Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Argentina

Amtliche Bezeichnung: Argentinische Republik
Staats- und Regierungschefin:
 Cristina Fernández de Kirchner

Obwohl der Oberste Gerichtshof Vergewaltigungsopfern das Recht auf einen legalen Schwangerschaftsabbruch zusprach, sahen sich die Betroffenen weiterhin mit Schwierigkeiten konfrontiert. Indigenen Bevölkerungsgruppen wurden auch 2012 ihre Landrechte verwehrt. Die Gerichtsverfahren gegen die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen während der Militärherrschaft (1976-83) wurden fortgesetzt.

Hintergrund

Im Oktober 2012 befasste sich der UN-Menschenrechtsrat im Rahmen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung mit der Lage der Menschenrechte in Argentinien. Er sprach Empfehlungen aus, die u.a. sexuelle und reproduktive Rechte, die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen, den Schutz vor Folter und die Rechte von Migranten betrafen.

Eine Untersuchung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die während des Spanischen Bürgerkriegs und des anschließenden Franco-Regimes in Spanien (1936-77) verübt wurden, dauerte an.

Im Mai 2012 wurde ein Gesetz verabschiedet, wonach jede Person ihren Namen und ihre Geschlechtszugehörigkeit in offiziellen Dokumenten künftig ändern kann, ohne hierfür medizinische oder juristische Gutachten zu benötigen. Das Gesetz bedeutete einen großen Fortschritt bezüglich der Rechte von Transsexuellen.

Rechte indigener Bevölkerungsgruppen

Der UN-Sonderberichterstatter für die Rechte der indigenen Völker äußerte in einem im Juli 2012 veröffentlichten Bericht die Sorge, dass die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen auf Land und natürliche Ressourcen nicht ausreichend geschützt würden. Er bemängelte vor allem, dass das Notstandsgesetz 26160 nicht eingehalten werde, das vorschreibt, die Vertreibung indigener Gemeinschaften so lange auszusetzen, bis die landesweite Registrierung indigener Territorien abgeschlossen ist.

Ende 2012 lag dem Parlament ein Gesetzentwurf zur Reform des Bürgerlichen Gesetzbuchs vor, der auch die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen auf ihr traditionelles Land betraf. Indigene Gruppen kritisierten, dass sie nicht in die Diskussion über die Reform einbezogen wurden.

  • Die Landansprüche der indigenen Gemeinschaft der Toba (Qom) aus La Primavera in der Provinz Formosa waren im März 2012 Gegenstand einer öffentlichen Anhörung vor dem Obersten Gerichtshof. Im November ließ ein Bundesgericht die Anklagen gegen Félix Díaz und Amanda Asikak wegen einer Straßenblockade im Jahr 2010 fallen. Zur Begründung hieß es, die Straßenblockade sei für sie die einzige Möglichkeit gewesen, ihren Protest zum Ausdruck zu bringen. Félix Díaz und seine Familie waren weiterhin Drohungen und Einschüchterungen ausgesetzt. Im August wurde Félix Díaz bei einer Motorradfahrt von einem Lastwagen angefahren. Augenzeugen berichteten, es habe sich um einen Lastwagen der Familie gehandelt, die das Land besitzt, das die Gemeinschaft der Toba (Qom) als ihr traditionell angestammtes Land beansprucht. Der Fahrer des Lastwagens flüchtete; bis Ende 2012 war der Unfall noch nicht untersucht worden.

Frauenrechte

Im März 2012 entschied der Oberste Gerichtshof, dass Vergewaltigungsopfern eine medizinisch sichere Abtreibung ohne gerichtliche Genehmigung gewährt werden müsse. Die Umsetzung dieses Urteils war jedoch in Teilen des Landes unzureichend. Im Anschluss an die Entscheidung des Obersten Gerichtshof verabschiedete das Stadtparlament von Buenos Aires ein Gesetz, wonach Schwangerschaftsabbrüche ohne richterliche Genehmigung legal sind, wenn die Frau vergewaltigt wurde oder eine Austragung des Kindes ihr Leben gefährden würde. Der Bürgermeister der Stadt legte jedoch ein Veto gegen das Gesetz ein, was dazu führte, dass in Buenos Aires weiterhin die früheren Regelungen Gültigkeit besaßen, die nicht dem Urteil des Obersten Gerichtshofs entsprachen.

  • Im Oktober 2012 untersagte ein Gericht in Buenos Aires einer 32-jährigen Frau, die Opfer von Menschenhandel und Vergewaltigung geworden war, einen Schwangerschaftsabbruch. Das Urteil wurde in der Öffentlichkeit heftig kritisiert. Nachdem der Oberste Gerichtshof die Entscheidung aufgehoben hatte, konnte die betroffene Frau den Schwangerschaftsabbruch schließlich vornehmen lassen.
    Das 2009 verabschiedete Gesetz zur Vorbeugung und Bestrafung von Gewalt gegen Frauen wurde nur unzureichend umgesetzt. So wurden u.a. nicht genügend aussagekräftige Daten in diesem Bereich erhoben.

Es wurde ein Gesetz verabschiedet, wonach geschlechtsspezifische Motive bei Tötungsdelikten als erschwerender Umstand zu bewerten sind.

Straflosigkeit

In den Gerichtsverfahren gegen die Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen während der Militärherrschaft waren 2012 weitere Fortschritte zu verzeichnen.

  • Im Juni erging ein Urteil wegen Verbrechen in den geheimen Haftzentren des Ersten Heereskorps (Primer Cuerpo del Ejército) Atlético, Banco und Olimpo. Der ehemalige Armeeangehörige Alfredo Omar Feito und der ehemalige Bundespolizist Pedro Santiago Godoy wurden wegen Folter und Freiheitsberaubung von 181 Personen für schuldig befunden. Alfredo Omar Feito wurde zu 18 Jahren Haft verurteilt; Pedro Santiago Godoy erhielt eine Freiheitsstrafe von 25 Jahren.
  • Die ehemaligen argentinischen Staatspräsidenten Jorge Rafael Videla und Reynaldo Bignone wurden im Juli wegen systematischen Kindesraubs schuldig gesprochen. Jorge Rafael Videla wurde zu 50 Jahren Haft verurteilt; Reynaldo Bignone erhielt eine 15-jährige Gefängnisstrafe.
  • Im Oktober wurden drei frühere Marineoffiziere im Zusammenhang mit dem "Massaker von Trelew" zu lebenslanger Haft verurteilt. 1972 waren in der Marinebasis Trelew 16 politische Gefangene hingerichtet worden, die zuvor einen Fluchtversuch aus einem Gefängnis in der Provinz Chubut unternommen hatten.

Folter und andere Misshandlungen

Im November 2012 wurde die Einrichtung eines Nationalen Präventionsmechanismus zum Schutz vor Folter gebilligt.

Im Juli tauchte im Internet ein Video auf, in dem zu sehen war, wie mindestens fünf Polizisten zwei Inhaftierte auf der Polizeiwache General Güemes in der Provinz Salta folterten. Der Film, der 2011 aufgenommen worden sein soll, zeigt, wie die Gefangenen verprügelt und mit Tüten beinahe erstickt wurden. Die Untersuchung der Folterungen war Ende 2012 noch anhängig.

Amnesty International: Bericht

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