Mali 2019

Berichtszeitraum: 1. Januar bis 31. Dezember 2019

Im Zentrum des Landes kam es zu einer deutlichen Verschlechterung der Sicherheitslage, u.a. aufgrund von Gewalt zwischen ethnischen Gruppen. Bewaffnete Gruppen und Sicherheitskräfte begingen nach wie vor Menschenrechtsverletzungen und -verstöße. Schwerste Verbrechen blieben weiterhin straflos. Die angespannte Sicherheitslage schränkte das Recht auf Bildung in erheblichem Ausmaß ein. Im Zentrum von Bamako galt nach wie vor das Verbot friedlicher Versammlungen. 

Hintergrund

Auch weiterhin waren große Teile der Bevölkerung von Menschenrechtsverstößen betroffen. Insbesondere in der Region Mopti nahmen Massentötungen von Zivilpersonen durch bewaffnete Gruppen und selbsternannte "Selbstverteidigungsgruppen" stark zu. Die UN meldeten auch Fälle außergerichtlicher Hinrichtungen und Folter durch das Militär. Nach UN-Angaben stieg die Zahl der Binnenvertriebenen von 120.000 im Januar auf 200.000 zum Jahresende 2019 an.

Internationale Kontrolle

Im Dezember 2019 erklärte der unabhängige UN-Experte für die Menschenrechtssituation in Mali: "Angesichts der begrenzten Präsenz staatlicher Institutionen in einigen Landesteilen, der beispiellosen Zahl von Vorfällen interkommunaler Gewalt und der zunehmenden tödlichen Terroranschläge gegen die Sicherheitskräfte und Zivilpersonen hat die Sicherheitslage in Mali nunmehr einen kritischen Punkt erreicht."

Das Mandat, das der Internationalen UN-Untersuchungskommission für Mali am 19. Januar 2018 erteilt worden war, wurde bis zum 19. Juni 2020 verlängert. Aufgabe der Kommission ist es, Vorwürfe mutmaßlicher Verletzungen der internationalen Menschenrechtsnormen und des humanitären Völkerrechts zu untersuchen, die zwischen dem 1. Januar 2012 und dem Zeitpunkt ihrer Gründung begangen worden sein sollen.

Verstöße bewaffneter Gruppen

Bewaffnete Gruppen verübten weiterhin Angriffe auf Zivilpersonen. UN-Angaben zufolge wurden im Verlauf des Jahres 2019 mindestens 450 Zivilpersonen getötet, darunter 150 Kinder, die in den ersten sechs Monaten ums Leben kamen. Laut UN wurden in der ersten Jahreshälfte in der Region Mopti mindestens 250 Zivilpersonen getötet. Zwischen dem 1. Oktober und dem 30. Dezember 2019 wurden 200 Zivilpersonen getötet, 96 verletzt und 90 entführt. Während dieses Zeitraums fanden mehr als 85 % der tödlichen Angriffe auf Zivilpersonen in der Region Mopti statt. 

Nach UN-Angaben wurden am 1. Januar 2019 insgesamt 37 Personen im Dorf Koulogon-Peul in der Region Mopti getötet. Am 23. März kamen mindestens 150 Menschen (hauptsächlich Angehörige der ethnischen Gruppe der Fulani) bei einem Überfall auf Ogossagou ums Leben, darunter Männer, Frauen und Kinder. Am 9. Juni wurden 35 Angehörige der ethnischen Gruppe der Dogón bei einem Angriff auf Sobane Da getötet. Unter ihnen befanden sich 22 Kinder unter 12 Jahren.

Angaben der Regierung zufolge kamen acht Tage später mindestens 38 Personen bei einem Überfall auf die beiden Dörfer Gangafani und Yoro im Koro-Distrikt zu Tode. Am 13. November entdeckten malische Soldaten 20 Leichen im Dorf Peh. Einige von ihnen waren in Brunnen geworfen worden. 

Bewaffnete Gruppen nahmen auch traditionelle und religiöse Führungspersonen und Griots (Geschichtenerzähler) ins Visier. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge wurde am 17. April 2019 der Dorfvorsteher (Chef de Village) von Pissa, einem Dorf im Kreis Bankass, von Unbekannten erschossen. Am 22. Juni töteten Unbekannte den Dorfvorsteher von Hombori, Nouhoum Bah Maiga, und am 19. Juli fiel der angesehene Griot Modi Djignandé (alias "Niappa") in Dialloubé einem von Unbekannten verübten Mordanschlag zum Opfer. 

Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte

Auch die malischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte verübten Menschenrechtsverletzungen. Die UN dokumentierten 17 Fälle außergerichtlicher Hinrichtungen durch die malischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte in mehreren Landesteilen, u. a. in Intahaka (Gao-Region) und Mondoro (Mopti-Region). Sie waren auch für mindestes vier Fälle von Folter und Misshandlungen verantwortlich. 
 

Justizsystem

Kampf gegen die Straflosigkeit

Am 24. Juli 2019 verkündete Präsident Keïta ein Gesetz über "Nationale Aussöhnung", das insbesondere Personen, die im Zusammenhang mit der "Krise, die 2012 begann", Verbrechen begangen haben oder mitschuldig an der Begehung von Verbrechen sind, von der Strafverfolgung ausnimmt, sofern es sich nicht um Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Vergewaltigungen und unverjährbare Straftaten handelt. Der unabhängige UN-Experte für die Menschenrechtssituation in Mali forderte zu einer Änderung des Gesetzes auf, das "viele Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen daran hindern könnte, ihre Rechte auf ein faires Verfahren und Gleichheit vor Gericht wahrzunehmen, Wiedergutmachung zu erhalten und die Wahrheit über die in der Vergangenheit verübten Menschenrechtsverletzungen zu erfahren". 

Am selben Tag verkündete Präsident Keïta ein weiteres Gesetz, das die Zuständigkeit der Juristischen Facheinheit zur Bekämpfung von Terrorismus und das transnationale organisierte Verbrechen (Pôle judiciaire spécialisé en matière de lutte contre le terrorisme et la criminalité transnationale organisée) auf Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausweitete.

Trotz der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und -verstöße, die seit 2012 verübt worden waren, fanden nur wenige Verfahren statt, und noch weniger führten zu Verurteilungen. Die Verfahren, die in den Jahren 2014 und 2015 gegen Mitglieder bewaffneter Gruppen wegen sexualisierter Gewalt eingeleitet wurden, befinden sich noch immer im Ermittlungsstadium. Der Prozess gegen General Amadou Haya Sanogo und andere wurde nach seiner Aussetzung im Dezember 2016 nicht wieder aufgenommen. General Sanogo wurde im Zusammenhang mit der Entführung und außergerichtlichen Hinrichtung von 21 Soldaten angeklagt. 

Internationale Strafverfolgung

Am 30. September 2019 bestätigte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) die Anklagen gegen Al Hassan Ag Abdoul Aziz Ag Mohamed Ag Mohamed Ag Mahmoud wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, einschließlich Folter, Vergewaltigung, Zwangsheirat und sexueller Versklavung. "Al Hassan", Mitglied der islamistischen Gruppe Ansar Eddine und zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Begehung der Verbrechen De-facto-Chef der Islamischen Polizei in Timbuktu, ist die zweite Person die sich vor dem IStGH wegen der in Mali verübten schweren Verbrechen verantworten muss.
 

Recht auf Versammlungsfreiheit

Am 5. April 2019 wurde in Bamako trotz eines von der Regierung erlassenen Verbots eine Demonstration durchgeführt, zu der religiöse Führungspersönlichkeiten aufgerufen hatten. Nach dem Anschlag auf das Radisson Blu Hotel im November 2015 war ein generelles Verbot von Protesten im Zentrum von Bamako erlassen worden. Das Verbot wurde im Oktober 2019 um ein weiteres Jahr verlängert. 
 

Recht auf Bildung

Seit Beginn des Konflikts bis Oktober 2019 wurden 1.051 Schulen wegen der angespannten Sicherheitslage und aufgrund von Drohungen, die die Lehrer_innen zum Verlassen der Schulen veranlassten, de facto geschlossen. 315.300 Kinder waren davon betroffen. Bewaffnete Gruppen nahmen weiterhin Schulen und Lehrer_innen ins Visier. Im Oktober berichteten lokale Medien über einen Angriff bewaffneter Gruppen auf mehrere Schulen in der Region Timbuktu. Ende Oktober gab die Regierung bekannt, dass am 25. Oktober fünf Lehrer_innen in Korientzé in der Region Mopti entführt und wenige Tage später wieder freigelassen worden seien. 

Verknüpfte Dokumente