Anfragebeantwortung zu Pakistan: Informationen zu Ermordungen von Mitgliedern der Awami National Party (ANP) in den letzten Jahren (vor allem durch Aufständische) (Anzahl der Ermordungen; Tötungsmethoden; geographische Verteilung der Ermordungen; Opfer) [a-9094-1]

20. März 2015
 

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Owen Bennet-Jones, der als BBC-Korrespondent unter anderem in Islamabad gearbeitet hat, geht in einem im Jänner 2015 in der deutschsprachigen Ausgabe der französischen Monatszeitung für internationale Politik Le Monde Diplomatique veröffentlichten Artikel auf die Lage der Awami National Party (ANP) ein und erwähnt unter anderem, dass die pakistanischen Taliban „gnadenlos Jagd“ auf deren Führer machen würden:

„Man kann die ANP [Awami National Party] als unbedeutende Regionalpartei ansehen, denn sie ist in der Nationalversammlung, dem Unterhaus des pakistanischen Parlaments, nur noch mit zwei Abgeordneten vertreten. Man könnte aber auch argumentieren, dass sie eine der wichtigsten Parteien des Landes ist. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen vertritt sie progressive und liberale Positionen und opponiert offen gegen die Taliban. Während sich alle politischen Kräfte Pakistans mit den Dschihadisten arrangiert haben, ist die ANP in diesem Punkt kompromisslos. Dafür zahlt sie allerdings auch einen hohen Preis.

Die pakistanischen Taliban machen gnadenlos Jagd auf ANP-Führer. Nachdem immer mehr Kader von Taliban umgebracht worden waren, verlor die ANP bei den Wahlen 2013 ihren Rückhalt bei den Wählern - die nicht mehr davon ausgingen, dass die Partei in Islamabad etwas für sie erreichen konnte. Ihr einsamer Widerstand gegen die religiösen Extremisten wurde auch durch die Befürchtungen der Zentralregierung unterminiert, die ANP bedrohe die territoriale Einheit Pakistans. Dabei hat man in Islamabad eine existenzielle Bedrohung des Landes viel eher von den Dschihadisten zu befürchten.“ (Le Monde Diplomatique, 9. Jänner 2015)

Im Dezember 2014 erwähnt BBC News, dass die paschtunisch-nationalistische ANP in den vergangenen Jahren mit unerbittlichen Angriffen auf hochrangige Parteikader konfrontiert gewesen sei:

„The one party to attempt a political challenge to the Taliban in recent years, the Pashtun nationalist ANP, has faced relentless attacks on senior party cadres.” (BBC News, 19. Dezember 2014)

Der deutsche Auslandsrundfunksender Deutsche Welle (DW) führt in einem Artikel vom Februar 2015 an, dass im Jahr 2012 bei einem Bombenanschlag der pakistanischen Taliban auf eine politische Kundgebung in Peschawar unter anderem der frühere Provinzminister Bashir Ahmed Bilour von der liberalen ANP getötet worden sei. Bashir sei nicht der einzige ANP-Führer gewesen, der ins Visier der Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) geraten sei. So hätten die Aufständischen in den vergangenen sieben oder acht Jahren Dutzende FührerInnen der Partei getötet. Es sei keine Übertreibung zu sagen, dass die ANP das größte Opfer des islamistischen Aufstandes in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa gewesen sei:

„In 2012, the Pakistani Taliban bombed a political rally in the northwestern city of Peshawar, killing eight people, including the former provincial minister Bashir Ahmed Bilour of the liberal Awami National Party (ANP). […] Bashir was not the only ANP leader targeted by the Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP). The Pakistani branch of the militants has killed dozens of the party's leaders in the past seven or eight years. It won't be an exaggeration to say that the ANP has been the worst victim of Islamist insurgency in the restive Khyber Pakhtunkhwa province, which has historically been the party's stronghold even long before Pakistan's independence from the British in 1947.” (DW, 4. Februar 2015)

Der pakistanische Nachrichtensender Dunya News berichtet im Jänner 2015, dass die ANP und das Muttahida Qaumi Movement (MQM) die Regierung aufgefordert hätten, eine Armeeoperation in Karatschi durchzuführen. Außerdem hätten ANP-Mitglieder vor dem pakistanischen Senat gegen die gezielten Tötungen von Parteimitgliedern demonstriert. Laut Shahi Syed (dem Vorsitzenden der ANP in Sindh, Anm. ACCORD) seien in Karatschi („city of Quaid“) nicht weniger als 7.000 ANP-ParteiarbeiterInnen getötet worden:

„Awami National Party (ANP) and Muttahida Qaumi Movement (MQM) on Monday has demanded off the government to conduct an army operation in Karachi while ANP members demonstrated a walk-out of the Senate in wake of target killings of party members. […] He [ANP’s Shahi Syed] said that as many as 7,000 ANP workers have been killed in the city of Quaid.” (Dunya News, 5. Jänner 2015)

Ein im November 2014 veröffentlichter Artikel der pakistanischen Tageszeitung Dawn erwähnt, dass die Welle der gezielten Tötungen von ANP-Mitgliedern nach der Militäroperation in Swat im Jahr 2009 niemals ganz abgeebbt sei. Während der vergangenen Monate sei die Lage so eskaliert, dass sie selbst für die Standards der ANP, die mit ständigen Angriffen und Tötungen von ParteiführerInnen und -aktivistInnen konfrontiert sei, alarmierend sei. Allein in Swat habe es Angaben des dortigen ANP-Vorsitzenden zufolge in den vergangenen drei Monaten 24 gezielte Tötungen von ANP-ParteiarbeiterInnen gegeben. Seit 2009 seien insgesamt 22 Mitglieder des Swat Amn Committee, das zu einem großen Teil aus ANP-Mitgliedern bestehe, getötet worden.

In Karatschi, wo die ANP einen starken Rückhalt habe, seien Parteikader hart von Angriffen durch die Tehrik-e-Taliban (TTP)-Swat getroffen worden. Seit den Wahlen im Jahr 2013, als die TTP der ANP den Krieg erklärt und WählerInnen aufgefordert habe, sich von Wahlkampfveranstaltungen und den Wahlen selbst fernzuhalten, habe die ANP bei gezielten Angriffen in Vierteln wie Lyari und SITE KandidatInnen verloren.

Laut Zia-ur-Rehman, einem in Karatschi ansässigen Forscher, seien allein in Karatschi 70 ANP-AktivistInnen zur Zielscheibe von Angriffen geworden („have been targeted“):

„The wave of targeted killings aimed at the ANP in the wake of the Swat operation in 2009 has never quite receded. Over the last few months, it has escalated to an extent that is alarming even by the ANP’s own grim standards of losing leaders and activists to incessant hits. In Swat alone, according to Swat ANP president Sher Shah Khan, there have been 24 targeted killings of ANP workers in the past three months. Overall, 22 members of the Swat Amn Committee, that the ANP constitutes a big part of, have been killed since 2009. […]

In Karachi, where the ANP has a strong following, party cadres have been hit hard by the TTP-Swat. Since elections in 2013, when the TTP declared war on the ANP, the Muttahida Qaumi Movement and the Pakistan People’s Party, asking voters to stay away from campaign meetings and polling, the ANP has lost candidates and elections to targeted attacks in neighbourhoods such as Lyari and SITE where it won in 2008.

According to Zia-ur-Rehman, a researcher based in Karachi, 70 ANP activists have been targeted in Karachi alone.” (Dawn, 13. November 2014)

Die pakistanische Wochenzeitung The Friday Times berichtet im Juni 2014, dass die unvermindert anhaltenden Tötungen von ParteiführerInnen und Angriffe auf deren Häuser und Geschäfte in Karatschi die ANP gezwungen hätten, alle offenen politischen Aktivitäten einzustellen.

Dem Vorsitzenden der ANP Sindh zufolge habe die Partei bei ihrer letzten Mitgliederkampagne vor vier Jahren mehr als 250.000 Mitglieder registriert, während es dieses Mal nur 40.000 Mitglieder gewesen seien. Dies hänge mit der Angst der Leute zusammen. Die TTP habe mehr als 100 FunktionsträgerInnen der Partei und ParteiarbeiterInnen in Karatschi getötet, was andere dazu veranlasst habe, aus der Partei auszutreten oder die Stadt zu verlassen.

Politische AnalystInnen würden davon ausgehen, dass Angriffe auf ParteiführerInnen der ANP in Karatschi eine Fortsetzung der TTP-Angriffe auf die ANP in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa und in den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung darstellen und vor allem mit einem „Kampf der Ideologien“ und der paschtunisch-nationalistischen, säkularen Ausrichtung der Partei in Zusammenhang stehen würden. Einem in Islamabad ansässigen politischen Analysten zufolge seien Angriffe auf einflussreiche paschtunische Älteste die Schlüsselstrategie der Taliban-Gruppen. Diese sei zuerst erfolgreich in Afghanistan umgesetzt worden, anschließend in den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung und Khyber Pakhtunkhwa, und nun in Karatschi:

„The unabated killing of party leaders and attacks on their houses and businesses in Karachi have compelled the Awami National Party (ANP) to stop all overt political activities in the city. […]

‘The ANP had registered more than 250,000 members in its last membership drive carried out four years ago, but this time, we were able to register only 40,000 members,’ [the ANP’s Sindh president Shahi] Syed said. ‘It is because of fear. The TTP has killed more than 100 party office-bearers and workers in Karachi, compelling others to leave the party, or leave the city.’ […]

Political analysts believe that attacks on ANP’s Karachi leaders is a continuation of the TTP attacks on the ANP in Khyber Pakhtunkhwa and FATA [Federally Administered Tribal Areas], related mainly to a ‘clash of ideologies’ and because of the party’s Pashtun-nationalist secular outlook. Hasan Khan, an Islamabad-based political analyst who monitors the Taliban insurgency in the region, says ANP has always opposed the Taliban and their predecessors – the Afghan Mujahideen. ‘Targeting influential Pashtun elders is the key strategy of Taliban groups, first successfully carried out in Afghanistan, then FATA and Khyber Pakhtunkhwa, and now in Karachi,’ he said.” (The Friday Times, 27. Juni 2014)

Die pakistanische Tageszeitung Express Tribune erwähnt in einem Artikel vom Februar 2014, dass in Karatschi seit 2013 mehr als 80 mit der ANP in Verbindung stehende Personen getötet worden seien. Die Mehrheit dieser Personen sei bei gezielten Angriffen und Bombenanschlägen getötet worden. Einem hochrangigen Ermittlungsbeamten zufolge seien die meisten der Angriffe von Aufständischen verübt worden:

„Over 80 people associated with ANP have been killed so far in Karachi since last year. The majority of them were killed in targeted attacks and bomb blasts. ‘The investigations reveal that most of the attacks on ANP men were carried out by militants,’ revealed a senior investigation officer.” (Express Tribune, 22. Februar 2014)

Inter Press Service (IPS), eine regierungsunabhängige Nachrichtenagentur, deren Schwerpunkt der Berichterstattung auf entwicklungspolitischen Themen liegt, erwähnt in einem Artikel vom September 2013, dass die TTP während der Regierungszeit der ANP in Khyber Pakhtunkhwa rund 800 ANP-FührerInnen und -ParteiarbeiterInnen getötet habe:

„The ANP has long been targeted by the Taliban. The Tehrik-i/Taliban Pakistan (TTP) killed about 800 ANP leaders and workers when the party was in government in Khyber Pakhtunkhwa province of Pakistan (2008-2013) because of the party’s tough stand against them.” (IPS, 16. September 2013)

Die vom US-amerikanischen Regionalkommando für den Nahen Osten, Nordafrika und Zentralasien (USCENTCOM) finanzierte Website Central Asia Online berichtet in einem Artikel vom Juli 2012 über Drohungen der Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) gegen UnterstützerInnen der ANP in Karatschi. Wie der Artikel anführt, hätten die Taliban in den vergangenen Jahren mehr als 500 ANP-FührerInnen und -ParteiarbeiterInnen getötet, da die Partei Teil der demokratischen Regierung gewesen sei. Auch anderswo in Pakistan seien ANP-Mitglieder angegriffen worden, so der Artikel weiters. So hätten die Taliban dem Leiter einer Anti-Extremismus-Einheit der Polizei in Karatschi zufolge mehrere ANP-FührerInnen und -UnterstützerInnen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa getötet:

„Amid Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) threats, Karachi Pashtun supporters of the Awami National Party (ANP) remain committed to supporting their party, fighting militants and pursuing a more democratic society. […]

The Taliban have killed more than 500 ANP leaders and workers in recent years because the party has been part of the democratic government. By threatening party members, the TTP hopes to weaken the democratic process, officials said. […]

Taliban have attacked ANP members elsewhere

The Taliban have killed several leaders and supporters of the ANP in KP [Khyber Pakhtunkhwa] and the party is determined to defeat them, [chief of the Crimes Investigation Department Anti-Extremist Cell of Karachi Police Chaudry] Aslam added.” (Central Asia Online, 26. Juli 2012)

Radio France Internationale (RFI), der Auslandsdienst des öffentlichen Hörfunks in Frankreich, berichtet im April 2013, dass die Taliban seit 2008 mehr als 100 Mitglieder der ANP getötet hätten. Die Partei sei ein Hauptziel islamistischer Angriffe, die darauf abzielen würden, den Wahlkampf im Vorfeld der Wahlen im Jahr 2013 zu stören:

„Although the ANP advocates dialogue with ‘moderate’ tribal leaders in the tribal agencies, which are largely Pashtun, over 100 of its members have been killed by the Taliban since 2008 and it is a principal target of the Islamist attacks that aim to disrupt the 2013 election campaign.” (RFI, 29. April 2013)

BBC News schreibt in einem Artikel vom April 2013, dass die Pakistan People’s Party (PPP), das Muttahida Qaumi Movement (MQM) und die ANP von einem Sprecher der pakistanischen Taliban als „legitimes“ Angriffsziel für Aufständische während der Wahlen im Mai 2013 bezeichnet worden seien. Die ANP habe ihre Hauptunterstützungsbasis in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) und verfüge auch in Karatschi über beträchtlichen Rückhalt.

Wie der Artikel weiters anführt, hätten die Aufständischen wiederholt ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, säkulare Parteien anzugreifen. Die ANP, die die scheidende Regierung in Khyber Pakhtunkhwa angeführt habe, sei am schlimmsten betroffen gewesen.

Im Oktober 2008 sei der Parteichef Asfandyar Wali nur knapp einem Selbstmordanschlag in der Nähe seines Hauses in Charsadda (in Khyber Pakhtunkhwa, Anm. ACCORD) entkommen. Seitdem würden die obersten ParteiführerInnen ihre Bewegungen einschränken und es vermeiden, sich in der Öffentlichkeit zu exponieren. Einem Bericht von BBC Urdu zufolge seien in den vergangenen vier Jahren mehr als 700 ANP-AktivistInnen durch Scharfschützen oder Selbstmordattentäter getötet worden. In den vergangenen Wochen seien Bomben mit geringer Durchschlagskraft („low-intensity bombs“) bei mehreren ANP-Wahlveranstaltungen explodiert:

„The PPP [Pakistan People’s Party] is one of three parties recently named by a spokesman of the Pakistani Taliban as ‘legitimate’ targets for militant attacks during the elections, due in May. The other two parties on the hit list are the Karachi-based MQM [Muttahida Qaumi Movement], and the Pashtun nationalist ANP party which has its main base in the north-western province of Khyber Pakhtunkhwa (KP) and also enjoys sizeable support in Karachi. […]

Thus far, the militants have repeatedly demonstrated their ability to attack the secular parties, while the security forces have failed to clear them out of their known sanctuaries in the north-west. The ANP party, which led the outgoing administration in Khyber Pakhtunkhwa, has been the worst hit.

In October 2008, the party's chief, Asfandyar Wali, narrowly escaped a suicide bomb attack near his residence in Charsadda. Since then, the party's top leaders have limited their movements and have avoided public exposure. A recent report by BBC Urdu said that more than 700 ANP activists have been killed by snipers or suicide bombers during the last four years, including a top party leader, Bashir Bilour. In recent weeks, low-intensity bombs have gone off at several local ANP election meetings, reducing its ability to conduct an open campaign.” (BBC News, 5. April 2013)

Die Deutsche Welle (DW) führt im Mai 2013 an, dass „Führer und Funktionäre“ der ANP „Zielscheibe der pakistanischen Taliban“ seien und dass nach Parteiangaben in den vergangenen Jahren über 700 ANP-AktivistInnen bei Angriffen von Islamisten getötet worden seien:

„Die PPP hat in den vergangenen fünf Jahren zusammen mit der Awami National Party (ANP) und dem Muttahida Qaumi Movement (MQM) das Land regiert. Keine der drei Parteien kann in der heißen Wahlkampfphase noch öffentliche Veranstaltungen abhalten. Der Grund: Ihre Führer und Funktionäre sind Zielscheibe der pakistanischen Taliban. […] Nach Angaben der ANP, die im letzten Parlament mit 13 Sitzen vertreten war, haben militante Islamisten in den vergangenen fünf Jahren mehr als 700 ANP-Aktivisten getötet.“ (DW, 10. Mai 2013)

Die Human Rights Commission of Pakistan (HRCP), eine unabhängige Non-Profit-Organisation mit dem Ziel, die Einhaltung der Menschenrechte zu überwachen und diese zu verteidigen, schreibt in ihrem Jahresbericht vom März 2014 (Berichtszeitraum 2013), dass die Tehrik-e-Taliban (TTP) vor den Wahlen vom 11. Mai 2013 angekündigt habe, speziell gegen die von ihr so genannten „säkularen“ Parteien Pakistans, die Awami National Party (ANP), das Muttahida Qaumi Movement (MGM) und die Pakistan People’s Party (PPP), vorgehen zu wollen.

Im Vorfeld der Wahlen habe es mindestens sechs große Angriffe auf die ANP gegeben. Am 16. April 2013 habe ein Selbstmordattentäter in Peschawar 16 UnterstützerInnen der Partei getötet, als er sich bei einem politischen Treffen in die Luft gesprengt habe. Ziel des Angriffs sei der Neffe des ANP-Führers Ghulam Ahmed Bilour gewesen.

Am 31. März 2013 sei ANP-Mitglied Adnan Wazir, der für einen Sitz in der Provinzversammlung Khyber Pakhtunkhwas kandidiert habe, bei einem mit einer am Straßenrand platzierten Bombe verübten Anschlag auf seinen Konvoi verletzt worden. Zu dem Anschlag, bei dem zwei ANP-UnterstützerInnen getötet worden seien, habe sich die TTP bekannt.

Am 10. April 2013 sei Fakhrul Islam, einer der Kandidaten der Partei in der Stadt Hyderabad (in der Provinz Sindh, Anm. ACCORD) erschossen worden. Die Taliban hätten sich zu seiner Ermordung bekannt. Am nächsten Tag sei ein weiterer Kandidat in Karatschi getötet worden.

Am 12. April 2013 hätten Arbab Ayub Jan, ein ANP-Kandidat in einem in Peschawar gelegenen Wahlkreis für die Nationalversammlung, sowie sein Sohn, ein ANP-Kandidat für einen Sitz in der Provinzversammlung Khyber Pakhtunkhwas, einen Bombenanschlag in der Nähe ihres Hauses überlebt. Am selben Tag hätten Aufständische Handgranaten auf das Haus von Munaf Afridi, einem ANP-Kandidaten für die Nationalversammlung aus Khyber Agency, geworfen. Dabei sei allerdings niemand verletzt oder getötet worden.

Am 21. April 2013 seien zwei ANP-AktivistInnen in Pischin, Provinz Belutschistan, bei einem Angriff auf eine Wahlkundgebung getötet worden.

Am 22. April 2013 seien zwei Personen bei einem Granaten-Angriff auf ein ANP-Büro in Swabi (in Khyber Pakhtunkhwa, Anm. ACCORD) verletzt worden.

Am 26. April 2013 seien elf Personen getötet und mehr als 50 weitere verletzt worden, als eine Bombe bei einer Wahlveranstaltung des ANP-Kandidaten Bashir Jan in Karatschi explodiert sei:

„The Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) announced ahead of the May 11 general election that they would specifically target what they called Pakistan’s ‘secular’ parties: Awami National Party (ANP), Muttahida Qaumi Movement (MQM) and Pakistan Peoples’ Party (PPP) and added that they did not expect any good from the other parties either. The parties that were spared remained ominously silent on the attacks on their rivals.

In the run-up to elections, the ANP faced at least six major attacks. On 16 April, a suicide bomber killed 16 of the party’s supporters when he blew himself up outside a political meeting in Peshawar. Senior ANP leader Ghulam Ahmed Bilour escaped with minor injuries. The target of the attack was his nephew, Haroon Bilour, whose father, an ANP provincial minister, was assassinated in December 2012. […]

On March 31, ANP candidate Adnan Wazir, running for a KP Assembly seat from Bannu District, was among six people wounded by a roadside bomb targeting his convoy. The TTP claimed responsibility for the attack that killed two ANP supporters.

On April 10, Fakhrul Islam, one of the party’s candidates in the southern city of Hyderabad was shot dead. The Taliban claimed responsibility. The next day, another candidate, SM Shiraz, was slain in Karachi.

On April 12, Arbab Ayub Jan, the ANP candidate for the National Assembly (NA) constituency NA-4 in Peshawar, and his son Arbab Usman – an ANP candidate running for a Khyber Pakhtunkhwa (KP) Assembly seat – survived a bombing near their house.

The same day, militants hurled hand grenades at the house of Munaf Afridi, an ANP candidate for an NA seat from Khyber Agency. No casualties occurred. […]

On April 21, two ANP activists were killed in Pishin, Balochistan, in an attack on an election rally.

On April 22, a grenade attack on an ANP office in Swabi left two injured. […]

On April 26, 11 people were killed and over 50 others injured when a bomb blast hit the election meeting of ANP candidate Bashir Jan in Karachi.” (HRCP, März 2014, S. 142-143)

Das Pak Institute for Peace Studies (PIPS), ein in Islamabad ansässiger unabhängiger Think Tank im Bereich nationale und internationale Sicherheit, geht in einem Bericht vom Mai 2013 auf Gewalt gegen politische Parteien, WahlkandidatInnen und WählerInnen im Zusammenhang mit den Wahlen vom 11. Mai 2013 ein. Wie der Bericht anführt, sei die ANP die Partei gewesen, die im Zeitraum vom 1. Jänner bis 15. Mai 2013 mit den meisten terroristischen Angriffen (37) konfrontiert gewesen sei. Aufständische hätten die ANP in fast jeder Region Pakistans hart getroffen:

„Awami National Party (ANP) faced maximum number of terrorist attacks between January 1 and May 15 (37), followed by Pakistan People’s Party (PPP) and Mutahidda Qaumi Movement (MQM) with 12 attacks each. While militants hit hard ANP and PPP in almost every region of Pakistan, MQM was frequently targeted in Karachi.” (PIPS, Mai 2013, S. 2)

Auf den Seiten 4 bis 6 desselben Berichts findet sich eine Tabelle, die die geographische Verteilung der terroristischen Angriffe auf politische AnführerInnen, ParteiarbeiterInnen („political workers“) und Wahllokale aufzeigt. In der Spalte „Angriffsziele“ taucht die ANP außer in der Provinz Punjab in jeder der angeführten Regionen/Provinzen (Stammesgebiete unter Bundesverwaltung, Khyber Pakhtunkhwa, Beluchistan und Sindh) auf. (PIPS, Mai 2013, S. 4-6)

 

Dieselbe Quelle führt in ihrem Jahresbericht zur Sicherheitslage vom Jänner 2014 (Berichtszeitraum 2013) an, dass die ANP im Berichtszeitraum die Partei gewesen sei, die mit den meisten terroristischen Angriffen (43) auf ihre FührerInnen, ParteiarbeiterInnen, Wahlbüros und Kundgebungen konfrontiert gewesen sei:

„Awami National Party (ANP), its leaders, workers and election offices and rallies faced maximum number of terrorist attacks (43), followed by Muttahida Qaumi Movement (MQM) (17 attacks), Pakistan People’s Party (PPP) (13), Jamiat Ulema-e-Islam-Fazl (JUI-F) (12), Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N) (10), two factions of Balochistan National Party (BNP-A and BNP-M) (10), Pakistan Tehreek-e-Insaaf (PTI) (8), National Party (NP) (6), and Jamaat-e-Islami (JI) (5 attacks).” (PIPS, 4. Jänner 2014, S. 30)

Laut einer im Bericht enthaltenen Tabelle hätten die Angriffe auf die ANP in Sindh (Karatschi), Khyber Pakhtunkhwa (Charsadda, Mardan, Lakki Marwat, Swabi, Peschawar, Swat, Kohat, Nowschera, Buner), den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (Bajaur Agency) und Belutschistan (Pischin) stattgefunden (PIPS, 4. Jänner 2014, S. 31).

 

Darüber hinaus seien bei ethno-politischer Gewalt demselben Bericht zufolge im Jahr 2013 insgesamt 17 Mitglieder/AktivistInnen der ANP getötet worden. Wie der Bericht anführt, habe es sich bei den Vorfällen ethno-politischer Gewalt abgesehen von vier Angriffen mit Handgranaten, drei Fällen von Sabotage und einem Fall von Entführung um gezielte Tötungen und bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen FührerInnen/ParteiarbeiterInnen rivalisierender politischer Parteien gehandelt. (PIPS, 4. Jänner 2014, S. 32-33)

 

In seinem Jahresbericht zur Sicherheitslage vom Jänner 2015 (Berichtszeitraum 2014) schreibt das PIPS, dass die ANP, wie in den Jahren zuvor, die Partei gewesen sei, deren FührerInnen und ParteiarbeiterInnen mit den meisten terroristischen Angriffen (16) konfrontiert gewesen seien:

„As in previous year, leaders and workers of Awami National Party (ANP) faced maximum number of terrorist attacks (16), followed by Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N) (6 attacks), Jamiat Ulema-e- Islam-Fazl (JUI-F) (5), Pakistan People’s Party (PPP) (4), two factions of Balochistan National Party (BNPA and BNP-M) (4), Pakistan Tehreek-e-Insaaf (PTI) (2), National Party (2), and Qaumi Watan Party (2 attacks).” (PIPS, Jänner 2015, S. 31)

Laut einer im Bericht enthaltenen Tabelle hätten die Angriffe auf die ANP in Sindh (Karatschi), Khyber Pakhtunkhwa (Peschawar, Lakki Marwat, Charsadda, Nowschera, Bannu, Hangu) und den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (Khyber Agency) stattgefunden und seien von der TTP, lokalen Taliban und der Laschkar-e-Islam verübt worden (PIPS, Jänner 2015, S. 32).

 

Das vom Institut für Konfliktmanagement, einer in Neu Delhi ansässigen Non-Profit-NGO, betriebene South Asia Terrorism Portal (SATP), schreibt in einem im Jahr 2015 veröffentlichten Bericht zur Sicherheitslage in der Provinz Sindh, dass politische Morde ein zunehmender Trend in der Provinzhauptstadt Karatschi gewesen seien. AktivistInnen der PPP, der MQM und der ANP seien die Hauptangriffsziele gewesen. So seien seit 2011 insgesamt 106 AktivistInnen der ANP getötet worden, davon acht im Jahr 2014. Politische Parteien hätten zudem den Zorn der TTP und ihrer Splittergruppen auf sich gezogen:

„Targeted political killings have also been a rising trend in the provincial capital. Activists of the Pakistan People’s Party (PPP), the Muttahida Qaumi Movement (MQM) and the Awami National Party (ANP) have been the principal targets, with a total of 391 activists of these parties, including 221 of MQM, 106 of ANP, and 64 of PPP, killed since 2011. 46 of these, including 30 MQM, and eight each of ANP and PPP, were killed in 2014 alone. Moreover, political parties have also drawn the ire of TTP and its splinter groups.” (SATP, 2015)

Das SATP stellt auf seiner Website basierend auf Berichten von Nachrichtenmedien chronologische Aufstellungen zu sicherheitsrelevanten Ereignissen in Pakistan für 2015 (letzter Eintrag vom 8. März 2015) und 2014 zur Verfügung. Beide Auflistungen wurden nach den Begriffen „ANP“ und „Awami National Party“ durchsucht. Dabei wurden mehrere Einträge zu Angriffen auf ANP-Mitglieder gefunden, wobei sich die Angriffe, bei denen Handgranaten, Bomben und Schusswaffen verwendet worden seien, vor allem in Karatschi, aber auch in Peschawar, im Distrikt Charsadda (Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm. ACCORD) sowie im Distrikt Swat (ebenfalls in Khyber Pakhtunkhwa, Anm. ACCORD) ereignet hätten. In der Mehrheit der Fälle wird ein ANP-Führer als Ziel des jeweiligen Angriffs genannt. Die Aufstellungen sind unter folgenden Links verfügbar:

·      SATP - South Asia Terrorism Portal: Pakistan Timeline – 2014, letzter Eintrag vom 31. Dezember 2014

http://www.satp.org/satporgtp/countries/pakistan/timeline/2014.htm

·      SATP - South Asia Terrorism Portal: Pakistan Timeline – 2015, letzter Eintrag vom 8. März 2015

http://www.satp.org/satporgtp/countries/pakistan/timeline/index.html

 

In den gefundenen, oben angeführten Quellen werden neben den Tötungen von ParteiführerInnen und -kadern, KandidatInnen und FunktionsträgerInnen auch Tötungen von ParteiaktivistInnen und -mitgliedern angeführt, ohne dass erwähnt wird, welchen Rang diese innerhalb der Partei innehatten.

 

In einer E-Mail-Auskunft vom 15. März 2015 führt ein in Pakistan ansässiger Politikwissenschaftler, von dem keine Zustimmung zur Nennung seines Namens vorliegt, an, dass sich die ANP in der Vergangenheit in der Schusslinie befunden habe und gegenwärtig immer noch befinde. Allerding seien seines Wissens einfache Parteimitglieder nicht ins Visier geraten. Ausnahme seien Swat und Malakand Division (beide in Khyber Pakhtunkhwa, Anm. ACCORD), wo es Berichte gegeben habe, wonach einfache, aber aktive ParteiarbeiterInnen der ANP ins Visier geraten seien:

„ANP was and still is in the line of fire. However, as far as I know, ordinary members have not been targeted, except for Swat, Malakand division where there have been reports of targeting of ordinary, but active ANP workers.” (Politikwissenschaftler, 15. März 2015)

Die Frage, ob die Tötungen von ANP-Mitgliedern auch einfache Parteimitglieder der ANP betroffen hätten, wurde an weitere externe Experten weitergeleitet. Sollte von diesen eine Antwort einlangen, werden wir sie unverzüglich an Sie weiterleiten.

 

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 20. März 2015)

·      BBC News: Pakistan election: Taliban threats hamper secular campaign, 5. April 2013

http://www.bbc.com/news/world-asia-22022951

·      BBC News: Mutual antipathy hampers Pakistan control of militants, 19. Dezember 2014

http://www.bbc.com/news/world-asia-30520596

·      Central Asia Online: TTP warns ANP workers to quit party, 26. Juli 2012

http://centralasiaonline.com/en_GB/articles/caii/features/pakistan/main/2012/07/26/feature-01

·      Dawn: Situationer: ANP in the cross hairs, 13. November 2014

http://www.dawn.com/news/1144110

·      Dunya News: ANP, MQM demand govt to conduct army operation in Karachi, 5. Jänner 2015

http://dunyanews.tv/index.php/en/Pakistan/253536-ANP-MQM-demand-govt-to-conduct-army-operation-in-

·      DW - Deutsche Welle: Pakistans Wahlkampf von Terror überschattet, 10. Mai 2013

http://www.dw.de/pakistans-wahlkampf-von-terror-%C3%BCberschattet/a-16796495

·      DW - Deutsche Welle: Pakistan’s Charlie Hebdo reward: No room for secular politics, 4. Februar 2015

http://www.dw.de/pakistans-charlie-hebdo-reward-no-room-for-secular-politics/a-18233731

·      Express Tribune: Who did it?: Police investigations make little headway into ANP killings, 22. Februar 2014

http://tribune.com.pk/story/674687/who-did-it-police-investigations-make-little-headway-into-anp-killings/

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·      Le Monde Diplomatique: Das Land der Paschtunen (Autor: Owen Bennett-Jones), 9. Jänner 2015

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·      PIPS - Pak Institute for Peace Studies: Elections 2013: Violence against Political Parties, Candidates and Voters, Mai 2013

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·      PIPS - Pak Institute for Peace Studies: Pakistan Security Report 2013, 4. Jänner 2014

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·      PIPS - Pak Institute for Peace Studies: Pakistan Security Report 2014, Jänner 2015

http://san-pips.com/index.php?action=books&id=main (kostenpflichtig)

·      Politikwissenschaftler: E-Mail-Auskunft, 15. März 2015

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·      SATP - South Asia Terrorism Portal: Sindh Assessment – 2015, 2015

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·      The Friday Times: Lie low, 27. Juni 2014

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