a-7517 (ACC-RWA-7517)

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Medizinische Versorgung
In einem Beitrag des Fernsehsenders ARTE vom Februar 2011 finden sich Informationen über die jüngsten Entwicklungen im Gesundheitssystem in Ruanda:
„Die meisten konnten sich eine ärztliche Behandlung nicht leisten. Heute haben fast alle Ruander eine Krankenversicherung. 1,50 Euro im Jahr kostet die medizinische Grundversorgung. Die Menschen kommen mittlerweile wegen jeder Kleinigkeit und das ist gut, erzählt Dr. Solange im Kibagabaga Krankenhaus in Kigali. Chronische Krankheiten sind viel seltener geworden. Malaria, Tuberkulose, Diarrhö werden behandelt, AIDS-Kranke therapiert. Seit 1995, ein Jahr nach dem Völkermord, hat sich die Lebenserwartung fast verdoppelt. Heute werden die Ruander 52 Jahre alt. 90% sind heute versichert. Diese Zahl ist für den Gesundheitsministers [sic] Richard Sezibera sein größter Erfolg. Allein kann Ruanda die Kosten nicht schultern. Finanziert wird das Gesundheitssystem gemeinsam mit zahlreichen internationale Partnern, dem Global Fund und Hilfsorganisationen.“ (ARTE, 5. Februar 2011)
Das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) schreibt in einer undatierten, vermutlich im Jahr 2009 veröffentlichten Länderinformation über die Entwicklung des Gesundheitssystems in Ruanda bis zum Jahr 2009:
“Die ruandische Regierung hat eine nationale Gesundheitsstrategie entwickelt, den Kampf gegen HIV/AIDS verstärkt und eine aktive Familienplanungspolitik eingeführt. Der neue strategische Plan für den Gesundheitssektor (2009-2012) ist ein wichtiger Schritt für die Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele im Gesundheitsbereich. Durch eine Anti-Malaria-Kampagne konnten die durch Malaria bedingten Todesfälle um 66 Prozent reduziert werden. Die Kindersterblichkeit ging um ein Drittel zurück.
Bedenklich ist jedoch der Mangel an Ärzten: Auf 100.000 Menschen kommen in Ruanda nur fünf Ärzte – zum Vergleich: in Deutschland sind es 337. Die Verfügbarkeit von Gesundheitspersonal ist entscheidend für die Bekämpfung der Armut. Deutschland unterstützt deshalb den Aufbau von dezentralen Gesundheitsstrukturen auf dem Land sowie die praxisbezogene Aus- und Fortbildung des medizinischen Personals.
Die Einführung einer Krankenversicherung hat den Zugang breiter Bevölkerungsschichten zur Gesundheitsversorgung deutlich verbessert. 85 Prozent der Menschen in Ruanda waren 2008 krankenversichert. Sie müssen jährlich nur 1,30 Euro zahlen – dadurch entsteht eine riesige Finanzierungslücke. Deutschland unterstützt Ruanda künftig beim Management und bei der nachhaltigeren Gestaltung des Systems.“ (BMZ, ohne Datum)
Die schweizerische Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit schreibt in einer undatierten, vermutlich im Jahr 2009 veröffentlichten Länderinformation zu Ruanda:
„Gesundheit: Trotz der in den letzten Jahren erzielten Fortschritte liegt Ruanda bei den Gesundheits­indikatoren (Müttersterblichkeit, Lebenserwartung, reproduktive Gesundheit usw.) immer noch unter dem afrikanischen Durchschnitt.“ (DEZA, ohne Datum)
In einem Bericht des Ministeriums für Gesundheit der Republik Ruanda (MoH) aus dem Jahr 2009 werden die Finanzierung des Gesundheitssystems und der Zugang zur Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung als zu lösende Herausforderungen beschrieben. Im Weiteren wird darauf verwiesen, dass die Ausgaben der Regierung für Gesundheit von 2002 bis 2007 stark gestiegen seien:
„One of the major problems confronting the health care system in Rwanda is solving two financial challenges within a context of poverty: improving financial access and equal access to the health care system plus mobilization of internal resources to increase financial viability of the health care services. […] Government budget allocations for health care have increased substantially—by 304 percent between 2002 and 2007.“ (MoH, April 2009, S. 4-5)
In einem Artikel der New Times, veröffentlicht auf All Africa, berichtet eine hochrangige Mitarbeiterin des Ministeriums für Gesundheit der Republik Ruanda, dass 60.000 GemeinschaftsmitarbeiterInnen für die Gesundheitsversorgung („community health works“) im ländlichen Raum im Einsatz seien. Diese seien in ihren Dörfern gewählt worden und würden vom Ministerium für Gesundheit medizinische Grundkenntnisse vermittelt bekommen, um Krankheiten wie Malaria und Fieber zu behandeln, sowie bei HIV-/Aidserkrankung beraten zu können. Die Ministeriumsmitarbeiterin wies darauf hin, dass mehr als 80 Prozent der Bevölkerung im ländlichen Raum leben würden und von diesen die Meisten einen Fußweg von mehr als drei Stunden bis zum nächsten Gesundheitsversorgungszentrum in Kauf nehmen müssten. Daher sei der Ausbau des „Community Service“ ein Schwerpunkt in der Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung:
„’So far, Rwanda has 60,000 community health works in Rwanda who were elected at the village level and are answerable to the community, but the Ministry of Health has equipped them with skills to give some services like treating fever, malaria, HIV/Aids counselling and following up pregnant mothers,’ said Binagwaho. […] She however said that ‘More than 80% of our population live in rural areas and the majority walk for over three hours to the nearest health facility, so one of the ways to break the geographical access to health care is to reinforce the community services.’“ (The New Times, 26. Januar 2011)
Psychotherapeutische und Psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten
In einem Radiobeitrag des französischen Senders Radio France Internationale (RFI) wird über den Zustand der Gesundheitsversorgung für PatientInnen mit psychischen Erkrankungen gesprochen. So gebe es in Ruanda noch immer nur 5 Psychiater für eine Bevölkerung von 8 Millionen Menschen und nur eine psychiatrische Klinik mit 200 Betten. Dabei sei der Bedarf nach einer Behandlung relativ groß, da 28,5 Prozent der über 16-Jahre alten Bevölkerung von psychischen Erkrankungen betroffen seien. In dem Radiobeitrag wird erwähnt, dass es Maßnahmen gebe, die Behandlung finanziell zugänglich zu machen. Der Mangel an ausgebildetem Personal sei jedoch nach wie vor ein großes Problem. Im Land selber gebe es keine Ausbildungs- bzw. Spezialisierungsmöglichkeit zum Psychiater. Krankenpfleger/ -schwestern würden für die Behandlung von psychisch Kranken im Kigali Health Institut weitergebildet und seien dann de facto am Land als PsychiaterInnen tätig.
 
Der Radiobeitrag kann über folgenden Link gehört werden:
http://www.rfi.fr/emission/20110127-1-sante-mentale-rwanda
 „Au Rwanda, il y a seulement 5 psychiatres pour 8 millions d’habitants et un seul hôpital psychiatrique.“ (RFI, 27. Januar 2011)
Die Nichtregierungsorganisation Global Grassroots veröffentlichte im Juli 2009 einen längeren Artikel über die Behandlung von Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) in Ruanda. In diesem Artikel wird angemerkt, dass Programme, die die Bedürfnisse von TraumapatientInnen berücksichtigen, weitgehend fehlen würden. Während des Krieges hätten die Psychiater das Land verlassen und es fehle daher noch immer an ausgebildetem Fachpersonal. Nach Beendigung des gewaltsamen Konflikts hätten NGOs begonnen, im Bereich der Traumatherapie Hilfe zu leisten, die von Seiten der Regierung nicht angeboten werden konnte. NGOs hätten damit begonnen, lokale Angestellte in die Arbeit mit TraumapatientInnen einzuweisen („gave a minimum of training“). Diese Programme böten jedoch nicht die Kapazität einer Langzeitlösung für die fehlenden Traumatherapien. Zudem seien die vorhandenen Programme den in Städten lebenden Menschen sehr viel leichter zugänglich als der Landbevölkerung. Fünfzehn Jahre nach Ausbruch der Gewalt würden sich viele Organisationen auf andere Probleme, wie zum Beispiel HIV, konzentrieren. Die Lücke zwischen Bedarf und Angebot einer Traumatherapie/-heilung bestehe daher nach wie vor:
„Programs that continue to address the trauma of genocide and the holistic development and healing of individuals are largely absent. […] All of Rwanda’s psychiatrists left during the war (Palmer, 2002). And according to Sally Satel of the American Enterprise Institute for Public Policy Research, even in 2005 there was only one psychiatrist in all of Rwanda (Satel, 2005). By the summer of 2008, three psychiatrists practiced in the country. […] In the aftermath of the genocide, NGOs’ activities in trauma healing helped address a dire need that could not be met by the Rwandan government’s capacity. In efforts to provide safe spaces for victims of the genocide, large NGOs gave a minimum of training in trauma counselling to local workers. The purpose of this method was to efficiently create workers able to give counselling at a very basic level. […] Unfortunately, these programs have not provided an effective long term solution to the widespread trauma created by the genocide. According to USAID’s Center for Development Information and Evaluation, ‘even these useful programs […] fall short of meeting the huge need. Moreover, urban women are generally more likely than rural women to find access to assistance’ (Newbury & Baldwin, 2000). Fifteen years later, many organizations are now switching their limited resources and focus from genocide trauma healing to other issues deemed more current like HIV treatment and care. However, the gap between the need and delivery of trauma care in Rwanda still exists to a large extent.“ (Global Grassroots, Juli 2009, S.1-5) 
In einem Strategiepapier aus dem Jahr 2009, herausgegeben vom Ministerium für Gesundheit der Republik Ruanda (MoH) in Zusammenarbeit mit dem Regional Office der World Health Organisation (WHO), finden sich unter anderem Informationen über den Aufbau einer Infrastruktur für die Behandlung psychischer Krankheiten. So solle es laut diesem Strategiepapier bis 2013 sechs „mental health operational units“ in sechs „district“-Krankenhäusern geben. In 30 district-Krankenhäusern solle es geschultes medizinisches Pflegepersonal geben, das Allgemeinärzte bei der Behandlung psychisch Kranker unterstützen könnte. Weiter sollte ein Ausbildungsprogramm entwickelt werden, in dem Gesundheitspersonal für die Arbeit mit psychisch Kranken geschult werden würde, sowie ein Austauschprogramm mit dem Ausland, durch welches Ärzte sich im Bereich Psychiatrie und Neurologie spezialisieren könnten. Weiterentwickelt werden solle außerdem die Versorgung mit Medikamenten sowie das „community management“ beim Auftreten psychischer Erkrankungen:
„- Decentralization of mental health care: establishment of six mental health operational units in 6 district hospitals and integration of mental health care into the package of care of district hospitals. Hence, 30 district hospitals have a mental health activity ensured mainly by specialized mental health nurses, supported by general practitioners;
- Establishment of regular on-going in-service training programme for health staff in the area of mental health, over seas training for specialization in psychiatry and neurology;
- Establishment of regular supervision programme at the central level and in district hospitals;
- Supply and distribution of psychotropic drugs;
- Community management of mental health problems.” (WHO, 2009, S. 17-18)
 
In einer ACCORD Anfragebeantwortung vom März 2010 (a-7167-2), die im Anhang enthalten ist, finden sich jedoch Informationen zur Behandlung von PTBS und anderen psychiatrischen Erkrankungen aus den Jahren 2009 bis 2010.
 
Quellen:(Zugriff auf alle Quellen am 16. Februar 2011)
·       ARTE: Ruanda: Eine Krankenversicherung für alle, 5. Februar 2011
http://www.arte.tv/de/Die-Welt-verstehen/arte-reportage/3688564.html
·       BMZ – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Situation und Zusammenarbeit, ohne Datum
http://www.bmz.de/de/was_wir_machen/laender_regionen/subsahara/ruanda/zusammenarbeit.html#t8
·       DEZA – Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit: Grosse Seen (Ruanda, Burundi, Demokratischen Republik Kongo) - Entwicklungszusammenarbeit: Schwerpunkte, ohne Datum
http://www.deza.admin.ch/de/Home/Laender/Ost_und_Zentralafrika/Grosse_Seen_Ruanda_Burundi_Demokratische_Republik_Kongo
·       Global Grassroots: Treatment of Post‐Traumatic Stress Disorder in Post‐Genocide Rwanda, Juli 2009
http://www.globalgrassroots.org/pdf/PTSD-Rwanda.pdf
·       MoH - Ministerium für Gesundheit der Republik Ruanda: Rwanda - Interim Demographic and Health Survey 2007- 2008, April 2009
http://rochr.qrc.com/bitstream/123456789/339/1/FR215.pdf
·       MoH - Ministerium für Gesundheit der Republik Ruanda/ WHO - World Health Organisation: Who Country Cooperation Strategy Rwanda 2009 – 2013, 2009
http://www.afro.who.int/index.php?option=com_docman&task=doc_download&gid=5565
·       RFI – Radio France Internationale: La santé mentale au Rwanda, 27. Januar 2011
http://www.rfi.fr/emission/20110127-1-sante-mentale-rwanda
·       The New Times: Decentralisation is vital – MoH, 26. Januar 2011, (veröffentlicht auf All Africa)
http://allafrica.com/stories/201101260167.html