lauten wie folgt:

Nordirak/autonome Region Kurdistan-Irak: Die Reisewarnung gilt für das gesamte Staatsgebiet. In Erbil bzw. Suleymania und unmittelbare Umgebung erscheint die Sicherheitssituation vergleichsweise besser als in anderen Teilen des Irak. Allerdings kommt es immer wieder zu militärischen Zusammenstößen, in die auch kurdische Streitkräfte (Peshmerga) verwickelt sind, weshalb sich die Lage jederzeit ändern kann. Insbesondere Einrichtungen der kurdischen Regionalregierung und politischer Parteien sowie militärische und polizeiliche Einrichtungen können immer wieder Ziele terroristischer Attacken sein.“ (BMEIA, Stand 19. Februar 2019, unverändert gültig seit 21. November 2018)

„Region Kurdistan-Irak In der Region Kurdistan-Irak (Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniyah/Halabja) ist die Sicherheitslage weiter volatil. Wegen der anhaltend erhöhten Gefahr von Terroranschlägen wird von nicht notwendigen Reisen in die Region abgeraten. Aufenthalte können in dieser Region nur nach sorgfältiger Prüfung der aktuellen örtlichen Sicherheitslage und mit den dann jeweils notwendigen Sicherheitsmaßnahmen in Betracht gezogen werden.“ (AA, Stand 19. Februar 2019, unverändert gültig seit 5. Oktober 2018)

 

 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 21. Februar 2019)