Anfragebeantwortung zu China: Erhalt von Ausweisen (insbesondere für Uigur·innen und ehemals inhaftierte Personen); Überwachung nach Entlassung aus Internierungslager und erneute Inhaftierung; Inhaftierung bei Ausreise [a-11849]

18. März 2022

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Auskünften von Expert·innen und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

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Erhalt von Ausweisen (insbesondere für Uigur·innen und ehemals inhaftierte Personen)

Dem australischen Außenministerium (Department of Foreign Affairs and Trade, DFAT) zufolge seien chinesische Bürger·innen über 16 Jahre verpflichtet einen Personalausweis zu beantragen. Das Büro für öffentliche Sicherheit (Public Security Bureau, PSB) stelle die Identitätsausweise aus und verwalte diese nach dem „Resident Identity Cards Law“ von 2003.

Die Verwendung der neuesten chinesischen Personalausweise (resident identity cards, RICs) sei seit 2013 verpflichtend. RICs würden den Namen des Karteninhabers, das Geschlecht, die ethnische Zugehörigkeit, das Geburtsdatum, die Wohnadresse, eine eindeutige 18-stellige Identifikationsnummer und ein Farbfoto enthalten. Eingebettete digitale Mikrochips in jeder Karte würden neben den genannten Informationen auch Informationen zum beruflichen Werdegang, zum Bildungshintergrund, und zur Religion enthalten, sowie das polizeiliche Führungszeugnis, den Krankenversicherungsstatus, die Telefonnummer des Vermieters und Informationen zu Geburten („reproductive history“) angeben. Karten, die in Gebieten ethnischer Minderheiten ausgestellt werden, würden einen entsprechenden Text in der Minderheitensprache enthalten. Gültige Personalausweise seien unter anderem für die Beantragung von Reisepässen und Reisen mit dem Flugzeug oder der Bahn erforderlich. Ein Reisepass sei für gewöhnlich 10 Jahre gültig. Passanträge könnten abgelehnt werden, wenn eine Person eine Haftstrafe verbüßt, in einem Strafverfahren angeklagt ist oder einer Straftat verdächtigt wird (DFAT, 22. Dezember 2021, S. 41).

Geburten und Todesfälle würden in einem Hukou (System zur Registrierung von Haushalten, Anm. ACCORD) eingetragen, so DFAT weiter. Für die Beantragung eines Hukou sei eine Geburtsurkunde erforderlich. Ohne einen Hukou sei die Ausstellung eines Reisepasses unwahrscheinlich. Die Registrierung eines Kindes auf einem Hukou müsse innerhalb Chinas erfolgen (DFAT, 22. Dezember 2021, S. 42).

Weitere Informationen zur Ausstellung von Geburtsurkunden finden sich in folgender Anfragebeantwortung:

·      IRB – Immigration and Refugee Board of Canada: China: Birth certificates, including content, appearance and security features; requirements and procedures to obtain a birth certificate; whether birth certificates are a provincial or national document; specimen (2019-September 2021) [CHN200753.E], 14. Oktober 2021
https://www.ecoi.net/de/dokument/2063641.html

Freedom House, eine in den USA ansässige Nichtregierungsorganisation, die sich mit Recherchen und Advocacy-Arbeit zu Demokratie, politischen Freiheiten und Menschenrechten befasst, schreibt im Februar 2022, dass Millionen Menschen von den staatlichen Einschränkungen beim Zugang zu Auslandsreisen und Reisepässen betroffen seien, wobei Uigur·innen und Tibeter·innen mit den größten Schwierigkeiten konfrontiert seien (Freedom House, 28. Februar 2022, Section G1).

Für einen Bericht zur Lage von Muslim·innen in Xinjiang vom Juni 2021 interviewte Amnesty International (AI) unter anderem 55 Menschen, die seit 2017 in Internierungslagern (von der chinesischen Regierung auch als Ausbildungs- und Bildungs- oder Erziehungslager bezeichnet) festgehalten wurden. Alle befragten ehemaligen Häftlinge seien nach ihrer Entlassung in ihrer Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt worden. Fast allen sei es untersagt gewesen, ihr Dorf oder ihre Gemeinde zu verlassen. Wenn es ihnen erlaubt worden sei ihr Dorf zu verlassen, hätten sie zuvor eine schriftliche Genehmigung der Behörden einholen müssen. Einem Dokument zufolge, das ein ehemaliger Häftling zur Verfügung gestellt habe, habe der Genehmigungsantrag von vier verschiedenen lokalen Behörden genehmigt werden müssen, darunter von der Polizeistation und dem Parteikomitee (AI, Juni 2021, S. 122).

Ehemalige Gefangene hätten gegenüber Amnesty International angegeben, dass ihnen nach ihrer Entlassung eine Zeit lang ihr Personalausweis abgenommen worden sei und sie von Bewegungseinschränkungen betroffen gewesen seien. Viele ehemalige Häftlinge hätten berichtet, dass einige Bewegungseinschränkungen nach sechs Monaten aufgehoben worden seien, andere hätten berichtet, dass ihre Bewegungsfreiheit ein Jahr lang eingeschränkt worden sei. Auch für Familienangehörige ehemaliger Häftlinge habe es während des Aufenthalts ihres Familienmitglieds in einem Lager erhebliche Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit gegeben. Ehemalige Inhaftierte hätten berichtet, dass ihre Familienangehörigen eine Erlaubnis der örtlichen Behörden benötigt hätten, um ihr Dorf zu verlassen (AI, Juni 2021, S. 122-124).

Viele ehemalige Häftlinge hätten gegenüber Amnesty International berichtet, dass die Wiedererlangung ihrer Bewegungsfreiheit - ins Ausland zu reisen und in einigen Fällen innerhalb Chinas außerhalb ihrer Heimatdörfer zu reisen - davon abhängig gewesen sei, dass sie über einen oder mehrere Bürgen verfügt hätten. Diese hätten schriftlich zustimmen müssen, selbst in ein Lager geschickt zu werden, falls die Person, für die sie bürgen, über das System der Internierungslager spreche oder Informationen weitergebe (AI, Juni 2021, S. 124).

Für Minderheiten in Xinjiang sei es schon seit Jahren schwierig, ins Ausland zu reisen. Die Beschränkungen seien 2015 und 2016 verschärft worden. Angehörige ethnischer Minderheiten seien aufgefordert worden, ihre Pässe bei den Behörden abzugeben. Seit 2017 sei es für Uigur·innen fast unmöglich, China zu verlassen (AI, Juni 2021, S. 124).

Vor der Ausreise müssten die Personen ein „labyrinthisches“ bürokratisches Verfahren durchlaufen, um ihre Pässe zurückzubekommen und die Erlaubnis zu erhalten, ins Ausland zu reisen. Ehemalige Gefangene würden erneut von Sicherheitskräften verhört und müssten zusätzliche Dokumente unterschreiben, in denen sie sich verpflichten, nichts über ihren Aufenthalt in einem Lager zu sagen, da sonst ihre Familienangehörigen in ein Lager geschickt würden (AI, Juni 2021, S. 124).

Überwachung nach Entlassung aus Internierungslager und erneute Inhaftierung

Nach der Entlassung aus den Internierungslagern seien ehemalige Häftlinge weiteren schwerwiegenden Einschränkungen ihrer Menschenrechte ausgesetzt gewesen, insbesondere ihrer Bewegungsfreiheit, so Amnesty International. Diese Einschränkungen bestünden zusätzlich zur diskriminierenden Politik, die sich gegen alle Angehörigen ethnischer Minderheiten in Xinjiang richte. Alle von Amnesty International befragten ehemaligen Gefangenen hätten angegeben, dass sie sowohl elektronisch als auch persönlich überwacht und regelmäßig von Regierungsangestellten und Regierungskadern beurteilt worden seien.

Einer der belastendsten Aspekte des Lebens in Xinjiang sei für ehemalige Häftlinge die Anwesenheit von staatlichen Aufseher·innen. Fast alle ehemaligen Häftlinge hätten berichtet, dass nach ihrer Entlassung aus einem Lager Regierungsangestellte oder Regierungskader mehrere Nächte pro Monat bei ihnen zu Hause übernachtet hätten (AI, Juni 2021, S. 118).

Die Amnesty International vorliegenden Aussagen zur Situation ehemaliger Häftlinge und ihrer Familienangehörigen nach der Entlassung würden mit Belegen übereinstimmen, die Journalist·innen und anderen Rechercheur·innen vorgelegt worden seien, sowie mit durchgesickerten Regierungsdokumenten zu Vorschriften hinsichtlich der Behandlung ehemaliger Häftlinge in den Monaten nach ihrer Entlassung. Zu diesen Belegen gehöre eine Anweisung im Telegramm (ein durchgesickertes Dokument mit Regierungsanweisungen, Anm. ACCORD), die vorschreibe, dass jeder ehemalige Häftling streng überwacht, bewertet und kontrolliert werden müsse und nach dem Verlassen des Lagers „ein Jahr lang die Sichtlinie nicht verlassen darf“ (AI, Juni 2021, S. 119).

Amnesty International erwähnt in seinem Bericht vom Juni 2021 zudem weitere Maßnahmen gegenüber ehemaligen Gefangenen. Fast alle von Amnesty International befragten ehemaligen Häftlinge hätten nach ihrer Entlassung Kurse in chinesischer Sprache und politischer Ideologie besuchen müssen. Viele der Befragten hätten erzählt, dass alle Angehörigen ethnischer Minderheiten jeden Montagmorgen an Flaggenparaden teilnehmen mussten. Während dieser Zeremonien hätten die ehemaligen Häftlinge oft öffentlich ihre Verbrechen „gestehen“, sich gegen Extremismus aussprechen, sich für ihre extremistische Einstellung entschuldigen und die Vorzüge der Ausbildung preisen müssen, die sie erhalten hätten (AI, Juni 2021, S. 119).

Einige ehemalige Häftlinge seien für mehrere Monate unter Hausarrest gestellt worden. Viele hätten sich täglich bei der Polizei oder der Dorfverwaltung melden müssen. Einige ehemalige Häftlinge seien gezwungen worden, einige Wochen oder Monate lang im Büro der Dorfverwaltung oder auf der Polizeistation zu leben. Viele ehemalige Häftlinge hätten berichtet, dass ihre Ausweise noch Monate nach Verlassen des Lagers so programmiert gewesen seien, dass ein Alarm ertönt sei, sobald sie die allgegenwärtigen Kontrollpunkte passiert oder ihr Dorf verlassen hätten. Nachdem ein Ausweis einen Alarm ausgelöst habe, seien die ehemaligen Häftlinge oft zu denselben Dingen verhört worden, zu denen sie nach ihrer ersten Inhaftierung und während ihrer Zeit im Lager befragt wurden (AI, Juni 2021, S. 122).

Neben den genannten Informationen zur Überwachung nach der Entlassung aus einem Lager finden sich Im Folgenden auch allgemeine Informationen zur Überwachung von Muslim·innen und Uigur·innen:

Die in Xinjiang lebenden Muslim·innen seien Amnesty International zufolge möglicherweise die am stärksten überwachte Bevölkerungsgruppe der Welt. Die chinesische Regierung verwende enorme Ressourcen darauf, unglaublich detaillierte Informationen über das Leben dieser Gruppe zu sammeln. Diese systematisierte Massenüberwachung werde durch eine Kombination von Maßnahmen und Praktiken erreicht, die das Recht der Menschen auf Privatsphäre, Bewegungsfreiheit und freie Meinungsäußerung verletzen würde. Amnesty International habe 65 Angehörige ethnischer Minderheiten befragt, die zwischen 2017 und 2021 in Xinjiang lebten, und jede der Personen habe beschrieben, wie sie das Überwachungssystem der Regierung erlebt hat. Amnesty International habe zudem einen Han-Chinesen befragt, der Xinjiang besucht und seine Beobachtungen über den Überwachungsstaat geschildert habe. Diesen Personen zufolge sei das Überwachungssystem eine umfassende, invasive persönliche und elektronische Überwachung in folgender Form:

·        Erfassung biometrischer Daten, einschließlich Iris-Scans und Gesichtsbildern

·        invasive Befragungen durch Regierungsbeamt·innen

·        regelmäßige Durchsuchungen und Verhören durch allgegenwärtige Sicherheitsbeamt·innen

·        „Gastaufenthalte“ von Regierungsangestellten und Kadern, die bei Familien ethnischer Minderheiten wohnen

·        ein allgegenwärtiges Netz von Überwachungskameras, einschließlich Kameras zur Gesichtserkennung

·        ein ausgedehntes Netz von Kontrollpunkten, die als sogenannte „Convenience-Polizeistationen“ bekannt seien

·        ungehinderter Zugang zu den persönlichen Kommunikationsgeräten und Finanzdaten der Menschen (AI, Juni 2021, S. 35)

Die Informationen, die Amnesty International zur Verfügung gestellt worden seien, würden mit dem übereinstimmen, was Journalist·innen, Wissenschaftler·innen und andere Rechercheur·innen über die Massenüberwachung durch die Regierung in Xinjiang herausgefunden hätten. Diese Operation liefere der Regierung nicht nur enorme Mengen an persönlichen Informationen, sondern ermögliche es den Behörden auch, die Kommunikation, die Bewegungen, die Handlungen und das Verhalten der Menschen in Xinjiang in Echtzeit zu verfolgen. Ein Großteil der im Rahmen der staatlichen Massenüberwachung gesammelten Informationen werde Berichten zufolge in ein Big-Data-Sammelsystem namens „Integrated Joint Operations Platform“ hochgeladen, wo sie kontinuierlich gesammelt und analysiert würden (AI, Juni 2021, S. 35-36).

Auch Freedom House erwähnt im Februar 2022 die Überwachung von Uigur·innen und anderen Muslim·innen in Xinjiang:

Electronic surveillance is supplemented with offline monitoring by neighborhood party committees, ‚public security volunteers‘ who are visible during large events, and an especially heavy police presence in places like Xinjiang. The ability of Uyghurs and members of other Muslim minority groups in Xinjiang to express themselves freely, even in private, has been further undermined in recent years by a policy of having Chinese officials live in their homes to monitor and indoctrinate them.(Freedom House, 28. Februar 2022, Section D4)

Weitere Informationen zu unter anderem gegenüber Uigur·innen angewendeten Überwachungssystemen finden sich auch in folgendem Artikel:

·      RFA – Radio Free Asia: China’s persecution of Uyghurs is preview of wider surveillance scheme, lawmakers say, 18. November 2021
https://www.rfa.org/english/news/uyghur/commission-hearing-11172021191538.html

Es konnten keine Informationen zu einer erneuten Inhaftierung von ehemaligen Häftlingen gefunden werden. Dies bedeutet nicht notwendigerweise, dass eine erneute Inhaftierung nicht möglich ist.

Inhaftierung bei Ausreise

Die Regierung mache es Angehörigen ethnischer Minderheiten, insbesondere Uigur·innen, außerordentlich schwer, oft sogar unmöglich, ins Ausland zu reisen, so Amnesty International in seinem umfassenden Bericht vom Juni 2021. Angehörige ethnischer Minderheitengruppen in Xinjiang seien seit 2016 und 2017 gezwungen, ihre Pässe abzugeben. Seitdem hätten nur sehr wenige Menschen ihre Pässe zurückerhalten (AI, Juni 2021, S. 46).

Nur sehr wenige Uiguren oder Angehörige anderer nicht-kasachischer ethnischer Gruppen, hätten Xinjiang seit 2017 verlassen können, und in fast allen Amnesty International bekannten Fällen handle es sich um Personen mit starken familiären Bindungen zum Ausland oder um Personen, die Bestechungsgelder gezahlt hätten oder über außergewöhnlich gute Kontakte zu hochrangigen Regierungsbeamt·innen verfügen würden. Nach Aussagen ehemaliger Häftlinge, die Amnesty International interviewt habe, sowie nach Berichten von Journalisten und durchgesickerten Regierungsdokumenten sei eine Reise ins Ausland, der Versuch einer Reise ins Ausland oder der Kontakt zu Personen im Ausland ein Grund, inhaftiert und in ein Internierungslager geschickt zu werden (AI, Juni 2021, S. 47).

Das australische DFAT schreibt im Dezember 2021, dass die Ein- und Ausreise streng geregelt sei. Die Regierung wisse, wann Menschen über Luft- und Seehäfen ein- oder ausreisen. Sie setze künstliche Intelligenz, Gesichtserkennungssoftware und biometrische Datenbanken ein, um die Identität von Passagieren zu überprüfen und Ausweispapiere auf Betrug zu untersuchen. Verschiedene Regierungsbehörden könnten Daten in die Datenbanken einspeisen, beispielsweise die Steuer-, Zoll-, Polizei- oder Justizbehörden. Diese Technologie werde verwendet, um eine Ausreisekontrollliste zu erstellen. Die Art und Weise, wie diese Liste funktioniert, sei nicht klar und die Verbote könnten willkürlich erscheinen.

Die nationale Sicherheit könne als Grund für die Verweigerung der Ausreisegenehmigung für eine Person (oder deren Angehörige) angeführt werden. Ein Ausreiseverbot werde möglicherweise erst beim Versuch der Reise am Flughafen festgestellt. Ausreiseverbote würden manchmal gegen Familienangehörige von Personen mit Wohnsitz außerhalb Chinas verhängt, um diese im Ausland befindliche Person zu zwingen, nach China zurückzukehren und sich dort einer Anklage zu stellen. Personen, die einer Straftat verdächtigt würden, Personen, die aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ von Interesse seien, Aktivist·innen und Menschenrechtsverteidiger·innen könnten bei Antragstellung an der Ausstellung eines Reisepasses gehindert werden oder, wenn sie bereits einen besitzen, an der Ausreise gehindert werden, weil sie auf einer Ausreisekontrollliste stünden. Dem DFAT seien auch Fälle bekannt, in denen Angehörigen bestimmter ethnischer Minderheitengruppen Pässe verweigert worden seien. Wenn eine Person auf einer Ausreisekontrollliste steht, sei es sehr unwahrscheinlich, wahrscheinlich sogar unmöglich, dass sie China verlassen könne. Das DFAT habe keine Belege dafür gesehen, dass einer Person aus familiären oder gesundheitlichen Gründen eine Ausnahmegenehmigung aus Mitleid erteilt worden sei. Es besteht ein legitimes Risiko, dass Familienangehörige einer Person, gegen die die chinesischen Behörden ermitteln würden, mit einem Ausreiseverbot belegt werden könnten. Dies gelte nicht nur für sensible Vorwürfe, sondern auch für wirtschaftliche Vorwürfe wie Betrug (DFAT, 22. Dezember 2021, S. 40).

Es konnten keine weiteren Informationen zu einer Verhaftung bei der Ausreise gefunden werden.

Allgemeine Informationen zu aktuellen Entwicklungen betreffend Informationen zur Lage von Uigur·innen und anderen ethnischen Minderheiten in Xinjiang finden sich in folgendem Artikel:

·      RFA – Radio Free Asia: Human rights groups urge UN rights chief to issue report on atrocities in Xinjiang, 9. März 2022

https://www.rfa.org/english/news/uyghur/michelle-bachelet-03092022164208.htmlhttps://www.rfa.org/english/news/uyghur/michelle-bachelet-03092022164208.html

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 18. März 2022)

·      AI – Amnesty International: “Like We Were Enemies in a War”: China’s Mass Internment, Torture, and Persecution of Muslims in Xinjiang [ASA 17/4137/2021], Juni 2021
https://www.ecoi.net/en/file/local/2053551/ASA1741372021ENGLISH.PDF

·      DFAT – Australian Government – Department of Foreign Affairs and Trade: DFAT Country Information Report People’s Republic of China, 22. Dezember 2021
https://www.ecoi.net/en/file/local/2067346/country-information-report-china-22122021.pdf

·      Freedom House: Freedom in the World 2022 – China, 28. Februar 2022
https://www.ecoi.net/de/dokument/2068722.html

·      IRB – Immigration and Refugee Board of Canada: China: Birth certificates, including content, appearance and security features; requirements and procedures to obtain a birth certificate; whether birth certificates are a provincial or national document; specimen (2019-September 2021) [CHN200753.E], 14. Oktober 2021
https://www.ecoi.net/de/dokument/2063641.html

·      RFA – Radio Free Asia: China’s persecution of Uyghurs is preview of wider surveillance scheme, lawmakers say, 18. November 2021
https://www.rfa.org/english/news/uyghur/commission-hearing-11172021191538.html

·      RFA – Radio Free Asia: Human rights groups urge UN rights chief to issue report on atrocities in Xinjiang, 9. März 2022
https://www.rfa.org/english/news/uyghur/michelle-bachelet-03092022164208.html


 

Anhang: Informationen aus ausgewählten Quellen

·      AI – Amnesty International: “Like We Were Enemies in a War”: China’s Mass Internment, Torture, and Persecution of Muslims in Xinjiang [ASA 17/4137/2021], Juni 2021
https://www.ecoi.net/en/file/local/2053551/ASA1741372021ENGLISH.PDF

„Muslims living in Xinjiang may be the most closely surveilled population in the world. The government of China has devoted tremendous resources to gathering incredibly detailed information about this group’s lives. This systemized mass surveillance is achieved through a combination of policies and practices that infringe on people’s rights to privacy and freedom of movement and expression. Amnesty International interviewed 65 members of ethnic minority groups who lived in Xinjiang between 2017 and 2021, each of whom described what it was like to experience the government’s system of surveillance. Amnesty also interviewed a Han Chinese person who visited Xinjiang and provided their observations of the surveillance state. According to these people, the system of surveillance involves extensive, invasive in-person and electronic monitoring in the form of:

biometric data collection, including iris scans and facial imagery;

invasive interviews by government officials;

regular searches and interrogations by ubiquitous security officers

homestays by government employees and cadres assigned to live with ethnic minority families;

an ever-present network of surveillance cameras, including facial recognition cameras;

a vast network of checkpoints known as convenience police stations; and

unfettered access to peoples personal communication devices and financial history.

The information witnesses provided to Amnesty is consistent with what journalists, scholars, and other investigators have revealed about the government’s mass surveillance operation in Xinjiang. In addition to providing the government with enormous amounts of personal information, this operation allows the authorities to comprehensively track – in real time – the communications, movements, actions, and behaviour of Xinjiang’s ethnic minority population. Much of the information gathered from the government’s mass surveillance effort is reportedly uploaded to a big-data collection system called the Integrated Joint Operations Platform, where it is continuously aggregated and analysed.“ (AI, Juni 2021, S. 35-36)

„The government makes it extraordinarily difficult – often impossible – for members of ethnic minority groups, particularly Uyghurs, to travel abroad. To start with, members of ethnic minority groups in Xinjiang were forced to hand over their passports to the government in 2016 and 2017. Since then, very few people have been able to get them back.“ (AI, Juni 2021, S. 46)

„Very few Uyghurs or members of other non-Kazakh ethnic groups have been able to leave Xinjiang since 2017, and nearly all the cases known to Amnesty involve people with strong family ties to foreign countries or individuals who paid bribes or have exceptionally strong contacts with senior government officials. […]

Moreover, according to former detainees Amnesty has interviewed, as well as reports from journalists and leaked government documents, travelling abroad, attempting to travel abroad, or associating with people abroad is grounds for being detained and sent to an internment camp (see section 3.1).“ (AI, Juni 2021, S. 47)

„After being released from the internment camps to go home, former detainees faced further severe restrictions on their human rights, particularly their freedom of movement. These restrictions were in addition to the discriminatory policies directed at all members of ethnic minority groups in Xinjiang (see section 2.3). All former detainees Amnesty International interviewed said they were placed under both electronic and in-person surveillance and subjected to regular evaluations from government employees and cadres. Yerkinbek, who worked with several former detainees after they were released from camps, told Amnesty that government officials used to show up regularly at his workplace and question his ex-detainee colleagues. As discussed in Chapter 2, one of the most invasive aspects of life in Xinjiang for ex-detainees is the presence of government minders. Nearly all former detainees reported that government employees or cadres were required to stay with them in their houses for several nights per month after they were released from a camp. Several former detainees reported that while they were in the camp, their family members were required to have minders stay with them. Family members of detainees also faced additional restrictions on their rights during and after the release of their detained relative.“ (AI, Juni 2021, S. 118)

„The testimonial evidence about the situation of former detainees and their family members after release provided to Amnesty is consistent with evidence provided to journalists and other investigators, as well as with leaked government documents prescribing the treatment of former detainees during the months after their release. This evidence includes a directive in the Telegram requiring that every ex-detainee be strictly monitored, evaluated, and controlled, and ‚must not leave the line of sight for one year‘ after leaving the camp.“ (AI, Juni 2021, S. 119)

„Nearly all of the former detainees who spoke to Amnesty International were required to attend classes in Chinese language and political ideology after they were released. [...] Many interviewees told Amnesty that all members of ethnic minorities were required to attend flagraising ceremonies every Monday morning. During these ceremonies, ex-detainees were often made to publicly ‚confess‘ their crimes, to speak out against extremism, to apologize for being an extremist, and to extol the virtues of the education they had received. Former detainees told Amnesty that only ethnic minorities were required to attend the village flag-raising. According to Meryemgul, members of the village who had not been in camps were also required to go, but only ethnic minorities were truly compelled to attend: ‚Only Uyghurs go. [Han] Chinese people, they laugh at us,‘ she said.“ (AI, Juni 2021, S. 119)

„All former detainees faced significant restrictions on their freedom of movement after they were released from the camps. Nearly all were prohibited from leaving their village or township. If they were allowed to leave, they were required to get written permission from the authorities beforehand. According to a document provided by a former detainee, the permit application had to be approved by four different local government agencies, including the police station and Party committee.“ (AI, Juni 2021, S. 122)

„Some former detainees were put under additional detention in the form of house arrest for several months. Many were required to check in with the police or village administrators daily. A few former detainees were forced to live at the village administration office or police station for a few weeks or months. Aitugan told Amnesty how his movements were restricted after he was released: ‚I spent five months being monitored. I just stayed in the village. I couldn’t leave without permission. I had to report to the village office each morning. I needed permission to leave the village from the village chief,‘ he said. Many former detainees reported that for months after they left the camp their ID cards were programmed such that an alarm would sound whenever they travelled through the ever-present checkpoints or whenever they left their village. After an ID triggered an alarm, former detainees were often interrogated about the same things they were questioned about after their initial detention and during their time in the camp.“ (AI, Juni 2021, S. 122)

„Other former detainees told Amnesty their ID was confiscated for a time after their release. ‚[When I wasn’t in class or at a flag-raising ceremony], I had to stay at home the rest of the time, because the inspector could come at any time. I had to be found in one of these places at all times. My ID was taken. I wasn’t free,‘ Aisanali told Amnesty. After several months some of the movement restrictions began to decrease. Many former detainees reported that some restrictions were lifted after six months. Others told Amnesty the restrictions on their movements lasted a year. One former detainee told Amnesty the restrictions on his movements were removed at the same time as those of others released when he was. Family members of former detainees also had severe restrictions placed on their movement while their family member was in a camp. Former detainees reported that their family members needed to get permission from local officials to leave their village.“ (AI, Juni 2021, S. 122-124)

„Many former detainees told Amnesty that regaining their freedom of movement – to travel abroad and, in some cases, to travel within China outside their home villages – was contingent upon having one or more guarantors who agreed in writing that they themselves would be sent to a camp if the person they were guaranteeing spoke or shared information about the internment camp system. One older woman said she needed many guarantors to leave China.

It has been difficult for minorities in Xinjiang to travel abroad for years. The restrictions became more severe in 2015 and 2016, when members of ethnic minority populations were required to hand in their passports to the authorities. Since 2017, it has been nearly impossible for Uyghurs to leave China […].

Before leaving, people must go through a labyrinthine bureaucratic process to get their passports back and to secure permission to go abroad. Ex-detainees face a further round of interrogations by security personnel and must sign additional documents stating they will not say anything about being in a camp or else their family members will be sent to a camp. “ (AI, Juni 2021, S. 124)

·      DFAT – Australian Government – Department of Foreign Affairs and Trade: DFAT Country Information Report People’s Republic of China, 22. Dezember 2021
https://www.ecoi.net/en/file/local/2067346/country-information-report-china-22122021.pdf

„Exit and entry procedures

5.31 Exit and entry is strictly regulated. The government knows when people enter or leave the country through air and seaports. It uses artificial intelligence, facial recognition software and biometric databases to check passenger identities and to check identity documents for fraud. Various government agencies can feed data into databases including from to tax, customs, police or judicial authorities. This technology is used to create an exit control list. The way that list works is not clear and bans may appear arbitrary.

5.32 National security might be cited as a reason for refusing permission for a person (or those associated with them) to leave the country – an exit ban may only become apparent at the airport when travel is attempted. Exit bans are sometimes applied to family members of people residing outside China to coerce the foreign resident to return to China to face charges. Those suspected of a crime, persons of interest on ‘national security grounds’, activists and human rights defenders may be refused a passport upon application or, if they already have one, may be prevented from leaving the country due to being on an exit control list. DFAT is also aware of instances where members of certain ethnic minority groups have been denied passports.

5.33 If a person is on an exit control list it is very unlikely, probably impossible, that they would be able to leave China. DFAT has not seen evidence of compassionate exemptions being granted to a person for family and health reasons. There is a legitimate risk that family members of an individual under investigation by Chinese authorities could be subject to an exit ban. This is not only for sensitive charges but also economic charges such as fraud.“ (DFAT, 22. Dezember 2021, S. 40)

„Citizens over the age of 16 are required to apply for identification cards, while those under 16 years can voluntarily apply with the assistance of a guardian. The PSB issues and manages ID cards according to the Resident Identity Cards Law (2003). Cards are valid for: five years for children under 16; 10 years for individuals aged between 16 and 25; 20 years for individuals between 26 and 45; and, permanently for individuals aged 46 years or older. […]

Use of China’s latest (second generation) resident identity cards (RICs) became mandatory in 2013. RICs include the cardholder’s name, sex (male or female only), ethnicity, date of birth, residential address, a unique 18-digit ID number and colour photograph. Embedded digital microchips in each card contain the same identifying information as well as work history, educational background, religion, police record, medical insurance status, landlord’s telephone number, and reproductive history. Cards issued in ethnic minority areas contain corresponding text in the minority language. Han Chinese in ethnic minority autonomous regions must have text listed only in Mandarin. 5.38 Second-generation cards are difficult to counterfeit. Places such as banks, train stations and airports have card readers. Valid ID cards are required for hukou registration, employment, opening bank accounts, obtaining passports and drivers licences, applications for tertiary study, travel by plane or train, marriages and court matters. Internet cafes and some shops also require proof of identity. […]

The term of validity of an ordinary passport is 10 years (five years for a person aged under 16). Passport applications may be refused if a person is serving a prison sentence, is a defendant in a criminal case, or is a criminal suspect.“ (DFAT, 22. Dezember 2021, S. 41)

„Births and deaths are recorded on a hukou and a birth certificate is required to apply for a hukou. Without a hukou, the issuance of a passport is unlikely. Registration of a child on a hukou must be done inside China.“ (DFAT, 22. Dezember 2021, S. 42)

·      Freedom House: Freedom in the World 2022 – China, 28. Februar 2022
https://www.ecoi.net/de/dokument/2068722.html

Millions of people are affected by government restrictions on their access to foreign travel and passports, with Uyghurs and Tibetans experiencing the greatest difficulty. Many overseas Chinese nationals who engage in politically sensitive activities abroad are at risk of being prevented from returning to China, while those who seek refuge abroad may face forced repatriation and arrest.“ (Freedom House, 28. Februar 2022, Section G1)