Anfragebeantwortung zu Pakistan: Sicherheitslage in der Provinz Punjab und insbesondere im Distrikt Gujrat [a-8400]

8. Mai 2013
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Das Pak Institute for Peace Studies (PIPS), ein in Islamabad ansässiger unabhängiger Think Tank im Bereich nationale und internationale Sicherheit, schreibt in seinem Jahresbericht zur Sicherheitslage in Pakistan im Jahr 2012, dass die größte Anzahl terroristischer Angriffe (474) im Berichtszeitraum in der Provinz Belutschistan gemeldet worden sei. An zweiter und dritter Stelle lägen die Provinz Khyber Pakhtunkhwa (456) und die Stammesgebiete unter Bundesverwaltung („Federally Administered Tribal Areas“, FATA) (388). Zudem seien 187 terroristische Angriffe in der Provinz Sindh, 26 in Gilgit-Baltistan, 17 in der Provinz Punjab und einer im Hauptstadtterritorium Islamabad gemeldet worden:
„The highest number of terrorist attacks (474) for any one region in 2012 was reported from Balochistan, which has been a flashpoint of a nationalist insurgency and sectarian violence for several years. The Taliban-infested and militancy-hit Khyber Pakhtunkhwa (KP) and Federally Administered Tribal Areas (FATA) were the second and third most volatile regions of the country in 2012 where 456 and 388 terrorist attacks were reported, respectively. Meanwhile, 187 terrorist attacks were reported in Karachi and 28 in other parts of Sindh, 26 in Gilgit Baltistan, 17 in Punjab, and one in the federal capital Islamabad.“ (PIPS, Jänner 2013, S. 7)
Der Bericht enthält außerdem eine Tabelle, die neben der Anzahl der terroristischen Angriffe (nach Provinzen/Gebieten aufgeschlüsselt) auch die Anzahl der bei diesen Angriffen getöteten und verletzten Personen anführt. Laut dieser Tabelle seien bei den 17 terroristischen Angriffen, die in der Provinz Punjab im Jahr 2012 verübt worden seien, 75 Personen getötet und 184 Personen verletzt worden. (PIPS, Jänner 2013, S. 7)
Dem vorhergehenden Jahresbericht des PIPS zufolge seien im Jahr 2011 bei 30 terroristischen Angriffen in der Provinz Punjab 116 Personen getötet und 378 weitere verletzt worden (PIPS, Jänner 2012, S. 5).
 
In seinem undatierten Pakistan Assessment 2013 (vermutlich im März 2013 veröffentlicht) berichtet das vom in Neu Delhi ansässigen Institut für Konfliktforschung betriebene South Asia Terrorism Portal (SATP), dass im Jahr 2012 landesweit mindestens 6.211 Personen durch terroristische Aktivitäten getötet worden seien. Angesichts der schwierigen Informationslage könne die tatsächliche Anzahl allerdings auch wesentlich größer sein. Wie im Jahr 2011 seien die meisten der Personen in den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung getötet worden. Die zweit- und drittmeisten Todesopfer habe es im Jahr 2012 in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa gegeben. Bei Punjab handle es sich weiterhin um die am wenigsten betroffene Provinz:
„Through 2012, Pakistan continued to face the brunt of the Islamist extremism and terrorism that it has long produced and exported. According to partial data compiled by the South Asia Terrorism Portal (SATP), the country recorded a total of at least 6,211 terrorism-related fatalities, including 3,007 civilians, 2,472 militants and 732 Security Forces (SF) personnel in 2012 as against 6,303 fatalities, including 2,738 civilians, 2,800 militants and 765 SF personnel in 2011. [Since media access is heavily restricted in the most disturbed areas of Pakistan, and there is only fitful release of information by Government agencies and media reportage, the actual figures could be much higher]. The first 69 days of 2013, have already witnessed 1,537 fatalities, including 882 civilians, 116 SF personnel and 539 militants. […] As in 2011, the Federally Administered Tribal Areas (FATA) remained the worst affected region, in terms of fatalities, followed by Sindh. However, Balochistan, which was ‘ranked’ fourth and KP, which was at the third position in 2011, reversed their respective positions in 2012. The Punjab Province remained at its earlier position, the fifth and least afflicted region of the country.” (SATP, ohne Datum (a))
In seinem ebenfalls undatierten Punjab Assessment – 2013 (vermutlich Anfang 2013 veröffentlicht) erwähnt das SATP, dass im Jahr 2012 insgesamt 104 Personen, darunter 59 ZivilistInnen, 29 Angehörige der Sicherheitskräfte und 16 Aufständische, bei 19 verschiedenen terroristischen Vorfällen mit Todesopfern in der Provinz Punjab getötet worden seien. Im Jahr 2011 seien bei 20 solcher Vorfälle 137 Personen getötet worden.
Unvollständigen, vom SATP gesammelten Daten zufolge habe sich in Punjab im Jahr 2012 nur ein Selbstmordanschlag ereignet. Dabei seien 11 Personen getötet worden. Im Jahr 2011 habe es drei Selbstmordanschläge mit insgesamt 63 Todesopfern gegeben. Weiters seien 2012 mindestens 10 Bombenanschläge verübt und dabei 51 Personen getötet und 129 weitere verletzt worden. Im Vorjahr habe die Zahl der verübten Bombenanschläge bei 94 gelegen, die der dabei getöteten Personen bei 281. Wie das SATP außerdem berichtet, sei die Zahl der 2012 in Punjab verübten, konfessionell motivierten Angriffe im Vergleich zu 2011 etwa gleich geblieben, allerdings seien bei diesen Angriffen wesentlich weniger Personen getötet worden als noch im Vorjahr.
Laut dem SATP gebe die verminderte Anzahl der bei terroristischen Angriffen getöteten Personen und der gewaltsamen Vorfälle in Punjab nur in begrenztem Maße Grund zur Zufriedenheit. Die Infrastruktur der terroristischen Gruppen dehne sich weiter aus, außerdem würden diese Gruppen regelmäßig ihre Fähigkeit unter Beweis stellen, einige der empfindlichsten und gut verteidigten Sicherheitsanlagen in der Provinz Punjab anzugreifen. Staatliche Maßnahmen gegen Extremismus und Terrorismus seien weiterhin ambivalent und wirkungslos. Angesichts der wenigen Beweise für „dramatische“ Verbesserungen der staatlichen Handlungsfähigkeit oder für eine Veränderung der Zielsetzungen des Staates blieben die „Verbesserungen“ der Situation unsicher und die Fortschritte brüchig:
„According to South Asia Terrorism Portal (SATP) data, a total of 104 persons, including 59 civilians, 29 Security Force (SF) personnel and 16 militants were killed, in 19 separate incidents of killing in 2012, as compared to 137 persons killed in 2011 in 20 incidents of terrorism-linked killing. While civilian fatalities decreased by 46 percent as compared to 2011, SF and terrorist fatalities increased by 54 and 50 per cent, respectively. The Province registered a 24 per cent decline in overall fatalities in 2012. Partial data compiled by SATP recorded just a single suicide attacks in Punjab, which claimed 11 lives, in 2012. There were three suicide attacks in 2011, resulting in 63 fatalities. There were at least 10 bomb blasts in the Province in 2012, which claimed 51 lives and left 129 injured. In 2011, the number of bomb blasts stood at 94, with 281 fatalities. Though the number of sectarian attacks remained roughly the same through 2011 and 2012, fatalities in these incidents decreased considerably. While 2011 claimed 64 lives and left 183 injured in three incidents, 2012 saw 43 killed and 64 injured in four sectarian attacks. The two most important cities of the Province, Islamabad and Lahore, saw fewer incidents of violence as compared to previous years. […] The decline in terrorist fatalities and incidents of violence in Pakistan’s Punjab Province gives limited cause for satisfaction. The infrastructure of terrorism not only survives, but continues to thrive, and has periodically demonstrated its capacities to attack some of the most sensitive and well defended of security installations in the Province. State action against extremism and terrorism remains ambivalent and ineffectual, even as undercurrents of collusion remain. With little evidence of dramatic improvements in state capacities, or of transformation in the state’s intent, the limited ‘improvements’ in the situation, consequently, remain uncertain, and the gains, fragile.” (SATP, ohne Datum (b))
Ein Themenpapier des australischen Refugee Review Tribunal (RRT) vom Jänner 2013 bietet auf den Seiten 23 bis 24 eine unvollständige Liste der Aktivitäten der Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) in der Provinz Punjab im Jahr 2012 (RRT, Jänner 2013, S. 23-24).
 
In einem Bericht von Juni 2011 stellt das Center for Strategic & International Studies (CSIS), ein in Washington, D.C. ansässiger, unabhängiger Think Tank mit dem Fokus auf die Außenpolitik der USA, fest, dass der Punjab von der Gewalt in der Peripherie traditionell relativ isoliert gewesen sei. Allerdings komme es in den letzten Jahren, und insbesondere seit dem Sturm der Lal-Masjid-Moschee in Islamabad im Jahr 2007, regelmäßig zu terroristischer Gewalt in den großen städtischen Zentren der Provinz. Der Punjab sei außerdem die Schaltzentrale („nerve center“) einer Reihe von militanten Gruppierungen, darunter der Jaish-e-Mohammad (JeM), der Sipah-e-Sahaba Pakistan (SSP), der Lashkar-e-Taiba (LeT), der Harkat-ul-Jihad-al-Islami (HuJI) sowie der Lashkar-e-Jhangvi (LeJ). Ein großer Teil des Einflusses und der Infrastruktur dieser Gruppierungen sei im Süden des Punjab konzentriert. Dort sei die staatliche Handlungsfähigkeit und Legitimität schwach, weshalb die Aufständischen eine große Handlungsfreiheit hätten und beispielsweise verschiedene radikale Madrasas zu Rekrutierungs- und Ausbildungszwecken offen betreiben würden:
„The Punjab has traditionally been relatively insulated from the violence in the periphery, but in recent years, particularly since the 2007 storming of Islamabad’s Lal Masjid [mosque], regular terrorist violence has plagued the province’s major urban centers. The Punjab is also the nerve center for a number of militant groups including the Jaish-e-Mohammad (JeM), the Sipah-e-Sahaba Pakistan (SSP), the Lashkar-e-Taiba (LeT), the Harkat-ul-Jihad-al-Islami (HuJI) and the Lashkar-e-Jhangvi (LeJ). […] Much of their influence and infrastructure is concentrated in the impoverished and underdeveloped areas of south Punjab that have seen little state investment or attention. Human welfare metrics diverge sharply from the rest of the Punjab, and state capacity and legitimacy are weak. This has given militants considerable freedom of action, including the open operation of various radical madrassas for recruitment and training.” (CSIS, 7. Juni 2011, S. 108)
Derselbe Bericht bietet auf Seite 117 eine unvollständige Liste von terroristischen Angriffen in Punjab vom 21. August 2008 bis 3. April 2011 (CSIS, 7. Juni 2011, S. 117).
 
In einem Artikel von März 2013 schreibt die Online-Version der deutschen Wochenzeitung Die Zeit, Zeit Online, Folgendes zu sicherheitsrelevanten Entwicklungen in der Provinz Punjab:
„Schließlich geraten auch die Städte und Dörfer des Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz im Herzen Pakistans, verstärkt unter den Einfluss der Dschihadisten, die über potente Geldgeber und eine hocheffiziente Infrastruktur verfügen. Die Rekruten des Dschihad kämpfen in Afghanistan und in Kaschmir. Sie bekämpfen aber auch den Staat in Pakistan selbst.” (Zeit Online, 6. März 2013)
Dawn, eine englischsprachige Tageszeitung in Pakistan, erwähnt in einem Artikel von Juli 2012, dass es offensichtlich sei, dass der Punjab weiterhin durch gewaltsamen Extremismus und staatsfeindliche Aktivitäten gefährdet sei. Diese würden durch Verbindungen ermöglicht, die von FATA bis in den Punjab reichen würden:
“[…] it is plain that Punjab is still vulnerable to violent extremism and anti-state activity that is made possible by links that stretch from Fata to the province.” (Dawn, 11. Juli 2012)
Im Folgenden finden sich Ausschnitte aus Medienartikeln, die Informationen über (mutmaßliche) terroristische Angriffe im Distrikt Gujrat seit Mai 2011 enthalten:
 
Die deutsche Tageszeitung Frankfurter Rundschau (FR) berichtet am 14. Mai 2011:
„Bei einer Explosion in einem Bus in Pakistan sind mindestens sechs Menschen getötet und zehn weitere verletzt worden. Nach Polizeiangaben könnte es sich um einen Selbstmordattentäter gehandelt haben, dessen Sprengsatz vorzeitig explodierte. In dem Bus befanden sich nach Angaben der Polizei mehr als 50 Fahrgäste. Der Anschlag ereignete sich in der Nähe der Stadt Kharian [im Distrikt Gujrat gelegen, Anm. ACCORD] der ostpakistanischen Provinz Punjab.“ (FR, 14. Mai 2011)
Über denselben Vorfall berichten mehrere weitere Medienquellen, so z.B. die pakistanische Tageszeitung Express Tribune (Express Tribune, 15. Mai 2011) oder die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) (AP, 14. Mai 2011).
 
Die pakistanischen Nachrichtenwebsite News Tribe führt an, dass sich laut Polizeiangaben vom 3. Jänner 2012 zwei Selbstmordattentäter auf einem Motorrad im Dorf Garrali (Distrikt Gujrat) in die Luft gesprengt hätten. Der Angriff habe MitarbeiterInnen des Rettungsdienstes „Rescue 1122“ gegolten, diese seien jedoch unversehrt geblieben:
„Two suicide bombers, riding on a motorcycle, blew themselves up here on GT [Grand Trunk] road in Gujrat city of Pakistan’s Punjab province, police said on Tuesday. The police said that the bombers had come to Gujrat’s Garrali village where they blew themselves up. ‘The bombers tried to target a Rescue-1122 officials,’ the police said and added that the rescue workers were remained safe.” (News Tribe, 3. Jänner 2012)
Xinhua News Agency, die staatliche chinesische Nachrichtenagentur, berichtet, dass laut dem örtlichen TV-Sender Express am 13. März 2012 mindestens vier Polizisten von unbekannten Bewaffneten im Distrikt Gujrat getötet worden seien. Niemand habe sich zu dem Angriff bekannt. Allerdings habe es sich Polizeiangaben zufolge offenbar um einen terroristischen Angriff gehandelt:
„At least four policemen were killed by unknown gunmen Tuesday night in Pakistan's eastern district of Gujrat, reported local media Express. Local Urdu TV channel Express quoted police sources as saying that the attack took place near a railway intersection when unknown gunmen coming on two motorbikes started firing at the police on duty in the area of the district, which is about 120 kilometers north of Lahore, the largest city in eastern Pakistan. […] No group has claimed the responsibility for the attack. Local media quoted police officials as saying that it was apparently a terrorist attack.” (Xinhua News Agency, 13. März 2012)
News International, eine englischsprachige Tageszeitung in Pakistan, schreibt in einem Artikel vom 10. Juli 2012, dass Angreifer nahe der Stadt Gujrat sieben Sicherheitsbeamte in einem Lager am Ufer des Flusses Chenab erschossen hätten. Dem Artikel zufolge habe sich die verbotene Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) zu dem Angriff bekannt:
„Seven security personnel, including a police official, were killed and five others were injured when unknown assailants opened fire on a riverside encampment near Gujrat on Monday morning. According to a spokesman of ISPR [Inter-Services Public Relations], a small rescue party had reportedly camped on the bank of the river Chenab to search for the body of a drowned/missing pilot of the May 23 helicopter crash. Early Monday morning, a few unknown assailants opened fire on the rescue party, which resulted in the death of six personnel of the security forces. The injured persons were evacuated to the nearest military hospital in Gujranwala. […]
Bureau report: The outlawed Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) claimed responsibility for the killing of seven soldiers in Gujrat.” (News International, 10. Juli 2012)
Derselbe Vorfall wird unter anderem auch von der Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) (AFP, 9. Juli 2012) sowie der pakistanischen Tageszeitung Dawn (Dawn, 10. Juli 2012) abgedeckt.
 
In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Quellen konnten im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche keine weiteren aktuellen Informationen zu terroristischen Angriffen im Distrikt Gujrat gefunden werden.
 
 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 8. Mai 2013)