Anfragebeantwortung zu Venezuela: Sicherheitslage, Versorgungslage, Medizinische Grundversorgung; Lage in Guanta [a-11147]

 

16. Dezember 2019

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Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Expertenauskünften, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

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Wir empfehlen, die verwendeten Materialien im Original durchzusehen. Originaldokumente, die nicht kostenfrei oder online abrufbar sind, können bei ACCORD eingesehen oder angefordert werden.

 

Informationen zu diesen Themen entnehmen Sie bitte auch dem folgenden ACCORD-Bericht vom September 2019:

·      ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Venezuela Country Report, September 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2020147/ACCORD-Venezuela_Bericht_September+2019.pdf

Sicherheitslage

Die auf Konfliktstudien spezialisierte oppositionelle venezolanischen Beobachtungsstelle für soziale Konflikte (Observatorio Venezolano de Conflictividad Social, OVCS) schreibt in einer im Oktober 2019 veröffentlichten Übersicht, dass es im September 2019 zu 708 Demonstrationen in Venezuela gekommen sei, was 24 pro Tag entspreche und einen Rückgang um 28 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres darstelle. Im Hauptstadtdistrikt hätten mit 64 die meisten Demonstrationen stattgefunden, gefolgt von den Bundesstaaten Anzoátegui (61), Mérida (61), Zulia (60), Bolívar (52) und Miranda (52). (OVCS, 14. Oktober 2019)

Im Oktober 2019 sei es laut OVCS zu 1.739 Demonstrationen im ganzen Land gekommen, was 58 pro Tag entspreche und eine Zunahme von 18 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres darstelle. Die meisten Demonstrationen hätten mit 148 in Anzoátegui stattgefunden, gefolgt von Bolívar (130), Mérida (114), Miranda (105), Trujillo (101) und dem Hauptstadtdistrikt (97). (OVCS, 14. November 2019)

 

Auf einer von OVCS zur Verfügung gestellten interaktiven Karte sind 60 Personen verzeichnet, die während Demonstrationen im Jahr 2019 getötet worden sein sollen.

Die Karte ist unter folgendem Link zugänglich:

·      OVCS - Observatorio Venezolano de Conflictividad Social Asesinados en protestas 2019, ohne Datum
https://www.google.com/maps/d/viewer?mid=1rE6nmQsWcXhcvsNXPBthPM8Pik2jyABl&ll=5.106244200787446%2C-60.590338243840506&z=9

 

Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erwähnt in seinen Briefing Notes vom 21. Oktober 2019, dass es „zur angekündigten Freilassung mehrerer politischer Gefangener durch die Regierung Maduro“ gekommen sei und „24 politische Gefangene unterschiedlicher Oppositionsparteien“ freigelassen worden seien. (BAMF, 21. Oktober 2019, S. 7)

 

Die venezolanischen Menschenrechtsorganisation Foro Penal meldet im Dezember 2019, dass es 399 politische Gefangene mit Stand 31. Oktober 2019 gegeben habe. (Foro Penal, 2. Dezember 2019)

Mit Stand 9. Dezember 2019 habe es laut Foro Penal 391 politische Gefangene in Venezuela gegeben, davon 19 Frauen und 118 Militärangehörige. (Foro Penal, 9. Dezember 2019)

 

Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) erläutert in seinem im November 2019 veröffentlichten Jahresbericht zu Terrorismus (Berichtszeitraum 2018), dass die Präsenz und Gebietskontrolle der Nationalen Befreiungsarmee (Ejército de Liberación Nacional, ELN) (einer kolumbianischen linken Guerillaorganisation, Anm. ACCORD) in Venezuela zunehme. Es habe vermehrt Zusammenstöße zwischen der ELN, anderen kolumbianischen und venezolanischen illegalen bewaffneten Gruppierungen und venezolanischen Regierungskräften gegeben. Laut der NGO InSight Crime sowie lokalen und internationalen Medien sei die ELN in den Bundesstaaten Amazonas, Apure, Bolívar, Guárico, Táchira und Zulia präsent gewesen, also nicht mehr nur in der Grenzregion zu Kolumbien. (USDOS, 1. November 2019)

 

Die zuvor vom USDOS erwähnte NGO InSight Crime berichtet im Juni 2019, dass Venezuela eine wichtige Operationsbasis für Dissidenten der FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia, Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) sei. Während des Konflikts in Kolumbien habe Venezuela den Guerrillas wichtige Drogenschmuggelkorridore zur Verfügung gestellt, einen Platz, um sich dem Druck der kolumbianischen Sicherheitskräfte zu entziehen, Trainings durchzuführen und sich neu mit Waffen zu versorgen. Nach dem kolumbianischen Friedensabkommen nehme Venezuela diese Rolle immer noch wahr und biete diesen „Deserteuren des Friedensprozesses“ („deserters of the peace process”) sowohl einen wirtschaftlichen Rettungsanker als auch einen sicheren Hafen um sich neu zu gruppieren und die Kräfte zu konsolidieren. (InSight Crime, 27. Juni 2019)

 

Francisco Toro, ein venezolanischer politischer Kommentator, schreibt für die Washington Post im September 2019, dass Sicherheitsberater in Kolumbien von Venezuelas Unterstützung der ELN alarmiert gewesen seien. Die Ankündigung von hochrangigen Kommandanten der FARC, dass sie wieder zu den Waffen greifen würden, habe die angespannte Lage jedoch stark verschlechtert und die Aussicht geschaffen, dass zahlreiche Kräfte innerhalb Kolumbiens als venezolanische Stellvertreter aktiv werden könnten. Mehr als ein Jahrzehnt sei Venezuela ein sicherer Ort für verschiedene linksgerichtete kolumbianische Guerilla-Gruppen gewesen. Kolumbianische Rebellen hätten Venezuela als Rückzugsort („rear-guard”) genutzt, als Ort, wo sich ihre Soldaten hätten ausruhen und erholen können, Trainings durchlaufen und medizinisch versorgen hätten lassen können. Nach und nach hätten sie ihre Operationen in Venezuela ausgeweitet und das Land für den Transport von Drogen für den Export sowie für Erpressungen auf venezolanischem Gebiet genutzt. Die Tiefe der Kooperation zwischen Venezuela und den kolumbianischen Rebellen dürfte sich 2019 jedoch ausgeweitet haben („seems to have ballooned this year“), da der venezolanische Staat dazu übergangen sei, sie nicht mehr nur zu tolerieren, sondern sie wie Verbündete in einem gemeinsamen Kampf zu behandeln. Venezolanische Geheimdienstdokumente, die der kolumbianischen Wochenzeitung Semana zugespielt worden seien, würden die Beziehung zwischen Venezuela und diesen Gruppen so ähnlich wie zwischen dem Iran und der Hisbollah darstellen. Kolumbianische Rebellen würden in Venezuela nicht nur toleriert, sie würden auch aktiv trainiert und bewaffnet. Die der Wochenzeitung zugespielten Dokumente würden offenbar nahelegen, dass Venezuela die ELN und die wieder aufgetauchte FARC in seine Aufklärungssysteme einbeziehe und diese Gruppen nutze, um militärische Ziele von hohem Wert in Kolumbien zu identifizieren. Kolumbien habe angegeben, dass ein Video der FARC, in dem sie ihre Rückkehr angekündigt habe, in Venezuela gedreht worden sei. (Washington Post, 12. September 2019)

 

Im Einleitungstext zu einer am 11. November 2019 veröffentlichten Dokumentation mit dem Titel „Die Schlägertrupps des Präsidenten - Venezuela im Würgegriff von Stadtguerillas“ schreibt der öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter ARTE Folgendes:

„In den Slums von Caracas gibt es Viertel, in die sich die Polizei nicht traut. Hier, in der Stadt mit der zweithöchsten Mordrate der Welt sorgen bewaffnete linksgerichtete Banden, sogenannte Colectivos, für Recht und Ordnung – oder was sie dafür halten. Je nach politischer Sicht werden sie entweder als moderne Robin Hoods gepriesen, die in den Slums Drogenhändler in Schach halten und die Armen versorgen, oder als gewalttätige Schläger verurteilt, die mit alttestamentarischer Gewalt Konkurrenten ausschalten und die Politik des aktuellen Präsidenten auf den Straßen durchsetzen, bewaffnet mit Kalaschnikoffs, Handfeuerwaffen und selbst gebauten Granaten. Mit exklusivem Zugang zu dieser umstrittenen Bürgerwehr hat der Autor des Films sieben Jahre lang den Anführer der Tupamaros begleitet: Alberto ‚Chino‘ Carías bezeichnet sich selber als ‚marxistisch-leninistischen Guerillakämpfer‘ und sorgte tatkräftig dafür, dass Hugo Chávez 1998 zum Präsidenten Venezuelas gewählt wurde. Als Dank legalisierte Chávez die Colectivos und beförderte sie in öffentliche Ämter. Carías bekam sogar die Aufsicht über die Polizei in Caracas – eine atemberaubende Karriere für einen, der früher beschuldigt wurde, Banken ausgeraubt und Polizisten getötet zu haben. Auch bei der Wahl von Präsident Maduro hatten die Tupamaros ihre Finger im Spiel. Und wie Chávez verlässt sich auch Maduro noch heute auf die Colectivos, die seine Politik auf die Straßen, zum Volk tragen – und immer wieder im Verdacht stehen, bei regierungskritischen Demonstrationen Oppositionelle zu attackieren.“ (ARTE, 11. November 2019a)

Detaillierte Informationen zu den sogenannten Colectivos sowie ihrer Beziehung zu den venezolanischen Behörden finden Sie in der folgenden Anfragebeantwortung von Landinfo vom Oktober 2019:

·      Landinfo – Norwegian Country of Origin Information Centre: Venezuela: Los colectivos, 1. Oktober 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2018268/Venezuela-respons-Los-colectivos-01102019.pdf

 

Der Deutschlandfunk, eines der Programme des öffentlich-rechtlichen Deutschlandradios, veröffentlicht im September 2019 ein Interview der Journalistin Sarah Zerback mit Oliver Müller, dem Chef der Caritas International, in dem dieser Folgendes angibt:

„Sarah Zerback: Seit Monaten ist Venezuela ein Land mit zwei Präsidenten: dem gewählten Sozialisten Nicolas Maduro und dem selbsternannten Juan Guaido. Beide kämpfen um die Macht im Land, mit internationaler Unterstützung, und da verlaufen die Konfliktlinien ein bisschen wie zu Zeiten des Kalten Krieges. Die EU und auch die USA haben die Sanktionen gegen die Regierung Maduro jetzt noch einmal verschärft, während Russland Maduro gleichzeitig stärkere Hilfen zugesagt hat. Mittendrin nun die Zivilbevölkerung, die unter der politischen, wirtschaftlichen und humanitären Krise leidet.

Ein Bild davon machen konnte sich Oliver Müller, Leiter von Caritas International, vor kurzem. […]

Müller: […] Venezuela ist heute das Land mit der höchsten Mordrate weltweit und hat den bisherigen Spitzenreiter El Salvador abgelöst, und das ist ein Indiz dafür, dass es immer mehr bewaffnete Gruppen gibt, die durch Drogenhandel, Schmuggel, Erpressung versuchen, das Auskommen ihrer Mitglieder zu sichern. Die öffentliche Sicherheit hat extrem abgenommen. […]

Zerback: Sie haben sich ja auch über die menschenrechtliche Situation vor Ort ein Bild gemacht. Der Menschenrechtsrat spricht ja von außergerichtlichen Hinrichtungen, willkürlichen Tötungen, Folter. Das ist ja auch ein Grund für Sanktionen, zum Beispiel für das Verbot für den Export von Waffen, die da gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden können. Haben Sie auch über diese Vorwürfe vor Ort sprechen können?

Müller: Ich habe mit Vertretern von Menschenrechtsorganisationen gesprochen, die all diese schlimmen Vorwürfe, die Sie gerade auch angesprochen haben, durchaus bestätigt haben. Es gibt mehrere paramilitärische Gruppen zum Beispiel im Land, die zum Teil in Abstimmung mit der Regierung, aber zum Teil auch völlig losgelöst davon agieren, schwerste Menschenrechtsverletzungen begehen. Es wurde mir immer wieder gesagt, dass Urteile der Gerichte missachtet werden und Polizei, Militär Menschen inhaftiert, auch wenn es dafür keine Urteile gibt oder die schon auf die Freilassung ausgegangen sind. Das ist eine extrem unsichere Situation, was die Menschenrechte betrifft.“ (Deutschlandfunk, 26. September 2019)

Die internationale Nachrichtenagentur Reuters schreibt in einem Bericht vom November 2019, dass man die Tötung von 20 Personen durch die Polizei-Spezialeinheit FAES (Fuerzas de Acciones Especiales) untersucht habe, der summarische Hinrichtungen in „unruhigen“ („restive“) Nachbarschaften vorgeworfen würden. Die Polizisten hätten sich laut eigenen Angaben selbst verteidigt. Dieser offiziellen Version würden aber Dutzende ZeugInnen und exklusive Videoaufnahmen widersprechen. Der FAES sei von der politischen Opposition, den Vereinten Nationen und vielen armen VenezolanerInnen vorgeworfen worden, im Auftrag von Präsident Maduro außergerichtliche Hinrichtungen vorzunehmen. Ein Bericht der UNO vom Juli 2019 habe Hinrichtungen der FAES angeprangert und Maduro dazu aufgerufen, die Einheit aufzulösen. Der Bericht habe aber keine spezifischen Fälle behandelt oder Personen identifiziert, die getötet worden seien. Maduro habe den Bericht als voreingenommen bezeichnet. Monatelang hätten Reuters, andere Medien, internationale Einrichtungen und Menschenrechtsgruppen über Anschuldigungen hinsichtlich der FAES berichtet. Nach einer viermonatigen Recherche sei es Reuters nun möglich, die Aussagen von Dutzenden ZeugInnen, Familienangehörigen der Toten und offizielle Dokumente bezüglich der Todesfälle den Behauptungen der FAES gegenüberzustellen, dass die Polizisten die Personen erst getötet hätten, nachdem sie von ihnen angegriffen worden seien. Der Bericht liefere tiefe Einblicke in die Methoden der Einheit, mutmaßliche Bedrohungen für Maduros zunehmend autoritäre Herrschaft zu beseitigen. Dieses Porträt der FAES, die etwa 1.500 Mitglieder umfasse, ergänze frühere Berichte, in denen Reuters andere schonungslose Mittel untersucht habe, die Maduro einsetze, um seine hungrige und verarmte Bevölkerung zu kontrollieren. Die FAES sei von Maduro selbst 2017 eingerichtet worden, als er mit einer Zunahme gewalttätiger Verbrechen konfrontiert gewesen sei, die auf den Zusammenbruch der venezolanischen Wirtschaft gefolgt seien. Die Einheit habe die zunehmenden Verbrechen bekämpfen solle. Stattdessen sei die FAES aber laut OppositionspolitikerInnen und früheren Maduro-UnterstützerInnen ein Mittel zur sozialen Kontrolle in den armen Vierteln geworden, in denen Hunger und Arbeitslosigkeit herrsche und kriminelle Netzwerke Unruhen entfachen und die Vorherrschaft von Maduro bedrohen könnten. Laut einem ehemaligen hochrangigen Mitglied der Regierung von Maduro sei es das Ziel gewesen, Angst zu verbreiten und das Entstehen einer neuen politischen Opposition zu verhindern. Ein ehemaliger stellvertretender leitender Staatsanwalt, der Venezuela vor zwei Jahren nach einem Zerwürfnis mit Maduro verlassen habe, habe angegeben, dass dieser die FAES einsetze, wenn er eine Einheit benötige, die komplett unter seiner Kontrolle stünde, um Angriffe und Grausamkeiten jedweder Art durchzuführen. (Reuters, 13. November 2019)

 

In einer am 11. November 2019 von ARTE veröffentlichten Dokumentation mit dem Titel „Venezuela am Abgrund - Wie man einen Staat zugrunde richtet“ gibt Raul Gallegos, Autor des Buches „Rohöl-Land: Wie reiche Ölvorkommen Venezuela ruinierten“ an, dass die Regierung die Streitkräfte und Sicherheitskräfte an sich binde, indem sie Korruption im öffentlichen Sektor zulasse. Mitglieder des öffentlichen Sektors und der Streitkräfte würden von allem profitieren, was aus Drogenhandel, illegalem Bergbau, aus illegalem Handel mit Dollars sowie aus dem Schmuggel preisgebundener Waren nach Kolumbien, auch Benzin, stamme. Zudem seien Mitglieder der Sicherheitskräfte auch an Erpressungen und Entführungen beteiligt. [Timecode 41.55-42.27] (ARTE, 11. November 2019b)

Versorgungslage

Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) schreibt in einem Bericht vom September 2019 unter Bezugnahme auf verschiedene Quellen Folgendes zur Versorgungslage:

„Die Regierung nutzt die zur Verfügung stehenden Mittel, um möglichst hohe soziale Disziplinierung zu erreichen. Damit soll einerseits der Zustrom zu oppositionellen Demonstrationen unterbunden und andererseits eine Wählerbasis zur eigenen Legitimation geschaffen werden. Die ökonomische Krise ermöglicht es dabei, vor allem durch die Kontrolle der Lebensmittellieferungen und weiter Teile des Arbeitsmarktes, Personen oder Personengruppen, etwa oppositionell gesinnte Stadtteile oder Regionen, sozial zu isolieren und notfalls in den Hunger zu treiben. Eine solche Methode ist z.B. die Ausgabe der ‚carnet de la patria‘ – eine Art Freiwilligenbezugskarte, die zum einen den bevorzugten Zugang zu verschiedenen Sozialleistungen ermöglicht. Zum anderen macht sie aber auch die Wahlentscheidung (elektronische Wahlautomaten) nachvollziehbar und steht als Methode sozialer Kontrolle und des Stimmenkaufs in der Kritik. Auch das System der CLAPs (Comité Local de Abastecimiento y Producción), der Nahrungsmittelpakete, deren Bezug für viele Venezolaner lebenswichtig ist, wird anscheinend so genutzt. Bekannte Unterstützende scheinen vorrangig Zugang zu erhalten. So wird die Ausgabe teilweise z.B. auf Zeitpunkte oppositioneller Demonstrationen gelegt. Glaubhafte Zeugenaussagen berichten u.a. von Streichungen der CLAPs im Falle des Nichterscheinens bei pro-Regierungs-Demonstrationen.“ (BAMF, September 2019, S. 6)

„Abschaltungen und zeitweise Stromausfälle haben in Venezuela seit 2010 zugenommen. Der große Stromausfall seit dem 7. März 2019 war aber in seiner Intensität mit den vorherigen Versorgungsengpässen nicht vergleichbar. Der mehrtägige Stromausfall hatte Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens und der Infrastruktur: Sowohl die Pumpen für das Trinkwassersystem als auch die Benzinpumpen an Tankstellen sind vom Strom abhängig, der Wasserdruck lies schnell nach, in Hochhäusern und Großstädten war die Wasserversorgung akut gefährdet. Auch Notstromaggregate waren aufgrund der Länge des Stromausfalls nicht in der Lage, dessen Auswirkungen etwa auf Krankenhäuser zu kompensieren. Es werden unterschiedliche Zahlen über dadurch verursachte Tote angegeben. Sicher ist aber, dass es mindestens einige Dutzend Tote aufgrund des Stromausfalles gegeben haben muss. Zudem wurde die Straßenbahn, die die Hauptlast des öffentlichen Personennahverkehrs in den venezolanischen Großstädten stellt, effektiv außer Funktion gesetzt, was das Geschäfts- und Wirtschaftsleben zum Erliegen brachte. Ebenso gab es erhebliche Auswirkungen auf Kühlketten, die durch die unsichere Stromversorgung schon zuvor unsicher geworden waren, sodass viele kühlungsbedürftige Waren, wie beispielsweise Fleisch und Medikamente, verkamen. Kommunikationsnetzwerke, wie Telefon und Internet, waren in weiten Teilen des Landes tagelang nicht nutzbar und Schulen oder Banken geschlossen. Der Ausfall großer Teile des Vertriebes und der Verteilung von Benzin hatte in erheblichem Maße Auswirkungen z.B. auf die Landwirtschaft […]. Seither sind landesweite Stromausfälle wiederholt vorgekommen, wobei noch unklar ist, ob die Schäden eventuell (vorerst) irreparabel sind.“ (BAMF, September 2019, S. 8-9)

„So wurde im Jahr 2016 das System der CLAPs eingeführt (Comité Local de Abastecimiento y Producción, Lokale Komitees für Versorgung und Produktion), das über die sogenannten CLAP-Boxen eine Basislieferung an Lebensmitteln für armen Haushalte ermöglichen sollte. Diese CLAP-Boxen beinhalten üblicherweise Mais- oder Weizenmehl, Milchpulver, Pasta, Reis, Zucker und/oder Essig, allerdings in relativ kleinen Mengen. Die Kontrolle über die Verteilung diverser Güter, auch der für die CLAPs gedachten, wurde der Armee übertragen. Das damit erlangte erste Verfügungsrecht über die Waren sicherte ihre Loyalität. Es gibt regelmäßig Berichte darüber, dass CLAPs unvollständig oder gar nicht ausgeliefert werden.

Zugang zum CLAP-System haben aber nur als bedürftig Geltende, die sich registrieren lassen (was üblicherweise bedeutet, dass sie eine Carnet de la patria beantragen müssen). Die Boxen müssen – allerdings zu einem extrem stark subventionierten Preis – im Voraus bezahlt und, je nach Kreis, zu bestimmten Zeitpunkten abgeholt werden. Auf diese Weise war es möglich, die Ausgabe in die Zeiten oppositioneller Demonstrationen zu legen. Die innerhalb einer CLAP-Box befindlichen Nahrungsmittel sind nicht geeignet, eine dreiwöchige Periode lang ausreichend ernährt zu werden. Sie stellen lediglich eine Basisversorgung dar, die anderweitig ergänzt werden muss.

Der staatlich festgelegte Mindestlohn ist nicht geeignet, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern, zumal er durch die sehr hohe Inflation sehr schnell aufgebraucht wird. Darauf wird mit der Anhebung des Mindestlohnes reagiert, die kompensiert das Problem aber nicht, zumal immer wieder Zwischenperioden entstehen, in denen der Lohn schneller an Wert verliert als er angehoben wird. Die Bevölkerung reagiert darauf mit unterschiedlichen Strategien. So werden beispielsweise nicht unmittelbar notwendige Ausgaben, wie für Möbel, Kleidungsstücke oder höherwertige Lebensmittel, gekürzt oder vollständig unterlassen. Man konzentriert sich auf die Beschaffung von Nahrungsmitteln. Auch Medikamente, die nicht zum unmittelbaren Überleben notwendig sind, werden oft abgesetzt, zumal die Versorgung mit Medikamenten nicht gesichert ist. Wo immer es möglich ist, werden Devisen statt Bolivar genutzt, etwa, indem man 1. von im Ausland lebenden Verwandten harte Währung (Dollar, Euro, in letzter Zeit zunehmend auch kolumbianische Peso) beschafft oder 2. in Venezuela subventionierte Waren ins Ausland bringt und dort gegen harte Währung verkauft, was gerade in den Grenzregionen üblich ist. So wird beispielsweise Fleisch – sofern man es erhält - oft in Kolumbien wiederverkauft, um an Peso zu gelangen. Somit kann man in Venezuela auch in den folgenden Wochen zuverlässig z.B. Mehl kaufen. Ein wichtiges Schmuggelgut ist das nach wie vor massiv subventionierte Benzin, das in Venezuela billiger als Wasser ist. Daneben werden auch nicht unbedingt benötigte Gegenstände aus dem Haushalt verkauft und die Nahrung rationiert. Ausgenommen hiervon ist üblicherweise der Mann, der in Venezuela als Hauptversorger seine Arbeitskraft erhalten muss.“ (BAMF, September 2019, S. 10)

In seinen Briefing Notes vom 21. Oktober 2019 erwähnt das BAMF zu den Zahlen der Zentralbank zur Geldwertentwicklung:

„Die venezolanische Zentralbank hat Daten zur Inflation im Land herausgegeben. Seit mehreren Jahren waren die Daten unter Verschluss gehalten worden, erst seit 2019 werden unregelmäßig wieder welche veröffentlicht. Die Zentralbank bezifferte die Inflation (genauer: der Verbraucherpreise) im September auf 52,2 %, allerdings seit Jahresanfang auf über 4.000 %. Internationale Schätzungen liegen weit darüber.“ (BAMF, 21. Oktober 2019, S. 7)

In der oben bereits zitierten ARTE-Dokumentation vom November 2019 wird erläutert, dass Venezuela eines der reichsten Länder Lateinamerikas gewesen sei, doch heute eines der ärmsten Länder der Welt sei und kurz vor dem Staatsbankrott stehe. [Timecode 00.06-00.15]

Laut Raul Gallegos, Autor des Buches „Rohöl-Land: Wie reiche Ölvorkommen Venezuela ruinierten“, werde Venezuela in diesem Jahr den größten wirtschaftlichen Rückgang erleben, den es in der Geschichte des Landes jemals gegeben habe. Die Wirtschaft werde in einem Jahr fast 39 oder 40 Prozent ihrer Größe verlieren. Es werde zu einer Inflation kommen, die nach einigen Schätzungen vier Millionen Prozent übersteigen werde. Daher werde das Jahr 2019 aus humanitärer Sicht eine Katastrophe von epischem Ausmaß für Venezuela sein. [Timecode 8.52-9.23]

Ein Venezolanerin, die im Rahmen des Films interviewt wurde, gibt an, dass eine CLAP-Box, die monatliche Unterstützung durch die Regierung, einen Liter Öl, eine kleine Ketchup-Flasche, drei Thunfischdosen, ein Kilo schwarze Bohnen, manchmal Linsen, manchmal Erbsen, zwei Kilo Reis, ein Kilo Mehl, ein Kilo Milchpulver, ein Kilo Zucker und drei Kilo Pasta enthalte. Der Film führt weiter aus, dass sich die meisten Venezolaner bei einem Mindestlohn von 40.000 Bolivares pro Monat keine Lebensmittel zusätzlich zur staatlichen Lebensmittelhilfe leisten könnten. Zwei Pfund Fleisch würden schon über 25.000 Bolivares kosten und ein Kilo Maismehl etwa 14.000. Die zuvor interviewte Venezolanerin erläutert zudem, dass es zwar Lebensmittel in den Supermärkten gebe, aber diese sehr teuer seien. Nur wenn man Geld habe, könne man alles bekommen. Bei der derzeitigen Wirtschaftslage gehe das aber nicht. Die Löhne seien wirklich niedrig. Weil immer wieder der Strom ausfalle, sei auch die Wasserversorgung zusammengebrochen. Trinkwasser gebe es oft nur noch an öffentlichen Plätzen, und zwar nach langem Schlangestehen. [Timecode 9.40: 11.49]

Eine weitere, in einem Flüchtlingslager in Maicao in Kolumbien interviewte Venezolanerin gibt an, dass es Leute in Venezuela gebe, die Abfall von der Straße essen würden. Es gebe Kinder in Maracaibo, die alle schmutzig seien und betteln würden. Sie würden in verunreinigtem Wasser trinken und baden und ihr Essen im Müll finden. [Timecode 23.27-23.43] (ARTE, 11. November 2019b)

 

In einem mündlichen Update zur Menschenrechtslage in Venezuela vom September 2019 erläutert die Hohe Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, dass die wirtschaftliche und soziale Lage sich rapide verschlechtere, was Millionen Menschen daran hindere, in den Genuss ihrer wirtschaftlichen und sozialen Rechte zu kommen. Die Wirtschaft erlebe die möglicherweise schlimmste Phase der Hyperinflation, die es in der Region jemals gegeben habe, was Auswirkungen auf die Möglichkeit habe, Grundnahrungsmittel, Medikamente und andere lebenswichtige Güter zu erwerben. Der Mindestlohn habe zum Zeitpunkt des Updates umgerechnet zwei US-Dollar pro Monat entsprochen, im Gegensatz zu sieben US-Dollar im Juni 2019, was bedeute, dass eine Familie den Gegenwert des 41-fachen monatlichen Mindestlohns verdienen müsse, nur um die Kosten des Lebensmittel-Basiskorbs zu decken. Die de-facto-Dollarisierung in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft vertiefe Ungleichheiten weiter. Öffentliche Dienste seien weiterhin von erheblichen und wiederkehrenden Unterbrechungen betroffen, insbesondere im Bundesstaat Zulia. Treibstoffmangel außerhalb von Caracas verschärfe die Situation noch. (OHCHR, 9. September 2019)

 

In dem vom Deutschlandfunk im September 2019 veröffentlichten Interview mit Oliver Müller, dem Chef der Caritas International, wird auch Folgendes erörtert:

„Zerback: Die politische Debatte, dringt die überhaupt zur notleidenden Bevölkerung im Land durch, oder ist die zu sehr damit beschäftigt, schlicht zu überleben?

Müller: Sie muss erst mal versuchen, das Überleben sicherzustellen, und was die Bevölkerung am meisten spürt, ist zunächst mal die Hyper-Inflation, die es im Land gibt, die selbst nach konservativsten Schätzungen 135.000 Prozent in den letzten zwölf Monaten betrug. Das hat zur Folge, dass der Mindestlohn umgerechnet 1,80 Euro im Monat beträgt, und damit kann man auch in Venezuela überhaupt nicht überleben.

Zerback: Woran mangelt es da am allernötigsten?

Müller: Überraschend ist zu sehen, dass es durchaus in den Läden Dinge zu kaufen gibt, die Menschen sich es allerdings nicht leisten können. Weil wie gesagt: Mit 1,80 Euro bei Preisen wie in Deutschland beziehungsweise noch höher geht das nicht. Und das staatliche ergänzende Versorgungssystem, das es gab, ist in den letzten Monaten eigentlich auch in sich zusammengebrochen. Von sechs Millionen Menschen, die der Staat eigentlich versorgen wollte, werden momentan noch zwei Millionen versorgt. Das heißt, die meisten Menschen sind in der Tat damit beschäftigt, den Tag damit zu verbringen, irgendwie ihr Überleben sicherzustellen. […]

Müller: Es gibt eine große Mangelernährung. Die Caritas Venezuela hat selber Untersuchungen durchgeführt und festgestellt, dass von den Kindern unter fünf Jahren, mit denen sie in ihren Programmen in Kontakt steht, nur 31 Prozent einen guten Ernährungszustand hatten. Beim Rest waren schon Merkmale der Unterernährung festzustellen.” (Deutschlandfunk, 26. September 2019)

Vatican News, das Nachrichtenportal des Vatikans, berichtet im Oktober 2019 Folgendes:

„Von einer horrenden humanitären Lage im Krisenstaat Venezuela berichtet der Bischof der im Nordosten des Landes gelegenen Diözese Carupano, Jaime Villarroel Rodriguez. […] Die einst von seinem Ölreichtum profitierende Nation liege heute darnieder, erklärte der Bischof am Mittwoch im Interview mit ‚Kathpress‘. […]

Dass Machthaber Nicolas Maduro einen ‚Genozid‘ betreibe und sein Land in ein ‚Konzentrationslager‘ verwandelt habe, hatte bereits zuvor der Erzbischof von Merida und Administrator der Hauptstadtdiözese Caracas, Kardinal Baltazar Porras, erklärt. Bischof Villarroel bestätigte den drastischen Befund. ‚Unser Volk wird gezielt vernichtet, da es an Nahrung und Medizin fehlt, die Wirtschaft und Infrastruktur zerstört ist, überbordende Gewalt das Zepter schwingt und keine Möglichkeit für Entwicklung besteht. Als einziger Ausweg scheint die Migration: Die Massenflucht aus dem Land ist mit jährlich über einer Million Menschen, darunter viele Ärzte und Menschen mit Hochschulabschluss, die momentan größte weltweit.‘ […]

Auch Stromausfälle sind in Venezuela aufgrund der völlig vernachlässigten Wartung des elektrischen Versorgungssystems an der Tagesordnung. ‚Im März blieb es in 98 Prozent des Landes für sechs Tage dunkel, womit auch alle Banken, Spitäler und öffentlichen Dienste sowie die Wasserversorgung und Telekommunikation ausfielen‘, berichtete der Bischof von Carupano. Wer noch eine Arbeitsstelle habe, könne um seinen Verdienst nichts kaufen, betrage doch der Durchschnittsgehalt derzeit zwei US-Dollar, für Universitätsprofessoren zehn Dollar, für Spitalsärzte 20 bis 30 Dollar - und zwar pro Monat.

Das Leiden der Bevölkerung übersteige jegliche Vorstellungskraft, schilderte Villarroel. ‚Wegen der hohen Preise und des Ausfalls der Nahrungsmittelproduktion haben die meisten Menschen keinen Zugang zu adäquater Ernährung. Viele Venezolaner essen nur eine Mahlzeit pro Tag, die zudem kaum Proteine enthält. Viele Familien können die Kinder nicht in die Schule schicken, da sie aus Schwäche kollabieren würden oder da die Schulartikel nicht leistbar sind.‘“ (Vatican News, 3. Oktober 2019)

Die US-Tageszeitung New York Times (NYT) berichtet im November 2019 über das zusammenbrechende venezolanische Schulsystem. Laut dem Artikel, der eine Szene in einer Schule in Boca de Uchire beschreibt, sei es inzwischen üblich, dass SchülerInnen der Grundschule dort in Ohnmacht fallen würden, weil viele zur Schule kommen würden, ohne gefrühstückt oder am Abend davor abendgegessen zu haben. In anderen Schulen wollten die Kinder zuerst wissen, ob es etwas zu Essen gibt, bevor sie entscheiden würden, ob sie überhaupt zur Schule gehen würden. Hunger sei eines der vielen Probleme des venezolanischen Schulsystems. Viele Schulen würden schließen, weil unterernährte Kinder und LehrerInnen, die fast nichts verdienen würden, nicht kommen würden, um eine Auskommen auf der Straße zu finden oder ins Ausland zu fliehen. (NYT, 30. November 2019)

Medizinische Grundversorgung

In der oben bereits zitierten ARTE-Dokumentation vom November 2019 gibt eine in einem Flüchtlingslager in Kolumbien interviewte Venezolanerin an, dass das Problem mit dem Strom darin bestehe, dass jedes Mal, wenn der Strom ausfalle, viele Menschen sterben würden. Die Krankenhäuser hätten nicht einmal ein Notaggregat. Sie selbst habe in einem Krankenhaus ohne Strom ihr Baby zur Welt gebracht. Sie habe eine Taschenlampe von zu Hause mitbringen müssen. [Timecode 23.43-24.18] (ARTE, 11. November 2019b)

 

Das BAMF erwähnt in seinem Bericht vom September 2019 unter Bezugnahme auf verschiedene Quellen ebenfalls:

„Abschaltungen und zeitweise Stromausfälle haben in Venezuela seit 2010 zugenommen. Der große Stromausfall seit dem 7. März 2019 war aber in seiner Intensität mit den vorherigen Versorgungsengpässen nicht vergleichbar. Der mehrtägige Stromausfall hatte Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens und der Infrastruktur: […] Auch Notstromaggregate waren aufgrund der Länge des Stromausfalls nicht in der Lage, dessen Auswirkungen etwa auf Krankenhäuser zu kompensieren. Es werden unterschiedliche Zahlen über dadurch verursachte Tote angegeben. Sicher ist aber, dass es mindestens einige Dutzend Tote aufgrund des Stromausfalles gegeben haben muss.“ (BAMF, September 2019, S. 8-9)

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (International Committee of the Red Cross, ICRC) schreibt in einem Artikel vom September 2019, dass Venezuela weiterhin mit den Konsequenzen einer sich verschlechternden sozioökonomischen Lage konfrontiert sei, was direkte Auswirkungen auf den Gesundheitssektor habe. Es gebe nicht nur einen Mangel an Medikamenten, sondern auch an Diagnosegeräten, Hygieneprodukten und medizinischen Möbeln („medical furniture“). Auch die fehlende Instandhaltung der Gesundheitsinfrastruktur und Probleme beim Zugang zu Wasser und bei der Stromversorgung seien besorgniserregend, da ohne sie kein Krankenhaus oder Gesundheitszentrum effektiv betrieben werden könne. Ein weiterer wichtiger Faktor, der den Gesundheitsbereich betreffe, sei der Mangel an ExpertInnen, die die Dienstleistungen und die Betreuung zur Verfügung stellen könnten, die die Bevölkerung benötige. In den am stärksten betroffenen Gebieten habe ein Krankenhaus mit 500 Betten früher bis zu zwanzig medizinische Fachrichtungen anbieten können, nun seien es wegen des Mangels an FachärztInnen nur noch fünf. Der Mangel an notwendigen Ressourcen, Ausrüstung und Material verschärfe die Situation noch. Gleichzeitig würden die Bedürfnisse der Menschen zunehmen, wie auch die Anzahl der Menschen, die wegen Gewalt in die Notaufnahme kämen. Bei Menschen, die in Gebieten leben würden, die von bewaffneter Gewalt betroffen seien, sei die Wahrscheinlichkeit, dass sie schnellen und effizienten Zugang zu grundlegenden Gesundheitsdiensten erhalten würden, geringer, weshalb sie die vulnerabelsten seien. (ICRC, 18. September 2019)

 

Oliver Müller, Chef der Caritas International, gibt in dem im September 2019 vom Deutschlandfunk veröffentlichten Interview Folgendes an:

„Was die Sache noch schwieriger macht ist, dass die Krankenhäuser auch in einem miserablen Zustand sind. Fast 70 Prozent haben keine durchgehende Stromversorgung. Es sind nachweislich mehrere tausend Menschen in den letzten Monaten ums Leben gekommen, einfach weil der Strom in den Krankenhäusern ausgefallen ist. Auch Wasserversorgung ist dort unklar, Medikamente gibt es kaum noch. Das gesamte Gesundheitssystem ist auch in Auflösung begriffen.“ (Deutschlandfunk, 26. September 2019)

Vatican News meldet im Oktober 2019:

„Das Leiden der Bevölkerung übersteige jegliche Vorstellungskraft, schilderte Villarroel. […] Besonders drastisch sei die Lage für Kranke und Schwache. ‚Antibiotika sind ein Luxus und werden kaum gekauft, da die Menschen das Geld für die Ernährung brauchen. 80 Prozent der Medikamente gibt es schlichtweg nicht, was besonders Diabetiker und HIV-Patienten zu spüren bekommen. In den Spitälern starben im Vorjahr 15.000 Neugeborene, da es keine ärztliche Betreuung gab.‘“ (Vatican News, 3. Oktober 2019)

Die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies, IFRC) schreibt in einem im Oktober 2019 veröffentlichen Halbjahresupdate (Berichtzeitraum: 27. Jänner bis 23. September 2019), dass die Situation in Venezuela nach wie vor komplex sei und der Zugang zu grundlegenden Diensten, insbesondere der Zugang zu Gesundheitsversorgung und psychischer Gesundheitsversorgung, sowie die Bedingungen bezüglich Wasser, sanitären Einrichtungen und Hygiene kritisch seien. Die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO) habe über den Ausbruch von vermeidbaren Krankheiten berichtet, beispielsweise Diphtherie, Masern und Malaria, sowie über einen Anstieg bei Tuberkulosefällen. Um die Verbreitung von Krankheiten einzudämmen, sei eine grundlegende Gesundheitsversorgung für Personen mit dem höchsten Vulnerabilitätsgrad erforderlich. Die landesweiten Stromausfälle, die sich seit März 2019 ereignet hätten, hätten zu einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems geführt. Dies mache sich insbesondere bei Notfalldiensten sowie bei Geräten wie beispielsweise Dialysemaschinen, Kühlgeräten und Ventilatoren bemerkbar. Stromausfälle würden auch die Wasserversorgung beeinflussen, da diese komplett von elektrischen Pumpen abhänge. Der Zugang zu Wasser sei eine der größten Herausforderungen für Venezuela und es sei üblich, dass Gemeinschaften nur ein Mal pro Woche Wasser erhalten würden, was die Risiken für die vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen wie Kinder, Jugendliche, schwangere und stillende Frauen sowie Alte erhöhe. Die Stromversorgung sei nach wie vor schwankend, insbesondere in den Bundesstaaten außerhalb der Hauptstadt. Diese Situation werde noch durch den Treibstoffmangel verschärft, der sich durch reduzierte Importe und nicht ausreichende Produktion vor Ort verschlimmert habe. Dadurch werde der Zugang zu grundlegenden Diensten und die Möglichkeit, eine Lebensgrundlage zu sichern, behindert, wie auch der Zugang zum Transportsektor, was die Herausforderungen für die Menschen beim Zugang zu Gesundheitsversorgung und Wasser vergrößere. (IFRC, 23. Oktober 2019, S. 2)

 

The New Humanitarian (TNH), eine institutionell unabhängige Nachrichtenagentur, die schwerpunktmäßig über Krisen berichtet und sich für eine Verbesserung humanitärer Hilfsmaßnahmen einsetzt, berichtet im November 2019 über das Schicksal von Personen mit HIV/AIDS in Venezuela. Laut dem Artikel gebe es einen Mangel an antiretroviralen Medikamenten im Land. Geschildert wird die Geschichte einer Person namens Marco, die vor zwei Jahren aus Venezuela geflohen sei. Laut einem Bericht von UNAIDS vom März 2019 seien 8.000 HIV-Infizierte aus Venezuela geflohen, um zu überleben, die lokale NGO La Red Venezolana de Gente Positiva schätze die Zahl auf 10.000. Bei Marco sei 2003 HIV diagnostiziert worden. Er sei in das nationale AIDS-Programm aufgenommen worden und habe schnell kostenlose Behandlung erhalten. Nach einem Behandlungsfehler 2007 habe er als Freiwilliger bei der NGO Asovida begonnen. Diese habe 2016 öffentlich über einen Mangel von 90 Prozent bei antiretroviralen Medikamenten berichtet. Danach seien sie nach Angaben von Marco systematisch von Paramilitärs bedroht worden. Diese seien ihm nach Hause gefolgt und hätten ihn mit Gewehren bedroht. In den 15 Jahren, die Marco mit seiner HIV-Diagnose in Venezuela gelebt habe, habe er den Zusammenbruch des Gesundheitssystems und die Eskalation der humanitären Notsituation („explosion of a humanitarian emergency“) gesehen. Laut einer Vertreterin von Acción Solidaria, einer lokalen NGO, sei es 2017 und 2018 am schlimmsten gewesen. 2017 habe kein Krankenhaus über antiretrovirale Medikamente verfügt und 85 Prozent der Apotheken seien Medikamente gegen opportunistische Infektionen ausgegangen. Laut Acción Ciudadana contra el SIDA hätten mindestens 58.000 VenezolanerInnen keinerlei Behandlung erhalten. Acción Solidaria schätze, dass 3.200 Personen 2017 an Krankheiten, die mit HIV in Zusammenhang stehen würden, gestorben seien, was acht oder neun Personen pro Tag entspreche. 2018 sei diese Zahl auf 24 bis 25 Personen pro Tag angestiegen. Für 2019 seien noch keine Zahlen veröffentlicht. 2018 sei ein neuer Reaktionsplan von mehreren Organisationen und dem Gesundheitsministerium ausgearbeitet worden und der Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria habe fünf Millionen US-Dollar für antiretrovirale Medikamente 2019 zur Verfügung gestellt, was den Mangel an Behandlung auf 65 Prozent in den ersten zehn Monaten des Jahres 2019 gesenkt habe. Die venezolanische Regierung habe aber ihre Zusage, 28 Millionen US-Dollar für die Finanzierung des restlichen Programms beizusteuern, nicht eingehalten. Heute hätten HIV-PatientInnen in Venezuela drei Optionen: unbehandelt bleiben, die Medikamente für viel Geld im Ausland auf dem Schwarzmarkt erwerben oder das Land verlassen. (TNH, 5. November 2019)

 

UNO-Nothilfekoordinator Mark Lowcock gab in einer vom Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, UNOCHA) veröffentlichten Stellungnahme zur humanitären Lage in Venezuela vom November 2019 an, dass er während seines ersten Besuchs im Land gesehen habe, wie einfache Frauen, Männer und Kinder täglich mit überwältigenden Herausforderungen konfrontiert seien, um zu überleben. Millionen könnten sich nicht das absolute Minimum an Essen, Wasser und Gesundheitsversorgung leisten und die Situation verschlechtere sich weiter. Die große Mehrheit der VenezolanerInnen sei von der politischen und wirtschaftlichen Krise des Landes betroffen. Eine wirtschaftliche Talfahrt, die von einer Hyperinflation befeuert worden sei, habe zu einer katastrophalen Lage für einfache Menschen im ganzen Land geführt. Er habe selbst gesehen, wie das Gesundheitssystem am Rande des Zusammenbruchs stehe. In vielen Krankenhäusern mangle es an der grundlegendsten Infrastruktur für Wasser und Elektrizität. PatientInnen im Krankenhaus, von denen viele bereits in einem kritischen Gesundheitszustand seien („critically ill“), seien einem hohen Risiko ausgesetzt, ihre Leben durch neue Infektionen, die sie sich im Krankenhaus zuziehen würden, zu verlieren, da keine grundlegende Reinigung oder Desinfektion möglich sei. Diese Situation werde durch einen Mangel an Medikamenten sowie an ÄrztInnen und Krankenpflegepersonal zu ihrer Verabreichung verschärft. Vermeidbare Krankheiten, darunter Malaria und Diphterie, würden in vollem Umfang wieder auftreten („are back with a vengeance“). Personen mit chronischen Krankheiten, schwangere und stillende Frauen, Kinder sowie Behinderte würden zu den Vulnerabelsten gehören.“ (UNOCHA, 6. November 2019)

 

Die britische Tageszeitung The Times berichtet im November 2019, dass mit dem Abdriften Venezuelas ins Chaos die Vulnerabelsten gezwungen seien, aus dem Land zu fliehen. Zuerst seien die gut Gebildeten und Vermögenden geflohen. Mit ihren Ressourcen und Qualifikationen hätten sie in die umliegenden Länder reisen („able to travel through the region“) und Arbeit finden können. Mit der Verschlimmerung der Hyperinflation und der schlechter werdenden Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten sei ein weiterer „Exodus“ einhergegangen. Die Geflohenen hätten weniger Ressourcen gehabt, aber vielleicht eine Ausbildung („trade“) oder Fähigkeit, die ihnen helfe, eine Arbeit zu finden. Zuletzt seien Flüchtlinge wie Julieth Lugo gekommen, die die Grenze mit ihrem behinderten Baby überquert habe. Sie habe angegeben, Venezuela verlassen zu haben, als die Lebensmittelknappheit so gravierend geworden sei, dass sie ihr Kind nicht mehr habe ernähren können. Die Inflation sei derart angestiegen, dass die alleinerziehende Mutter nicht mehr das Geld für Arzttermine und Behandlungen habe aufbringen können. Der Vertreter einer regionalen Sektion des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UN High Commissioner for Refugees, UNHCR) habe angegeben, dass in den vorangegangenen Wochen immer mehr vulnerable Personen die Grenzen überquert hätten. In den letzten sechs Wochen habe es eine Zunahme bei den besonders vulnerablen Fällen gegeben: Alte, die alleine kommen würden, Behinderte oder Personen, die unter chronischen Krankheiten leiden und keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten in Venezuela gehabt hätten. (The Times, 27. November 2019)

Lage in Guanta (Bundesstaat Anzoátegui)

Es konnten fast keine konkreten Informationen zur Lage in Guanta gefunden werden. Im Folgenden finden Sie beispielhaft ausgewählte Informationen zur Lage im Bundesstaat Anzoátegui, in dem Guanta liegt, die sich jedoch nicht wesentlich von der Lage im restlichen Land unterscheiden dürfte. Bitte beachten Sie, dass bei vielen der im Folgenden verwendeten Medienquellen keine ausreichenden bzw. hinreichend verlässlichen Informationen hinsichtlich ihrer politischen Ausrichtung gefunden werden konnten.

Sicherheitslage im Bundesstaat Anzoátegui

OVCS meldet im November 2019, dass es im Oktober zu 1.739 Demonstrationen im ganzen Land gekommen sei, wovon die meisten in Anzoátegui mit 148 stattgefunden hätten (OVCS, 14. November 2019). Im Oktober hatte OVCS berichtet, dass es im September 708 Demonstrationen im ganzen Land gegeben habe, davon die meisten im Hauptstadtdistrikt mit 64, gefolgt von Anzoátegui mit 61. (OVCS, 14. Oktober 2019)

 

 
 


Einer von OVCS im Juli 2019 veröffentlichten Übersicht zur Verteilung der Demonstrationen in Venezuela im ersten Trimester 2019 ist zu entnehmen, dass es in diesem Zeitraum in Anzoátegui 473 Demonstrationen gegeben habe, die meisten Demonstrationen hätten im Bundesstaat Miranda mit 947 stattgefunden:

(OVCS, 15. Juli 2019. S. 5)

Die regionale, in Anzoátegui ansässige Zeitung El Tiempo meldet im Dezember 2019, dass der Geschäftsführer der Stiftung für Menschenrechte des Bundesstaates Anzoátegui (FDDHHANZ) angegeben habe, dass 279 Personen in der Region zwischen Jänner und November 2019 durch Sicherheitskräfte des Staates ums Leben gekommen seien. Hervorstechen würden Fälle, in die die FAES involviert gewesen seien:

„El director institucional de la Fundación de los Derechos Humanos ((FDDHHANZ),) del estado Anzoátegui (FDDHHANZ), Alcides Magallanes, resaltó que en el documento se establece por primera vez, por ejemplo, el respeto a la vida, a la no discriminación y a la libertad de las personas. […]

Subrayó que según un informe elaborado este año por la institución que preside, en la región 279 personas murieron entre enero y noviembre a manos de los organismos de seguridad del Estado, donde resaltan los casos que involucran a la Fuerza de Acciones Especiales (FAES).” (El Tiempo, 11. Dezember 2019)

Versorgungslage und medizinische Versorgung im Bundesstaat Anzoátegui

Der im allgemeinen Teil dieser Anfragebeantwortung zitierte Artikel der New York Times (NYT) vom November 2019 über das zusammenbrechende venezolanische Schulsystem beschrieb eine Szene in einer Schule mit vor Hunger in Ohnmacht fallenden SchülerInnen in Boca de Uchire, das im Bundesstaat Anzoátegui liegt. (NYT, 30. November 2019)

 

BBC News veröffentlicht im Juni 2019 eine Reportage über ein Krankenhaus in Anzoátegui. Im Einleitungstext zum Video wird beschrieben, dass ein Korrespondent der BBC ein Krankenhaus besucht habe, in dem Fälle von Unterernährung immer häufiger würden. Zum Mangel an Lebensmitteln und Medikamenten käme nun auch noch der Strommangel, der die Situation für PatientInnen und ÄrztInnen noch verkompliziere. Während der Korrespondent die Einrichtung des Krankenhauses besichtigt habe, habe es einen Stromausfall gegeben:

„El corresponsal de BBC Mundo, Guillermo Olmo, viajó al estado de Anzoátegui y visitó un hospital en el que los casos de malnutrición son cada vez más frecuentes. A la falta de alimentos y medicamentos por la crisis, se suma la falta de electricidad que dificulta aun más las cosas para pacientes y médicos. Mientras visitaba las instalaciones, se produjo un corte de luz. El gobierno de Nicolás Maduro dice que los problemas en el suministro eléctrico se deben a un sabotaje. Pero en Anzoátegui, Guillermo Olmo se encontró con quienes aseguran que la causa es la falta de inversión y mantenimiento.“ (BBC News, 5. Juni 2019)

Die spanischsprachige Reportage finden Sie unter folgendem Link:

·      BBC News: "Falta comida, medicamentos y ahora la luz": los múltiples problemas dentro de un hospital de Venezuela, 5. Juni 2019
https://www.bbc.com/mundo/noticias-america-latina-48534219

 

Die venezolanische Zeitung El Carabobeño berichtet im Dezember 2019, dass es wegen der venezolanischen Migrationskrise einen Ärztemangel in Anzoátegui gebe. Die wenigen ÄrztInnen, die im Bundesstaat bleiben würden, müssten ihre Dienste verdoppeln und für mehrere medizinische Dienste gleichzeitig arbeiten. In verschiedenen Krankenhäusern habe man versucht, Personal zu finden, aber die freien Stellen könnten nicht besetzt werden. Am kritischsten sei die Lage in außerhalb gelegenen Gesundheitszentren („centros de salud foráneos“), in denen es für manche medizinischen Dienste weder ÄrztInnen noch KrankenpflegerInnen gebe:

„El Colegio de Médicos en Anzoátegui se declaró en asamblea permanente, ante la ola de renuncias a los centros de salud por migración de estos profesionales en el oriente del país. La situación dificulta la atención de los pacientes, sobre todo en la red de salud pública.

Según cifras del colegio, más de quinientos especialistas ubicados en la región han solicitado la validación de documentos para radicarse fuera del país. ‘A principios del mes de diciembre, más de 550 médicos, de manera legal, se han retirado hacia otras latitudes buscando mejores condiciones’, confirmó Víctor Velázquez, secretario general del Colegio de Médicos. Los pocos médicos que quedan en el estado han tenido que redoblar guardias y atender varios servicios al mismo tiempo, además, los estudios de posgrados están quedando desiertos. Velázquez agregó que en el Hospital Universitario Dr. Luis Razetti y en otros hospitales de la zona han hecho múltiples llamados para cubrir los cargos y no hay como cubrir las vacantes. La situación es más crítica en los centros de salud foráneos, pues algunos servicios quedan sin médicos ni enfermeras producto de la diáspora.“ (El Carabobeño, 11. Dezember 2019)

Die venezolanische Tageszeitung El Universal meldet im Dezember 2019, dass der Gouverneur des Bundesstaates Anzoátegui gesagt habe, es gebe in Caracas Feinde dieses Bundesstaates, die ein Interesse daran hätten, dass die Menschen in diesem Bundesstaat nicht einen Tropfen Wasser hätten, weshalb sich das Problem der „trockenen Wasserhähne“ in den 21 Bezirken („municipios“) verschärfe. Er habe erklärt, dass es in Anzoátegui ganze Bezirke gebe, in denen es dauerhaft kein Wasser gebe und in Tausenden Häusern komme kein Wasser, sondern Luft aus den Wasserhähnen:

„El gobernador de Anzoátegui, Antonio Barreto Sira, denunció que desde Caracas hay ‘enemigos’ del estado interesados en mantener a la población de esta entidad, sin una gota de agua, por lo que el problema de ‘los grifos secos’, se agrava en los 21 municipios, mientras la Hidrológica del Caribe (Hidrocaribe) permanece callada ante estas calamidades. No sólo es la asfiixia económica a la que está sometida el estado, ‘sino que pareciera que para aquellos que están en Caracas, todos los venezolanos somos sus enemigos, tanto los que aún los apoyan como quienes los rechazamos y esto por ni agua son capaces de darnos en nuestras jurisdicciones, municipios y comunidades’. […]

Manifestó que en Anzoátegui existen municipios enteros que permanecen en constante sequía y en miles de casas, de los grifos no sale agua, sino aire.(El Universal, 11. Dezember 2019)

El Tiempo berichtet im Dezember 2019, dass in der Metropolregion von Anzoátegui (die aus den Städten Puerto La Cruz, Lechería, Guanta und Barcelona besteht, Anm. ACCORD) der Satz „es gibt kein Wasser“ alltäglich sei. 2019 sei die Situation so schlimm gewesen, dass die Menschen in manchen Gegenden bis zu 20 Tage ohne Wasser gewesen seien. Die Ausfälle bei der Wasserversorgung habe es nicht nur in den Bezirkszentren gegeben, sondern auch in Gemeinden, die weiter weg seien. Nur wenige seien von diesem Problem verschont geblieben. Auch in den Bezirken Sotillo, Guanta und Urbaneja sei es zu Ausfällen gekommen. EinwohnerInnen von Guanta hätten mitgeteilt, dass sie 2019 immer nur eine Stunde pro Tag Wasser gehabt hätten:

„’No hay agua’, esta frase se ha hecho cotidiana entre habitante del área metropolitana de Anzoátegui. Durante 2019, la situación ha sido tan grave que en algunos sectores los vecinos han estado hasta 20 días seguidos sin poder disfrutar de este servicio básico.

Las fallas en el suministro de agua se han notado tanto en el centro de los municipios, como en las comunidades más alejadas. Pocos se han escapado de este problema. […]

Las fallas no han sido notables sólo en la capital de la entidad, sino también en los municipios Sotillo, Guanta y Urbaneja. […]

En Guanta, habitantes manifestaron que durante 2019 se tuvieron que acostumbrar a disfrutar del servicio sólo por una hora cada día. ‘En las residencias pudieron distribuir mejor el agua porque tienen tanques’, dijo la señora Daniela Álvarez.“ (El Tiempo, 12. Dezember 2019)

Das venezolanische Nachrichtenportal Noticiero Digital (ND) meldet am 4. Dezember 2019, dass in Venezuela nach einem Stromausfall in den frühen Morgenstunden dieses Tages mehr als zwölf Bundesstaaten nachmittags um 15 Uhr nach wie vor keine Strom gehabt hätten, darunter Anzoátegui. In Gebieten, in denen es Strom gegeben habe, habe es starke Rückgänge bei der Stromspannung („fuerte bajones de luz“) gegeben:

„Más de doce estados del país continúan sin luz a eso de las 3:15 pm de este miércoles luego que en la madrugada varias entidades se quedaran sin el servicio eléctrico. Según el concejal de VP (Voluntad Popular) en Maracaibo, los estados sin luz son: Aragua, Anzoátegui, Barinas, Lara, Cojedes, Carabobo, Mérida, Miranda, Nueva Esparta Táchira y Zulia. Además de esto, zonas de dichas entidades que cuentan con el servicio eléctrico han presentado fuerte bajones de luz.“ (ND, 4. Dezember 2019)

El Carabobeño erwähnt in einem Artikel vom Dezember 2019, dass die venezolanische Hauptstadt und mehrere Bundesstaaten, darunter Anzoátegui, zu den Regionen gehören würden, die am stärksten vom schlechten Zustand betroffen seien, in dem sich das Stromnetz wegen fehlender Wartung befinde:

„La capital y diversos estados del país como Aragua, Anzoátegui, Carabobo, Falcón, Lara Miranda, Mérida y Zulia, son algunos de las regiones más golpeados por el grave estado en el que se encuentra el sistema eléctrico nacional, debido a la falta de mantenimiento, lo que se ha convertido desde hace varios años en una pesadilla de nunca acabar.” (El Carabobeño, 12. Dezember 2019)

El Universal berichtet im Dezember 2019, dass Chaos im öffentlichen Verkehr in Anzoátegui herrsche, da jede Linie das verlange, was sie für „normal“ halte, was noch dadurch verschlimmert werde, dass es im Norden des Bundesstaates täglich Preissteigerungen gebe:

„En Anzoátegui, el caos está reinando en el sector del transporte público, por cuanto cada línea está cobrando el precio que considere ‚es normal’, con el agravante que esos aumentos se registran diariamente en la zona norte de esta entidad.

Los usuarios iniciaron esta semana las protestas por los nuevos costos en los pasajes, con que fueron sorprendidos y en algunas calles, como la del 5 de Julio de Puerto La Cruz, algunos se concentraron para demostrar su inconformidad.“ (El Universal, 5. Dezember 2019)

Das venezolanische Nachrichtenportal Descifrado meldet im November 2019, dass der Vorsitzende der Gewerkschaft der Arbeiter im Transportwesen des Bundesstaates Anzoátegui davor gewarnt habe, dass 95 Prozent der Transportmittel wegen des Mangels an Ersatzteilen stillstehen würden:

„El director del Sindicato Único de Trabajadores del Transporte del estado Anzoátegui (Sutta), Néstor Martínez, advirtió que existe una paralización de 95% en las unidades de transporte por la escasez de repuestos para mantenerlas operativas.“ (Descifrado, 20. November 2019)

 

 
 

 


Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 16. Dezember 2019)

·      ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Venezuela Country Report, September 2019
https://www.ecoi.net/de/dokument/2020147.html

·      ARTE: Die Schlägertrupps des Präsidenten - Venezuela im Würgegriff von Stadtguerillas, 11. November 2019a
https://www.arte.tv/de/videos/088696-000-A/die-schlaegertrupps-des-praesidenten/

·      ARTE: Venezuela am Abgrund - Wie man einen Staat zugrunde richtet, 11. November 2019b
https://www.arte.tv/de/videos/088695-000-A/venezuela-am-abgrund/

·      BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 17; Venezuela, September 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2018346/venezuela-laenderreport-17.pdf

·      BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Briefing Notes 21 October 2019, 21. Oktober 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2020343/Deutschland___Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_21.10.2019_%28englisch%29.pdf

·      BBC News: "Falta comida, medicamentos y ahora la luz": los múltiples problemas dentro de un hospital de Venezuela, 5. Juni 2019
https://www.bbc.com/mundo/noticias-america-latina-48534219

·      Descifrado: Advierten paralización del 95% del transporte en Anzoátegui, 20. November 2019
http://www.descifrado.com/2019/11/20/advierten-paralizacion-del-95-del-transporte-en-anzoategui/

·      Deutschlandfunk: Caritas: Sanktionen verschärfen humanitäre Situation zusätzlich, 26. September 2019
https://www.deutschlandfunk.de/krise-in-venezuela-caritas-sanktionen-verschaerfen.694.de.html?dram:article_id=459665

·      El Carabobeño: Crisis migratoria deja con déficit de médicos al estado Anzoátegui, 11. Dezember 2019
https://www.el-carabobeno.com/crisis-migratoria-deja-con-deficit-de-medicos-al-estado-anzoategui/

·      El Carabobeño: Los venezolanos viven en ascuas por los bajones, apagones, fallas del servicio telefónico e internet, 12. Dezember 2019
https://www.el-carabobeno.com/los-venezolanos-viven-en-ascuas-por-los-bajones-apagones-fallas-del-servicio-telefonico-e-internet/

·      El Tiempo: Fundación de Derechos Humanos: 279 personas han muerto a manos de organismos del estado, 11. Dezember 2019
https://eltiempo.com.ve/2019/12/11/%ef%bb%bffundacion-de-derechos-humanos-279-personas-han-muerto-a-manos-de-organismos-del-estado/

·      El Tiempo: Fallas en suministro de agua fueron la constante durante 2019, 12. Dezember 2019
https://eltiempo.com.ve/2019/12/12/fallas-en-suministro-de-agua-fueron-la-constante-durante-2019/

·      El Universal: Usuarios en Anzoátegui denuncian aumentos diarios en precios del transporte público, 5. Dezember 2019
https://www.eluniversal.com/venezuela/56979/usuarios-en-anzoategui-denuncian-aumentos-diarios-en-precios-del-transporte-publico

·      El Universal: Gobernador de Anzoátegui denuncia que persiste el problema de "los grifos secos", 11. Dezember 2019
https://www.eluniversal.com/venezuela/57417/gobernador-de-anzoategui-denuncia-que-persiste-el-problema-de-los-grifos-secos

·      Foro Penal: Reporte sobre la represion en Venezuela. Octubre 2019, 2. Dezember 2019
https://foropenal.com/reporte-sobre-la-represion-en-venezuela-octubre-2019/

·      Foro Penal: La represion en Venezuela en cifras - Datos del Foro Penal al 09 de Diciembre de 2019, 9. Dezember 2019
https://foropenal.com/wp-content/uploads/2019/12/cifras-de-represion-al-09122019-definitiva.pdf

·      ICRC - International Committee of the Red Cross: Venezuela: Making access to health care a priority, 18. September 2019
https://www.icrc.org/en/document/venezuela-making-access-health-care-priority

·      IFRC - International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies: Six-month update Venezuela: Health Emergency, 23. Oktober 2019
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/MDRVE004.pdf

·      InSight Crime: FARC in Venezuela, 27. Juni 2019
https://www.insightcrime.org/venezuela-organized-crime-news/farc-in-venezuela/

·      Landinfo – Norwegian Country of Origin Information Centre: Venezuela: Los colectivos, 1. Oktober 2019
https://www.ecoi.net/en/file/local/2018268/Venezuela-respons-Los-colectivos-01102019.pdf

·      ND – Noticiero Digital: 3:15 pm: Doce estados continúan sin luz, 4. Dezember 2019
https://www.noticierodigital.com/2019/12/reportan-apagon-en-tachira-nueva-esparta-falcon-merida-y-zulia-desde-esta-madrugada/

·      NYT - New York Times: Students Fainting From Hunger in Venezuela’s Failing School System, 30. November 2019
https://www.nytimes.com/2019/11/30/world/americas/venezuela-students-hunger.html

·      OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights: Oral Update on the Human Rights Situation in the Bolivarian Republic of Venezuela, 9. September 2019
https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=24958&LangID=E

·      OVCS - Observatorio Venezolano de Conflictividad Social Asesinados en protestas 2019, ohne Datum
https://www.google.com/maps/d/viewer?mid=1rE6nmQsWcXhcvsNXPBthPM8Pik2jyABl&ll=5.106244200787446%2C-60.590338243840506&z=9

·      OVCS – Observatorio Venezolano de Conflictividad Social: Conflictividad Social en Venezuela - Primer semestre 2019, 15. Juli 2019
http://www.observatoriodeconflictos.org.ve/oc/wp-content/uploads/2019/07/INFORMEMENSUAL-2019-1ERSEMESTRE.pdf

·      OVCS – Observatorio Venezolano de Conflictividad Social: Conflictividad social en Venezuela en septiembre de 2019, 14. Oktober 2019
https://www.observatoriodeconflictos.org.ve/tendencias-de-la-conflictividad/conflictividad-social-en-venezuela-en-septiembre-de-2019

·      OVCS – Observatorio Venezolano de Conflictividad Social: Conflictividad social en Venezuela en octubre de 2019, 14. November 2019
https://www.observatoriodeconflictos.org.ve/tendencias-de-la-conflictividad/conflictividad-social-en-venezuela-en-octubre-de-2019

·      Reuters: Elite police force spreads terror in the barrios of Venezuela, 13. November 2019
https://www.reuters.com/investigates/special-report/venezuela-violence-police/

·      The Times: Escape from Venezuela: Inside the wave of 4.3m refugees, 27. November 2019 (verfügbar auf Factiva)

·      TNH – The New Humanitarian: Venezuelans with HIV left with stark choice: leave or die, 5. November 2019
http://www.thenewhumanitarian.org/news-feature/2019/11/05/Venezuelans-HIV-health-choice-leave-die

·      UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs: UN Under-Secretary-General for Humanitarian Affairs and Emergency Relief Coordinator, Mark Lowcock: Statement on the humanitarian situation in Venezuela, 6. November 2019
https://reliefweb.int/report/venezuela-bolivarian-republic/un-under-secretary-general-humanitarian-affairs-and-emergency

·      USDOS – US Department of State: Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 1 - Venezuela, 1. November 2019
https://www.ecoi.net/de/dokument/2019373.html

·      Vatican News: Venezuela: „Jeden Tag sterben mehr Menschen“, 3. Oktober 2019
https://www.vaticannews.va/de/welt/news/2019-10/venezuela-humanitaere-krise-bischof-jaime-villarroel-rodriguez.html

·      Washington Post: Armed conflict between Venezuela and Colombia is now a real, and terrifying, possibility (Autor: Francisco Toro), 12. September 2019
https://www.washingtonpost.com/opinions/2019/09/12/armed-conflict-between-venezuela-colombia-is-now-real-terrifying-possibility/