Anfragebeantwortung zur Mongolei: Rückkehrsituation für eine alleinstehende Frau, die ein Kind hat und über keine sozialen Anknüpfungspunkte verfügt [a 8109-1]

6. August 2012
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Caritas International stellt in folgendem Länderbericht vom September 2010 detaillierte Informationen für potentielle RückkehrerInnen in die Mongolei und deren RechtsberaterInnen zur Verfügung. Darin befinden sich auch Informationen zur sozialen Sicherheit und Reintegration (S. 67-121) sowie zur Situation zurückkehrender Frauen (S. 121-125):
 
·      Caritas International: Country Sheet Mongolia, September 2010
http://www.reintegrationcaritas.be/fileadmin/user_upload/Fichiers/CS/Mongolia/COUNTRY_SHEET_MONGOLIA_ENGLISH_VERSIONx.pdf
 
In einem Beitrag für das Politik-Forum East Asia Forum (EAF) vom Juni 2012 geht Morris Rossabi, Professor für Geschichte an der City University of New York (CUNY) sowie Lehrbeauftragter für innerasiatische Geschichte an der Columbia University, auf die „Schock-Therapie“ ein, den Prozess, durch den der Kommunismus seit 1990 durch die Marktwirtschaft abgelöst worden sei und im Zuge dessen die Regierung rasche Maßnahmen zur Privatisierung und Liberalisierung umgesetzt habe. Bei den Hauptnutznießern der Privatisierungen habe es sich nur um wenige MongolInnen gehandelt, während die Mehrheit der Bevölkerung nahezu nichts hinzugewonnen habe. In der Folge sei die mongolische Gesellschaft mit einer zunehmend ungleichen Einkommensverteilung konfrontiert gewesen. Die Auswirkungen einer solchen „Schock-Therapie“ seien bis heute spürbar. So sei der Anteil der von Arbeitslosigkeit betroffenen städtischen Bevölkerung auf mindestens 20 Prozent gestiegen, außerdem hätten Obdachlosigkeit, Alkoholismus, Verbrechen und häusliche Gewalt stark zugenommen. Der „schwache Staat“ (engl.: „limited government“), wie er von Anhängern der Marktwirtschaft befürwortet werde, sei nicht in der Lage, diese Probleme zu bewältigen. Das ausgedünnte soziale Netz biete vielen MongolInnen keinen Schutz. Ebenso hätten knappe staatliche Ressourcen zu einer Reduktion der öffentlichen Ausgaben in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Sozialwesen geführt:
„In 1990, Mongolia broke away from communism and turned to international financial agencies for assistance. Handsomely paid representatives and consultants from these agencies began to stream into Mongolia. Ardent believers in the pure market economy, they advocated the immediate privatisation of state assets, limited government and the reduction of services, the elimination of subsidies, the liberalisation of trade and prices, and austerity. In order to obtain essential loans and grants from the international financial institutions, the Mongolian government embarked upon ‚shock therapy’, a rapid implementation of these policies.
A few Mongolians — who understood the operation of a market economy, had influential friends or were corrupt — were the principal beneficiaries of privatisation, while the vast majority of the population gained virtually nothing. As a result, Mongolian society has faced an increasingly inequitable distribution of income. The repercussions of such ‚shock therapy’ persist to the present day. Unemployment has grown to at least 20 per cent of urban residents. Homelessness, alcoholism, crime and domestic abuse have also increased sharply.
The limited government, advocated by supporters of the market economy, is unable to cope with these problems. The social safety net has frayed, leaving many Mongolians vulnerable. Sparse government resources have also translated into a reduction of public expenditure on health, education and welfare, which had been among the successes of the Communist system.” (EAF, 1. Juni 2012)
Das US-amerikanische Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Jahresbericht zur Menschenrechtslage vom Mai 2012 (Berichtsjahr: 2011), dass der gesetzliche Mindestlohn bei 140.400 Tugrik (100 US-Dollar) pro Monat liege. Zudem habe sich bei Haushaltsbefragungen gezeigt, dass rund ein Drittel der Bevölkerung mit 1.618 Tugrik am Tag auskommen müsse und nicht in der Lage sei, sich ausreichend zu ernähren. Das Problem sei im vergangenen Jahr durch eine erhebliche Inflation verschärft worden:
„The legal minimum wage was 140,400 tugrik ($100) per month. National poverty estimates are based on population-weighted subgroup estimates from household surveys. The surveys indicated approximately one-third of the population lived on 1,618 tugrik ($1.16) a day or less and were unable to feed themselves sufficiently. The minimum wage, which applied to both public and private sector workers and was enforced by the Ministry of Labor, did not provide a decent standard of living. The problem was exacerbated by significant inflation over the past year. Many workers received less than the minimum wage, particularly at smaller companies in rural areas. The minimum wage was reset annually by the MSWL in consultation with trade union representatives and employers.“ (USDOS, 24. Mai 2012, Section 7d)
Die Hanns-Seidel-Stiftung geht in ihrem Quartalsbericht zu neuen Entwicklungen in der Mongolei vom Dezember 2011 wie folgt auf die dortige wirtschaftliche Lage ein:
„Die wirtschaftlichen Kennziffern zeichnen sich durch ein sehr hohes Wachstum aus, 20% Zuwachs im Jahr 2011. Das wurde vor allem durch einen enormen Anstieg des Kohleexports nach China erreicht. Im vergangenen Herbst haben die mongolischen Landwirte die bis jetzt höchste Getreideernte eingesammelt, nach den letzten Schätzungen insgesamt 448.000 Tonnen. Der Viehbestand erreicht 36 Mio. Stück. Zum Bedauern der erfahrenen Viehzüchter besteht die Herde zu einem großen Teil aus Ziegen, die den Weiden den meisten Schaden zufügen. Die Vermehrung der Zahl von Ziegen ist mit der gewachsenen Nachfrage nach dem Ziegenflaum, also Kaschmir, verbunden. Auch deren Fleisch wird in großen Mengen nach China ausgeführt. Trotz der hohen Einnahmen aus dem Rohstoffexport ist der Lebensstandard der Bevölkerung eher gesunken. Im Bereich Pro-Kopf-Einkommen nimmt die Mongolei den 110. Platz unter 187 Ländern ein, obwohl nach Schätzungen von Experten die Mongolei gemäß ihrer Bodenschätze zu den zehn reichsten Ländern in der Welt gehöre (siehe die Rede des Staatspräsidenten am 28.12.2011 im Parlament).
Der Geldfluss wird hauptsächlich für die Investitionen zur Anhebung der Baubranche, den Bau und die Reparatur von Autostraßen und zur Bekämpfung der steigenden Luftverschmutzung in der Hauptstadt gerichtet. Von der Weltbank wird Ulaanbaatar nicht nur als die kälteste Hauptstadt, sondern auch als die Hauptstadt mit der schmutzigsten Luft eingestuft. Der unaufhaltsame Preisanstieg für Verbrauchsgüter des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel und Bekleidung sowie für Dienstleistungen, z.B. Miete, Stromkosten, Personenbeförderung, Transport usw., frisst die mageren Einkünfte der Bürger ‚bis auf den letzten Cent‘ auf.“ (HSS, 30. Dezember 2011, S. 8)
Die britische Zeitung Guardian schreibt in einem Artikel vom Juni 2012, dass für die meisten der 2,7 Millionen MongolInnen, 20 Jahre nach der Einführung der Demokratie und des Kapitalismus, Armut immer noch Realität sei. Die Regierung habe Mühe, den sozialen Bedürfnissen der zunehmend in Städten lebenden Bevölkerung des Landes nachzukommen. BewohnerInnen der Jurte-Viertel („ger districts“) in Ulan Bator, bei denen es sich um Slum-ähnliche Stadtgebiete ohne fließendes Wasser und Heizung handle und in denen mehr als die Hälfte der Bevölkerung der Stadt leben würde, seien in den vergangenen Jahren schwer von steigender Inflation und Arbeitslosigkeit betroffen gewesen. Der Artikel erwähnt in diesem Zusammeng eine 39-jährige alleinstehende Mutter, die in einem der ärmsten Gebiete lebe und seit Jahren keiner geregelten Arbeit nachgegangen sei:
„But for most of Mongolia's 2.7 million citizens, poverty is still the reality. And 20 years after embracing democracy and capitalism, the government is struggling to meet the increasingly urban population's social needs.
Symptoms of sudden wealth are ubiquitous in Ulan Bator, where high-end restaurants flank rubble-strewn alleyways and brand-new Landcruisers tie up traffic on crumbling roads. More than half of the city's 1.2 million residents live in ‚ger districts’ named after traditional Mongolian felt-lined tents, which stretch up the hillsides around the central city. As brutal winters and few prospects send herders surging into the city to look for work, they have become slum-like sprawls of hastily partitioned properties that lack running water and heating.
Residents of ger districts have been hit hard in recent years by encroaching inflation and unemployment. Altan Jay, a 39-year-old single mother in one of the poorest areas, has not had a steady job in years. When she can't afford coal in the winter, she heats her home with discarded boxes. ‚Some people are getting richer and richer,’ she said, ‚and all I can think about is food.’
Mongolia's rural population, on the other hand, is chiefly concerned by the environmental effects of mining. Nomads in the Gobi desert say that the dust kicked up by truck convoys is turning their livestock black. Rivers are running dry. Herders have been arrested for shooting up mining equipment with old Soviet rifles, outraged by the government's unwillingness to enforce its own environmental laws.” (Guardian, 27. Juni 2012)
Die französische Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) führt in einem Artikel vom Oktober 2010 an, dass mehr als 40 Prozent der mongolischen Gesamtbevölkerung in Ulan Bator lebe. Tausende Hirten hätten ihre traditionelle nomadische Lebensweise im Zuge der Suche nach wirtschaftlichen Möglichkeiten aufgegeben. Fast die Hälfte der Bevölkerung Ulan Bators lebe außerhalb des Stadtzentrums in Jurten und habe keinen Zugang zu fließendem Wasser. Auch seien dort die sanitären Verhältnisse schlecht und der Zugang zu sozialen Dienstleistungen beschränkt:
„More than 40 percent of the country's total population lives in Ulan Bator.
Thousands of herders have abandoned a traditional nomadic life in search of economic opportunity, or were driven to Mongolia's cities after a devastating winter that killed off much of their livestock.
‚Ulan Bator's population grew from 600,000 in 1989 to 1,000,000 in 2007 and it's expected to be 1.3 million in 2025,’ UNICEF Deputy Representative Gilles Fagninou said, adding overcrowding is a major obstacle to poverty alleviation.
Outside the city centre, almost half of the capital's population live in the sprawling ger districts, with no access to running water, poor sanitation and limited social services.” (AFP, 3. Oktober 2010)
In einem Artikel vom Juli 2012 zitiert die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua den mongolischen Ministerpräsidenten Suchbaatar Batbold, der anlässlich des International Women’s Leadership Forum in Ulan Bator auf die wirtschaftliche Lage von Frauen in der Mongolei eingegangen sei. So seien Frauen stärker von Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit betroffen, außerdem gebe es viele alleinstehende Mütter, die Mühe hätten, ihre Familien und Kinder zu versorgen. Batbold habe weiters hervorgehoben, dass die Regierung mehr unternehmen müsse, um Frauen in wirtschaftlichen Belangen auszubilden:
„The 2012 International Women's Leadership Forum opened here on Sunday to develop a common understanding on the importance of women's participation in political and economic spheres. […]
In an addressing to the forum, Mongolian Prime Minister Sukhbaatar Batbold said the Mongolian government will double its support for women who are going to participate in political and economic activities.
He said women are more vulnerable to economic crises and unemployment in Mongolia, and there are many single mothers who struggle to sustain their families and children.
Batbold stressed the government needs to do more to train women in business so that they can become more resilient.” (Xinhua, 8. Juli 2012)
Folgender Bericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UN Development Programme, UNDP) aus dem Jahr 2011 stellt unter anderem Informationen zum Stand der menschlichen Entwicklung in der Mongolei (S. 13-20), zu ländlicher Armut (S. 46-47) sowie zu städtischer Armut, Wohnungssituation und Zugang zu Dienstleistungen (S. 72-78) bereit:
·      UNDP - UN Development Programme: Mongolia Human Development Report 2011 – From Vulnerability to Sustainability: Environment and Human Development, 2011
http://hdr.undp.org/en/reports/national/asiathepacific/mongolia/NHDR_Mongolia_EN_2011_2.pdf
Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 6. August 2012)
·      AFP - Agence France-Presse: Poverty still stalks resource-rich Mongolia, 3. Oktober 2010 (veröffentlicht von ReliefWeb)
http://www.reliefweb.int/rw/rwb.nsf/db900SID/SNAA-89W7CW?OpenDocument&RSS20=02-P
·      Caritas International: Country Sheet Mongolia, September 2010 (veröffentlicht von Caritas)
http://www.reintegrationcaritas.be/fileadmin/user_upload/Fichiers/CS/Mongolia/COUNTRY_SHEET_MONGOLIA_ENGLISH_VERSIONx.pdf
·      EAF - EastAsiaForum: Mongolia: democracy in the steppes? (Autor: Morris Rossabi), 1. Juni 2012
http://www.eastasiaforum.org/2012/06/01/mongolia-democracy-in-the-steppes/
·      Guardian: Mongolia’s new wealth and rising corruption is tearing the nation apart, 27. Juni 2012
http://www.guardian.co.uk/world/2012/jun/27/mongolia-new-wealth-rising-corruption
·      HSS - Hanns-Seidel-Stiftung: Mongolei Quartalsbericht Oktober bis Dezember 2011, 30. Dezember 2011
http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Mongolei_QB_2011_IV.pdf
·      UNDP - UN Development Programme: Mongolia Human Development Report 2011 – From Vulnerability to Sustainability: Environment and Human Development, 2011
http://hdr.undp.org/en/reports/national/asiathepacific/mongolia/NHDR_Mongolia_EN_2011_2.pdf
·      USDOS - US Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Mongolia, 24. Mai 2012 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/217716/338480_de.html
·      Xinhua: Mongolia hosts int’l women’s forum to promote gender equality, 8. Juli 2012 (verfügbar auf Factiva)