Anfragebeantwortung zu Turkmenistan: Informationen zur Lage der russischen Minderheit [a-8834]

29. September 2014

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Freedom House, eine in den USA ansässige NGO, die zu den Themen Demokratie, politische Freiheit und Menschenrechte forscht und sich für diese einsetzt, schreibt in einem Bericht vom Juni 2014, dass etwa 43.000 TurkmenInnen, die auch die russische Staatsbürgerschaft hätten, nach Jahren in einer rechtlichen Grauzone und nach einer Reihe von hochrangigen diplomatischen Verhandlungen im Juli 2013 biometrische turkmenische Pässe versprochen worden seien. Zuvor hätten die Behörden darauf bestanden, dass DoppelstaatsbürgerInnen ihre russische Staatsbürgerschaft ablegen müssten, um Ersatz für ihre nicht weiter gültigen turkmenischen Reisedokumente zu erhalten. Das Staatsbürgerschaftsgesetz sei dementsprechend geändert worden, um trotz eines Verbots in der Verfassung von 2008 in bestimmten Fällen eine Doppelstaatsbürgerschaft zu erlauben:

„After years in legislative limbo and following a series of high-level diplomatic negotiations, approximately 43,000 Turkmen residents who also hold Russian citizenship were promised new biometric Turkmen passports in July. Previously, the authorities had insisted that dual passport holders must renounce their Russian citizenship before receiving replacements for their no-longer-valid Turkmen travel documents. The Law on Citizenship was altered accordingly, allowing dual citizenship in certain cases, despite its prohibition in the 2008 Constitution.“ (Freedom House, 12. Juni 2014)

Laut Freedom House gebe es in Turkmenistan nur wenige Schulen , die Klassen mit Russisch als Unterrichtssprache anbieten würden (etwa 30 Klassen im Jahr 2011). Diese seien Großteils für Mitglieder ethnischer Minderheiten vorgesehen:

„There are only a few schools in the country that offer classes with Russian as the language of instruction (approximately 30 classes in 2011), and these are mainly intended for members of ethnic minorities.” (Freedom House, 12. Juni 2014)

Das UK Foreign and Commonwealth Office (FCO) schreibt im April 2014, dass aufgrund rechtlicher oder anderer Maßnahmen, die gesetzt worden seien, um die turkmenische nationale Identität erneut zu stärken, einige Minderheiten (insbesondere UsbekInnen und RussInnen) mit Schwierigkeiten konfrontiert seien, ihre nationale und sprachliche Identität zu bewahren und Reisefreiheit in Anspruch zu nehmen, da für DoppelstaatsbürgerInnen bürokratische Hindernisse bestünden. Turkmenische StaatsbürgerInnen, die ethnischen Minderheiten angehören würden, seien Großteils von Regierungsposten ausgeschlossen, selbst wenn sie Turkmenisch sprechen würden. Eine Verordnung des Präsidenten fordere, dass mindestens 70 Prozent der Angestellten einer Organisation TurkmenInnen sein müssten. Die turkmenische Regierung plane jedoch im Kontext der kürzlich erfolgten allgemeinen regelmäßigen Überprüfung (Universal Periodic Review, UPR) (der Vereinten Nationen, Anm. ACCORD), die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu unterzeichnen:

„As a result of legal and other measures designed to reinforce Turkmenistan’s national identity, some minority groups within the country (particularly ethnic Uzbeks and Russians) find it difficult to preserve their national and linguistic identity and exercise freedom of travel, as a result of bureaucratic obstacles relating to those holding dual nationality. Despite a legal framework which provides for equal rights and freedoms for all citizens, Turkmen citizens belonging to ethnic minorities are mostly excluded from government jobs even if they speak Turkmen. A presidential decree requires that at least 70% of personnel employed by an organisation have to be Turkmen. However, Turkmenistan has undertaken, in the context of its recent UPR [Universal Periodic Review], to consider ratifying the International Convention on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Their Families.“ (FCO, 10. April 2014)

Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Länderbericht zur Menschenrechtslage vom Februar 2014 (Berichtszeitraum: 2013), dass gesetzlich gleiche Rechte und Freiheiten für alle StaatsbürgerInnen vorgesehen seien. Minderheitengruppen hätten versucht, sich als NGOs zu registrieren, um einen rechtlichen Status für die Abhaltung kultureller Veranstaltungen zu erhalten, jedoch hätte keine Minderheitengruppe im Jahr 2013 bei einer Registrierung Erfolg gehabt. Gesetzlich sei Turkmenisch als offizielle Sprache vorgesehen, obwohl auch Rechte für die SprecherInnen von Minderheitensprachen gewährleistet seien. Russisch werde vorwiegend in der Wirtschaft und im Alltagsleben in der Hauptstadt gesprochen, obwohl die Regierung weiterhin eine Kampagne durchgeführt habe, offizielle Geschäfte einzig in turkmenischer Sprache durchzuführen. Von Angestellten in Ministerien werde erwartet, dass sie Prüfungen über berufsbezogenes Wissen auf Turkmenisch bestehen („demonstrating knowledge of professional subjects in Turkmen“). Angestellte, die die Prüfung nicht bestanden hätten, seien entlassen worden. Die Regierung habe nur in der Volks- und Mittelschule Ressourcen zur Verfügung gestellt, um nicht turkmenischsprachigen Personen Turkmenisch beizubringen. Nicht turkmenischsprachige Personen hätten berichtet, dass ihnen einige Wege hinsichtlich Beförderung und Vorankommen am Arbeitsplatz verschlossen geblieben seien. Nur eine Handvoll Nicht-Turkmenen hätten hochrangige Stellen in der Regierung besetzt. In einigen Fällen hätten BewerberInnen für Regierungsstellen Informationen hinsichtlich ihrer ethnischen Abstammung über den Zeitraum von drei Generationen beibringen müssen. Nicht-Turkmenen seien bei Entlassungen bei staatlichen Stellen oftmals zuerst betroffen gewesen:

„The law provides for equal rights and freedoms for all citizens. Minority groups tried to register as NGOs to have legal status to conduct cultural events, but no minority groups succeeded in registering during the year. The law designates Turkmen as the official language, although it also provides for the rights of speakers of minority languages. Russian remained prevalent in commerce and everyday life in the capital, even as the government continued its campaign to conduct official business solely in Turkmen. The government required ministry employees to pass tests demonstrating knowledge of professional subjects in Turkmen, and employees who failed the exam were dismissed. The government dedicated resources to provide Turkmen instruction for non-Turkmen speakers only in primary and secondary schools. Non-Turkmen speakers noted that some avenues for promotion and job advancement were closed to them, and only a handful of non-Turkmen occupied high-level jobs in government. In some cases applicants for government jobs had to provide information about ethnicity going back three generations. The government often targeted non-Turkmen first for dismissal when government layoffs occurred.” (USDOS, 27. Februar 2014, Section 6)

Russischsprachigen Angeklagten sei vor Gericht keine Dolmetscher angeboten worden, um beim Verfahrensablauf in turkmenischer Sprache zu helfen, so das USDOS. Gerichtsprotokolle seien oftmals mangelhaft oder unvollständig gewesen, insbesondere bei Übersetzungen von Aussagen von Angeklagten aus dem Russischen ins Turkmenische.

Trotz rechtlicher Verbote gegen die Anerkennung einer Doppelstaatsbürgerschaft, sei im Juni 2013 ein Gesetz verabschiedet worden, dass die Ausstellung von turkmenischen Reisepässen an turkmenisch-russische StaatsbürgerInnen erlaube, die nicht gezwungen würden, die russische Staatsbürgerschaft abzulegen, wenn sie diese vor dem Jahr 2003 erhalten hätten. Die Umsetzung des Gesetzes sei uneinheitlich erfolgt:

„Russian-speaking defendants were not offered a court interpreter to assist with the Turkmen-language proceedings. […] Court transcripts frequently were flawed or incomplete, especially when there was a need to translate defendants’ testimony from Russian to Turkmen.“ (USDOS, 27. Februar 2014, Section 1e)

„Despite legal prohibitions against recognizing dual citizenship, a law adopted in June permits the issuance of Turkmenistani passports to Turkmenistani-Russian citizens who will not be forced to renounce their Russian citizenship so long as they obtained it before 2003. Implementation of the law was inconsistent.” (USDOS, 27. Februar 2014, Section 2d)

Die Minority Rights Group International (MRG), die sich für die Rechte von ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten und indigenen Völkern weltweit einsetzt, schreibt in ihrem Jahresbericht zur Lage von Minderheiten vom Juni 2012, dass es aufgrund der mangelhaften Pressefreiheit und der Einschränkung der Zivilgesellschaft schwierig sei, Informationen zum Thema Minderheiten in Turkmenistan zu finden (In den im September 2013 und Juli 2014 erschienenen weiteren Jahresberichten der MRG sind keine Länderkapitel zu Turkmenistan zu finden, Anm. ACCORD). Laut dem MRG-Bericht vom Juni 2012 gebe es keine aufgeschlüsselten nationalen Daten zur Demografie der Bevölkerung und zur Wahrung der Rechte. Laut einer Volkszählung, die Mitte der 90er-Jahre durchgeführt worden sei, gebe es im Land usbekische, russische, kasachische und weitere Minderheitengruppen. Laut MRG sei es klar, dass Minderheitengruppen aufgrund der „Turkmenisierungspolitik“ der Regierung weiterhin hinsichtlich vieler Bildungs-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten sowie hinsichtlich politischer Möglichkeiten ausgegrenzt seien. Die Behörden hätten keine Maßnahmen getroffen, diese Praktiken zu verhindern oder die Lage zu verbessern. Es gebe keine MinisterInnen oder stellvertretende MinisterInnen aus Minderheitengemeinschaften. Die Vorsitzenden der regionalen Verwaltungen und der Bezirksverwaltungen seien ebenso ethnische TurkmenInnen. Sogar in überwiegend von Minderheiten bewohnten Gebieten würden Personen aus diesen Minderheiten nur niedrigrangige Positionen besetzen. Der Präsident müsse Turkmenisch sprechen und alle 14 Kandidaten zur Wahl im Jahr 2012 seien ethnische Turkmenen gewesen:

„It remains difficult to access information about minority issues in Turkmenistan because of the lack of press freedom and restrictions on civil society. There is no disaggregated national data available on the demographic composition of the population and the enjoyment of rights. Extrapolating from a mid-1990s census, the country has Uzbek, Russian and Kazakh and other minority communities. It is clear that minority groups continue to be sidelined from many educational, training, employment and political opportunities as a result of the government's continuing policy of Turkmenization, which sets out preference for persons of Turkmen origin, especially in the field of education and employment. The authorities have not undertaken measures to prevent these practices, or to improve the situation. There are no ministers or deputy ministers from minority ethnic communities in Turkmenistan. Heads of regional and district administrations are likewise all ethnic Turkmen. Even in predominantly national minority areas, persons from these minorities only occupy low-ranking posts. The President is required to speak Turkmen, and all 14 candidates for the 2012 elections were ethnic Turkmen.“ (MRG, 27. Juni 2012, S. 127)

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 29. September 2014)

·      FCO - UK Foreign and Commonwealth Office: Human Rights and Democracy Report 2013 - Section XI: Human Rights in Countries of Concern - Turkmenistan, 10. April 2014 (verfügbar auf ecoi.net)

http://www.ecoi.net/local_link/273722/402758_de.html

·      Freedom House: Nations in Transit 2014 - Turkmenistan, 12. Juni 2014 (verfügbar auf ecoi.net)

http://www.ecoi.net/local_link/281070/411292_de.html

·      MRG - Minority Rights Group International: State of the World's Minorities and Indigenous Peoples 2012, 27. Juni 2012 (verfügbar auf ecoi.net)

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1343132662_asia-and-oceania.pdf

·      USDOS - US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2013 - Turkmenistan, 27. Februar 2014 (verfügbar auf ecoi.net)

http://www.ecoi.net/local_link/270742/400851_de.html