Anfragebeantwortung zu Syrien: Aktuelle Sicherheitslage bezüglich KurdInnen in Nordostsyrien, insbesondere in der Stadt Tall Tamr; Informationen zu „Jabhat al-Nusra“ bzw. „al-Nusra Front“ [a-8507-1]

20. August 2013
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Die linksgerichtet deutsche politische Online-Zeitung Neue Rheinische Zeitung (NRhZ) erwähnt im Juli 2013 sowohl die der al-Qaida nahestehende Gruppe „Al-Nusra-Front“ als auch die Stadt Til Temir, die auch als Tall Tamr bezeichnet werde:
„Nach einem erneuten Angriff der Al-Qaida nahestehenden Al-Nusra-Front auf die westkurdische Stadt Serê Kaniyê (Ras al-Ain) am 16. Juli in Syrien, hielten die Gefechte mit den kurdischen Volksverteidigungseinheiten der YPG zwei Tage lang an. Der YPG zufolge haben bei den Kämpfen in der Stadt zwei Mitglieder der YPG und 15 Mitglieder der islamistischen Gruppierungen ihr Leben verloren. Zu den Auseinandersetzungen kam es, nachdem ein Fahrzeug der Fraueneinheiten der YPG von islamistischen Gruppierungen, darunter der salafistischen Al-Nusra-Front, am 16. Juli in Serê Kaniyê angegriffen wurde. Nach diesem Angriff startete die YPG in der Stadt eine breit angelegte Operation gegen die islamistischen Gruppen. In einer am Tag danach veröffentlichen Erklärung, heißt es, dass alle islamistischen Gruppen aus Serê Kaniyê vertrieben worden sind und man auch die Kontrolle über den Übergang zur türkischen Grenze übernommen habe. „Wir werten den erneuten Angriff auf Serê Kaniyê als die Fortsetzung einer Reihe von Angriffen auf die kurdischen Errungenschaften in Rojava (Westkurdistan)“, heißt es in der Erklärung. Die Kontrolle über den eingenommenen Grenzübergang wurde am 17. Juli den Volksräten von Serê Kaniyê übergeben. Die Situation in der Stadt hat sich daraufhin wieder weitgehend beruhigt. Wie bei den vorangegangenen Angriffen auf Städte in Westkurdistan wird auch hier die Türkei als Strippenzieherin hinter den aktuellen Angriffen vermutet. So wird in der Erklärung der YPG darauf aufmerksam gemacht, dass die islamistischen Kämpfer problemlos die türkisch-syrische Grenze passieren konnten und man nach deren Vertreibung und den darauf folgenden Durchsuchungen der Aufenthaltsorte der Islamisten drei türkische Ausweise gefunden habe. In einer weiteren Erklärung der YPG wird von einem Hinterhalt von bewaffneten Banden gegen eine Einheit der YPG in der Stadt Til Temir (Tall Tamr) am 17. Juli berichtet, bei dem drei YPG-Kämpfer und zwei Zivilisten ihr Leben verloren haben. Die YPG-Einheit befand sich auf dem Weg nach Serê Kaniyê. Nachdem eine weitere Einheit der YPG in den Ort eilte, entwickelten sich auch hier heftige Kämpfe, bei denen mehrere Bandenmitglieder getötet und verletzt wurden. Durch Querschläger infolge der Kämpfe in Serê Kaniyê wurden zwei Menschen in der türkischen Schwesterstadt Ceylanpınar getötet. Auf der offiziellen Internetpräsenz des türkischen Generalstabs heißt es dazu in einer am 17. Juli veröffentlichen Erklärung, dass neben dem Polizeipräsidium auch mehrere Wohnhäuser durch Schüsse aus Syrien getroffen wurden. Infolge dessen habe man darauf mit Artilleriefeuer auf Serê Kaniyê geantwortet. Auch in Çelaxa nahe der westkurdischen Stadt Girkê Legê (Al-Ma'bada) ist es am 17. Juli zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG und islamistischen Gruppen gekommen. In einer Erklärung der YPG heißt es dazu, dass bei diesen Kämpfen bisher sechs Mitglieder der YPG ums Leben gekommen sind.” (NRhZ, 24. Juli 2013)
Das iranische staatliche Nachrichtennetzwerk PressTV berichtet im August 2013, dass es im Bezirk Tal Abyad im Gouvernement Raqqa im kurdisch bevölkerten Norden Syriens zu Angriffen von regierungsfeindlichen Aufständischen gekommen sei. PressTV bezieht sich hier auf Angaben des arabisch-sprachigen Nachrichtennetzwerks al-Alam. 330 Frauen und ältere Männer sowie 120 Kinder seien getötet worden. Zwei Wochen zuvor sei es zu Angriffen auf zwei kurdische Ortschaften in Aleppo durch Kämpfer der Gruppe „al-Nusra“ gekommen. 200 ZivilistInnen seien als Geiseln genommen worden. Kämpfe zwischen kurdischen Milizen und Gruppen mit Verbindungen zur al-Qaida seien im Norden und Nordosten Syriens eskaliert, nachdem kurdische Kämpfer Milizen aus einigen Stellungen zurückgedrängt hätten:
„Arabic-language al-Alam News Network reported early this month that the foreign-backed militants fighting the Syrian government attacked Tal Abyad district of Raqqa governorate in Kurdish-populated northern Syria, killing 330 women and elderly men as well as 120 children. The massacre came a week after al-Nusra militants attacked two Kurdish villages in Aleppo and took around 200 civilians hostage. Fighting between Kurdish militia and al-Qaeda-linked groups has been escalating in north and northeastern Syria after Kurdish fighters, who are opposed to foreign interference in Syria, managed to push back militants from several positions in the area.“ (PressTV, 19. August 2013)
BBC berichtet in einem Artikel vom August 2013, dass es zu einem starken Anstieg von Zusammenstößen zwischen syrischen KurdInnen und regierungsfeindlichen militanten Islamisten gekommen sei. KurdInnen würden etwa 10 Prozent der syrischen Bevölkerung ausmachen und Großteils im Nordosten Syriens leben. Kurdische Milizen hätten kürzlich gegen Dschihadisten der Assad-feindlichen „al-Nusra Front“ gekämpft. Dutzende Personen seien dabei getötet worden. Der Präsident der Autonomen Region Kurdistan im Irak, Massoud Barzani, habe angegeben, dass, sollten KurdInnen von Tod und Terrorismus bedroht sein, die Autonome Region Kurdistan im Irak vorbereitet sei, sie zu verteidigen:
„While the reasons remain unclear, there has been a sharp rise in clashes between Syrian Kurds and anti-government Islamist militants. […] Kurds make up about 10% of the Syrian population and are largely concentrated in the north-east. They staged their own anti-Assad protests after the Syria conflict began in 2011 and their areas have been run by Kurdish local councils and militia since government forces withdrew last year. But the Kurdish militias have recently been fighting jihadists of the anti-Assad al-Nusra Front, leaving dozens dead. The president of Iraqi Kurdistan, Massoud Barzani, recently threatened to intervene to defend the Kurdish population caught up in Syria's unrest. He said if Kurds were ‘under threat of death and terrorism’ then Iraqi Kurdistan would be ‘prepared to defend them’.“ (BBC, 18. August 2013a)
In einem weiteren Artikel von BBC vom August 2013 werden ebenfalls Kämpfe zwischen kurdischen Gruppen und der „al-Nusra Front“, die über Verbindungen zur al-Qaida verfüge, erwähnt. Ende Juli 2013 sollen bei der Eskalation der Kämpfe hunderte kurdische ZivilistInnen von Dschihadisten getötet worden sein:
„A number of fierce battles between jihadists and armed Kurdish groups in Syria have added another layer to what is increasingly being described as a civil war within a civil war. The Kurds became the first anti-government group to have actively taken on the jihadists, inflicting high casualties on fighters of two al-Qaeda affiliated groups, the al-Nusra Front and the Islamic State of Iraq and the Levant. Friction with the jihadists worsened as the militants, who had led a violent campaign to set up Islamic mini-states in northern Syria, tried to extend their power from Raqqah province to oil-rich territories held by secular Kurdish groups. Rami Abdul Rahman, of the Syrian Observatory for Human Rights, the UK-based pro-opposition group, told the BBC the latest fighting was sparked by an attack on a group of Kurdish women fighters in July by the al-Nusra Front in northern Hassakeh province. Militants from the country's most powerful Kurdish party, the Democratic Union Party (known by its Kurdish acronym PYD), responded to the attacks by driving out al-Qaeda-affiliated and Salafist groups from the north-eastern town of Ras al-Ain, taking control of a border post with Turkey. As the fighting escalated at the end of July, jihadists also reportedly killed hundreds of Kurdish civilians. The US joined Russia in condemning the attacks on the civilians in the towns of Tal Aran and Tal Hasel, south-east of the city of Aleppo. Prominent Kurdish politician Isa Huso was also killed by the militants.” (BBC, 18. August 2013b)
Die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) schreibt am 18. August 2013, dass innerhalb der vergangenen fünf Tage 30.000 SyrerInnen in die kurdische Region des Irak geflohen seien. Viele der Flüchtenden seien syrische KurdInnen, die Zuflucht vor der eskalierenden Gewalt im Nordosten Syriens suchen würden. Die kurdischen Gebiete in Syrien seien in den vergangenen Monaten von Kämpfen zwischen kurdischen Milizen und Rebellengruppen mit Verbindungen zur al-Qaida betroffen gewesen. Auf beiden Seiten habe es Dutzende Tote gegeben:
„In a mass exodus, around 30,000 Syrians have fled their homeland's bloody civil war and crossed over into neighboring Iraq's northern self-ruled Kurdish region over the past five days, the U.N. refugee agency said Monday. The massive influx of people, many of whom are Syrian Kurds seeking refuge from escalating violence in northeastern Syria, has put severe strain on the resources of aid agencies as well as Iraqi Kurdistan's regional government. […] Kurds are Syria's largest ethnic minority, making up more than 10 percent of the country's 23 million people. They are centered in the poor northeastern regions of Hassakeh and Qamishli, wedged between the borders of Turkey and Iraq. There are also several predominantly Kurdish neighborhoods in the capital, Damascus, and Syria's largest city, Aleppo. Those Kurdish areas have been engulfed by fighting in recent months between Kurdish militias and Islamic extremist rebel factions with links to al-Qaida. Dozens have been killed on both sides. The fighting in the oil-rich region has emerged as yet another layer in Syria's increasingly complex and bloody civil war.” (AP, 18. August 2013)
Die New York Times (NYT) erwähnt in einem Artikel vom August 2013 eine extremistische Gruppe mit Verbindungen zur al-Qaida, die „Al Nusra Front”. Mitte Juli 2013 sei es in Ras al-Ain in der Provinz Hasaka zu Kämpfen zwischen der Democratic Union Party (PYD) und den Gruppen „Al Nusra Front“ und „Islamist State in Iraq and Syria“ gekommen. Kurdische KämpferInnen hätten mithilfe arabischer Stämme schnell die Kontrolle in der ethnisch gemischten Stadt übernommen. Seither sei es immer wieder zu Zusammenstößen, der Errichtung von Kontrollpunkten und zu Entführungen in der ethnisch gemischten Region gekommen. Nachdem es kurdischen KämpferInnen nicht gelungen sei, die Stadt Tal Abyad einzunehmen, hätten extremistische KämpferInnen laut Angaben von AktivistInnen ein kurdisches Verwaltungsgebäude und Häuser von KurdInnen, von denen angenommen worden sei, dass sie kurdische KämpferInnen unterstützen, gesprengt:
„The recent spike in violence has pitted P.Y.D. militias against rebels and fighters from two extremist groups with links to Al Qaeda: Al Nusra Front and the Islamist State in Iraq and Syria. In mid-July, clashes broke out between the two sides in Ras al-Ain in Hasaka Province, and Kurdish fighters quickly seized control of the ethnically mixed town with help from the local Arab tribes that distrust the extremist groups. ‘We are Sunni Muslims, but this is not Afghanistan,’ said an Arab resident, Hajj Omar, 50. ‘I am a Sunni Muslim, I pray five times a day, my sons pray, my wife is covered and we observe all the Islamic rituals, but we cannot live under these radical Islamic groups.’ Since then, clashes have spread throughout the ethnically mixed region along the border, with each side erecting checkpoints to control roads and kidnapping civilians to put pressure on its foes. After Kurdish fighters failed to seize the mixed town of Tal Abyad farther west along the border, extremist fighters blew up a Kurdish administrative building and the homes of Kurds believed to be supporting the fighters, activists said. ‘They don’t want to finish the Assad regime like we do,’ said a rebel fighter who goes by Abu Abdul-Rahman, 30. ‘They want to establish their own independent state.’ The largest Kurdish stronghold is the eastern city of Qamishli, near the border with Iraq, an ethnically mixed city with a large Kurdish population. The government withdrew its forces from the city center last year, leaving only a contingent at the airport and allowing the P.Y.D. to take over. At a checkpoint near the city’s southern edge, Mr. Mahmud, the P.Y.D. fighter, denied that his group received support from the Syrian government, recalling its decades of neglect of Kurds. ‘A new government will be established to fill the gap until the end of the Syrian crisis,’ he said, near a poster of the jailed P.K.K. leader Abdullah Ocalan. He said that no matter who ended up governing Syria after the war, the Kurds would protect their gains. ‘Surely, the clock will not be turned back,’ he said.” (NYT, 1. August 2013)
Ein auf der Website DieKurden.de veröffentlichter Artikel vom Mai 2013 erwähnt Ereignisse, die in der Stadt Til Temir stattgefunden haben sollen. DieKurden.de beschreibt sich selbst als unabhängig und übersetze KurdInnen betreffende Artikel in deutsche Sprache:
„Seit einiger Zeit haben sich bewaffnete Gruppen in der Stadt Til Temir niedergelassen und rauben und schikanieren die Zivilbevölkerung. Auf Wunsch der Zivilbevölkerung hatte die YPG ihren militärischen Stützpunkt aufgebaut. In den frühen Mittagsstunden am Dienstag hatten die Banden den Stützpunkt angegriffen und es kam zu schweren Gefechten. Nach dem die bewaffneten Banden bei den Vergeltungsangriffen der YPG schwere Verluste erlitten hatten, waren sie zum Rückzug gezwungen und die YPG übernahm die Kontrolle über En Elebid. In den Abendstunden griffen die Bandenkämpfer erneut den Stützpunkt der YPG an und dabei kam es zu heftigen Auseinandersetzungen. Nach Angaben der YPG wurden bei den Vergeltungsangriffen zehn Bandenkämpfer getötet. Auch soll ein Kämpfer der YPG ums Leben gekommen sein. Die Kämpfe dauern an.“ (DieKurden.de, 1. Mai 2013)
Ein weiterer auf DieKurden.de veröffentlichter Artikel vom Mai 2013 erwähnt ebenfalls die Stadt Til Temir:
„Auch in Kobane und Til Temir kommt es immer wieder zu Angriffen verschiedener bewaffneter Gruppen auf das kurdische Volk, Entführungen und Plünderungen sind Alltag.“ (DieKurden.de, 26. Mai 2013)
Folgende Dokumente enthalten weitere detaillierte Informationen zur „Jabhat al-Nusra“ bzw. „al-Nusra Front“:
 
 
 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 20. August 2013)