Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Provinz Laghman: Informationen zur Machtverteilung zwischen Aufständischen und Organen der Zentralregierung [a-8996-2 (8997)]

16. Dezember 2014
 

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Die Zeitung Stars and Stripes, die laut eigenen Angaben unabhängige Nachrichten für Mitarbeiter des US-Militärs zur Verfügung stellt, schreibt in einem Artikel vom November 2014, dass die abgelegene Provinz Laghman im Sommer 2014 größtenteils von größeren Kämpfen verschont geblieben sei. Der schwelende Aufstand in den Bergtälern könne einen Blick in die Zukunft Afghanistans bieten, wo die Regierung einerseits und die Aufständischen andererseits keine entscheidenden Siege erringen könnten, um die andere Seite zu Verhandlungen zu bringen. Der Polizeikommandant Rahm Khoda Mokhlis, der die wichtigste Kriseninterventionseinheit in der Provinz Laghman leite, habe angegeben, dass die Taliban in dem gerade gesäuberten Gebiet schon wieder überall improvisierte Sprengsätze platziert hätten. Zudem habe er angegeben: „Wenn wir kommen, laufen sie weg. Sobald wir abziehen, kommen die Taliban zurück“.

Der Großteil der ausländischen Kampftruppen sei vor einem Jahr aus Laghman abgezogen. Seitdem hätten die örtlichen Sicherheitskräfte die nach Einnahme der Taliban-Hochburgen errungenen Gebietsgewinne größtenteils erhalten können. Es sei jedoch ein Axiom der Guerilla-Kriegsführung, dass Aufständische oftmals gewinnen könnten, indem sie nicht verlieren. Es gebe nur wenige Anzeichen dafür, dass die Taliban, das Haqqani-Netzwerk und andere militante Gruppen in absehbarer Zeit abziehen würden. Laut Angaben eines Kommandanten der lokalen afghanischen Polizei (Afghan Local Police, ALP) im Bezirk Alishang (Provinz Laghman), Haji Noorani, könne die Provinz an die Taliban zurückfallen, sollte die derzeitige Lage andauern. Die Politiker würden laut Noorani angeben, dass alles in Ordnung sei, aber das sei falsch. Laut Angaben eines Kommandanten der Afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army, ANA) in Laghman, General Noorullah Qadari, könne der Feind den Sicherheitskräften, insbesondere der Armee nicht standhalten. Jedoch habe der General zudem angegeben, dass die Aufständischen sich nun in zivilen Zentren verstecken würden. Beim Eintreffen der Soldaten würden sie weglaufen, dann aber zurückkehren um ZivilistInnen unter Druck zu setzen. Laut Angaben aus Sicherheitskreisen sei es in Laghman schwierig, die Aufständischen zu verfolgen, die in die abgelegenen Berggebiete flüchten würden, da es an Unterstützung aus der Luft fehle:

„Nestled next to more famous provinces such as Kunar and Nangarhar, restive Laghman has largely been spared the major fighting that shook some areas in Afghanistan this summer. But the slow-burning insurgency that has settled in the mountain valleys here just a few hours from Kabul may provide a glimpse into Afghanistan’s future, one where neither the government security forces nor the insurgent groups are able, or in some cases willing, to win decisive victories or persuade the other side to negotiate. When asked the next day whether it would be possible to visit the area the police and army had just cleared, police commander Rahm Khoda Mokhlis dismissed it as impossible. ‘The Taliban have already placed [improvised bombs] all over the place again,’ said Mokhlis, who leads the elite crisis response unit in Laghman province. ‘When we come, they run away. As soon as we leave, the Taliban come back.’ […]

Most foreign combat troops left Laghman a year ago, Afghan leaders say, and since that time local security forces have largely maintained the gains made when the province’s Taliban strongholds were removed. But it is an axiom of guerrilla warfare that insurgents can often win simply by not losing. And there are few signs that the Taliban, Haqqani network and other militant groups are going away any time soon. […]

The operation in Laghman highlighted what is perhaps of most concern: Even if they fail to win most military engagements, relatively small bands of insurgents can suck vast amounts of resources from a government that is already on the verge of bankruptcy.[…]

That was an assessment echoed by Haji Noorani, an ALP [Afghan Local Police] commander in Alishang district. ‘If the current situation continues the whole province will eventually return to the Taliban,’ he said. ‘The politicians say all is well, but it is not true.’ […]

The situation looked brighter to Gen. Noorullah Qadari, commander of the ANA [Afghan National Army] 201st Corps 1st Brigade, as he sipped tea in a gilded pagoda at his headquarters in rural Laghman. ‘The situation is good, but we are trying every day to make it better,’ he said. ‘The enemy cannot stand against the security forces, especially the army.’ Still, he admitted there is a cycle to the conflict. ‘Instead of having bases, the insurgents now hide in civilian centers,’ he said. ‘They run away when we come, then return to pressure the civilians.’ Security leaders in the province said that a lack of air support is making it difficult to hunt insurgents who flee into remote mountain ranges. ‘We have all the latest technology,’ Qadari said, ‘but if we have to drive, the insurgents can just run away. We can’t catch them.’” (Stars and Stripes, 15. November 2014)

Der afghanische Nachrichtensender Tolo News schreibt in einem Artikel vom Dezember 2014, dass bei einem Angriff im Bezirk Alishing in der Provinz Laghman vier Aufständische getötet worden seien. Zuvor habe sich laut Angaben des Sprechers des Gouverneurs von Laghman eine Reihe von aufständischen Taliban versammelt, um Anschläge zu planen:

„The strike took place in Alishing district of the province while a number of Taliban insurgents were gathered to plan insurgent's attacks, a spokesman for Laghman Governor Sarhadi Zwaksaid.” (Tolo News, 6. Dezember 2014)

In einem Artikel vom November 2014 berichtet Khaama Press, dass Laghman sich unter den relativ unbeständigen Provinzen Afghanistans befinde. Regierungsfeindliche Aufständische seien in mehreren Bezirken aktiv und würden aufständische Aktivitäten ausführen. Vor etwa zwei Monaten sei ein bekannter Taliban-Kommandant bei einem Drohnenangriff im Bezirk Alingar getötet worden, der in terroristische Aktivitäten in Alingar und weiteren Bezirken Laghmans verwickelt gewesen sei:

„At least three Taliban insurgents were killed following a drone strike by NATO-led coalition forces in eastern Laghman province. […] Laghman is among the relatively volatile provinces in eastern Afghanistan where anti-government armed militant groups are active in a number of its districts and often carry out insurgency activities. This comes as a notorious Taliban commander was killed following a drone strike in Alingar district around two months ago. The Taliban leader identified as Zarqawi was involved in major terrorist activities in Alingar and other districts of Laghman province.” (Khaama Press, 26. November 2014)

Fabrizio Foschini vom Afghanistan Analysts Network (AAN), einer unabhängigen, gemeinnützigen Forschungsorganisation mit Hauptsitz in Kabul, schreibt in einem Artikel vom August 2014, dass Kommandanten/Aufständische in der Provinz Laghman von einigen befragten Personen als „Taleban-e Pakistan“ und „Taleban-e PRT“ (Provincial Reconstruction Team, militärische Einheiten zum Wiederaufbau der Infrastruktur, Anm. ACCORD) beschrieben würden. Ersterer Begriff würde die Taliban beschreiben, die mit Geld und Waffen aus Pakistan kommen würden, um örtliche Aufständische zu stärken. Der Begriff Taleban-e PRT würde lokale bewaffnete Gruppen beschreiben, die zuvor mit dem Aufstand oder dem alten Taliban-Regime in Verbindung gestanden hätten, jedoch Angebote der PRT angenommen hätten, um wirtschaftliche Gewinne zu erzielen und ihr Vermögen zu bewahren:

„In Laghman, some people described commanders/insurgents as ‘Taleban-e Pakistan’ and ‘Taleban-e PRT [Provincial Reconstruction Team].’ By the first, they mean those Taleban who routinely come in from Pakistan (and who may, in some cases, be Pakistani nationals) with money and weapons to reinforce, organise and toughen the stance of local insurgent fronts. By the second, they mean local armed groups who used to be affiliated with the insurgency or even the old Taleban regime, but have accepted the offers of the PRT in order to make economic gains and preserve their assets.” (Foschini, 18. August 2014)

Foschini schreibt weiters, dass in Teilen von Laghman andere starke örtliche Netzwerke fehlen würden, die den Sicherheitsbereich besetzen würden, wie es auch in anderen Gebieten der Fall sei, wo es ehemalige Kämpfer der „Nordallianz“ gebe und einen Mangel an der Ideologie verpflichteten Taliban, die einen starken Standpunkt gegen die Regierung einnehmen könnten. Die Anwesenheit und Effizienz oben genannter Gruppen tendiere dazu, mit der Distanz zur pakistanischen Grenze abzunehmen. Laghman sei zwar eine östlich gelegene Provinz, liege aber nicht an der Grenze und scheine über eine Anzahl von „pragmatischen“ Taliban zu verfügen. Hier, wie auch in anderen östlichen Gebieten, könne die Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen einfach eine Angelegenheit von Auswahl und Möglichkeit sein. Manchmal könne eine bewaffnete Gruppe mit gleichzeitig zweierlei Loyalität existieren. In diesem Falle würden die Aufständischen als „dobazgir“ (zwei Euter melken) bezeichnet, da sie Begünstigungen von den Stützpunkten der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppen (ISAF) und Programmen der afghanischen Regierung erhalten könnten, sowie von der Taliban-Führung. Solche Arrangements seien jedoch nicht von Dauer. GemeinschaftsvertreterInnen aus der Provinz Laghman hätten angegeben, dass nach den Wahlen im Bezirk Dawlat Shah eine Gruppe pakistanischer Taliban, die mutmaßlich gekommen sei, um die Aktivitäten örtlicher Kämpfer zu stärken, von ihren afghanischen Betreuern („guides“) in eine Falle gelockt und von afghanischen Sicherheitskräften getötet worden seien. Die örtlichen Taliban hätten Angst gehabt, dass ihr „ruhiges Leben“ von den Fremden („outsiders“) zerstört würde und hätten sich dazu entschieden, ihnen eine Falle zu stellen:

„Parts of Laghman province in fact feature an absence of other strong local networks occupying the security sector, as happens in other areas where there are former ‘Northern Alliance’ militiamen, and a paucity of ideologically-committed Taleban capable of enforcing a tough anti-government stance (the presence and efficiency of these groups tends to decrease with distance from the Pakistani border. Laghman, though an eastern province, is not on the border and seems to have a number of ‘pragmatist’ Taleban). There, as in other areas of the east, belonging to one of these groups can be a matter simply of choice and opportunity. Sometimes, an armed group can exist with dual loyalties at the same time. In this case, the militants are labeled dobazgir – ‘milking-two-udders’, for their ability to reap benefits from the ISAF [International Security Assistance Force] bases and Afghan government programs as well as the Taleban leadership. Such arrangements however do not last: community representatives from Laghman told AAN [Afghanistan Analysts Network] that in Dawlat Shah district, shortly after the electoral run-off, a group of Pakistani Taleban who had allegedly come to enhance the activities of local fighters, were lured into a trap by their Afghan guides and killed by the Afghan security forces: the local Taleban feared the outsiders would destroy their ‘quiet life’ and opted to set them up.” (Foschini, 18. August 2014)

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 16. Dezember 2014)

·      Foschini, Fabrizio: Footsloggers, Turncoats and Enforcers: The fight along the eastern border, 18. August 2014 (veröffentlicht vom Afghanistan Analysts Network, AAN)

https://www.afghanistan-analysts.org/footsloggers-turncoats-and-enforcers-the-fight-along-the-eastern-border/

·      Khaama Press: Drone strike in Laghman leaves 3 Taliban insurgents dead, 26. November 2014

http://www.khaama.com/drone-strike-in-laghman-leaves-3-taliban-insurgents-dead-9062

·      Stars and Stripes: Insurgents in Afghanistan's Laghman province may win by not losing, 15. November 2014

http://www.stripes.com/news/middle-east/insurgents-in-afghanistan-s-laghman-province-may-win-by-not-losing-1.314358

·      Tolo News: Four Taliban Insurgents Killed in Laghman Drone Strike, 6. Dezember 2014

http://www.tolonews.com/en/afghanistan/17367-four-taliban-insurgents-killed-in-laghman-drone-strike