Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Gesellschaftliche Wahrnehmung von Personen mit psychischen Erkrankungen; Stigmatisierung, schädigende Praktiken, religiöse Aspekte, Wunderheilung; Umgang von staatlichen Stellen/Institutionen mit psychischen Erkrankten, Diskriminierung [a-11251]

7. Mai 2020

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Allgemeiner Überblick: psychische Gesundheit in Afghanistan, gesellschaftliche Wahrnehmung und Deutungsmuster von psychischen Erkrankungen

Die international tätige Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) weist in einem Artikel vom Oktober 2019 darauf hin, dass Afghanistan vom gewaltsamen Konflikt verwüstet worden sei und hält fest, dass Schätzungen zufolge die Hälfte der Bevölkerung unter Depressionen, Angstzuständen oder posttraumatischem Stress leide, was katastrophale Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Menschen haben könne. Trotzdem gebe die Regierung nur etwa 0,26 US-Dollar (etwa 0,24 Euro, Anmerkung ACCORD) pro Kopf für psychische Gesundheit aus. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wären für ein für einkommensschwache Staaten wie Afghanistan angemessenes psychisches Gesundheitssystem Investitionen von 3 bis 4 US-Dollar (etwa 2,77 bis 3,70 Euro, Anmerkung ACCORD) pro Kopf erforderlich. Die internationalen Geldgeber hätten zwar stark in das Gesundheitssystem investiert, hätten jedoch ihre Aufmerksamkeit auf die physische und nicht auf die psychische Gesundheit gerichtet:

„Afghanistan has been devastated by violence, and it is estimated that half the population experiences depression, anxiety, or post-traumatic stress, which can have a disastrous impact on people’s mental health and the well-being of their relatives and friends. Despite this, the government only spends about US$0.26 per capita on mental health, out of $7spent annually per capita on health services in general. The World Health Organization says an appropriate mental health system in low-income countries such as Afghanistan would require an investment of $3 to $4 per capita. International donors have invested heavily in health services but focused their attention on physical, rather than mental health.” (HRW, 7. Oktober 2019a)

In einem anderen Artikel, ebenfalls vom Oktober 2019 schreibt HRW, dass dadurch, dass weite Teile des Landes mit bewaffneten Konflikten, einem schwachen Gesundheitssystem und einem Mangel an professionellen Gesundheits- und SozialarbeiterInnen konfrontiert seien, die Bedürfnisse der Bevölkerung an psychosozialen Dienstleistungen weitgehend nicht gedeckt seien. Besonders betroffen seien Menschen in ländlichen Gebieten, die etwa 75 Prozent der Bevölkerung ausmachen würden. Diskriminierende soziale Normen würden zusätzliche Barrieren für Frauen und Mädchen schaffen. Auch die Personalressourcen seien begrenzt. In ganz Afghanistan stehe laut Afghanistans nationaler Strategie für psychische Gesundheit für die Jahre 2019 bis 2023 lediglich ein psychosozialer Berater pro 46.000 Einwohner zur Verfügung. Dabei werde deren Kompetenz, eine erfolgreiche Therapie durchzuführen, durch ihre mangelnde Erfahrung und begrenzte Ausbildung beeinträchtigt. Laut WHO habe das Land nach eigenen Angaben nur etwa einen Psychiater pro 435.000 Einwohner und nur einen Psychologen pro 333.000 Einwohner. In öffentlichen psychiatrischen Einrichtungen würden nur 200 Betten zur Verfügung stehen, also ein Bett pro 172.500 Einwohner:

„With large parts of the country facing armed conflict, a weak health system, and a lack of professional health and social workers, mental health services are largely failing to meet the population’s needs. People in rural areas, about 75 percent of the population, are particularly affected. Discriminatory social norms create extra barriers for women and girls. […] Human resources available for mental health programming are also limited. Across Afghanistan, only one psychosocial counselor is available for every 46,000 people, according to Afghanistan’s National Strategy for Mental Health for 2019-2023. Their ability to conduct successful therapy is affected by their lack of experience and limited training. The WHO [World Health Organization] says the country has roughly only one psychiatrist for every 435,000 people and one psychologist for every 333,000 people. Only 200 beds are available in public mental health facilities, or one for every 172,500 Afghans.” (HRW, 7. Oktober 2019b)

Laut einem Eintrag auf der Website der WHO zur psychischen Gesundheit in Afghanistan vom April 2020 seien im Land nur 320 Spitalsbetten in öffentlichen und privaten Einrichtungen für Menschen mit psychischen Problemen verfügbar. Zwar gebe es eine hohe Anzahl an unter psychischen Gesundheitsproblemen leidenden Menschen im Land, jedoch seien die entsprechenden Leistungen für solche Personen beschränkt und von schlechter Qualität:

„Nationwide, only 320 hospital beds in the public and private sector are available for people suffering from mental health problems. […] Despite the high number of people suffering from mental health problems in the country, the mental health services available are limited and of low quality.” (WHO, 23. April 2020)

HRW schreibt im Oktober 2019, dass nur wenige AfghanInnen, die angeben würden, psychologische Auswirkungen des Konflikts zu spüren, professionelle psychiatrische Dienste in Anspruch nehmen würden. Eine von der Europäischen Union im Jahr 2018 in Auftrag gegebene landesweite Umfrage zur psychischen Gesundheit habe ergeben, dass 88 Prozent aller Befragten, von denen die Hälfte psychosoziale Stresssituationen erlebt hätten, nie psychosoziale Hilfe in Anspruch genommen hätten. Von den 12 Prozent, die Hilfe in Anspruch genommen hätten, hätten 47 Prozent angegeben, dass sie einen Arzt konsultiert hätten, 36 Prozent hätten sich an in der jeweiligen Gemeinde tätige SozialarbeiterInnen aus dem Gesundheitsbereich („community health workers“) gewandt und 17 hätten einen Imam konsultiert:

„[F]ew Afghans who describe experiencing the psychological impact of the conflict will seek professional mental health services. A 2018 EU-commissioned nationwide mental health survey found that 88 percent of the total respondents, half of whom had experienced psychosocial distress, never sought mental health assistance. Of the 12 percent who sought assistance, 47 percent said they consulted a doctor, 36 percent went to see community health workers, and 17 consulted an imam (prayer leader in a mosque).” (HRW, 7. Oktober 2019b)

Die afghanische Online-Zeitung Khaama Press hält in einem Artikel vom März 2019 fest, dass Leistungen für psychisch Kranke in Afghanistan so gut wie nicht existent seien, und dass es im Land kaum heimische Kapazitäten zur Prävention oder Behandlung psychischer Erkrankungen gebe, was eine bemerkenswerte Schwäche der afghanischen Gesundheitspolitik darstelle. Gleichzeitig würden psychische Störungen zu den am meisten missverstandenen Leiden in der afghanischen Gesellschaft gehören. Traditionelle medizinische Praktiken und irrationale Überzeugungen würden dominieren. In den meisten Fällen würden psychisch Kranke von Mullahs behandelt werden, und in ernsten Fällen würden sie in ein traditionelles Heilzentrum gebracht:

„Mental health services are almost non-existent and there is little domestic capacity to prevent or treat mental illness in Afghanistan; this is a remarkable weakness in the health policy of the Ministry of Public Health in Afghanistan. On the other hand, mental disorders are one of the most misunderstood afflictions in Afghan society as they are exclusively tied to traditional medicine practices and irrational beliefs. In most cases, people who are mentally ill are treated by mullahs and, in severe cases, they are brought to traditional healing centers.” (Khaama Press, 10. März 2019)

The National, eine englischsprachige Tageszeitung aus Abu Dhabi erwähnt in einem Artikel vom Juli 2019, dass Dienstleistungen für psychisch Kranke rar seien und dass es eine Ausnahme darstelle, wenn jemand solche Dienste in Anspruch nehmen würde. Das Aufsuchen solcher Dienste sei in einer konservativen Gesellschaft, in der die Familienehre an erster Stelle stehe und persönliche Probleme nicht diskutiert würden, verpönt.

„Afghan housewife Farida suffered in silence for years as her husband repeatedly beat and raped her. One day last year, she decided she could bear it no longer. ‘I climbed up to our roof to jump down and kill myself,’ Farida recalled, sitting in the living room of her two-storey home in Herat, a cup of green tea in her hand. Ascending the ladder, one slow step at a time, it was the image of her six children that eventually held her back. Now, it is talking to her psychologist that helps her to keep going through life, she said. But Farida is an exception in Afghanistan, where mental health services are scarce and seeking help can be frowned upon in a conservative society where family honour is paramount and personal problems are not discussed.” (The National, 2. Juli 2019)

Zum Thema Frauen und psychische Gesundheit in Afghanistan hält Khaama Press fest, dass Depressionen und Angststörungen unter afghanischen Frauen weit verbreitet seien. Kriegstraumata, Früh- und Zwangsehen, häusliche Gewalt, sexueller Missbrauch, traditionelle schädliche Praktiken und kulturelle Einschränkungen sozialer Aktivitäten seien alles Faktoren, die den Anteil afghanischer Frauen mit psychischen Gesundheitsproblemen in die Höhe treiben würden:

„Depression and anxiety disorders are prevalent among Afghan women.  Traumas of war, early and forced marriages, domestic violence, sexual abuse, traditional harmful practices, and cultural restrictions imposed on social activities are all factors that increase the rate of mental health problems among Afghan women.” (Khaama Press, 10. März 2019)

Stigmatisierung durch die Gesellschaft (bis hin zu "Sanktionen"), schädigende Praktiken, Selbstmorde, Wunderheiler, religiöse Aspekte, Unterlassung von Hilfeleistung

Khaama Press hält in dem bereits erwähnten Artikel vom März 2019 fest, dass das weit verbreitete Stigma, das mit psychischen Störungen verbunden sei, die Weiterentwicklung und Umsetzung einer psychische Erkrankungen betreffenden Gesundheitspolitik gefährde. Stigmatisierung und Diskriminierung seien Barrieren, die Interventionen zur Behandlung der Betroffenen erschweren würden, insbesondere treffe dies auf die ländlichen Gebiete Afghanistans zu. Khaama Press erwähnt weiters, dass es in Afghanistan einige kulturelle und soziale Barrieren gebe, die den meisten Opfern den Zugang zu psychosozialen Diensten verwehren würden, wie z.B. das Unvermögen, für die Behandlung zu bezahlen, mangelnde Unterstützung durch Familienmitglieder und Freunde sowie Selbststigmatisierung aufgrund der negativen und falschen Vorstellungen über psychische Erkrankungen:

 „The widespread stigma tied to mental disorders jeopardizes the development and implementation of mental health policy. Stigmas and discrimination are barriers that make intervention for treatment difficult, especially in rural areas of Afghanistan.” (Khaama Press, 10. März 2019)

„There are some cultural and social barriers that deny most victims access to mental health services, such as inability to pay for treatment, lack of support from family members and friends, and self-stigmatization due to people’s negative and inaccurate believes about mental illnesses.” (Khaama Press, 10. März 2019)

Die WHO schreibt im April 2020 auf ihrer Website, dass Menschen mit psychischen Störungen Stigma und Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt seien. Auch Gesundheitsdienstleister würden berichten, davon betroffen zu sein:

„People with mental health and substance abuse disorders are not the only ones who experience stigma and human rights violations: mental health care providers in the formal and informal sectors also report this.” (WHO, 23. April 2020)

Zum Thema Frauen findet sich in einem Artikel der in den USA erscheinenden Zeitschrift Foreign Policy (FP) vom September 2019 die Information, dass die Unabhängige Afghanische Menschenrechtskommission im vergangenen Jahr berichtet hätte, dass jedes Jahr etwa 3.000 AfghanInnen einen Selbstmordversuch unternehmen würden. 80 Prozent dieser Selbstmordversuche würden dabei von Frauen unternommen werden. In der stark patriarchalisch geprägten Gesellschaft des Landes seien Frauen und Mädchen mit den extremsten Bedingungen konfrontiert und würden nur über begrenzte Unterstützungs- und Behandlungsmöglichkeiten verfügen. Erzwungene Kinderheirat, häusliche Gewalt und sozialer Druck seien nur einige der Hindernisse, mit denen sie konfrontiert seien. Da psychische Gesundheitsversorgung und Selbstmord in Afghanistan extrem stigmatisiert seien, würden viele Selbstmordversuche und schwere psychische Krisen nicht gemeldet werden:

„The Afghan Independent Human Rights Commission reported last year that some 3,000 Afghans attempt suicide every year—and women make 80 percent of those attempts. In the country’s highly fixed patriarchal society, women and girls face the most extreme conditions and have limited resources for assistance and treatment. Forced child marriage, domestic abuse, and social pressures are only a few of the obstacles they face. Since mental health care and suicide are extremely stigmatized in Afghanistan, many suicide attempts and severe mental health crises go unreported.” (FP, 27. September 2019)

Im Artikel von HRW vom Oktober 2019 findet sich die Information, dass sich Frauen und Mädchen bemerkenswerten Schwierigkeiten gegenübersehen würden, da ihre Bewegungsfreiheit oft unverhältnismäßig stark von der schlechten Sicherheitslage im Land betroffen sei. Auch die Ungleichheit der Geschlechter und diskriminierende soziale Normen würden große Barrieren für Frauen und Mädchen schaffen. Ihr Zugang zu Gesundheitsdiensten werde oft von männlichen Haushaltsmitgliedern bestimmt und könne von der Verfügbarkeit geschlechtergetrennter Dienste mit weiblichem Personal und einer getrennten Infrastruktur wie getrennten Eingängen und eigenen Wartebereichen für Frauen abhängig sein:

„Women and girls face notable difficulties since their freedom of movement is often disproportionately affected by insecurity. Gender inequality and discriminatory social norms also create major barriers for women and girls. Their access to health services is often determined by male members of their household and may be conditioned on the availability of segregated services with female staff and segregated infrastructure, such as separate gates and waiting areas.” (HRW, 7. Oktober 2019b)

In einer im medizinischen Journal Transcultural Psychiatry im Februar 2013 veröffentlichten Studie der AutorInnen Jean-Francois Trani und Parul Bakhshi von der Washington University in St. Louis zum Thema Vulnerabilität und psychische Gesundheit in Afghanistan finden sich folgende Informationen zur Behandlung von Menschen mit Beeinträchtigungen: Soziale Ausgrenzung sei das häufigste Schicksal von Personen mit angeborener Beeinträchtigung, einer sogenannten „Mayub“. In dem Begriff Mayub würde das Vorliegen von unerklärten religiösen und übernatürlichen Ursachen für die Beeinträchtigung mitschwingen, wie etwa „Gottes Wille, Geister, Dschinn (übernatürliche Wesen, Anmerkung ACCORD), schwarze Magie, Schicksal“. Im Gegensatz dazu könnten ''erworbene'' Formen der Beeinträchtigung („Malul“ genannt) auf einen konkreten Vorfall zurückgeführt werden (z.B. Kriegsverletzung, Arbeitsunfall etc.). Diese Unterscheidung zwischen Mayub und Malul beeinflusse alle Lebensbereiche: soziale Akzeptanz und Selbstachtung, Integration in Bildung, Zugang zu Beschäftigung sowie Ehe. Mayub würden systematisch ausgestoßen, da ihre Beeinträchtigung als schicksalshaft gelten würde und die Gesellschaft sie infolgedessen dafür verantwortlich mache. Soziale Feindseligkeit äußere sich in verbalen Beschimpfungen: Mayub würden als "nicht gesund" oder "halb menschlich" angesehen. Feindseligkeit und Scham würden wiederum zu weiterer Isolation führen. Mütter hätten zum Beispiel Angst, dass ihre beeinträchtigten Kinder in der Schule misshandelt werden könnten. Menschen mit jeglicher Art von psychischer Erkrankung, von Geisteskrankheit bis hin zu Depressionen würden mit dem umgangssprachlichen Begriff Dewana bezeichnet, was übersetzt bedeute, dass etwas im Zusammenhang „mit dem Geist falsch sei“. Ein mangelndes Verständnis dieser unterschiedlichen Zustände und die mangelnde Fähigkeit, mit Menschen mit einer psychischen Erkrankung umzugehen, führe zu Vorurteilen und in der Folge zu Ausgrenzung und Marginalisierung:

„Social exclusion is most commonly the fate of persons who were born with impairment: the mayub. The term itself also evokes religious and supernatural causes that are unexplained (God’s will, spirits, jinns, black magic, destiny, etc.), in contrast to ‘acquired’ forms of impairment (malul) that can be traced to an identified incident (war injury, work accident, etc.). This distinction between mayub and malul inuences all spheres of life: social acceptance and self-esteem, integration into education, access to employment, as well as marriage. Mayub are systematically cast out as their impairment is considered linked to fate and as a result society holds them responsible for it. Social hostility translates into use of verbal abuse: mayub seen as ‘unhealthy’ or ‘half human.’ Hostility and shame lead to more isolation. For instance, mothers are afraid their disabled children would be mistreated at school. People with any kind of learning or mental condition, from mental illness to depression, and people with hearing impairment as well, are designated with the colloquial term of dewana, which translates as having something wrong related to the mind (asab). Lack of understanding of these different conditions and the lack of ability to deal with people with a mental condition leads to prejudice and as a result exclusion and marginalisation.” (Trani/Bakhshi, Februar 2013, S. 111-112)

Khaama Press schreibt im bereits erwähnten Artikel vom März 2019, dass psychisch kranke Personen in den meisten Fällen von Mullahs behandelt und in schweren Fällen in traditionelle Heilzentren gebracht würden. Es gebe einen berühmten Schrein namens Mia Ali in der Stadt Dschalalabad, die im Osten Afghanistans liege. Menschen würden dort Familienmitglieder hinbringen, denen es geistig nicht gut gehe, da sie glauben würden, dass psychische Gesundheitsprobleme durch eine am Schrein durchgestandene schwere Qual geheilt werden könnten. Diese traditionellen Heilszentren würden über keine Einrichtungen wie etwa Toiletten verfügen. Kranke Menschen seien an diesen heiligen Stätten tage- oder sogar monatelang angekettet:

„[M]ental disorders are one of the most misunderstood afflictions in Afghan society as they are exclusively tied to traditional medicine practices and irrational beliefs. In most cases, people who are mentally ill are treated by mullahs and, in severe cases, they are brought to traditional healing centers. There is a famous shrine called Mia Ali in Jalalabad city, located in eastern Afghanistan. People take family members who are not mentally well there as they believe that mental health problems can be cured by stern ordeal at the shrine. These traditional healing centers do not have facilities—not even the very basic requirements for defecating. Ill individuals are chained within these shrines for days, and even months.” (Khaama Press, 10. März 2019)

Die britische Tageszeitung The Telegraph berichtet in einem Artikel vom Oktober 2019 über eine traditionelle Einrichtung zur Behandlung von psychischen Erkrankungen in Samarkhel, einem Dorf in der Provinz Nangarhar, wo sich ein Schrein namens Mia Ali Sahib befinde. Für eine tägliche Gebühr von 250 pakistanischen Rupien (etwa 1,44 Euro, Anmerkung ACCORD) würden die psychisch kranken Personen in unmittelbarer Nähe des Schreins festgekettet und erst nach 40 Tagen wieder befreit und entlassen:

„In a dusty graveyard behind nameless tombstones, six men sit with their hands and feet chained to trees, the heavy locks leaving marks and bruises on their skin. Here, at Mia Ali Sahib shrine in Samarkhel, a village in Afghanistan’s eastern Nangarhar province, Shafirkullah Mia, 45, says he has ‘cured‘ more than 600 people over the past decade. The century-old tradition has families from all over Afghanistan – and even neighbouring Pakistan – bring people struggling with mental illnesses to the shrine, believing that they will be healed after restraining them for 40 days and giving them only dry bread, salt, pepper and water to eat and drink. Considered a holy site, people pay a daily fee of 250 Pakistani rupees (£1.30) per person – the currency predominantly used in Nangarhar due to its close proximity and strong trade links to Pakistan – to have their ill family members treated, believing that Mia Ali Sahib, a ‘local saint and good, influential leader‘ buried in the graveyard, continues to spread his supernatural healing powers. Shafirkullah Mia, who previously worked as a baggage loader at Jalalabad airport, about an hour’s drive west from Samarkhel, says that he has received no formal training to treat his ‘patients‘. ‘I’m a descendant of Sahib and our family is famous in all of Afghanistan because we continue to be able to treat severe cases of mental illness, ‘ he explains, while catering to the six men. ‘Sometimes we have more patients, other times less, but people keep coming, even women. They trust me because of my family lineage – it doesn’t require me to learn about my job because I’m a relative of Sahib’s. ‘ […] The area behind the graves sits in the shade of trees and smells of urine and unwashed clothes. While all of them sleep on the floor outside during the hot summer months, small cave-like rooms, empty and built out of brick, provide shelter during cooler, rainier winters. The chains are never taken off during their 40-day stay. […] Shafirkullah Mia sits with his ‘patients‘ all day and even sleeps there at night - some of whom have come from far away provinces. ‘They are not supposed to talk to each other, so when they do, I yell at them, or I hit them, ‘ he says. After 40 days, most men leave quietly, broken. The practise of chaining people in health facilities was only abolished across Afghanistan in 2008, with Mia Ali Sahib shrine being one of the last places to continue with the method. This however still means that hundreds of people are victim to it each year. ‘It’s a religious place and people believe that the dead can perform supernatural wonders, ‘ explains psychiatrist Dr. Bashir Ahmad Sarwari, Director of the Department of Mental Health at Afghanistan’s Ministry of Public Health. […] ‘In rural areas, many still believe in ghosts and jinns. Our culture has to adapt in order to prevent practises such as restraining people, ‘ she says. ‘It’s dangerous, ‘ [Lyla] Schwartz [psychologist and researcher] says. ‘Going through something so extreme can prevent the hippocampus – the part of the brain which stores memories – from forming new neurones due to high levels of stress, which can cause memory loss and affect the ability to regulate feelings.’” (The Telegraph, 22. Oktober 2019)

In einem beim Springer-Verlag erschienenen Buch zu Jugend und psychischer Gesundheit mit Beiträgen zu unterschiedlichen Ländern findet sich auch ein Beitrag zu den psychischen Auswirkungen von Pädophilie auf afghanische Buben (AutorInnen: Soheila Pashang, Sharifa Sharif, et al.). Darin wird unter Verweis auf verschiedene, zum Teil ältere Quellen festgehalten, dass viele AfghanInnen etwaige mit psychischen Erkrankungen zusammenhängende Probleme angehen würden, indem sie mit Familienmitgliedern sprechen würden, oder beten würden, oder indem sie sich bei religiösen Führern oder traditionellen Heilern in Behandlung begeben würden. Es werde angenommen, dass psychische Gesundheitsprobleme durch böse Geister oder durch Dschinn, durch Hexerei oder den bösen Blick verursacht würden, die durch Heirat oder 40-tägige Kräuterbehandlungen und eingeschränkte Diäten vertrieben werden müssten. In schweren Fällen würden Familien ihre Angehörigen in Zentren und heilige Stätten in ländlichen Gebieten führen, wo Menschen an Mauern oder Bäume gekettet würden. Der jahrzehntelange bewaffnete Konflikt habe jedoch dazu geführt, dass sogar die Dienste dieser traditionellen Heilungszentren eingeschränkt hätten werden müssen, bzw. dass die Kontinuität der Dienste unterbrochen hätte werden müssen.

Die begrenzt verfügbaren psychischen Versorgungseinrichtungen in den Krankenhäusern Afghanistans würden dem traditionellen Versorgungsmodell folgen („follow the traditional model of care“), das Personal sei in Bezug auf posttraumatische Belastungsstörungen (PTSD) nur begrenzt geschult:

„Traditionally, many Afghans address their mental health related issues by approaching family members or through prayer or reliance on religious leaders and traditional healers for treatment (Bolton & Betancourt, 2004; Damsleth, 2003; van de Put, 2002; WHO, 2005). Mental health problems are believed to be caused by bad spirits or ‘Jinns,’ witchcraft, or the evil eye, which must be driven away through marriage or 40-day treatments of herbs and restricted diets (Damsleth, 2003; Reed et al., 2014; van de Put, 2002). In severe cases, families take their loved ones to centers and shrines located in rural area with little resources where individuals are chained to wall or trees (Damsleth, 2003; van de Put, 2002). However, decades of war and conflict have even limited the services of traditional healing centers or have interrupted their continuity of care (van de Put, 2002). The limited mental health care facilities in hospitals follow the traditional model of care, with staff having limited training in post-traumatic stress disorder (PTSD).” (Pashang/Sharif/et al., 2018, S. 47)

Canadian Women for Women in Afghanistan, eine kanadische nicht profitorientierte Organisation, die sich nach eigenen Angaben für afghanische Frauen und deren Familien einsetzt, schreibt in einem auf ihrer Website veröffentlichten undatierten Artikel, dass in Afghanistan das Thema psychische Erkrankungen wie in den meisten Gesellschaften häufig falsch verstanden werde und die Erkrankungen stigmatisiert seien, was den Zugang zu Behandlung und Unterstützung für Menschen mit psychischen Erkrankungen noch schwieriger mache. Inmitten einer unregulierten pharmazeutischen Industrie würde diese Situation zu Selbstmedikationen führen, was wiederum eine hohe Abhängigkeitsrate von angstlösenden Medikamenten wie Benzodiazepinen, sowie auch von illegalen Drogen wie Opium und Heroin zur Folge habe:

„In Afghanistan, mental illness is often misunderstood and stigmatized, as it is in most societies, making it even more difficult for people living with mental illness to access treatment and support. Self-medicating amidst an unregulated pharmaceuticals industry has led to high rates of addiction to anti-anxiety drugs such as benzodiazepines, as well as illegal drugs like opium and heroin.” (Canadian Women for Women in Afghanistan, ohne Datum, S. 1-2)

Umgang von Institutionen/staatlichen Stellen, Diskriminierung bis hin zu Stigmatisierung im Gesundheitswesen und durch staatliche Akteure

Im Artikel von HRW vom Oktober 2019 findet sich die Information, dass die Regierung in den letzten 15 Jahren (vor Veröffentlichung des Artikels) etwa 750 psychosoziale BeraterInnen ausgebildet habe, die grundlegende psychosoziale Beratung anbieten würden und Überweisungen von PatientInnen zur Behandlung erleichtern könnten. Doch weniger als 10 Prozent der Bevölkerung würden diese Dienste in Anspruch nehmen. Personen, die sie in Anspruch nehmen würden, könne passieren, dass sie Missbrauch ausgesetzt würden, wie etwa in Form von Zwangseinweisungen oder Zwangsbehandlungen:

„Over the past 15 years, the government has trained roughly 750 psychosocial counsellors who can provide basic mental health counselling and facilitate referrals. But less than 10 percent of the population is using these services. Those who do use them can suffer abuse, such as forced hospitalizations and treatments.” (HRW, 7. Oktober 2019a)

In einem Artikel der US-amerikanischen Medienorganisation NPR (National Public Radio) vom Februar 2018, der vorwiegend auf den Recherchen einer BBC-Reporterin basiert, wird über eine in der Stadt Herat befindliche psychiatrische Einrichtung namens „Red Crescent Secure Psychiatric Institution“ berichtet. Laut Artikel handle es sich dabei um die einzige psychiatrische Hochsicherheitseinrichtung des Landes, sie werde von der Organisation Roter Halbmond betrieben. Laut der BBC-Reporterin Sahar Zand würden sich darin die „300 gefährlichsten PatientInnen“ des Landes befinden. PatientInnen würden dort laut dem Artikel häufig angekettet oder sediert werden. Laut Zand würden einige Menschen dort angeben, dass sie „gar nicht hier sein sollten“, dass sie aber bleiben würden, weil es außerhalb der Einrichtung einen Mangel an ambulanter Versorgung für psychisch Kranke gebe. Es sei schwierig in diesem Krankenhaus angenommen zu werden, aber noch schwieriger sei es, wieder herauszukommen. Viele PatientInnen würden im Krankenhaus festsitzen, weil ihre Familie entweder in dem Konflikt getötet worden oder in Nachbarländer ausgewandert seien. Laut Zand seien einige der dort lebenden PatientInnen in Wahrheit bereits geheilt. Solange sie ihre Medikamente nehmen würden, würden sie keine Bedrohung mehr für die Gesellschaft darstellen. Aber damit diese PatientInnen entlassen werden könnten, müsse jemand kommen und sie abholen. Infolgedessen würden PatientInnen mit schweren psychischen Problemen wie Psychosen, Schizophrenie und posttraumatischen Belastungsstörungen, die außerhalb des Krankenhauses „aufblühen könnten“, im Grunde für immer „dort festsitzen", so Zand. Unter den PatientInnen würden sich ehemalige Terroristen, Kämpfer und andere Personen befinden, die Familienmitglieder in dem Konflikt verloren hätten. Die meisten von ihnen würden sich als direkte Folge des Krieges im Krankenhaus befinden. In einem Hof der Einrichtung habe Zand zwei Männer gesehen, die aneinander gekettet gewesen seien: ein ehemaliger Taliban-Kämpfer und „sein Feind“, ein ehemaliger Mudschahedin. Die beiden Männer „seien durch ihre Krankheiten miteinander verbunden“, so Zand:

„Afghanistan has only one high-security psychiatric facility, where many of the patients are often chained and sedated. The Red Crescent Secure Psychiatric Institution houses almost 300 patients considered to be the ‘most dangerous,’ says Sahar Zand, a reporter for the BBC who reported from the facility in Herat, the third-largest city in the country. […] Some people in the Red Crescent psychiatric hospital say they shouldn't even be there, Zand says, but because there is a lack of adequate outpatient mental health services, they remain. […] It's hard to be accepted into the hospital, but it's even harder to get out once patients receive sufficient treatment, Zand says. Many patients are stuck in the hospital because their family was either killed in the conflict or migrated to neighboring countries, such as Iraq and Pakistan. […] ‘Even thinking about it now — it still sends shivers down my spine — is the fact that some of the patients in there are actually cured,’ Zand says. ‘As long as they take their medication, they would no longer be a threat to the society. ... But for these patients to get discharged, somebody needs to come and pick them up.’ […] As a result, patients with severe psychological problems, such as psychosis, schizophrenia and post-traumatic stress disorder, who could thrive outside of the hospital, are ‘basically stuck in there forever,’ she says. Among the patients are former terrorists, militants and others who lost family members in the conflict, Zand says. They come from all different walks of life, but most of them are in the hospital as a direct result of the war. In an outdoor courtyard, Zand met two men who were chained together: a former Taliban fighter and his enemy, a former mujahideen. The two men are bound together by their illnesses, she says.” (NPR, 14. Februar 2018)

Der Artikel verweist auf einen Podcast des britischen Senders BBC, der einen weiteren Einblick zu dieser Einrichtung gibt und unter folgendem Link abgerufen werden kann:

·      BBC News: Madness of War, 11. Februar 2018
https://www.bbc.co.uk/programmes/w3csvp02

 

Das Afghanistan Analysts Network (AAN), eine unabhängige, gemeinnützige Forschungsorganisation mit Hauptsitz in Kabul, die Analysen zu politischen Themen in Afghanistan und der umliegenden Region erstellt, sendet im Mai 2020 auf eine Anfrage von ACCORD zu der oben erwähnten Einrichtung Red Crescent Secure Psychiatric Institution einige relevante Informationen. AAN habe mit vier Quellen über die Einrichtung gesprochen - mit einem in Herat stationierten Psychiater, einem ebenfalls in Herat stationierten klinischen Psychologen, einem kürzlich diplomierten klinischen Psychologen und einem Mitarbeiter der Provinzdirektion für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte. Alle seien sich einig gewesen, dass diese Einrichtung (noch) existiere und weiterhin in Betrieb sei. Tatsächlich existiere die Einrichtung seit etwa drei Jahrzehnten. Gemäß den Erhebungen von AAN seien die Arbeitsbedingungen dort sehr schlecht. Zur Veranschaulichung dessen habe er zwei Gespräche niedergeschrieben (siehe Originaltext, Anmerkung ACCORD).

In den Aufzeichnungen von AAN zum Gespräch mit dem Psychiater finden sich unter anderem die Informationen, dass man laut dem Psychiater diese Einrichtung weder „Krankenhaus“ noch „Institution“ nennen könne, es handle sich dabei einfach um einen Ort an dem etwa 300 psychisch Kranke aus unterschiedlichen Gebieten Afghanistans untergebracht seien. Für all diese Menschen gebe es lediglich einen Psychiater und zwei bis drei KrankenpflegerInnen. Die Einrichtung stehe nicht unter der Aufsicht des Gesundheitsministeriums sondern werde vom Afghanischen Roten Halbmond geleitet. Der Psychiater habe weiters angegeben, dass er dort PatientInnen gesehen habe, die angekettet gewesen seien, wobei er zuletzt im Jahr 2017 in dieser Einrichtung gewesen sei.

In den Aufzeichnungen von AAN zum Gespräch mit dem kürzlich diplomierten klinischen Psychologen findet sich unter anderem die Information, dass sich bei dessen Besuch im Jahr 2017 oder 2018 die - offensichtlich zum Roten Halbmond gehörenden - MitarbeiterInnen der Einrichtung über einen Mangel an finanziellen Mitteln sowie über zu niedrige Gehälter beklagt hätten. (Weitere Details finden sich im folgenden Originaltext):

„I spoke to four sources (one local psychiatrist, one local clinical psychologist, one recent clinical psychology graduate and one employee in the provincial directorate of labour, social affairs, martyrs and disabled) and they all agreed that this place (still) exists and continues to operate. In fact, this place has existed for around three decades. Unfortunately, I didn’t go and check it for myself because of coronavirus-related concerns. […] How their working conditions are […] Very bad. To illustrate the above, here are two conversations which I’ve written down:

A local psychiatrist

The place is in the south of the city. We can’t call it a hospital or an institution. It’s just a place that houses 300 or so mentally-ill people from different parts of Afghanistan. They suffer from schizophrenia or other severe mental disorders. For these many people, there’s just one psychiatrist and two, three nurses. The place isn’t under the Ministry of Public Health (MoPH). It’s under the Afghan Red Crescent Society. It’s a timarestan (lunatic place) or diwana khana (madhouse). [Another person I spoke to called it dar ul-majanin (house of crazy people)]. Ive seen patients who were chained. Its very crowded. Its like half a jerib (1 jerib = 2000 m2 = 1/5 hectare) for 300 or so people. The whole place smells very bad. Theres no filing system for those kept in there. I’ve myself come across cases where the inmates suffered from epilepsy and not schizophrenia and since they had no family members, they were held there like prisoners with no way out. The last time I visited the place was in 2017. I remember that the place was created in the early 1990s when Ismail Khan first became governor of Herat, then the emir (ruler). He told the Red Crescent to round up mentally-ill people and put them in that place. Its remained so since then. Theres been no change. No decision has since been made to turn it into a psychiatric hospital or institution. The management of the place has also been close to Ismail Khan, including now. There’s little service and it’s of very poor quality. The International Assistance Mission [an international NGO that also has a presence in Herat city] wanted to secure funding for a technical support project to provide psychiatrists and psychiatric nurses in 2019 but it wasn’t able to find funding. My colleagues and I have raised these problems with the Kabul-level MoPH official in charge of mental health but he told us that until that place doesn’t come under the MoPH, they can’t do anything about it. There’s a psychiatric hospital in Kabul city but not in Herat. In a psychiatric hospital, there are services. But in this place in Herat there’s very little service. It’s not a psychiatric hospital. Nor is it an institution.

A recent graduate of clinical psychology from a private institute of higher education

A teacher of ours took us to this place a couple of years ago, 2017 or 2018. It wasn’t a proper place. It was an old house/compound. The rooms were dilapidated and there was a bad smell, most pungently of urine. I wasn’t able to stay long in any of the rooms we went in. A classmate whom I think was pregnant then even vomited. The toilets were worse. The courtyard was also odorous and filthy, and this was felt by the smell coming from the clothes hanging on some ropes. The people held there had serious mental conditions, the staff told us. We weren’t allowed to see some rooms because they told us the people held there were dangerous. I saw people were tied. I saw men and also some women, including one with her children. Outside, the staff talked to us for a while. They complained about lack of funding and low salaries. They asked us to talk to anyone or any institutions we know for financial and other support. They were Red Crescent people. I know this from the Red Crescent insignia on their vehicles. I haven't visited this place again.” (AAN, 6. Mai 2020)

Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) hält in seinem Bericht zur Menschenrechtslage vom März 2020 (Berichtszeitraum 2019) allgemein zur Diskriminierung von beeinträchtigten Personen in Afghanistan fest, dass die Verfassung jede Art der Diskriminierung von Bürgern verbiete und den Staat verpflichte, Menschen mit Behinderungen zu unterstützen und ihre Rechte zu schützen, einschließlich des Rechts auf Gesundheitsversorgung und finanziellen Schutz. Die Verfassung verpflichte den Staat auch, Maßnahmen zur Wiedereingliederung und zur aktiven Teilnahmemöglichkeit von Menschen mit Behinderungen an der Gesellschaft zu ergreifen. Das Gesetz sehe gleiche Rechte und die aktive Teilnahme dieser Menschen an der Gesellschaft vor. Beobachter hätten berichtet, dass sowohl die Verfassungsbestimmungen als auch die Gesetze über die Rechte von Menschen mit Behinderungen weitgehend ignoriert und nicht durchgesetzt worden seien. Menschen mit Behinderungen seien im Beobachtungszeitraum mit Barrieren konfrontiert gewesen, wie z.B. dem eingeschränktem Zugang zu Bildungsmöglichkeiten, der Unmöglichkeit, Zugang zu Regierungsgebäuden zu erhalten, dem Mangel an wirtschaftlicher Teilhabe und der sozialen Ausgrenzung aufgrund von Stigmatisierung:

„The constitution prohibits any kind of discrimination against citizens and requires the state to assist persons with disabilities and to protect their rights, including the rights to health care and financial protection. The constitution also requires the state to adopt measures to reintegrate and provide for the active participation in society of persons with disabilities. The law provides for equal rights to, and the active participation of, such persons in society. Observers reported that both the constitutional provisions and disabilities rights law are mostly ignored and unenforced. Persons with disabilities faced barriers such as limited access to educational opportunities, inability to access government buildings, lack of economic opportunities, and social exclusion due to stigma.” (USDOS, 11. März 2020, Section 6)

Einige weitere, ältere Informationen zur Lage von behinderten Personen finden sich in der ACCORD-Anfragebeantwortung vom März 2018 zur Lage von Behinderten, die unter folgendem Link abgerufen werden kann:

·      ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Informationen zur Lage von Behinderten [a-10528], 30. März 2018
https://www.ecoi.net/en/document/1429056.html

Eine immer wieder aktualisierte Liste von Artikeln zu psychischer Gesundheit in Afghanistan findet sich auf der Website der Organisation Peace of Mind Afghanistan (POMA), die von Psychologin und Rechercheurin Lyla Schwartz gegründet wurde:

·      POMA - Peace of Mind Afghanistan – Website, ohne Datum
https://poma.af/press/

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 7. Mai 2020)

·      AAN – Afghanistan Analysts Network: Auskunft per Email, 6. Mai 2020

·      ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Informationen zur Lage von Behinderten [a-10528], 30. März 2018
https://www.ecoi.net/en/document/1429056.html

·      BBC News: Madness of War, 11. Februar 2018
https://www.bbc.co.uk/programmes/w3csvp02

·      Canadian Women for Women in Afghanistan: Women & Mental Health

in Afghanistan, ohne Datum
https://www.cw4wafghan.ca/sites/default/files/attachments/pages/3.1_women-and-mental-health.pdf

·      FP - Foreign Policy: Endless Conflict in Afghanistan Is Driving a Mental Health Crisis, 27. September 2019
https://foreignpolicy.com/2019/09/27/endless-conflict-in-afghanistan-is-driving-a-mental-health-crisis/

HRW – Human Rights Watch: Afghanistan’s Silent Mental Health Crisis, 7. Oktober 2019a
https://www.hrw.org/news/2019/10/07/afghanistans-silent-mental-health-crisis

·      HRW – Human Rights Watch: Afghanistan: Little Help for Conflict-Linked Trauma, 7. Oktober 2019b
https://www.hrw.org/news/2019/10/07/afghanistan-little-help-conflict-linked-trauma

·      Khaama Press: Stigma and Taboos: The absence of mental health awareness in Afghanistan, 10. März 2019
https://www.khaama.com/stigma-and-taboos-the-absence-of-mental-health-awareness-in-afghanistan-87654/

·      NPR: Afghanistan's Lone Psychiatric Hospital Reveals Mental Health Crisis Fueled By War, 14. Februar 2018
https://www.npr.org/2018/02/14/585494599/afghanistans-lone-psychiatric-hospital-reveals-mental-health-crisis-fueled-by-wa?t=1587982011611

·      Pashang, Soheila; Sharif Sharifa; et al.: Dancing Bodies, Flying Souls: The Mental Health Impacts of Pedophilia Inflicted on Afghan Boys in Afghanistan. In: Pashang, Soheila; Khanlou, Nazilla: Today’s Youth and Mental Health, 2018
https://books.google.at/books?id=Yb9ODwAAQBAJ&pg=PA47&dq=afghanistan+(%22mental+health%22+OR+%22mental+ill%22)+(superstition+OR+%22traditional+healing%22+OR+%22harmful+practices%22)&hl=en&sa=X&ved=0ahUKEwjc6frA9oDpAhV5SBUIHRneAl4Q6AEIJzAA#v=onepage&q=afghanistan%20(%22mental%20health%22%20OR%20%22mental%20ill%22)%20(superstition%20OR%20%22traditional%20healing%22%20OR%20%22harmful%20practices%22)&f=false

·      POMA - Peace of Mind Afghanistan – Website, ohne Datum
https://poma.af/press/

·      The National: Hidden suffering: Afghanistan's widespread mental health crisis, 2. Juli 2019
https://www.thenational.ae/world/asia/hidden-suffering-afghanistan-s-widespread-mental-health-crisis-1.881672

·      The Telegraph: Chained to a tree for 40 days: Afghanistan’s shrine to ‘cure’ mental illness, 22. Oktober 2019
https://www.telegraph.co.uk/global-health/climate-and-people/chained-tree-40-days-afghanistans-shrine-cure-mental-illness/

·      Trani, Jean-Francois; Bakhshi, Parul: Vulnerability and mental health in Afghanistan: Looking beyond war exposure, Transcultural psychiatry. 50. 10.1177/1363461512475025, Februar 2013
https://www.researchgate.net/publication/235682825_Vulnerability_and_mental_health_in_Afghanistan_Looking_beyond_war_exposure

·      USDOS – US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2019 - Afghanistan, 11. März 2020
https://www.ecoi.net/en/document/2026337.html

·      WHO – World Health Organization: Afghanistan - Mental and disability health, 23. April 2020
http://www.emro.who.int/afg/programmes/mental-health.html