a-4933 (ACC-RUS-4933)

Nach einer Recherche in unserer Länderdokumentation und im Internet können wir Ihnen zu oben genannter Fragestellung Materialien zur Verfügung stellen, die unter anderem folgende Informationen enthalten:
Strafrechtliche Verfolgung von zurückgekehrten Asylwerbern
Im März 2004 beschreibt Amnesty International (AI) die Behandlung zurückgekehrter tschetschenischer Asylwerber in Moskau:
“Die Mehrheit der in Europa abgelehnten tschetschenischen Asylbewerber wird nach Moskau abgeschoben. Berichten zufolge werden viele von ihnen unmittelbar nach ihrer Rückkehr am Moskauer Flughafen ausführlich befragt. Manchen wird dabei von den russischen Sicherheitskräften Geld oder andere Dinge abgenommen. Tschetschenen sind nach ihrer Abschiebung insbesondere nach ihrer Wiedereinreise in die Russische Föderation bzw. während ihres weiteren Aufenthalts nicht vor Verfolgung sicher.
Durch die Verbindung einer anti-tschetschenischen Feindseligkeit in der russischen Gesellschaft mit offiziellen Erklärungen russischer Politiker und Handlungsweisen der Sicherheitskräfte haben tschetschenische Volkszugehörige den Status einer ethnischen Gruppe erhalten, die außerhalb des Schutzes durch das Gesetz steht und Opfer von Verfolgung, Erpressung und staatlicher Willkür wird. Durch eine restriktive und diskriminierende Anwendung des Registrierungssystems (propiska) wird ihnen in der Russischen Föderation vielerorts der legale Aufenthalt versagt. [...].” (AI, 31. März 2004)
Die neueste Information zu zurückgekehrten Asylwerbern, die von ACCORD gefunden werden konnte, ist eine Pressemitteilung von AI, in der gegen die Abschiebung eines tschetschenischen Flüchtlings nach Moskau protestiert wird, da sich dieser in der Gefahr befinde, verhaftet und misshandelt zu werden und zu verschwinden. Eine Verfolgungsgefahr, die sich konkret aus der Tatsache des Asylantrages herleite, wird in dieser Meldung nicht erwähnt:
„Ein tschetschenischer Flüchtling ist in dieser Woche abgeschoben worden - entgegen der Einschätzungen und Berichte relevanter staatlicher und nichtstaatlicher Stellen, die auf die Gefahrenlage für Tschetschenen in ihrer Heimat verweisen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verfügte die Abschiebung des jungen Mannes nach Moskau, trotz einer gegenteiligen Zusicherung an amnesty international (ai). Der Flüchtling besitzt keinen gültigen Pass. Einen neuen Inlandspass kann er nur in Tschetschenien beantragen. Er befindet sich damit in der konkreten Gefahr, verhaftet und misshandelt zu werden sowie zu "verschwinden".
Das BAMF hält eine Rückkehr des Flüchtlings nach Tschetschenien jedoch für zumutbar. Damit weicht es von dem bisherigen Konsens ab, demzufolge die Kaukaususrepublik für Tschetschenen grundsätzlich kein dauerhaft sicherer Aufenthaltsort sein kann. "ai erhält regelmäßig Berichte über Verhaftungen, Folter und Misshandlungen sowie 'Verschwindenlassen', von denen die Zivilbevölkerung willkürlich betroffen ist", sagte die ai-Europaexpertin Imke Dierßen. Andere Menschenrechtsorganisationen, der UNHCR und das Auswärtige Amt berichten Vergleichbares. Das Bundesamt ignoriert somit vorsätzlich alle vorliegenden Erkenntnisse über die Lage in Tschetschenien." Bislang haben sowohl das Bundesamt als auch die Gerichte eine Rückkehr nach Tschetschenien ausgeschlossen. "Die Argumentation des Bundesamtes ist abenteuerlich", sagte Dierßen. "Ganz offenbar mangelt es hier an politischem Willen, tschetschenischen Flüchtlingen in Deutschland Schutz zu gewähren."
Vergangene Woche hatte ai gegen die bevorstehende Abschiebung beim BAMF interveniert. Daraufhin sagte die Behörde zu, die zuständige Ausländerbehörde aufzufordern, die Abschiebung vorübergehend auszusetzen und das Asylgesuch des jungen Tschetschenen erneut sorgfältig zu prüfen. Das BAMF hat sich an diese Zusage nicht gehalten und ai darüber auch nicht informiert.
Bei ihrem Staatsbesuch in Russland hatte Bundeskanzlerin Merkel kürzlich die Menschenrechtslage in Tschetschenien kritisiert und war mit russischen Menschenrechtsaktivisten zusammengetroffen. "Um so unverständlicher ist es, dass deutsche Innenbehörden sich weigern anzuerkennen, dass eine Rückkehr nach Tschetschenien eine Gefahr für Leib und Leben bedeutet", sagte Dierßen. "Die übergroße Mehrheit tschetschenischer Flüchtlinge bedarf internationalen Schutzes. Die Innenpolitik muss hier mit der Außenpolitik Hand in Hand gehen."“ (AI, 20. Jänner 2006)
Im Mai 2004 berichtete die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) von einem Tschetschenen, der angegeben habe, nach seiner Abschiebung in Moskau misshandelt worden zu sein. Daraus lasse sich aber nicht schließen, dass Tschetschenen auf Grund ihrer Flucht ins Ausland besonders gefährdet seien:
„Auch ein von der Schweiz ausgeschaffte Tschetschene berichtete im Gespräch mit dem Autor, dass er bei seiner Rückschaffung am 4. Februar 2004 am Moskauer Flughafen von der Polizei verhaftet und befragt worden sei. Anschliessend sei er auf einen Polizeiposten gebracht und dort mehr als 24 Stunden festgehalten und dabei misshandelt worden. Erst als Verwandte ein Lösegeld bezahlt hätten, sei er schliesslich freigelassen worden. [...] Aus solchen Fällen lässt sich zwar nicht schliessen, dass TschetschenInnen auf Grund ihrer Flucht ins Ausland besonders gefährdet seien, wie auch Swetlana Gannuschkina bestätigt. Allerdings ist die Rückschaffung grundsätzlich ein Moment, in dem Tschetschenen der beschriebenen Willkür der russischen Sicherheitskräfte besonders ausgeliefert sind.” (SFH, 24. Mai 2004)
In der Aktualisierung dieses SFH-Berichtes vom November 2005 finden sich keine Informationen zur Verfolgung von zurückgekehrten Asylwerbern (SFH, 7. November 2005).
 
Für Informationen über die allgemeine Situation von zurückgekehrten Asylwerbern aus Tschetschenien möchten wir Sie auf die Originaldokumente der oben zitierten Berichte verweisen, die ausführlich auf die Situation von Tschetschenen nach einer Rückkehr nach Russland eingehen. Die Internetadressen finden sie im Quellenverzeichnis (siehe unten).
 
Für allgemeine Informationen zur Lage von Menschenrechtsaktivisten und NGOs in Tschetschenien möchten wir Sie auf das Kapitel „NGOs und Menschenrechtsaktivisten“ im Themenpapier Tschetschenien unserer Datenbank ecoi.net hinweisen, das unter der Adresse 
http://www.ecoi.net/?countrychooser_country=536701::Tschetschenien&countrychooser_search=&step=&doctype=6&block=539742&command=showcountryhome&style=mr&blockdetail=536923&blockfolder=10956
zugänglich ist.
 
Diese Informationen beruhen auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen. Diese Antwort stellt keine Meinung zum Inhalt eines bestimmten Ansuchens um Asyl oder anderen internationalen Schutz dar. Wir empfehlen, die verwendeten Materialien zur Gänze durchzusehen.

Quellen: