Anfragebeantwortung zum Irak: Bestrafung bei Abfall vom Islam und Konversion zum Christentum [a-9511-1]

12. Februar 2016

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Das US-amerikanische Außenministerium (US Department of State, USDOS) beschreibt in seinem im Oktober 2015 veröffentlichten aktuellen Jahresbericht zur internationalen Religionsfreiheit 2014, dass die irakische Verfassung den Islam als offizielle Religion des Iraks anerkenne, den Islam als Rechtsquelle vorsehe und dass kein Gesetz im Widerspruch zu den Bestimmungen des Islams stehen dürfe, wobei nicht zwischen sunnitischem und schiitischem Islam unterschieden werde. Weiters führe die Verfassung an, dass kein Gesetz im Widerspruch zu den Prinzipien der Demokratie und den in der Verfassung angeführten Grundfreiheiten stehen dürfe. Die Verfassung garantiere Freiheit von religiöser, intellektueller und politischer Unterdrückung. Es bestünden jedoch sichtbare Widersprüche zwischen einigen gesetzlichen Bestimmungen und der Verfassung, da beispielsweise die Ausübung des Bahai-Glaubens und des wahhabitischen Islams durch gesetzliche Bestimmungen untersagt seien. Auch wenn verfassungsrechtliche Bestimmungen diese Gesetze vorrausichtlich außer Kraft setzten könnten, seien diese bisher noch von keinem Gericht angefochten worden und es gebe keine ausstehenden Verfahren zu deren Aufhebung. Gesetze des Personenstandrechts würden auch die Konversion von Muslimen zu anderen Religionen unterbinden sowie die Konversion von minderjährigen Kindern zum Islam erfordern, sobald ein Elternteil zum Islam konvertieren sollte. In der Autonomen Region Kurdistan gebe es einige Fälle von Familien mit einem christlichen Elternteil, die von dieser Konversionspolitik, die für alle religiösen Minderheiten gelte, betroffenen seien. In manchen Fällen sei der christliche Elternteil mit dem minderjährigen Kind geflüchtet, um die Konversion des Kindes zum Islam zu vermeiden:

„The constitution recognizes Islam as the official religion, mandates Islam be considered a source of legislation, and states no law may be enacted contradicting the established provisions of Islam, though it does not differentiate between Sunni and Shia Islam. It also states no law may contradict principles of democracy or the rights and basic freedoms stipulated in the constitution. The constitution guarantees freedom from religious, intellectual, and political coercion.

Apparent contradictions between the constitution and other legal provisions remain. For example, the law prohibits the practice of the Bahai Faith, and a 2001 resolution prohibits the practice of the Wahhabi branch of Sunni Islam. Although constitutional provisions on freedom of religion may override these laws, no court challenges have yet invalidated them, and there is no pending legislation to repeal them.

Personal status laws and regulations prevent the conversion of Muslims to other religions and require conversion of minor children to Islam if either parent converts to Islam. In the IKR [Iraqi Kurdistan Region], there were several cases of Christian single-parent families affected by the conversion policy, which applies to all religious minorities. In some cases, the Christian parent fled with the minor children to avoid conversion of the children to Islam.” (USDOS, 14. Oktober 2015, Section 2)

Die im Mai 2012 veröffentlichten Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Asylsuchenden aus dem Irak des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UN High Commissioner for Refugees, UNHCR), beschreiben ebenfalls, dass es einen Widerspruch zwischen den in der Verfassung verankerten Prinzipien der Religionsfreiheit und dem im Irak geltenden islamischen Recht gebe. Die irakische Verfassung verlange, dass der Staat sowohl die Religionsfreiheit als auch die Prinzipien des Islams, die aus der Sicht vieler islamischer Gelehrter die Todesstrafe bei einem Abfall vom Islam vorsehen würden, aufrecht erhalten solle. Das irakische Strafrecht verbiete zwar nicht die Konversion vom Islam zum Christentum (oder zu einer anderen Religion), das irakische Personenstandgesetz würde allerdings eine gesetzliche Anerkennung bei Änderung der Religionszugehörigkeit nicht vorsehen. Diese offenbaren Widersprüche seien noch nicht vor Gericht angefochten worden, daher bleibe die gesetzliche Situation von KonvertInnen unklar.

 

KonvertitInnen könnten ihre Konversion nicht gesetzlich anerkennen lassen. Das bedeute, dass sie keine rechtlichen Möglichkeiten hätten, eine Änderung ihres Glaubensbekenntnisses registrieren zu lassen, ihr Personalausweis würde sie weiterhin als „Muslim“ kennzeichnen. Aus diesem Grund würden Kinder von KonvertitInnen unter Umständen keine Identitätskarte besitzen, außer ihre Eltern würden sie als Muslime registrieren lassen. Kinder von KonvertitInnen könnten nicht in christlichen Schulen eingeschrieben werden und seien verpflichtet am islamischen Religionsunterricht in öffentlichen Schulen teilzunehmen. Eine Konvertitin könne keinen Christen heiraten, da sie vor dem Gesetz als Muslimin gelte. Die Ehe einer Konvertitin könne auch unter Shari’a-Recht für ungültig erklärt werden, da eine „Abtrünnige“ keinen Muslim heiraten oder mit einem Muslim verheiratet sein könne, und auch ihr Erbrecht würde ihr abgesprochen werden.

 

Aufgrund der weitverbreiteten Feindseligkeit gegenüber KonvertitInnen vom Islam und des allgemeinen Klimas der religiösen Intoleranz würde die Konversion von MuslimInnen zum Christentum wahrscheinlich zur Ächtung und/oder zu Gewalt durch die Gemeinschaft, den Stamm („tribe“) oder die Familie führen. Berichten zufolge seien viele IrakerInnen, darunter führende (sunnitische wie schiitische) Geistliche und Politiker, der Ansicht, dass der Abfall vom Islam mit dem Tod bestraft werden solle, oder sie würden die Tötung eines Apostaten sogar als religiöse Pflicht empfinden. Darüber hinaus würden christliche KonvertitInnen riskieren verdächtigt zu werden, für die internationalen bzw. US-amerikanischen Truppen im Irak oder generell für den „Westen“, der aus Sicht mancher einen „heiligen Krieg“ gegen den Irak geführt habe, zu arbeiten.

Es sei möglich, dass KonvertitInnen und deren Kinder Ziel von Schikanen am Arbeitsplatz oder in der Schule würden. Meldungen derartiger Vorfälle bei den Behörden könnten laut manchen BeobachterInnen zu weiteren Schikanen oder zu Gewaltanwendung durch BeamtInnen bzw. PolizistInnen führen:

„The Constitution of Iraq requires the Iraqi State to uphold both freedom of religion and the principles of Islam, which, according to many Islamic scholars, includes capital punishment for leaving Islam. Iraqi Penal Law does not prohibit conversion from Islam to Christianity (or any other religion); however, Iraq’s Personal Status Law does not provide for the legal recognition of a change in one’s religious status. These apparent contradictions have not yet been tested in court and, as a result, the legal situation of converts remains unclear.

A convert would not be able to have his/her conversion recognized by law, meaning that he/she has no legal means to register the change in religious status and his/her identity card will still identify its holder as ‘Muslim’. As a result, children of converts may be without an identification card, unless their parents register them as Muslims. Children of converts cannot be enrolled in Christian schools and are obliged to participate in mandatory Islamic religion classes in public schools. A female convert cannot marry a Christian man, as she would still be considered Muslim by law. A convert may also have his/her marriage voided as under Shari’a Law, as an ‘apostate’ cannot marry or remain married to a Muslim and will be excluded from inheritance rights.

Given the widespread animosity towards converts from Islam and the general climate of religious intolerance, the conversion of a Muslim to Christianity would likely result in ostracism and/or violence at the hands of the convert’s community, tribe or family. Many, including (Sunni and Shi’ite) religious and political leaders, reportedly believe that apostasy from Islam is punishable by death, or even see the killing of apostates as a religious duty. Additionally, Christian converts risk being suspected as working with the MNF-I/USF-I [Multi-National Force-Iraq/United States Force-Iraq] or more generally the ‘West’, which in the opinion of some has fought a ‘holy war’ against Iraq.

Converts and children of converts may face harassment at their place of employment, or at school. The reporting of harassment to the authorities, may, according to some observers, result in further harassment or violence at the hands of government officials and police.” (UNHCR, 31. Mai 2012, S. 28-29)

Weiters beschreiben die UNHCR-Richtlinien, dass im Irak keine Shari’a-Gerichte existieren würden, die einen Konvertiten zum Tode verurteilen könnten. Es sei jedoch möglich, dass einzelne Akteure Angelegenheiten selbst in die Hände nehmen und Angriffe auf KonvertitInnen verüben. Wie bereits erläutert, bestehe außerdem Unklarheit, wie das irakische Rechtssystem mit Fällen von Apostasie umgehen solle. UNHCR beschreibt dabei insbesondere die entsprechenden widersprüchlichen Artikel in der Verfassung, nämlich Artikel 2 (Islamisches Recht als grundlegende Quelle der Gesetzgebung), Artikel 2(2) und 2(1C) (religiöse und Grundfreiheiten) und Artikel 37(2) (Schutz vor religiösem Zwang):

„While there are no Shari’a courts in Iraq that could sentence a convert to death, individual actors may take matters into their own hands and carry out attacks against converts. It is also unclear how the Iraqi legal system would deal with cases of apostasy, as the Iraqi constitution and laws include conflicting provisions. In particular, the constitution mandates in Article 2 that Islam be considered a ‘foundation source of legislation’ and that no law may be enacted that contravenes the ‘established provisions of Islam’, but it also guarantees the freedom of religion in Article 2(2), establishes that ‘no law be enacted that contradicts the rights and basic freedoms’ stipulated in the Constitution in Article 2 (1C), and guarantees protection from religious coercion in Article 37 (2), which would preclude the Iraqi state from penalizing individuals for leaving Islam.” (UNHCR, 31. Mai 2012, S. 140)

Minority Rights Group International (MRG), eine internationale Menschenrechtsorganisation mit Sitz in London, die sich für die Rechte von ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten und indigenen Völkern weltweit einsetzt, berichtet im Oktober 2014, dass Minderheiten durch das Gesetz zu Personenstandsangelegenheiten von 1972 benachteiligt würden. Dieses Gesetz sehe die automatische Konversion von Minderjährigen vor, wenn ein Elternteil zum Islam konvertiere, verbiete es MuslimInnen jedoch, zu einem anderen Glauben zu konvertieren. Das würde zum Beispiel bedeuten, dass Kinder von christlichen KonvertitInnen nicht in christliche Schulen eingeschrieben werden könnten. Da muslimische Frauen keine Männer anderen Glaubens heiraten könnten, seien Mädchen besonders benachteiligt, deren Eltern zum Islam konvertiert seien, während sie noch minderjährig waren. Viele AktivistInnen für Minderheiten würden sich für ein einheitliches Personenstandsgesetz einsetzen, das es allen Bürgern erlaube, ihre Religion selbst zu wählen sowie für ein einheitliches Eherecht, das AnhängerInnen aller Religionen unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit Entscheidungen im Bereich Ehe und Erbe ermöglichen würde:

„Minorities are also disadvantaged by the 1972 Law of Civil Affairs, which makes conversion of minors automatic if either parent converts to Islam, but prohibits Muslims from converting to any other faith. This means that children of converts to Christianity, for example, cannot be enrolled in Christian schools. The law particularly disadvantages girls whose parents converted to Islam when they were minors, because of the restrictions on Muslim women marrying non-Muslim men. […] Many minority activists have been lobbying for a unified personal status law which would allow all citizens to choose their religion for themselves, as well as a civil marriage law which would allow adherents of all religious to decide on matters related to marriage and inheritance without regard to religion.“ (MRG, Oktober 2014, S. 24)

Das Institute for International Law and Human Rights, eine in den Vereinigten Staaten ansässige Wohltätigkeitsorganisation, beschreibt im Mai 2013 ebenfalls die im Personenstandsgesetz vorgesehenen Bestimmungen, denen zufolge minderjährige Kinder den muslimischen Glauben ihres zum Islam konvertierten Elternteils übernehmen müssten. Diese Bestimmungen ließen nicht-muslimischen Eltern keine Möglichkeiten, ihre religiöse Identität an ihre Kinder weiterzugeben, sobald ein Erwachsener als Muslim registriert werde und verhindere, dass Kinder später als Erwachsene ihre eigene Religion wählen können. Dieses Problem werde durch auf der Shari’ah basierende Regelungen verstärkt, welche Personen die Konversion vom islamischen Glauben zu anderen Religionen verbieten würden. Das sei besonders problematisch für Minderheiten, die unter dem Ba’ath-Regime zur Konversion gezwungen worden seien bzw. die sich damals als Muslime registriert hätten und nun um neue Ausweisdokumente ansuchen würden, in denen ihr richtiger Glaube vermerkt sei. Mitglieder der Kaka’i, Baha’i, Christen, Mandäer und Jesiden würden bis heute berichten, dass ihre Familien, die damals gezwungen worden seien, den islamischen Glauben anzunehmen, um Ausweisdokumente zu erhalten, seitdem ihre religiöse Zuordnung nicht ändern könnten:

Among non-Muslim components who voluntarily or were forcibly converted to Islam, the Civil Status law requires that minor children follow in the religion of the parent who embraces the Islamic religion. This provision leaves no remedy for non-Muslim parents to pass their religious identity onto children once the adult has been registered as Muslim, and prevents children from choosing their own religion as adults. This problem is compounded by regulations founded on Shari’ah Law which prohibit individuals from converting away from the Muslim faith. This is particularly problematic for minorities forcibly converted under the Ba’ath regime or who registered as Muslim who seek new identity documents reflecting their true faith. To date, members of the Kaka’i, Baha’i, Christian, Mandaean Sabean, and Yezidi faiths report that, where families have been forced to adopt Islam for the purposes of identity documentation, they have been unable to change their religious designation despite the legal right to practice their faiths. As a result, where threats to life or freedom are based on religious or ethnic status, some applicants may be unable to demonstrate such status through documentation.” (IILHR, Mai 2013, S. 13-14)

Die Quelle geht in Folge genauer auf die oben beschriebenen Bestimmungen ein und erklärt die entsprechenden Artikel 20(2) und 21(3) des Irakischen Personenstandgesetzes von 1972:

„Iraq’s Civil Status Law (No. 65 of 1972) forms part of the larger Personal Status Code and remains problematic for the religious freedom of Iraq’s religious minorities. Article 20(2) states that non-Muslims may convert to another religion in accordance with law. However, Shari’ah law prohibits one from leaving the Islamic faith. Those who convert to Islam voluntarily or by force are thus unable to change their religion at a later time on identity documents. Given Iraq’s history of discrimination against some groups (such as Baha’is), ongoing forced conversion through threat or violence, and voluntary conversions often linked to other factors (such as the inability of Muslim women to marry non-Muslim men), conversion to Islam for the purpose of official documents has been relatively common. Among individuals who would like to be legally recognized as non-Muslim after a voluntary or forced conversion to Islam however, Iraqi law prohibits such change. Even where laws requiring the forcible identification of some religious minorities as Muslim have been reformed, Iraqi authorities have refused to issue new identity documents because conversion away from Islam remains prohibited. The Civil Status Law is also problematic for children and adults born to those who converted (voluntarily, by force, or in documentation only) to Islam. Article 21(3) states that the minor children follow in the religion of the parent who embraces the Islamic religion. This provision identifies children born to those who voluntarily or were forcibly converted to Islam as Muslim, regardless of the child’s actual religion. The law does not provide such individuals with any legal means to change their religion as they reach adulthood.” (IILHR, Mai 2013, S. 57)

Diese Bestimmungen werden auch von der Assyrian Universal Alliance (Americas Chapter), einer Organisation die sich weltweit für die Rechte von Assyrern einsetzt, in einer Einreichung („Stakeholder Submission“) vom Oktober 2015 an das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte beschrieben (siehe dazu Assyrian Universal Alliance – Americas Chapter, 12. Oktober 2015, S. 5).

 

In einem Sonderbericht des Institute for War and Peace Reporting (IWPR), eines in London ansässigen internationalen Netzwerks zur Förderung freier Medien, vom Juli 2010 werden die Auswirkungen von Konversion zum Christentum anhand der Ermordung des früheren Dolmetschers Hameed al-Daraji in der sunnitisch-arabischen Stadt Samarra nördlich von Bagdad genauer erläutert. Hameed al-Daraji sei am 14. Juni 2010 wegen seiner Konversion vom Islam zum Christentum von seinem Sohn erschossen worden. Zusammenfassend erklärt der Bericht, dass viele IrakerInnen, darunter auch einige religiöse und politische Führungspersönlichkeiten, der Ansicht seien, dass der Konvertit, im Einklang mit den strikten islamischen Regeln gegen Konversion, seine Ermordung verdient hätte. Manche Iraker hätten angegeben, dass sie dem Motiv der Ermordung grundsätzlich zustimmen würden, aber dass die Ermordung nicht durch seinen Sohn, sondern durch den Stamm („tribe“) des Konvertiten und erfolgen hätte sollen. Laut mehreren vom IWPR interviewten Rechtsexperten stünde es Richtern frei, ob sie ihre Entscheidungen auf Grundlage religiöser Überzeugungen fällen oder nicht. Fälle von Konversion zum Christentum seien fast nicht bekannt, außer in der relativ stabilen Region Kurdistan. Schiitische und sunnitische Autoritäten hätten erklärt, dass Konvertiten getötet werden dürften, nachdem zuvor unter Aufsicht einer religiösen Autorität eine Reihe von Schritten unternommen worden seien. Diese sollten eine Warnung über die Konsequenzen einer Konversion beinhalten, sowie die Möglichkeit für Konvertiten, innerhalb einer beschränkten Zeitperiode zum Islam zurückzukehren:

„Hameed al-Daraji was shot dead on Wednesday, June 14, in the Sunni Arab city of Samarra, north of Baghdad. According to security officials, his son confessed in custody that he had killed his father over his conversion to Christianity. […] Hostility towards converts is widespread in Iraq, as in much of the Muslim world. While the country’s laws guarantee the rights of its sizeable religious minorities, they also yield to Islam as an ultimate authority. Many Iraqis – including residents of Samarra and Baghdad and senior clerics from the Sunni and Shia sects – said the former interpreter deserved to be killed in accordance with strict Islamic rules against conversion. Some said they approved of the motive behind the murder, but felt it ought to have been carried out by the man’s tribe, rather than his son. […] Legal experts interviewed by IWPR said judges were free to reflect religious beliefs in their rulings. […] Cases of such conversions are almost unheard of, except in the relatively stable Kurdistan region. […] Authorities from both sects said converts may be killed after following a series of steps, overseen by a religious authority. The steps included warning converts of the consequences of their actions and offering them the chance, within a limited period, to revert to Islam.” (IWPR, 9. Juli 2010)

In Folge beschreibt der Artikel des IWPR anhand der Ermordung von Hameed al-Daraji auch den bereits in anderen Quellen erläuterten verfassungsmäßigen Widerspruch zwischen Religionsfreiheit und der Rolle des Islamischen Rechts:

‘This is a contradiction in the Iraqi constitution,’ said Emad Yohanna [An Iraqi Christian lawmaker], from the Rafidain list. ‘One of its main sources is Islam, which imposes the duty to kill a murtad.’ […] A former Yezedi member of parliament agreed. ‘In Iraq we have two laws: Islamic laws and human rights laws. The constitution states that both should be taken into consideration, but sometimes it is not possible to apply both, and in such a case, in Iraq, Islamic laws win,’ he said. The law seems particularly stretched when dealing with a bureaucratic necessity that would follow any religious conversion – the alteration of personal details on identity cards. […]

However, according to Saadi, the former head of the Iraqi lawyers’ union, anyone who converted from Islam could have their appeal rejected by the court. Under the constitution, the law must reflect Islamic doctrine, which regards such conversions as an offence. ‘In such cases, the judge would rule against the convert,’ he said. ‘It’s a complicated situation. In this respect, the Iraqi constitution does not agree with human rights.’ Saadi said the murderer of the interpreter in Samarra would not escape punishment. ‘A killer is a killer,’ he said. Saadi acknowledged that Islam endorsed the killing of a murtad but argued that it would not always be easy to prove that a dead person had been a convert. Both Saadi and Harb said the judge in the Samarra case might be inclined to give a relatively short sentence for murder if it were proven that the victim’s conversion had provoked the crime.” (IWPR, 9. Juli 2010)

In einer im Jahr 2008 veröffentlichten Analyse zum Umgang mit Apostasie im Irak beschreibt Timothy G. Burroughs im Hofstra Law Review, einer in den USA herausgegebenen wissenschaftlichen Fachzeitschrift, dass von Gewalt durch vigilante Gruppen eine bei weitem größere Gefahr für ApostatInnen ausgehe als von staatlichen Strafmaßnahmen. Der Glaube, dass ein Apostat eine „persona non grata“ sei, sei im gesamten Nahen Osten nach wie vor verbreitet. Extremisten würden sich hierauf berufen, um Mord und militantes Vorgehen zu rechtfertigen:

„Indeed, vigilante violence may present a far greater threat to apostates than state punishment or penalties. The belief that an apostate is persona non grata persists throughout much of the Greater Middle East; extremists invoke it as a justification for murder and militancy […].” (Burroughs, 2008, S. 555-556)

Ein im Februar 2015 veröffentlichter gemeinsamer Bericht der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen im Irak (United Nations Assistance Mission for Iraq, UNAMI) und des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (Office of the High Commissioner for Human Rights, OHCHR) berichtet, dass im September 2014 eine bekannte Anwältin und Menschenrechtsaktivistin aufgrund einer Facebook-Nachricht in Mossul von einem von ISIS (ISIL)selbsternannten „Gericht“ wegen Apostasie hingerichtet worden sei:

„On 22 September, ISIL publicly executed a well-known lawyer and human rights activist outside of the former governorate building in the Dawasa area of Mosul. The ISIL self-appointed ‘court’ accused the lawyer of apostasy because she had denounced the bombing of the Shrine of the Prophet Younis and some mosques and historical shrines in a posting on her Facebook page on 15 September which she described as ‘barbaric bombing and destroying of mosques and shrines in Mosul’. She was executed five days after she was seized from her home by ISIL on 17 September. Her body, which witnesses alleged bore signs of torture, was handed over to her family for burial by ISIL, which prohibited the family from holding a funeral for her.” (UNAMI, 23. Februar 2015, S. 10)

 

 
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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 12. Februar 2016)

·      Assyrian Universal Alliance – Americas Chapter: eingereicht am 12. Oktober 2015
http://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CESCR/Shared%20Documents/IRQ/INT_CESCR_CSS_IRQ_21949_E.pdf

·      Burroughs, Timothy G.: Turning Away From Islam In Iraq: A Conjecture As To How The New Iraq Will Treat Muslim Apostates. In: Hofstra Law Review, Volume 37 Issue 2, Winter 2008
http://law.hofstra.edu/pdf/Academics/Journals/LawReview/lrv_issues_v37n02_DD1_Burroughs_final.pdf

·      IILHR - Institute for International Law and Human Rights: Iraq’s Minorities and Other Vulnerable Groups: Legal Framework, Documentation and Human Rights, Mai 2013
http://lawandhumanrights.org/documents/MinorityHB_EN.pdf

·      IWPR - Institute for War and Peace Reporting: Iraq Crisis Report Issue 344: Interpreter's Killing Pits Faith Against Law, 9. Juli 2010
http://iwpr.net/report-news/iraqi-interpreters-killing-pits-faith-against-law

·      MRG - Minority Rights Group International: From Crisis to Catastrophe: the situation of minorities in Iraq, Oktober 2014 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1414494869_mrg-ceasefire-report-iraq-2014.pdf

·      UNAMI - United Nations Assistance Mission for Iraq; OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights: Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict in Iraq: 11 September – 10 December 2014, 23. Februar 2015 (veröffentlicht von UNAMI, verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1424866894_unami-ohchr-sep-dec-2014.pdf

·      USDOS - US Department of State: 2014 Report on International Religious Freedom - Iraq, 14. Oktober 2015 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/313315/451579_de.html

·      UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: UNHCR Eligibility Guidelines For Assessing The International Protection Needs Of Asylum-Seekers from Iraq, 31. Mai 2012 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/2016_1338807174_4fc77d522.pdf