a-3914 (ACC-SCG-3914)

Nach einer Recherche in unserer Länderdokumentation und im Internet können wir Ihnen zu oben genannter Fragestellung Materialien zur Verfügung stellen, die unter anderem folgende Informationen enthalten:
 
Auf die Behandlung einer Posttraumatischen Belastungsstörung geht der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) zur medizinischen Versorgungslage im Kosovo vom Februar 2004 detailliert ein, die Psychiaterin Dr. Schlüter- Müller wird zitiert, wonach eine dem bekannten Standard auch nur teilweise entsprechende Behandlung einer PTBS im Kosovo nicht verfügbar wäre:
„Bezüglich der Behandlung von PTBS soll zusammenfassend nur soviel gesagt werden: Der Einsatz von Medikamenten bei einer Traumabehandlung kann hilfreich sein, stellt aber nicht die Behandlung an und für sich dar und kann vor allem die Psychotherapie nicht ersetzen. Medikamentöse Therapie hat sich gegenüber den obengenannten Symptomen in bisherigen Kontrollstudien als wirkungslos erwiesen. Bei sämtlichen Behandlungsformen von PTBS sind Präsenz von TherapeutInnen und das Gespräch mit diesen wichtiger Bestandteil. Des weiteren ist die Gewährleistung von körperlicher und emotionaler Sicherheit wesentlich – vor allem in der Gesprächssituation. Die Behandlung von PTBS in Kosovo ist biologisch und erfolgt auf medikamentöser Basis. Dies liegt daran, dass es mangels einer psychotherapeutischen Ausbildung an Fachpersonal für Psychotherapie fehlt. Die in den Kliniken herrschenden Kapazitätsprobleme sind ein weiterer Grund. Der Chef der Psychiatrieabteilung in Pristina meint hierzu: "In unserer Klinik können wir für ambulante PatientInnen nur Psychotherapien mit maximaler Dauer von 20 bis 30 Minuten im Abstand von sechs bis acht Wochen durchführen, weil wir zu viele PatientInnen haben. Für stationäre PatientInnen können wir maximal eine zehnminütige Psychotherapie pro Woche anbieten."  Bei diesen Gesprächen handelt es sich aber eher um Abklärungen oder psychiatrische Gespräche, die der Überprüfung der Wirkung der Medikamente sowie deren Nebenwirkungen dienen. Die Kinder-und Jugendpsychiaterin Dr. Schlüter- Müller, die mit den NeuropsychiaterInnen in Pristina zusammenarbeitet, meint hierzu: "eine angemessene und dem bekannten Standard auch nur teilweise entsprechende Behandlung einer PTBS ist im Kosovo nicht verfügbar, da (...) psychiatrische Gespräche für die Behandlung in keiner Weise ausreichend sind." (SFH, 24. Mai 2004, S. 13-14; vgl. Schlüter-Müller, 14. Februar 2004)
[Passage entfernt]
 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) nennt als einzige psychiatrische Klinik mit getrennten Abteilungen für Männer und Frauen die Neuropsychiatrische Universitätsklinik in Pristina. Die SFH weist auf die Community Mental Health Centres (CMHC) in mehreren Städten hin, diese würden von PTBS-Patienten jedoch meist ungern aufgesucht:
„Seit 2003 stehen sieben neuropsychiatrische Dienste für ambulante Behandlungen zur Verfügung, die sogenannten Community Mental Health Centres (CMHC) in Mitrovica, Pristina, Peja/Pec, Gjilan/Gnjilane, Ferizaj/Urosevac, Prizren und Gjakova/Djakovica. Bei diesen Gesundheitszentren handelt es sich um Tageszentren, die Erwachsenen und Jugendlichen mit schweren chronischen mentalen Erkrankungen bei der Rehabilitation und Integration helfen, wenn sich deren Zustand verbessert hat. Es werden jedoch auch hier weder Arbeits- noch Gruppentherapien angeboten, die PatientInnen sind weitgehend sich selbst überlassen. Es besteht kein Angebot für Kinder und vergewaltigte Frauen. In den Zentren gibt es meistens eine/n PsychiaterIn, einige Schwestern, Sozialarbeiter und Berater. Die ÄrztInnen in den CMHC arbeiten psychiatrisch auf medikamentöser Basis. Sie führen nur psychiatrische Gespräche, in welchen die Wirkung der Medikamente überprüft oder Nebenwirkungen der Medikamente in Form von körperlichen Beschwerden besprochen werden. PTBS-Patienten haben oft psychologische Barrieren, sich in einem CMHC behandeln zu lassen, weil sie nicht mit mental erkrankten oder behinderten Personen in Verbindungen gebracht werden möchten.“ (SFH, 24. Mai 2004, S. 12)
Das UK Home Office stellt in seinem Kosovo-Bericht vom April 2004 fest, dass die Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) im Kosovo möglich sei. (UK Home Office, April 2004, Absatz K.5.62.) Der Bericht verweist auf die in einem Brief vom 11. Februar 2004 wiedergegebene Position des UNHCR zur psychiatrischen Pflege im Kosovo, der auf Probleme der psychiatrischen Klinik in Pristina, hinweist:
„K.5.63. In a standard UNHCR position on psychiatric care in Kosovo, presented in a letter dated 11 February 2004, the UNHCR stated the following:- ‘In response to the specific issue in this case we made enquiries of our Branch office in Pristina and the following is a summary of their assessment. They were able to confirm that there is a psychiatric clinic within the University Clinical Centre in Pristina. In addition to this clinic, there are no other specialised facilities which could provide systematic treatment to victims of rape, PTSD cases and / or other cases requiring psychiatric treatment. The psychiatric clinic in Pristina is constantly faced with various problems, including the small number of specialist staff, the large number of patients, inadequate facilities to address the needs for hospitalisation / observationas well as an overall lack of funds. The situation, therefore, is difficult to say the least. Whilst a number of NGOs are active in Pristina with a remit which includes the assistance of victims of torture and rape they too are heavily constrained by limited capacity and resources. Furthermore we are told that the limited resources that are available are confined to Pristina; only occasionally are visits to the field actually made.’[17m](p.3)” (UK Home Office, April 2004, Absatz K.5.63.)
Das deutsche Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) verwies im April 2000 auf Auskünfte des UNHCR und des Büros des zivilen Koordinators für Kosovo-Soforthilfe Pristina (v. 29.01.2000 an VG Bremen) sowie die Schweizerische Flüchtlingshilfe, in denen die Behandlungsmöglichkeit von schweren geistigen und körperlichen Behinderungen verneint und die Möglichkeiten zur psychiatrischen Betreuung als nach wie vor unzureichend bezeichnet werden (UNHCR, Informationen zur Rückkehr in das Kosovo, Dezember 1999; Büro des zivilen Koordinators für Kosovo-Soforthilfe Pristina v. 29.01.2000 an VG Bremen; Schweizerische Flüchtlingshilfe (Fn. 19):
"Behinderungen (schwere geistige und körperliche)
Die notwendige ständige medizinische Betreuung könne im Kosovo (noch) nicht erbracht werden.8 [...]
Psychiatrische Betreuung
Die Möglichkeiten hierzu seien nach wie vor unzureichend. Die völlig überlastete psychiatrische Abteilung im Krankenhaus von Pristina könne derzeit nur ambulant behandeln.23 Paranoid-halluzinatorische Psychosen ließen sich mittels Neuroleptika therapieren.24 Nach anderer Aussage fehlen praktisch jegliche Strukturen und Kapazitäten für eine psychiatrische Versorgung.25" (BAFl, April 2000) 
In einem Bericht vom Informationsbüro der Deutschen Caritas und Diakonie in Pristina vom März 2002 wird Dr. Hannu Vuori, der internationale Vorsitzende des Gesundheitsministeriums, zitiert:
"Die Versorgung von geistig Behinderten im Kosovo steht noch immer vor ernsten Schwierigkeiten. Die Anzahl schwer traumatisierter Menschen ist sehr hoch. (...) Es kommt ein Psychiater auf 90.000 Einwohner, ein Pfleger für geistig Behinderte auf 40.000 Einwohner, es gibt eine geringe Anzahl von Sozialarbeitern. Dazu kommt ein vollkommener Mangel an Betten für Notfälle. Man ist nicht in der Lage, psychotherapeutische Betreuung zu liefern. Vollkommener Mangel an Betten für chronisch Kranke, es ist keinerlei forensische Psychiatrie möglich. Obwohl es sich im Kosovo um die jüngste Bevölkerung Europas handelt, gibt es in der ganzen Provinz nur einen einzigen Kinderpsychiater. […]
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Rückführung von geistig behinderten Personen, besonders chronisch Kranke, Kinder oder Jugendliche von Fall zu Fall geprüft werden sollte. Es ist wahrscheinlich, dass die meisten dieser Patienten im Kosovo nicht behandelt werden können." (Informationsbüro der Deutschen Caritas und Diakonie in Pristina, 12. März 2002, S.5)
Darüber hinaus wurde von Misshandlungen und inadäquater Behandlung von PatientInnen in Pflegeheimen und Krankenhäusern berichtet (Mental Disability Rights International, 7. August 2002, S.6-15).
 
Die UNMIK stellte im Dezember 2001 zur Rückführung psychisch Kranker fest:
"In particular, people showing signs of mental illnesses cannot be returned to Kosovo due to the lack of appropriate treatement." (UNMIK, 15. Oktober 2001, zitiert nach Schweizerische Flüchtlingshilfe, Dezember 2001, Annex 1)
Die "UNHCR-Position zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo" vom April 2002, die unter anderem die Gruppe geistig schwer behinderter Menschen als "besonders schutzbedürftige Personen" bezeichnet, wurde im Jänner 2003 als "nach wie vor zutreffend" bestätigt:
"Besonders schutzbedürftige Personen […]
Personen in einer besonders verwundbaren Situation können spezielle Bedürfnisse haben, die im Zusammenhang mit einer Rückkehr unter den gegenwärtigen Umständen berücksichtigt werden sollten. In diese Rubrik fallen beispielsweise folgende Personen (die Auflistung ist nicht als abschließend zu betrachten):
  • chronisch Kranke, deren Zustand eine spezielle medizinische Behandlung erfordert, die derzeit im Kosovo noch nicht verfügbar ist,
  • geistig schwer behinderte Menschen, deren Zustand eine spezielle medizinische Behandlung erfordert, die im Kosovo derzeit noch nicht verfügbar ist,
  • Personen mit einer ernsten Behinderung (einschließlich ihrer Pflegepersonen), deren Wohl von einem besonderen Unterstützungssystem abhängt, das im Kosovo noch nicht verfügbar ist, […]" (UNHCR, April 2002, S.2)
UNHCR hat im Jahr 2003 in mehreren Stellungnahmen, zuletzt uns vorliegend 29. September 2003, festgestellt, dass nach Erkenntnissen des UNHCR
„schwer wiegende psychische Krankheiten derzeit im Kosovo nicht ausreichend medizinisch behandelbar [sind]. Psychiatrische Dienste gibt es im Kosovo nur sehr begrenzt. Klinische Psychologen gibt es jedoch so gut wie keine und die wenigen Psychiater haben keine Ausbildung für Psychotherapie. Eine psychotherapeutische Behandlung ist im Kosovo nicht durchführbar. Psychische Krankheiten werden nur durch die Vergabe von Psychopharmaka unzureichend behandelt.“ (UNHCR, 29. September 2003, S. 1; siehe auch UNHCR, 22. Juli 2003)
Dies gelte, so UNHCR in derselben Stellungnahme, auch für Behandlungen in Serbien, da dafür eine Reihe von für Personen aus Kosovo/a schwierig zu erfüllenden administrativen Voraussetzungen (Wohnsitznahme und Registrierung in Serbien) gegeben sein müssen, und
„auch für serbische Bürger „die Situation und der Zustand im staatlichen Gesundheitssystem Serbiens nicht zufrieden stellend [sind]. Kostenfreie Diagnose und Behandlung sind in den staatlichen Krankenhäusern nicht immer verfügbar und die Erstattung von Ausgaben für medizinische Dienstleistungen ist eine langwierige Prozedur.“ (UNHCR, 29. September 2003, S. 3; siehe auch UNHCR, 4. September 2003)
Insbesondere zum Zustand der Psychiatrie in Prishtina verweisen wir auf das Gutachten von Frau Dr. Schlüter-Müller vom 29. Juli 2003 sowie ergänzend auf eine Reportage des Tagesspiegel vom 11. März 2004.
 
Diese Informationen beruhen auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen. Die Antwort stellt keine abschließende Meinung zur Glaubwürdigkeit eines bestimmten Asylansuchens dar.
Quellen:
Urteile deutscher Verwaltungsgerichte
  • VG Minden: Urteil vom 29. November 2001, 7 K 1634/01.A
  • VG Münster: Urteil vom 13. November 2001, 6 K 2661/94.A
  • VG Karlsruhe: Urteil vom 18. März 2002, A 4 K 10066/02Q
  • VG Sigmaringen: Urteil vom 17. Juni 2002, A 7 K 10900/02