a-3994 (ACC-AZE-3994)

Nach einer Recherche in unserer Länderdokumentation und im Internet können wir Ihnen zu oben genannter Fragestellung Materialien zur Verfügung stellen, die unter anderem folgende Informationen enthalten:
 
UNHCR, IHF und Amnesty International gehen davon aus, dass Personen mit armenischer und gemischt-armenischer Abstammung bzw. gemischt-ethnische Familien mit großen Problemen in Aserbaidschan rechnen müssen. Diese Probleme sollen von einer feindseligen Grundstimmung in der Bevölkerung über die Weigerung von Behörden, Dokumente auszustellen und Schwierigkeiten, eine Wohnung oder Aufnahme in Schulen zu finden, (UNHCR, Oktober 1999, S. 13; IHF, Report 2000, S.62-64) bis hin zu Verhaftungen und Gefängnisaufenthalten ohne Anklage reichen (AI, 1999).
 
In einer Stellungnahme vom 22. Februar 2000 stellt UNHCR (Zweigstelle Nürnberg) fest, dass sich die Lage für ethnische und gemischt-ethnische Armenier in Baku zwar 'ansatzweise' stabilisiert habe, jene jedoch,
 
"die in sonstigen Landesteilen leben, [sind] nach wie vor Schikanen, Diskriminierungen und Bedrohungen durch die lokale Bevölkerung oder die lokalen Sicherheitskräfte ausgesetzt, zumeist ohne daß dies strafrechtliche Konsequenzen nach sich zöge.
In ihrer Gesamtheit betrachtet, nehmen diese Maßnahmen in vielen Fällen die Intensität politischer Verfolgung aufgrund ethnischer Zugehörigkeit der Betroffenen an. Asylgesuche von ethnischen Armeniern aus Aserbaidschan, insbesondere jene von gemischt-ethnischen Familien, sollten deshalb mit größter Sorgfalt untersucht werden.
Zusammenfassend ist UNHCR der Ansicht, daß Asylsuchende, die der armenischen Volksgruppe aus Aserbaidschan zugehörig sind, grundsätzlich internationalen Schutz benötigen." (UNHCR, 22. Februar 2000)
 
Laut der European Commission against Racism and Intolerance (ECRI) des Europarats tendieren armenische Volkszugehörige in Aserbaidschan dazu ihre ethnische Herkunft zu verheimlichen oder wenigstens nicht öffentlich zu zeigen. Als Beispiele werden das Fehlen einer armenischen Kulturvereinigung, von Schulen mit armenischsprachigem Unterrichtsangebot sowie die Tatsache angeführt, dass keine der armenisch-orthodoxen Kirchen in Verwendung ist (ECRI, Juni 2002, Abs. 51). Des weiteren spricht der Bericht von routinemäßigem Vorkommen von Hassreden („hate-speech“) und abfälligen öffentlichen Äußerungen gegen Armenier (ebd., Abs. 52).
 
„Armenians today living on the territory of Azerbaijan under the effective control of the Azerbaijani authorities are reported to have experienced discrimination in different fields, including employment and the exercise of property rights. One of the main problems remains the seizure of their apartments by Azerbaijani refugees from Armenia, internally displaced persons or criminals. Judicial proceedings opened by Armenians trying to protect their property have reportedly not led to the restoration of their rights. Armenians are also reported to have suffered from harassment at schools and at the workplace and to have been refused pensions or renewal of permits to live in Baku by local government authorities. There are also reports that low-level officials seeking bribes harassed Azerbaijani citizens of Armenian origin who sought to emigrate or obtain passports.” (ebd., Abs. 53)
 
Das US State Department (USDOS) führt in seinem Ende Februar 2004 erschienenen Menschenrechtsbericht zur Lage der armenischstämmigen Bevölkerungsgruppe aus:
 
“Animosity toward the Armenian population elsewhere in the country forced most Armenians to depart, and all Armenian churches, many of which were damaged in ethnic riots that took place more than a decade ago, remained closed. As a consequence, the estimated 10,000 to 30,000 Armenians who remained in the country were unable to attend their traditional places of worship.” (USDOS, 25 Feb 2004, Sec. 2c)
Some Armenians and persons of mixed Armenian-Azerbaijani descent complained about being unable to register their residences, find work, and get access to medical care and education due to their ethnicity. The approximately 30,000 citizens of Armenian descent complained of discrimination in employment, schooling, housing, and other areas. They also complained of workplace discrimination and harassment and of the refusal of local authorities to pay pensions. Most shielded their identity or tried to leave the country. Some changed their nationality, as reported in their passports. Authorities revoked some Armenian widows' permits to live in Baku. In September, the Government denied entry visas to three foreign citizens of Armenian ancestry on the grounds that the Government could not guarantee their safety in Baku. Some persons of mixed Armenian-Azerbaijani descent continued to occupy government positions. Public figures whose parents reportedly were of mixed-Armenian and Azerbaijani marriages, or had such marriages, were attacked publicly by colleagues in the press.“ (USDOS, 25. Februar 2004, Sec. 5)
 
Wie die ExpertInnen des von ACCORD und UNHCR organisierten COI Workshops immer wieder betonten, werde sich die Lage der armenischen und aserischen Minderheiten Aserbaidschan und Armenien erst bessern, wenn für die Provinz Nagorno-Karabach eine dauerhafte Lösung gefunden würde. (UNHCR/ACCORD, Mai 2000, S. 111) UNHCR Nürnberg meint dagegen, dass sogar Fortschritte bei den Friedensverhandlungen negative Auswirkungen auf die Lage der armenisch-stämmigen Bevölkerung haben könnte, da sich azerische Gruppen aus Protest und Ablehnung eines für sie inakzeptablen Kompromisses gegen ethnische Armenier wenden könnten. (UNHCR, 22. Februar 2000)
 
Letzte Entwicklungen zum Konflikt um Berg-Karabach laut Presseberichten: Im Mai warnte der Präsident Aserbaidschan, Ilham Aliyev, laut BBC, sein Land sei jederzeit zum Krieg mit Armenien bereit:
 
"We are trying to resolve this problem by peaceful means but so far we have not been able to achieve that," "We must increase our military potential. Our army is able at any moment to free our territory,"  "We have every right to do that, to restore our territorial integrity, and international law is on our side since Armenia violated all international norms." (BBC: Azerbaijan threatens renewed war, 12. Mai 2004)
 
Ein Bericht von Radio Free Europe/Radio Liberty kündigte ein Treffen armenischer und aserbaidschanischer Verhandler zu Friedensgesprächen in Prag im Juni 2004 an (RFE/RL, 11. Juni 2004). Hohe Beamte in Aserbaidschan bestätigten später ihre Ablehnung der Sichtweise, der Konflikt um Karabach könne nur durch gegenseitige Zugeständnisse gelöst werden:
 
„Over the past two weeks, one former and two current top Azerbaijani officials have again affirmed their collective rejection of international mediators' insistence that the Nagorno-Karabakh conflict can be resolved only on the basis of mutual concessions.” (RFE/RL, Caucasus Report, 2. August 2004).
 
Über angekündigte Verhandlungen zwischen den Außenministern Aserbaidschans und Armeniens in Prag am 30. August 2004 sind noch keine Ergebnisse bekannt (IWPR, Caucasus News Update, 29. August 2004).
 
Eine kursorische Auswertung der Rechtssprechung einzelner deutscher Verwaltungsgerichte ergab, dass etwa das VG Trier von gelegentlichen Repressionen Dritter gegen armenische Volkszugehörige ausgeht, die staatlicherseits angeregt, unterstützt, gebilligt oder tatenlos hingenommen werden (VG Trier, Urteil vom 20. November 2003). Zwei Urteile des VG Meiningen gehen von einer mittelbaren Gruppenverfolgung von Armeniern und “Misch-Familien” aus und nehmen keine inländische Fluchtalternative an (VG Meiningen, Urteile vom 16. Mai und 17. Oktober 2001). Das VG Osnabrück nimmt in seinem Urteil vom 21. Oktober 2002 zwar keine beachtliche Gefährdung ethnischer Armenier in Aserbaidschan an, beurteilt die Sicherheitslage allerdings noch nicht als hinreichend gewährleistet (VG Osnabrück, 21. Oktober 2002). Das VG Minden, VG Oldenburg und das Niedersächsische OVG können hingegen keine systematische Verfolgung armenischer Flüchtlinge feststellen, während das VG Hannover und der Hessische Verwaltungsgerichtshof für Angehörige der armenischen Minderheit die Existenz einer inländischen Fluchtalternative in Berg-Karabach konstatieren (VG Minden 3. April 2001; VG Oldenburg, 2. September 2002; Niedersächsisches OVG, 3. April 2002; VG Hannover 10. Mai 2001; Hess. VGH, Beschluss vom 30. Mai 2003). Ebenso das VG Frankfurt/Main, das in seinem Urteil vom 21. Jänner 2004 eine inländische Fluchtalternative in Berg-Karabach annimmt (VG Frankfurt/Main, 21. Jänner 2004). Das VG Arnsberg geht von einer verbesserten Lage in Aserbaidschan aus, so dass die bis 1999 stattfindende mittelbare Gruppenverfolgung der Armenier nicht mehr angenommen werden könne (VG Arnsberg, Urteil vom 5. Juni 2003).
 
Diese Informationen beruhen auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen. Die Antwort stellt keine abschließende Meinung zur Glaubwürdigkeit eines bestimmten Asylansuchens dar.
Quellen:
Urteile deutscher Verwaltungsgerichtshöfe und Verwaltungsgerichte
 
• Hessischer Verwaltungsgerichtshof: Beschluss vom 30. Mai 2003, 3 UE 858/02.A
• Niedersächsisches OVG: Urteil vom 3. April 2002, 13 L 1954/00
• VG Arnsberg: Urteil vom 5. Juni 2003, 1 K 2474/99.A
• VG Frankfurt/Main: Urteil vom 21. Jänner 2004, 1 E 2518/03 (A)
• VG Hannover: Urteil vom 10. Mai 2001, 12 A 5894/98
• VG Meiningen: Urteil vom 16. Mai 2001, 2 K 20303/00.Me
• VG Meiningen: Urteil vom 17. Oktober 2001, 2 K 20664/00.Me
• VG Minden: Urteil vom 3. April 2001, 11 K 2954/99.A
• VG Oldenburg: Urteil vom 2. September 2002, 1 A 3691/99
• VG Osnabrück: Urteil vom 21. Oktober 2002, 5 A 638/02/Lü
• VG Trier: Urteil vom 20. November 2003, 1 K 593/03.TR