Amnesty International Report 2010 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte

Amtliche Bezeichnung: Argentinische Republik
Staats- und Regierungschefin: Cristina Fernández de Kirchner
Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft
Einwohner: 40,3 Mio.
Lebenserwartung: 75,2 Jahre
Kindersterblichkeit (m/w): 17/14 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 97,6%

Trotz rechtlicher Garantien wurden indigene Gemeinschaften von ihrem angestammten Land vertrieben. Die Prozesse gegen diejenigen, die für Menschenrechtsverletzungen während der Militärdiktatur (1976-83) verantwortlich waren, wurden fortgesetzt. Die Haftbedingungen in den Gefängnissen gaben weiterhin Anlass zu ernsthafter Besorgnis.

Hintergrund

Es gab zahlreiche Proteste und Demonstrationen gegen die Arbeitslosigkeit, die hohe Kriminalitätsrate in den Städten, schlechte Wohnverhältnisse und andere soziale Probleme. Um die Ausgrenzung verarmter Bevölkerungsgruppen zu bekämpfen, führte die Regierung im Oktober per Dekret eine monatliche Beihilfe für Kinder ein. Sie wird an Eltern ausgezahlt, die arbeitslos sind, nur geringe Einkünfte haben oder im informellen Sektor arbeiten.

Rechte indigener Völker

Angehörige indigener Völker erhielten nach wie vor Räumungsbefehle. Dies stand im Widerspruch zu internationalen Standards sowie zu einem 2006 erlassenen nationalen Notstandsgesetz, das die Vollstreckung von Räumungsbefehlen und die Vertreibung indigener Gemeinschaften von ihrem angestammten Land zeitweise aussetzte. Da kaum Fortschritte bei der landesweiten Erfassung und Registrierung von Land zu verzeichnen waren, verlängerte der Kongress die Gültigkeit des Gesetzes aus dem Jahr 2006 bis November 2013.

Den indigenen Gemeinschaften wurde das Recht auf freie, vorherige und sachkundige Zustimmung zu Projekten verweigert, die den Abbau von Bodenschätzen auf ihrem Land betrafen. Gegen rund 150 Angehörige der Mapuche wurde Strafantrag gestellt, weil sie gegen die Verletzung ihrer Landrechte und gerichtlich angeordnete Räumungen in der Provinz Neuquén protestiert hatten.

  • Im Oktober 2009 wurde der 68-jährige Javier Chocobar, ein Angehöriger der indigenen Gemeinschaft der Diaguita in Los Chuschagasta (Provinz Tucumán), von einem Grundbesitzer getötet, der versuchte, die Gemeinschaft von ihrem angestammten Land zu vertreiben. Gegen den Grundbesitzer und zwei weitere Männer wurden zum Jahresende Ermittlungen eingeleitet.
  • Eine Klage, die Mitglieder der indigenen Gemeinschaft der Pilagá in El Descanso (Provinz Formosa) im Jahr 2001 erhoben hatten, war zum Jahresende 2009 noch anhängig. Der Fall betraf ein Bewässerungsprojekt aus dem Jahr 1997, das nach Ansicht der Gemeinschaft ihr traditionelles Landeigentum beeinträchtigte. Das Recht der Gemeinschaft auf freie, vorherige und sachkundige Zustimmung zu einem bedeutenden Infrastrukturentwicklungsprojekt in der Provinz wurde nicht respektiert.

Straflosigkeit - Gerechtigkeit für frühere Menschenrechtsverletzungen

Bei der strafrechtlichen Verfolgung derjenigen, die als Hauptverantwortliche für Menschenrechtsverletzungen während der Militärdiktatur gelten, waren Fortschritte zu verzeichnen. In einigen Fällen kam es jedoch aufgrund mangelnder Ressourcen zu langwierigen Verzögerungen. Nach Angaben der zuständigen Abteilung der Staatsanwaltschaft (Unidad Fiscal de Coordinación y Seguimiento de las Causas por Violaciones a los Derechos Humanos cometidos durante el Terrorismo de Estado) waren Ende 2009 Verfahren gegen mehr als 600 Personen anhängig. Dazu zählten auch Strafverfahren wegen "Verschwindenlassens". Im Laufe des Jahres 2009 wurden in Prozessen mehr als 30 Urteile gefällt.

  • Im Dezember 2009 brachen zwei Männer in das Menschenrechtsbüro der Provinz Buenos Aires ein. Gestohlen wurden Akten über rechtswidrige Polizeiaktivitäten und Dokumente über Fälle von Menschenrechtsverletzungen der Vergangenheit, in denen Gerichtsverfahren anstanden.
  • Im August 2009 erhielt Santiago Omar Riveros, der während der Militärdiktatur Kommandant des berüchtigten Gefängnisses Campo de Mayo war, eine lebenslange Haftstrafe. Er wurde für schuldig befunden, im Jahr 1976, einen Monat nach dem Militärputsch, den 15-jährigen Floreal Avellaneda gefoltert und erschlagen zu haben. Nach Ansicht des Gerichts war er außerdem für die Entführung von Avellanedas Mutter, Iris Pereyra, verantwortlich.
  • Im März 2009 wurden zwei frühere Militärangehörige und drei ehemalige Polizeibeamte in der Provinz San Luis zu lebenslanger Haft verurteilt. Sie waren für schuldig befunden worden, Graciela Fiochetti ermordet zu haben sowie für das "Verschwindenlassen" und die Ermordung von Pedro Valentín Ledezma und Sandro Santana Alcaraz verantwortlich zu sein. Auch die Folterung von Víctor Carlos Fernández wurde ihnen zur Last gelegt. Alle vier Opfer waren im September 1976 festgenommen worden.
  • Im Oktober 2009 wurde der ehemalige General Jorge Olivera Róvere zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Er war in vier Fällen des Mordes und in mehreren Fällen der illegalen Freiheitsberaubung schuldig gesprochen worden. In demselben Verfahren wurde ein zweiter ehemaliger General ebenfalls zu lebenslanger Haft verurteilt. Drei weitere ehemalige Militärangehörige wurden freigesprochen.
  • Im Dezember 2009 wurde gegen 17 ehemalige Marineoffiziere, unter ihnen Kapitän Alfredo Astiz, Anklage erhoben. Sie wurden beschuldigt, während der Militärdiktatur in Argentiniens größter geheimer Haftanstalt, dem Marine-Schulungszentrum ESMA (Escuela Mecánica de la Armada), Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Alfredo Astiz stand unter Anklage, zwei französische Nonnen getötet zu haben und für das "Verschwindenlassen" eines argentinischen Journalisten sowie weitere Verbrechen verantwortlich zu sein.
  • In einem Prozess, der im Dezember 2009 in der Provinz Córdoba zu Ende ging, wurde der ehemalige General Luciano Benjamin Menéndez zum dritten Mal zu lebenslanger Haft verurteilt.

Bedrohung von Zeugen

Es gab weiterhin Berichte darüber, dass Zeugen in Prozessen, in denen es um frühere Menschenrechtsverletzungen ging, trotz Zeugenschutzprogrammen bedroht wurden. Dies betraf insbesondere Zeugen, die in abgeschiedenen ländlichen Gebieten lebten.

  • Orlando Argentino González, ein Überlebender einer geheimen Haftanstalt in der Provinz Tucumán, erschien im Mai 2009 nicht als Zeuge vor Gericht, nachdem er mehrere Drohungen erhalten hatte.
  • Der Aufenthaltsort von Jorge Julio López, der Hauptzeuge und Kläger im Verfahren gegen Miguel Etchecolatz war, den ehemaligen Chefermittler der Polizei der Provinz Buenos Aires, blieb weiterhin unbekannt. Bei den Ermittlungen über sein Verschwinden im September 2006 gab es 2009 keine Fortschritte zu verzeichnen.

Haftbedingungen

Es gab Berichte über schlechte Haftbedingungen, Gewalt, Überbelegung, mangelnde Gesundheitsversorgung, Folter und andere Misshandlungen in den Gefängnissen und Haftanstalten der Provinzen Santiago del Estero und Mendoza. Die nationalen Behörden unterließen es, einen nach dem Fakultativprotokoll zum UN-Übereinkommen gegen Folter vorgeschriebenen Mechanismus zur Verhinderung von Folter einzurichten.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Gewalt gegen Frauen und Mädchen bot weiterhin Anlass zu ernsthafter Besorgnis. Im April wurde ein Gesetz zur Vorbeugung und Bestrafung von Gewalt gegen Frauen erlassen. Das Gesetz sieht eine kostenlose Rechtshilfe für Frauen vor, die Opfer von Gewalt wurden, sowie die Sammlung und systematische Erfassung offizieller Daten zu geschlechtsspezifischer Gewalt. Ende 2009 stand die konkrete Umsetzung des Gesetzes jedoch noch aus.

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