24. September 2021

Kurzbeschreibungen zu den in dieser Anfragebeantwortung verwendeten Quellen sowie Ausschnitte mit Informationen aus diesen Quellen finden Sie im Anhang.

Es konnten als Teil der Recherche keine verlässlichen Zahlen in Bezug auf die Arbeitslosenquote im Irak generell oder in Nadschaf im Speziellen gefunden werden. Verschiedene Quellen der vergangenen zwölf Monate geben, mit Verweis auf Regierungsquellen, Arbeitslosenquoten im Land zwischen 13,8 und 40 Prozent an (Al-Ain, 2. November 2020; Al-Mada, 19. Oktober 2020; Rudaw, 12. Juli 2021; Shafaq News, 2. September 2021).

Reuters veröffentlicht im März 2020 einen Artikel über Probleme in der Pilgerindustrie aufgrund von Protesten und dem Coronavirus. Die Pilgerindustrie im Süden des Irak generell und in Nadschaf im Speziellen sei durch die Beschränkungen wegen des Coronavirus, aber auch durch vorherrschende Proteste und die Wirtschaftskrise im Iran, lahmgelegt. Hotels stünden leer und auch Souvenirläden und Restaurants hätten Verluste. Die Arbeitslosigkeit sei in Nadschaf sprunghaft angestiegen. Laut Saib Radhi Abu Ghanem, Chef des örtlichen Hotel- und Restaurantverbands, hätten in Nadschaf rund 4.000 Beschäftigte im Gastgewerbe ihren Arbeitsplatz verloren, da die Auslastung der 350 Hotels und deren 40.000 Betten praktisch nicht gegeben sei. Viele Geschäfte rund um den Schrein in Nadschaf hätten geschlossen und die, die noch geöffnet haben, hätten wenig zu tun. Laut einem Schneider, der religiöse Kleidungsstücke verkauft, sei Nadschaf immer schon eine Destination für Pilger gewesen, doch zur Zeit des Interviews gebe es nur noch sehr wenig Arbeit (Reuters, 5. März 2020).

Im Mai 2020 veröffentlicht die Internationale Organisation für Migration (IOM) einen Bericht über Chancen und Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt in der Stadt Nadschaf. Vertreter der Handels- und Industriekammern sowie Vertreter der Direktion für Bewässerung hätten angegeben, dass die größten Arbeitgeber der Stadt in den Sektoren Bau, Technologie, Handel, Chemie, Herstellung von Waren, Landwirtschaft, Tourismus, Dienstleistungen und Textil tätig seien. Fast ein Drittel der Schlüsselinformant·innen sei der Meinung gewesen, dass es in Nadschaf keinen übersättigten Sektor gebe. Andere hätten angegeben, dass Landwirtschaft, Handel, Telekommunikation, Internet und Tourismus zu den übersättigten Sektoren gehören würden. Gleichzeitig seien Landwirtschaft, Bekleidung, Programmierung, Produktion sowie Druck- und Marketingdienstleistungen als Sektoren mit hohem Wachstumspotenzial genannt worden. Die Regierung fördere die Entwicklung in den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittel, Industrie, Metallverarbeitung, Tischlerei, Druckerei und Werbung, Kleinunternehmen, Bekleidung, Handel und Tourismus, während private Investitionen auch in Landwirtschaft, Lebensmittel, Handel, Gastgewerbe, Tourismus und in der Dienstleistungsbranche zu verzeichnen seien. Laut einem Schlüsselinformanten sei die Nachfrage in den vergangenen sechs Monaten gestiegen. Andere Schlüsselinformant·innen hätten jedoch die herrschende Rezession und Inflation erwähnt (IOM, Mai 2020, S. 6).

IOM habe außerdem drei Fokusgruppendiskussionen mit Jugendlichen durchgeführt, einer weiblichen Gruppe und zwei gemischten Gruppen, die auch Jugendliche, die früher als Kämpfer gedient hatten, inkludierten. Laut den Teilnehmer·innen der Fokusgruppen seien zwischen 25 und 33 Prozent der Jugendlichen in ihren Gemeinden arbeitslos. Dies sei niedriger als in anderen von IOM untersuchten Gebieten. Regierungsjobs seien in der Stadt am begehrtesten, obwohl Teilnehmer·innen auch gerne ein eigenes Unternehmen hätten. Der Handels- und Industriesektor stelle viele junge Leute in der Stadt an. Viele junge Männer würden am Bau arbeiten. Arbeitssuchende hätten angegeben, dass ihrer Ansicht nach die Arbeitslosenquote bei etwa fünfzig Prozent liege. Dies sei niedriger als in anderen von IOM befragten Gebieten mit einer hohen Zahl von Rückkehrer·innen. 70 Prozent der Befragten hätten angegeben, dass soziale Medien die wichtigste Informationsquelle bei einer Jobsuche seien, gefolgt vom Fernsehen und dem Ministerium für Arbeit und Soziales. Außerdem seien Arbeitsvermittlungen und Ortsvorsteher als Informationsquellen genannt worden. Wissen und Erfahrung seien in der Stadt Nadschaf am wichtigsten für eine erfolgreiche Arbeitssuche, gefolgt von relevanten Qualifikationen. Verbindungen seien nur von 40 Prozent der Befragten als wichtig genannt worden. Es gebe in der Stadt ein Jobcenter, das einige der Befragten kennen würden. 33 Prozent der Befragten hätten angegeben, dass der Handel derzeit Arbeitnehmer·innen anstelle, gefolgt von Stellen im öffentlichen Dienst. Eine überwältigende Mehrheit halte diese Arbeitsplätze für erstrebenswert, obwohl 63 Prozent angegeben hätten, dass die Arbeitsplätze von einer bestimmten demografischen Gruppe dominiert werden würde, ohne spezifische Details zu nennen. Handelsunternehmen sowie Lebensmittelgeschäfte und Restaurants würde von den Arbeitssuchenden in der Stadt Nadschaf als erfolgreiche Unternehmen gesehen werden. Potenzielle Kreditquellen seien Banken, Familie und Freunde (IOM, Mai 2020, S. 6).

Arbeitslosigkeit wird von unterschiedlichen Quellen als eine der treibenden Kräfte für die von 2019 bis 2021 in Bagdad und dem Süden des Irak (inklusive Nadschaf) stattfindenden Protesten genannt (DW, 26. Oktober 2020; Garda World, 4. Jänner 2021; Rudaw, 13. März 2021).

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 24. September 2021)

·      Al-Ain: Arbeitslosigkeit und Armut im Irak. Albträume verfolgen diejenigen, die eine Chance zum Leben suchen [البطالة والفقر في العراق.. كابوس يطارد أحلام الباحثين عن فرصة للعيش], 2. November 2020
https://al-ain.com/article/unemployment-poverty-iraq-job-opportunity

·      Al-Mada: 40% der Bürger sind arbeitslos. Corona zerbricht den Traum junger Menschen vom Job [من المواطنين يعانون البطالة..كورونا تجهض أحلام الشباب بالحصول على وظيفة % 40], 19. Oktober 2020
https://www.almadapaper.net/view.php?cat=230779

·      DW – Deutsche Welle: Protesters and police clash as thousands mark one year of Iraq demonstrations, 26. Oktober 2020
https://www.dw.com/en/protesters-and-police-clash-as-thousands-mark-one-year-of-iraq-demonstrations/a-55394980

·      Garda World: Iraq: Nationwide anti-government protests to continue through at least January /update 11, 4. Jänner 2021
https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/424706/iraq-nationwide-anti-government-protests-to-continue-through-at-least-january-update-11

·      IOM - International Organisation for Migration: Labour Market Opportunities and Challenges, Mai 2020
https://iraq.iom.int/files/Najaf%20LMA%20-%20May%202020.pdf

·      Reuters: Coronavirus and protests wreck Iraq's pilgrimage industry, 5. März 2020
https://www.reuters.com/article/us-health-coronavirus-iraq-pilgrimage-idUSKBN20S1ZO

·      Rudaw: Wütende Proteste in Nadschaf versperren die wichtigsten Straßen und Forderungen nach Entlassung des Provinzgouverneurs werden laut.
[تظاهرات "غاضبة" في النجف تغلق أبرز شوارعها وتطالب بإقالة المحافظ], 13. März 2021
https://www.rudaw.net/arabic/middleeast/iraq/130320218

·      Rudaw: Armut und Arbeitslosigkeit nehmen zu. Iraks Bevölkerung wächst um eine Million pro Jahr [تزداد معه نسبة الفقر والبطالة.. التعداد السكاني في العراق يزداد بنسبة مليون نسمة سنوياً], 12. Juli 2021
https://www.rudaw.net/arabic/middleeast/iraq/120720215

·      Shafaq News: Planungsministerium: Arbeitslosenquote im Irak bei 13,8% und Anbar an der Spitze der Provinzen mit der Zahl der Arbeitslosen
[التخطيط: نسبة البطالة في العراق 13.8% والانبار تتصدر المحافظات بعدد العاطلين], 2. September 2021
https://shafaq.com/ar/%D8%A7%D9%82%D8%AA%D8%B5%D9%80%D8%A7%D8%AF/%D8%A7%D9%84%D8%AA%D8%AE%D8%B7%D9%8A%D8%B7-%D9%86%D8%B3%D8%A8%D8%A9-%D8%A7%D9%84%D8%A8%D8%B7%D8%A7%D9%84%D8%A9-%D9%81%D9%8A-%D8%A7%D9%84%D8%B9%D8%B1%D8%A7%D9%82-13-8-%D9%88%D8%A7%D9%84%D8%A7%D9%86%D8%A8%D8%A7%D8%B1-%D8%AA%D8%AA%D8%B5%D8%AF%D8%B1-%D8%A7%D9%84%D9%85%D8%AD%D8%A7%D9%81%D8%B8%D8%A7%D8%AA-%D8%A8%D8%B9%D8%AF%D8%AF-%D8%A7%D9%84%D8%B9%D8%A7%D8%B7%D9%84%D9%8A%D9%86

 

Anhang: Quellenbeschreibungen und Informationen aus ausgewählten Quellen

Deutsche Welle (DW) ist der deutsche Auslandsrundfunksender. 

·      DW – Deutsche Welle: Protesters and police clash as thousands mark one year of Iraq demonstrations, 26. Oktober 2020
https://www.dw.com/en/protesters-and-police-clash-as-thousands-mark-one-year-of-iraq-demonstrations/a-55394980

„Peaceful demonstrations went ahead in several cities in the south including Basra, Najaf and Nasiriyah. The cross-sectarian, youth-led protest movement first broke out in October 2019. Tens of thousands of Iraqis took to the streets to decry government corruption, poor services and high unemployment in Baghdad and the country's south.“ (DW, 26. Oktober 2020)

Garda World ist ein kanadisches Sicherheitsunternehmen.

·      Garda World: Iraq: Nationwide anti-government protests to continue through at least January /update 11, 4. Jänner 2021
https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/424706/iraq-nationwide-anti-government-protests-to-continue-through-at-least-january-update-11

„Protests broke out in several cities Dec. 20 after the Central Bank of Iraq announced that it would devalue the Iraqi currency against the US dollar by more than 20 percent. Many Iraqis claim that the decision will reduce the value of their pensions and increase the cost of basic goods. Besides calling for a reversal of the devaluation, anti-government demonstrators are demanding an end to corruption, more employment opportunities, and a complete overhaul of the political system. […]

Disruptive and violent protests are ongoing or have taken place in several cities, including Al Muthanna, An-Najaf, Baghdad, Baquba, Basra, Diwaniya, Diyala, Karbala, Nasiriyah, and Samawah. Related civil disturbances are unlikely in the northern Kurdistan Region.“ (Garda World, 4. Jänner 2021)

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) ist eine weltweite und völkerrechtliche Organisation im UN-System, die auf nationaler und zwischenstaatlicher Ebene operationale Hilfsprogramme für Migranten durchführt.

·      IOM - International Organisation for Migration: Labour Market Opportunities and Challenges, Mai 2020
https://iraq.iom.int/files/Najaf%20LMA%20-%20May%202020.pdf

„3.1. Key Informant Interviews (KIIs)

Key informants interviewed in and around Najaf city included Chamber of Commerce and Chamber of Industry representatives, as well as representatives of the Directorate of Irrigation. Prior to 2014, construction, technology, trade, chemical, manufacturing, and the agriculture and food industries were noted as the biggest employers in the city. These were listed as still some of the biggest employers in the city, with tourism, services and textiles mentioned in addition as sectors currently hiring many people.

Almost one third (30%) of key informants felt that there were no oversaturated sectors, although those mentioned included agriculture, food, trade, telecommunications, internet and tourism. At the same time, agriculture, clothing, programming, production and printing and marketing services were mentioned as high potential sectors for growth. The government was noted to be encouraging development in agriculture, food, industry, metalwork, carpentry, printing and advertising, small businesses, clothes, trade and tourism, whereas private investment was also noted as happening in agriculture, food, trade, hospitality, tourism and the service industry. One key informant mentioned increased demand over the last six months, whereas others mentioned the recession and inflation.

3.2. Youth Needs and Priorities

Three FGDs [Focus Group Discussions] with youth were held, one with female youth and two that were mixed youth and ex-combatant youth. Focus group participants felt that between 25–33% of youth in their community were unemployed, which is also what they thought was the percentage of persons below the poverty line, which are lower figures than in other areas surveyed.

Government jobs were noted as most desirable in the city, with participants also noting a preference for owning their own business. While the trade and industrial sector were noted to hire many youths in the city, many young men were noted to be working in building and construction related trades. Marketing was mentioned as a needed training type.

3.3. Job-seeker Needs and Priorities

Jobseekers felt that the rate of unemployment was about 50%, which is lower than the reported rate in other locations of high returns surveyed by IOM (while still significantly higher than official unemployment figures). Social media (mentioned by 70% of respondents), was the most commonly reported source of information about who is hiring, followed by TV and MoLSA [Ministry of Labour and Social Affairs]. Employment agencies and Mukhtars were also noted as sources of information.

In Najaf city, knowledge and experience were reportedly the biggest contributors to finding work (mentioned by 83% and 77% of jobseekers respectively), followed by qualifications (mentioned by 70%) and connections (only mentioned by 40%). There is apparently already a job centre in the city, known about by 12 respondents, while another six were familiar with something like a job centre. Two respondents felt that a job centre should be placed in MoLSA [Ministry of Labour and Social Affairs] so that it would be accessible to jobseekers.

Thirty-three per cent of respondents mentioned that trade was currently hiring workers, followed by government jobs. An overwhelming majority thought that these jobs were desirable, although 63% mentioned that they were dominated by a particular demographic, without specifying what this demographic group was apart from one mention of those who have capital. Trade businesses were considered the most successful type of business in the community by the majority of jobseekers, and a type of business that should be invested in Najaf city. Food and restaurants, furthermore, were mentioned by another 33% of jobseekers as successful business types in Najaf city due to high demand.

Banks were mentioned as a potential source of a loan for business start-up needs, reported by 40% of respondents, which is higher than in some other surveyed areas of Iraq. Other sources of business capital included family and friends, similar to findings in other areas of Iraq.“ (IOM, Mai 2020, S. 6)

Reuters ist eine internationale Nachrichtenagentur.

·      Reuters: Coronavirus and protests wreck Iraq's pilgrimage industry, 5. März 2020
https://www.reuters.com/article/us-health-coronavirus-iraq-pilgrimage-idUSKBN20S1ZO

„Iraqi hotel manager Badr al-Jilawi needs to think for a moment to remember when the last guest checked in to visit the holy Shi’ite Muslim city of Najaf, once a prime destination for millions of pilgrims. With the coronavirus spreading, authorities have banned foreign pilgrims, paralyzing an industry already crippled by anti-government protests and an economic crisis in Shi’ite Iran, usually the source of five million pilgrims annually. Hotels stand empty in Najaf, home to the Iman Ali shrine, and neighboring Kerbela, site of the Imam Hussein shrine - two of the holiest of the Shi’ite world. Souvenir shops and restaurants are also counting their losses. ‘Business has stopped. We haven’t had one single visitor since around six months, maybe some five Iraqis came but no foreigner,’ he said. Unemployment has jumped (in Najaf).’ […]

In total about 4,000 people working in the hospitality sector have lost their jobs in Najaf as the occupancy rate at the 350 hotels and their 40,000 beds is practically ‘zero’, said Saib Radhi Abu Ghanem, head of the local hotel and restaurant association. “ […]

Many shops in the narrow streets clustered around the shrine have closed and those still open have little to do. ‘Najaf has always been a harbor for pilgrims but now I have very little work,’ said Emar Saadoun, a tailor selling religious garments.“ (Reuters, 5. März 2020)