Anfragebeantwortung zu Somalia: Informationen zur Auslegung des islamischen Rechts durch die al-Schabaab (außerehelicher Geschlechtsverkehr; Steinigung von Frauen, die vergewaltigt wurden) [a-9811]

25. August 2016

Das vorliegende Dokument beruht auf einer zeitlich begrenzten Recherche in öffentlich zugänglichen Dokumenten, die ACCORD derzeit zur Verfügung stehen sowie gegebenenfalls auf Expertenauskünften, und wurde in Übereinstimmung mit den Standards von ACCORD und den Common EU Guidelines for processing Country of Origin Information (COI) erstellt.

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Wir empfehlen, die verwendeten Materialien im Original durchzusehen. Originaldokumente, die nicht kostenfrei oder online abrufbar sind, können bei ACCORD eingesehen oder angefordert werden.

 

Der Council on Foreign Relations (CFR), ein privater US-amerikanischer Think Tank mit Fokus auf außenpolitische Themen, schreibt in einem Hintergrundartikel zur al-Schabaab vom März 2015, dass die al-Schabaab in Gebieten unter ihrer Kontrolle ihre eigene strenge Auslegung der Scharia umsetze, Unterhaltung wie Filme und Musik, den Verkauf von Khat, das Rauchen, das Rasieren von Bärten sowie viele weitere „unislamische“ Aktivitäten verbiete. Gegen Personen, die außerehelichen Geschlechtsverkehr („adulterers“) gehabt hätten, und gegen Diebe seien Bestrafungen wie Steinigung und Amputation verhängt worden:

„In areas it controls, al-Shabab enforces its own harsh interpretation of sharia, prohibiting various types of entertainment, such as movies and music, the sale of khat (a narcotic plant often chewed), smoking, the shaving of beards, and many other ‘un-Islamic’ activities. Stonings and amputations have been meted out as punishment on suspected adulterers and thieves. International rights groups have reported that al-Shabab members have kidnapped young boys from schools and have forced them to fight for the group.” (CFR, 13. März 2015)

BBC News berichtet in einem älteren Artikel vom November 2009, dass nach der Auslegung des Schariarechts durch die al-Schabaab jede Person, die schon einmal verheiratet gewesen sei – auch eine geschiedene Person – und eine Affäre habe, des außerehelichen Geschlechtsverkehrs („adultery“) schuldig gesprochen werden könne, was mit Steinigung bestraft werde. Eine unverheiratete Person, die Geschlechtsverkehr vor der Ehe habe, könne mit 100 Peitschenhieben bestraft werden:

„Under al-Shabab's interpretation of Sharia law, anyone who has ever been married - even a divorcee - who has an affair is liable to be found guilty of adultery, punishable by stoning to death. An unmarried person who has sex before marriage is liable to be given 100 lashes.“ (BBC News, 18. November 2009)

Africa Review, eine Nachrichtenwebsite mit Fokus auf Afrika, die von der kenianischen Nation Media Group betrieben wird, erwähnt in einem Artikel vom März 2011, dass ein Paar in der Stadt Sakow, die sich in von Rebellen kontrolliertem Gebiet befinde, festgenommen worden und ausgepeitscht worden sei. Ein Geistlicher, der für das al-Schabaab-Gericht gesprochen habe, habe angegeben, dass das Paar außerehelichen Geschlechtsverkehr gehabt habe. Der Geistliche habe betont, das Gericht sei gegenüber den beiden nachsichtig gewesen, weil sie bisher noch nicht verheiratet gewesen seien und deshalb eine geringere Bestrafung für das Sexualverbrechen erhielten. Verheiratete Personen, die des außerehelichen Geschlechtsverkehrs oder illegaler sexueller Handlungen überführt würden, würden gesteinigt werden:

„A couple in Somalia was arrested and whipped in public for allegedly engaging in premarital sex in a rebel-held territory south of the capital Mogadishu. Both Ms Hawa Isak and Mr Hassan Dhubow received 100 lashes at a public square in Sakow town, 480 km southwest of Mogadishu. A cleric speaking on behalf of a court serving al-Shabaab - the Islamist group opposing Somalia’s Transitional Federal Government told hundreds of people who had gathered to witness the event that that the pair had premarital sex. He also announced that the couple would be expelled from their hometown for a period of one year. The cleric underlined that the court had been lenient to the duo, ‘Because this couple had not been married in the past, they are receiving lesser punishment for the sexual crime they committed,’ he said. “Married people caught in adultery or illegal sexual acts would be stoned to death,” he warned.” (Africa Review, 19. März 2011)

Die britische Tageszeitung The Guardian schreibt in einem Artikel zu sexueller Gewalt in Somalia vom Oktober 2011, dass somalische Frauen seit langem von einer Kultur der schweren Unterdrückung betroffen seien. Binnenvertriebenenlager würden von der al-Schabaab regiert. Die Straflosigkeit sei absolut. Wenn ein Vergewaltigungsopfer es wage, sich zu beschweren, würde es der Promiskuität beschuldigt oder beschuldigt, „sich gegen die Bruderschaft auszusprechen“. Beide Verbrechen würden mit Enthauptung oder Steinigung bestraft:

„Just prior to the news of the famine, the Guardian named Somalia one of five ‘worst places in the world for women’. Somali women have long faced a culture of severe oppression, along with 20 years of conflict. IDP camps are ruled by al-Shabaab, a militant terrorist group linked to al-Qaida, which controls 90% of south and central Somalia. Impunity is absolute. If a victim of rape dares to complain, she is accused of promiscuity or ‘speaking against the brotherhood’, both crimes punishable by beheading or stoning.“ (The Guardian, 11. Oktober 2011)

In einer älteren Pressemitteilung schreibt die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI), dass am 27. Oktober 2008 die 13-jährige Aisha Ibrahim Duhulow vor etwa 1.000 Zusehern gesteinigt worden sei. Sie sei des außerehelichen Geschlechtsverkehrs beschuldigt worden. Ihr Vater und weitere Quellen hätten gegenüber AI jedoch angegeben, dass sie in Wahrheit von drei Männern vergewaltigt worden sei. Der Vater und seine Tochter („they“) hätten versucht, die Vergewaltigung bei der al-Schabaab, welche Kismayo [zum Zeitpunkt des Vorfalls, Anm. ACCORD] kontrolliert habe, anzuzeigen. Dies habe dazu geführt, dass sie des außerehelichen Geschlechtsverkehrs beschuldigt und inhaftiert worden sei. Keiner der Männer, die sie beschuldigt habe, sie vergewaltigt zu haben, sei festgenommen worden:

„Contrary to earlier news reports, the girl stoned to death in Somalia this week was 13, not 23, Amnesty International can reveal. Aisha Ibrahim Duhulow was killed on Monday 27 October by a group of 50 men who stoned her to death in a stadium in the southern port of Kismayu, in front of around 1,000 spectators. Some of the Somali journalists who had reported she was 23 have told Amnesty International that this age was based upon a judgement of her age from her physical appearance. She was accused of adultery in breach of Islamic law but, her father and other sources told Amnesty International that she had in fact been raped by three men. They then attempted to report this rape to the al-Shabab militia who control Kismayo, and it was this act that resulted in her being accused of adultery and detained. None of the men she accused of rape was arrested.“ (AI, 1. November 2008)

[Textpassage entfernt]

Das US-Außenministerium erwähnt in seinem Länderbericht zur Menschenrechtslage vom April 2016 (Berichtszeitraum 2015), dass am 28. September 2015 die al-Schabaab öffentlich eine Frau in Barawe in der Region Lower Shabelle gesteinigt habe, nachdem sie des außerehelichen Geschlechtsverkehrs für schuldig gesprochen worden sei:

„Al-Shabaab killed women in the areas it controlled. For example, on September 28, al-Shabaab publicly stoned a woman to death in Barawe, Lower Shabelle Region, after declaring her guilty of adultery.“ (USDOS, 13. April 2016, Section 6)

BBC News berichtet im Oktober 2014, dass im September 2014 eine Frau in der Stadt Barawe gesteinigt worden sei, nachdem ein islamisches Gericht der al-Schabaab sie schuldig gesprochen habe, vier Ehemänner gleichzeitig gehabt zu haben:

„Last month, a woman was stoned to death in the port town of Barawe after an Islamic court convicted her of having four husbands at the same time.” (BBC News, 22. Oktober 2014)

Die Nachrichtenagentur Reuters erwähnt in einem Artikel vom September 2014, dass die al-Schabaab in der südlich gelegenen Stadt Barawe eine Frau gesteinigt habe, nachdem ein von der al-Schabaab eingerichtetes Gericht diese des außerehelichen Geschlechtsverkehrs schuldig gesprochen habe. Ein Mann, der sich selbst als Richter der al-Schabaab bezeichnet habe, habe angegeben, dass die Frau gestanden habe, drei Ehemänner zu haben. Er habe angeführt, die drei Männer seien sich nicht bewusst gewesen, mit der gleichen Frau verheiratet zu sein und hätten gegen sie ausgesagt. Der al-Schabaab-Richter habe zudem angegeben, dass die Frau ihre Schuld gestanden und erklärt habe, bereit zu sein, gesteinigt zu werden, um die Vergebung Gottes sicherzustellen:

„Somali al Shabaab militants stoned a woman to death in the southern town of Barawe on Friday after a court they had set up declared her guilty of adultery, the militants and witnesses said. […] A man who presented himself as an al Shabaab judge said Jimale [the stoned woman] had confessed to having three husbands. He said the three men were not aware they were married to the same woman and had testified against her. Jimale had admitted her guilt before the court and declared she was ready to be stoned to secure God's forgiveness, said the unidentified judge.” (Reuters, 27. September 2014)

Die kenianische Zeitung Daily Nation berichtet in einem älteren Artikel vom Oktober 2012, dass eine Frau in Jamama, in der Region Lower Juba, öffentlich gesteinigt worden sei, nachdem sie des außerehelichen Geschlechtsverkehrs für schuldig gesprochen worden sei. Der al-Schabaab loyal gegenüberstehende Kämpfer hätten die Steinigung am Hauptplatz durchgeführt. Funktionäre der al-Schabaab hätten der Steinigung beigewohnt. Ein Vertreter der Islamisten habe nach der Steinigung gesagt, dass die Frau zugegeben habe, außerehelichen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Diese Art der Bestrafungen, die im Einklang mit der Scharia stünden, würden umgesetzt werden:

„A young woman was stoned to death Thursday in Somalia after being convicted of engaging in out-of-marriage sex, reports say. Residents of Jamama town, 425km south of Mogadishu in Lower Juba region, said that militants loyal to Al-Shabaab carried out the stoning at the town’s main square in late afternoon. ‘Many residents were called to attend the execution of the punishment,’ a resident who requested anonymity for own safety told Kulmiye, an independent broadcaster in Mogadishu. He added that Al-Shabaab officials in the town witnessed the stoning. ‘The woman admitted having out-of-marriage sex,’ said an Islamist official who talked to the crowd after the stoning was completed. ‘This type of punishments that are compatible with Sharia (Islamic laws) will be administered,’ said the official. According to residents, the young woman was picked up from one of the neighbourhoods of the town, but there was no trace of the man partner involved in the alleged offence. The judicial system of the Al-Shabaab is often criticised by rights groups for lack defence attorneys, proper evidences and harsh punishment, hastily meted out.” (Daily Nation, 26. Oktober 2012)

Somalia Report, eine somalische Nachrichtenwebsite, die seit Ende 2012 nicht mehr aktualisiert wird, berichtet im Oktober 2011, dass die al-Schabaab in Bardhere (Region Gedo) ein Urteil von 100 Stockschlägen gegen eine Frau vollstreckt habe, die des außerehelichen Geschlechtsverkehrs beschuldigt worden sei. Bereits zuvor habe ein Mann, der mutmaßlich eine unrechtmäßige Affäre mit der Frau gehabt habe, ebenfalls 100 Stockschläge erhalten. Die al-Schabaab („extremists“) seien bekannt dafür, auf öffentlichen Plätzen schwere Strafen gegen Mitglieder der Gesellschaft umzusetzen, die gegen das islamische Recht verstoßen hätten:

„The militant group, al-shabaab on Friday administered one hundred lashes to a young Somali woman accused of committing adultery in Bardhere town of Gedo Region, eyewitnesses said on Saturday. The al-Shabaab mobilized people to an open air ground in town to witness the episode as they metted out the punishment to the young lady,’ said Guled Ahmed, a resident of Bardhere town. The extremists are known for carrying out severe punishment on members of the society who break Islamic law on public grounds. A pro-Islamist court manned by the al-Shabaab ordered the caning of the woman in accordance with the Islamic Law. While delivering the verdict, the fighters said they had been waiting for the accused identified as Fadumo Abdullahi to give birth first before she could be arraigned in court to receive the punishment according to Islamic law. Earlier on, the militant group had convicted a man who allegedly had an illicit affair with the woman. He also received some 100 strokes of the cane and was excommunicated from the region for one year. A masked man carried out the punishment witnessed by hundreds of spectators. Somalia has been a lawless country without a functional government for more than twenty years. As such, the extremists have filled the vacuum created by the lawlessness in the wartorn Horn of Africa nation.” (Somalia Report, 15. Oktober 2011)

Daily Nation berichtet im November 2009, dass die al-Schabaab einen Mann wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs gesteinigt habe. Seine schwangere Freundin würde bis nach der Geburt verschont. Der 33-jährige Abas Hussein Abdirahman sei vor einer Menschenmenge von 300 Personen in Merka getötet worden. Ein Vertreter der al-Schabaab habe angegeben, die Frau werde getötet, sobald sie ihr Baby geboren habe:

„Islamists in southern Somalia have stoned a man to death for adultery but spared his pregnant girlfriend until she gives birth.

Abas Hussein Abdirahman, 33, was killed in front of a crowd of some 300 people in the port town of Merka.

An official from the al-Shabab group said the woman would be killed after she has had her baby.” (Daily Nation, 7. November 2009)

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 25. August 2016)

·      Africa Review: Justice according to al-Shabaab, 19. März 2011 (verfügbar auf Hiiraan Online)
http://www.hiiraan.com/news4/2011/Mar/18156/justice_according_to_al_shabaab.aspx

·      AI - Amnesty International: Somalia: Girl stoned was a child of 13 Girl sentenced to death for being raped, 1. November 2008
https://www.amnesty.org.uk/press-releases/somalia-girl-stoned-was-child-13

·      BBC News: Somali woman stoned for adultery, 18. November 2009
http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/8366197.stm

·      BBC: Somali al-Shabab court 'stones teenager to death', 22. Oktober 2014
http://www.bbc.com/news/world-africa-29724577

·      CFR – Council on Foreign Relations: CFR Backgrounders; Al-Shabab, 13. März 2015
http://www.cfr.org/somalia/al-shabab/p18650

·      Daily Nation: Somali adulterer stoned to death, 7. November 2009
http://www.nation.co.ke/news/africa/1066-683294-6p29bxz/index.html

·      Daily Nation: Al-Shabaab order woman stoned to death for sex offence, 26. Oktober 2012 (verfügbar auf Hiiraan Online)
http://hiiraan.com/news4/2012/Oct/26551/al_shabaab_order_woman_stoned_to_death_for_sex_offence.aspx

·      Reuters: Somali militants stone woman to death, 27. September 2014
http://www.reuters.com/article/us-somalia-stoning-idUSKCN0HM08K20140927

·      Somalia Report: Al-Shabaab Canes a Somali Woman over Adultery, 15. Oktober 2011
http://www.somaliareport.com/index.php/post/1770/Al-Shabaab_Canes_a_Somali_Woman_over_Adultery

·      The Guardian: The rape of Somalia's women is being ignored, 11. Oktober 2011
https://www.theguardian.com/commentisfree/2011/oct/11/rape-somalia-women-famine

·      USDOS - US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2015 - Somalia, 13. April 2016 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/322448/448223_en.html