Anfragebeantwortung zu Somalia: Lage von Angehörigen der Abgaal in Bosasso, Puntland (Diskriminierung durch den Clan der Darood) [a-9135]

24. April 2015

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Das deutsche Auswärtige Amt (AA) schreibt im März 2015 in einem Überblick zur Innenpolitik Somalias Folgendes:

„Das Hauptsiedlungsgebiet der Darod liegt im Nordosten (Puntland) und im Süden Somalias. Die Hawiye leben hauptsächlich in Zentralsomalia und Mogadischu, die Issaq im Nordwesten des Landes (‚Somaliland‘). Die Dir leben vor allem im Nordwesten Somalias an der Grenze zu Djibouti und im Süden des Landes. Die Digil und Mirifle/Rahanweyn leben als Ackerbauern vor allem im fruchtbaren Südwesten Somalias, Zentrum dieser Clans ist die Stadt Baidoa.“ (AA, März 2015)

In einem auf der Website von Global Security, einer US-amerikanischen Denkfabrik, die sich mit Sicherheitsthemen beschäftigt, im Mai 2013 veröffentlichten Profil zu Clans in Somalia wird erwähnt, dass der Clan der Darood vorwiegend im Norden lebe. Die Darood würden im Allgemeinen in drei große Gruppen unterteilt werden: Ogaden, Marehan und Harti. Die Harti würden aus den Majerteen in Puntland und den Dulbahante und Warsangeli in Somaliland bestehen. Viele Somalis hätten Siad Barre, Somalias letzten nationalen Präsidenten, beschuldigt, Mitglieder seines Marehan-Subclans zu bevorzugen. Dies habe dazu geführt, dass sich die Darood im nordöstlichen Somalia, die sich marginalisiert gefühlt hätten, gegen seine Regierung gewandt hätten. Der Großteil des gegenwärtigen Misstrauens zwischen den Darood und den Hawiye stamme aus der Zeit der Herrschaft Barres:

„The Darood clan lives principally in the north, with a presence in Kismayo, as well as in the Gedo region. The Darood are commonly divided into three major groups: Ogaden, Marehan, and Harti. The Harti are composed of the Majerteen, now found primarily in Puntland, and the Dulbahante and Warsangeli in Somaliland. […] Many Somalis blamed Siad Barre, Somalia's last national president, for favoring members of his Marehan sub-clan, which spurred the Daroods in northeastern Somalia, who felt marginalized, to rise up against his government, followed by Dir, from what is now Somaliland. Much of the current Darod-Hawiye mistrust is considered to stem from Barre's rule.” (Global Security, 9. Mai 2013)

Ein Wissenschaftler mit Spezialisierung auf das Gebiet Horn von Afrika, von dem keine Erlaubnis zur Nennung seines Namens vorliegt, schreibt in einer E-Mail-Auskunft vom April 2015, dass der Abgaal-Clan der Clanfamilie Hawiye derzeit einer der mächtigsten und privilegiertesten Clans in Somalia sei. Der Präsident sei Abgaal und die Abgaal würden große Teile der Hauptstadt Mogadischu und „wertvolle“ Teile des südlichen und zentralen Somalias kontrollieren. Ein Mitglied der Abgaal im Gebiet Puntland, das von den Darood dominiert werde, würde dort einer kleinen Minderheit angehören und könne möglicherweise von Diskriminierung und eingeschränktem Schutz betroffen sein:

„[…] the Abgaal clan of the Hawiye clan family is currently one of the most empowered and privileged clans in Somalia. The President is Abgaal and the Abgaal enjoy control over major parts of the capital Mogadishu and valuable parts of south-central Somalia. An Abgaal in Puntland, which is a Darood clan dominated territory, would be a small minority there and could conceivably suffer from discrimination and limited protection […]“ (Wissenschaftler, 23. April 2015)

Alexandra Lewis von der britischen University of Exeter schreibt in einem im November 2014 veröffentlichten Buch zu Sicherheit, Clans und Stämmen, dass sich Puntland nach dem Ausbruch des somalischen Bürgerkriegs im Jahr 1991 selbst zu einer teilweise autonomen Region erklärt habe. Die Region sei vom Clan der Mijerteyn [Majeerteen, Anm. ACCORD], einem Unterclan der Darood, dominiert und in den Hawiye-Darood-Konflikt verwickelt worden, der sich zu dieser Zeit von Mogadischu aus ausgebreitet habe. Der Vereinigte Somalische Kongress (United Somali Congress, USC), der von den Abgaal und den Habar Gedir angeführt worden sei und einen möglichen Völkermord durch Siad Barre abgewehrt habe, sei nach Norden vorgedrungen, um die „Bedrohung durch die Darood“ zu beenden. Die Gemeinschaften in Puntland seien von der durch Äthiopien unterstützten Somalischen Demokratischen Erlösungsfront (Somali Salvation Democratic Front, SSDF) unterstützt worden. Die darauf folgenden Zusammenstöße zwischen den Hawiye, den Darood, dem USC und der SSDF zwischen 1991 und 1993 hätten Süd- und Zentralsomalia und Puntland entlang der von Darood und Hawiye geführten Zonen gespalten:

„Puntland declared itself to be a partially autonomous region after the outbreak of the Somali civil war in 1991. The region being dominated by the Mijerteyn sub-clan of the Darod family, it became embroiled in the Hawiye-Darod conflict that was, at this time, spilling out from Mogadishu. The Abgal and Habar Gidir-led USC [United Somali Congress], having fought back a potential genocide led by Siad Barre, was pushing North to end the Darod threat, and Puntland's communities found support from the Ethiopian-backed SSDF [Somali Salvation Democratic Front], which had made an attempt on Barre's life in 1978. The clash that ensued between the Hawiye, the Darod, the USC and the SDDF from 1991 to 1993 would split South Central and Puntland according to Darod and Hawiye-Ied zones, while consecutive Hawiye based administrations in Mogadishu would polarise Puntlands identity and increase secessionist ambitions in the zone over time.“ (Lewis, 21. November 2014, S. 51)

Afyare Abdi Elmi, ein somalisch-kanadischer Politikwissenschaftler an der Universität Qatar, zitiert in einem Bericht vom Jänner 2014 Ken Menkhaus, einen Politikwissenschaftler am Davidson College in North Carolina. Hinsichtlich Somaliland und Puntland meine Menkhaus, diese hätten auf ihren Territorien „Staatsbürgerschaft“ exklusiv entlang von Clan-Grenzen definiert („exclusivist clan terms“). Andere Clans würden bestenfalls wie Gäste (galti) behandelt und schlimmstenfalls als illegale ImmigrantInnen. Minderheitengruppen seien Afyare Abdi Elmi zufolge in Clan-dominierten „Ethno-Bundesstaaten“ von weiteren Ausgrenzungen bedroht („risk further marginalization“), da zentralistische politische Tendenzen auf kleinerer Ebene nachvollzogen würden:

„Menkhaus' response, meanwhile, is more concerned about the inevitable rise of ethno-states in a federal or confederal Somalia. Pointing to Somaliland and Puntland as examples of future confederal states, Menkhaus claims, ‘they have defined citizenship in their territory in exclusivist clan terms, treating other clans as at best ‘guests’ (galti) and worst as illegal immigrants,’ (Menkhaus, 2011). Minority groups risk further marginalization in clan dominated confederal ethno-states as centralist political tendencies are re-enacted on a smaller scale.” (Elmi, Jänner 2014, S. 4)

[Teilfrage entfernt]

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 24. April 2015)

·      AA - Auswärtiges Amt (Deutschland): Somalia; Innenpolitik, März 2015
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html

·      Elmi, Afyare Abdi: Decentralization Options for Somalia, Jänner 2014 (veröffentlicht von The Heritage Institute for Policy Studies)
http://www.heritageinstitute.org/wp-content/uploads/2014/01/Decentralization_Options_for_Somalia-ENGLISH.pdf

·      Global Security: Somalia – Clans, 9. Mai 2013
http://www.globalsecurity.org/military/world/somalia/clans.htm

·      Lewis, Alexandra: Security, Clans and Tribes: Unstable Governance in Somaliland, Yemen and the Gulf of Aden, 21. November 2014 (Auszüge auf Google Books verfügbar)
https://books.google.at/books?id=1rZ-BQAAQBAJ&printsec=frontcover&hl=de#v=onepage&q&f=false

·      Wissenschaftler: E-Mail-Auskunft, 23. April 2015