Amnesty International Report 2023/24; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; China 2023

Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023

Die nationale Sicherheit diente weiterhin als Vorwand, um die Menschen an der Ausübung ihrer Rechte zu hindern wie der Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Sowohl im Internet als auch in der realen Welt unterlagen Diskussionen über eine Vielzahl von Themen einer drakonischen Zensur. Zu denjenigen, die willkürlich inhaftiert und in unfairen Verfahren vor Gericht gestellt wurden, gehörten auch Menschenrechtsverteidiger*innen. Die Menschenrechtslage im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang war 2023 nach wie vor zutiefst besorgniserregend, ohne dass die Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen, denen Uigur*innen, Kasach*innen und andere Angehörige überwiegend muslimischer ethnischer Minderheiten in der Region ausgesetzt waren, zur Rechenschaft gezogen wurden. Expert*innen der Vereinten Nationen äußerten erneut die Besorgnis, dass die Politik und die Programme der Regierung der Auslöschung der Sprache und der Kultur von Bevölkerungsgruppen wie der tibetischen Vorschub leisteten. Verfechter*innen der Frauenrechte waren Drangsalierungen, Einschüchterungen, willkürlichen Festnahmen und unfairen Gerichtsverfahren ausgesetzt. Der zivilgesellschaftliche Handlungsspielraum in Hongkong wurde immer weiter eingeschränkt, da die Behörden weitreichende Verbote friedlicher Proteste beibehielten und Verfechter*innen der Demokratie, Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und andere Bürger*innen mit Verweis auf die nationale Sicherheit anklagten und zu Haftstrafen verurteilten. Zudem wurden ins Ausland geflohene Oppositionelle zur Fahndung ausgeschrieben. Die Gerichte in Hongkong entschieden 2023 in mehreren Präzedenzfällen zugunsten der Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+).

Hintergrund

China erlebte eine schwere Rezession, und die Jugendarbeitslosigkeit erreichte bei den 16- bis 24-Jährigen mit 21,3 Prozent einen Rekordwert. Auch die Zahl der Arbeitsniederlegungen erreichte den höchsten Stand der letzten Jahre, da Fabrikschließungen und Lohnkürzungen Proteste von Arbeitnehmer*innen auslösten.

Die anhaltende Intransparenz innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas und der Regierung wurde allzu deutlich, als Außenminister Qin Gang und Verteidigungsminister Li Shangfu von einem Tag auf den anderen von der Bildfläche verschwanden und als der ehemalige Ministerpräsident Li Keqiang unvermittelt verstarb.

Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

Die staatlichen Stellen Chinas schränkten die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung weiterhin massiv ein, auch durch die missbräuchliche Anwendung von Gesetzen, häufig unter dem Vorwand der Wahrung der nationalen Sicherheit.

Menschen, die im November 2022 an Kundgebungen zum Gedenken an die Opfer eines Wohnhausbrands in Urumqi, der Hauptstadt des Uigurischen Autonomen Gebiets Xinjiang, und an damit verbundenen Protesten gegen die restriktive Politik zur Eindämmung der Coronapandemie teilnahmen, waren nach wie vor Schikanen ausgesetzt. Diese Proteste sind unter der Bezeichnung "Revolution der weißen Blätter" bekannt geworden, da die Demonstrierenden jeweils ein leeres Blatt Papier hochhielten. Zu den zahlreichen überwiegend jungen Protestteilnehmer*innen, die dem Vernehmen nach festgenommen wurden, gehörten Cao Zhixin, Li Yuanjing, Zhai Dengrui und Li Siqi, die im April 2023 nach etwa vier Monaten Gewahrsam gegen Kaution freigelassen wurden.

Im Juni 2023 bestätigte ein Sprecher des Außenministeriums, dass die uigurische Studentin Kamile Wayit im März wegen "Förderung des Extremismus" schuldig gesprochen worden war, nachdem sie ein Video über die "Proteste der weißen Blätter" auf der chinesischen Social-Media-Plattform WeChat veröffentlicht hatte. Kamile Wayit, die an Depressionen und anderen gesundheitlichen Problemen leiden soll, wurde anschließend zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Im August 2023 legte der chinesische Gesetzgeber Vorschläge zur Änderung des Verwaltungsgesetzes über die öffentliche Sicherheit vor, durch die Handlungen, Kleidung und Äußerungen verboten werden sollen, die "dem nationalen Geist Chinas schaden oder die Gefühle des chinesischen Volkes verletzen". Chinesische Rechtsexpert*innen äußerten die Befürchtung, dass die staatlichen Stellen aufgrund der fehlenden Definition oder des fehlenden Geltungsbereichs einiger der vorgeschlagenen Änderungen übermäßige Befugnisse zur Einschränkung der Freiheiten erhalten würden.

Die Nutzer*innen von Social Media sahen sich mit einer noch stärkeren Regulierung konfrontiert, da die chinesische Aufsichtsbehörde für das Internet im Juli 2023 neue Richtlinien zur Regulierung von Blogs und Social-Media-Konten für die sogenannten "Medien in Eigenregie" (zimeiti) einführte. Den neuen Bestimmungen zufolge tragen die Kontoinhaber*innen die Verantwortung dafür, dass die von ihnen veröffentlichten Beiträge sachlich korrekt sind und die Quellen angegeben werden, wenn sie sich zu aktuellen Themen oder der internationalen Politik äußern. Daraufhin führten Social-Media-Unternehmen neue Richtlinien ein und verlangten von Influencer*innen und anderen Personen mit einer großen Anzahl von Follower*innen fortan die Offenlegung ihrer Klarnamen, was Besorgnis hinsichtlich des Rechts auf Privatsphäre auslöste.

Erneut gerieten Journalist*innen ins Visier der staatlichen Stellen, auch im Zusammenhang mit geopolitischen Spannungen. So endete im Juni 2023 die offizielle Medienpräsenz Indiens in China mit der Ausweisung eines Journalisten der Hindustan Times inmitten von Spannungen zwischen den Regierungen beider Länder. Im Oktober 2023 wurde die australische Journalistin Cheng Lei auf freien Fuß gesetzt, die für den staatlichen chinesischen Fernsehsender CGTN gearbeitet hatte. Sie war im August 2020 unter dem Vorwurf der "Weitergabe von Staatsgeheimnissen an das Ausland" inhaftiert worden.

Menschenrechtsverteidiger*innen

Die Regierung ging weiterhin systematisch gegen Menschenrechtsverteidiger*innen vor, um abweichende Meinungen zu unterdrücken und den zivilgesellschaftlichen Handlungsspielraum einzuschränken. Im Laufe des Jahres wurden zahlreiche Anwält*innen, Wissenschaftler*innen, Journalist*innen, politisch engagierte Bürger*innen und Mitarbeiter*innen nichtstaatlicher Organisationen aufgrund von vage definierten Anschuldigungen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit strafrechtlich verfolgt.

Für ihr gesellschaftliches Engagement bekannte Bürger*innen wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Zu ihnen gehörten der Rechtswissenschaftler Xu Zhiyong und der Menschenrechtsanwalt Ding Jiaxi, die im April zu 14 bzw. 12 Jahren Haft verurteilt wurden, nachdem sie im Jahr 2022 der "Sabotage der gesellschaftlichen Ordnung" für schuldig befunden worden waren. Sie gehörten zu einer ganzen Reihe von Personen, die ins Visier genommen wurden, nachdem sie 2019 an einem informellen Treffen teilgenommen hatten, auf dem der Zustand der Zivilgesellschaft und aktuelle innenpolitische Themen erörtert wurden.

Im Juni 2023 wurde der Menschenrechtsanwalt Chang Weiping wegen "Sabotage der gesellschaftlichen Ordnung" zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, nachdem er geschildert hatte, wie er während seines Gewahrsams im Jahr 2020 gefoltert worden war. Das Strafmaß wurde knapp ein Jahr nach dem Schuldspruch in einem Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit verkündet.

Im April 2023 nahm die Polizei den Menschenrechtsanwalt Yu Wensheng und seine Frau Xu Yan fest, die auf dem Weg zu einem Treffen mit Diplomat*innen in der EU-Vertretung in der Hauptstadt Peking waren. Sie wurden im Oktober wegen "Provokation von Streit" und "Anstiftung zur Sabotage der gesellschaftlichen Ordnung" angeklagt. Yu Wensheng war bereits zuvor wegen seiner Menschenrechtsarbeit inhaftiert gewesen.

Zhang Zhan, die sich journalistisch betätigt hatte, im Mai 2020 festgenommen und später zu vier Jahren Haft verurteilt worden war, wurde im Juli 2023 wegen der gesundheitlichen Folgen ihres anhaltenden Hungerstreiks in ein Gefängniskrankenhaus in Schanghai eingeliefert.

Im September 2023 begann der Prozess gegen die prominente #MeToo-Aktivistin und Journalistin Sophia Huang Xueqin und den Verteidiger von Arbeitnehmer*innenrechten Wang Jianbing. Die beiden waren im September 2021 verhaftet und wegen "Anstiftung zur Sabotage der gesellschaftlichen Ordnung" angeklagt worden, weil sie an Schulungen zum gewaltfreien Protest und an privaten Versammlungen im Haus von Wang Jianbing teilgenommen hatten, um über den schrumpfenden Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft zu diskutieren.

Im Oktober 2023 wurde die seit langer Zeit tätige Menschenrechtsanwältin Li Yuhan wegen "Provokation von Streit und Unruhestiftung" sowie wegen "Betrug" zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Die über 70-jährige Frau ist in schlechter gesundheitlicher Verfassung und war bereits einmal ab Ende 2017 inhaftiert gewesen. Während dieser Haftzeit war ihr der regelmäßige Zugang zu Rechtsbeiständen und medizinischer Behandlung verweigert worden, und man hatte sie Angaben zufolge auch anderweitig misshandelt.

Es bestand die Befürchtung, dass Gesetzesänderungen die gezielte Verfolgung von Menschenrechtsverteidiger*innen weiter erleichtern würden. Das Gesetz zur Spionageabwehr, das in der Vergangenheit gegen Menschenrechtsverteidiger*innen eingesetzt worden war, wurde im April überarbeitet, um den Tatbestand der Spionagetätigkeit zu erweitern und mehr Befugnisse zur Untersuchung von Spionage zu erhalten.

Frauenrechte

Im Mai 2023 äußerte der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) seine Besorgnis angesichts von Berichten über Einschüchterungen, Schikanen sowie sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt gegen Menschenrechtsverteidigerinnen sowie über Drangsalierungen, weil sie sich an den Ausschuss gewandt hatten.

Im Februar 2023 gestatteten die Behörden He Fangmei, die sich für Frauen- und Gesundheitsrechte eingesetzt hat, zum ersten Mal nach fast zweieinhalb Jahren Haft ein Treffen mit ihren Rechtsbeiständen. Sie wartete auf das Urteil in ihrem Prozess vom Mai 2022 wegen "Bigamie" und "Provokation von Streit und Unruhestiftung" im Zusammenhang mit ihrer Kampagne für sichere Impfstoffe und für Gerechtigkeit für Kinder, darunter ihre Tochter, deren Gesundheit ihrer Meinung nach durch unsichere Impfstoffe geschädigt wurde. Nach der Inhaftierung von He Fangmei brachten die Behörden Berichten zufolge ihre beiden kleinen Töchter in einer psychiatrischen Klinik und ihren Sohn in einer Pflegefamilie unter und verwehrten anderen Familienmitgliedern den Zugang zu ihnen.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Im Oktober 2023 forderten 18 UN-Expert*innen China auf, die Praxis der Zwangsrückführung von Nordkoreaner*innen in ihr Land einzustellen, nachdem berichtet worden war, dass China mehr als 500 Personen, vor allem Frauen, nach Nordkorea zurückgeschickt hatte, ohne frühere Warnungen zu beachten, wonach den Rückkehrer*innen harte Strafen drohen könnten, darunter Verschwindenlassen, Folter und andere Misshandlungen sowie möglicherweise die Hinrichtung (siehe Nordkorea-Kapitel).

Unterdrückung abweichender Meinungen

Die Unterdrückung Andersdenkender im Ausland löste nach wie vor Besorgnis aus, auch der von den staatlichen Stellen Chinas auf andere Länder ausgeübte Druck, chinesische Staatsangehörige zwangsweise in ihr Heimatland zurückzuführen, wo ihnen willkürliche Inhaftierung, Folter und andere Menschenrechtsverletzungen drohten. Im Juli 2023 wurde der Menschenrechtsanwalt Lu Siwei von der Polizei in Laos festgenommen und im September nach China zurückgeführt, wo er anschließend mehrere Wochen lang inhaftiert war. Auch nach seiner Freilassung gegen Kaution blieben Lu Siweis Freizügigkeit und Meinungsfreiheit stark eingeschränkt.

Im Juli 2023 wurde die Familie von Yang Zewei darüber unterrichtet, dass er in einer Jugendstrafanstalt der Stadt Hengyang in der Provinz Hunan inhaftiert sei. Zuvor war gemeldet worden, dass er im Mai in Laos festgenommen worden war, nachdem er eine digitale Kampagne zur Beendigung der Internetzensur in China gestartet hatte.

Autonome Gebiete ethnischer Minderheiten

Uigurisches Autonomes Gebiet Xinjiang

Amnesty International konnte keine Fortschritte bei der Umsetzung der Empfehlungen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte aus dem Jahr 2022 feststellen, das in seinem Bericht mutmaßliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Uigur*innen und Angehörigen anderer überwiegend muslimischer Volksgruppen im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang dokumentiert hatte. Während der UN-Hochkommissar für Menschenrechte im September 2023 erneut "entschiedene Abhilfemaßnahmen" forderte, setzte sich die systematische Unterdrückung von Uigur*innen, Kasach*innen und Angehörigen anderer überwiegend muslimischer ethnischer Minderheiten fort, und es herrschte weiterhin Straflosigkeit. Bei einem Besuch in Urumqi im August forderte der chinesische Präsident Xi die lokalen Behörden auf, "illegale religiöse Aktivitäten" in noch stärkerem Maße zu unterbinden.

Seit Beginn der massiven Unterdrückungsmaßnahmen im Jahr 2017 wurden bis zu eine Million Menschen willkürlich in Internierungslagern und Gefängnissen festgehalten, und 2023 kam es zu weiteren Inhaftierungen und unfairen Gerichtsverfahren. Im Juni verurteilte ein Gericht in Urumqi den uigurischen Studenten Zulyar Yasin wegen "Separatismus" zu 15 Jahren Freiheitsentzug. Im Juli wurde seine Mutter, Rahile Jalalidin, von der Polizei abgeführt, nachdem sie gegen das gegen ihren Sohn verhängte Urteil protestiert hatte.

Im Februar 2023 nahm die Staatssicherheit die kasachischstämmige Journalistin und Künstlerin Zhanargul Zhumatai im Haus ihrer Mutter in Urumqi fest, nachdem sie mit Kontakten im Ausland kommuniziert und sich gegen die Enteignung von Land kasachischer Hirtengemeinschaften im Umland von Urumqi ausgesprochen hatte, auf dem Straßen und Wasserkraftwerke gebaut werden sollen. Zhanargul Zhumatai war zuvor über zwei Jahre lang in einem Internierungslager inhaftiert gewesen, wo sie Berichten zufolge aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung am Herzen erkrankte.

Es gab neue Berichte unabhängiger Forscher*innen und Medien über von Uigur*innen verrichtete Zwangsarbeit. Im September besuchte eine Delegation der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) Xinjiang, um "Fachgespräche" über die Umsetzung der IAO-Übereinkommen 29 und 105 über Zwangsarbeit zu führen, die von China 2022 ratifiziert worden sind.

Tibet

Das Ausmaß der Diskriminierung und Einschränkung der Rechte der Tibeter*innen bedroht zunehmend deren kulturelle Identität und Sprache. Im Februar 2023 richteten fünf UN-Expert*innen ein Schreiben an die chinesische Regierung, in dem sie ihre Besorgnis über Programme zur Verschickung von Arbeitskräften zum Ausdruck brachten. Im Rahmen dieser Programme wurden Millionen von auf dem Land lebenden Tibeter*innen dem Vernehmen nach aus ihren Heimatorten vertrieben und ihrer traditionellen Lebensgrundlage beraubt, um in Fertigungsbetrieben schlecht bezahlte Arbeitsstellen mit geringer Qualifikation zugewiesen zu bekommen. Die Fachleute der Vereinten Nationen haben darauf hingewiesen, dass sich diese Praxis negativ auf die Sprachen, die kulturellen Praktiken und die Religion der tibetischen Minderheit auswirken und Menschenhandel zum Zweck der Zwangsarbeit gleichkommen könnte.

Im März 2023 äußerte der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte seine Besorgnis über die negativen Auswirkungen von angeblich der Umweltsanierung dienenden Armutsbekämpfungs- und Umsiedlungsmaßnahmen auf das Leben und die Lebensgrundlage von kleinbäuerlichen und Hirtengemeinschaften, zu denen auch tibetische Nomad*innen gehören. Der Ausschuss forderte einen sofortigen Stopp der unfreiwilligen Umsiedlung dieser Gemeinschaften. Er äußerte sich auch besorgt über Berichte zu Kampagnen, die auf eine Auslöschung der tibetischen Kultur und Sprache zielten, über die Schließung von Schulen, an denen in Tibetisch und in anderen Minderheitensprachen unterrichtet wurde, sowie über Assimilierungsprogramme, darunter die zwangsweise Unterbringung tibetischer Kinder in Internaten.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Im Februar 2023 reichten zwei Studentinnen eine Klage gegen das Bildungsministerium ein, um die gegen sie verhängten Disziplinarmaßnahmen "wegen Verstoßes gegen Hochschulvorschriften" aufzuheben, nachdem sie im Jahr 2022 auf dem Campus der Tsinghua-Universität Regenbogenflaggen verteilt hatten. Berichte über die Klage in den Sozialen Medien wurden zensiert.

Die staatlichen Stellen übten zudem weiterhin Druck auf LGBTI-Gruppen aus. Im Mai gab das Pekinger LGBT-Zentrum, eine der ältesten und größten LGBTI-Organisationen in China, seine Schließung "aufgrund von Kräften, die sich seiner Kontrolle entziehen" bekannt. Ohne Angabe von Gründen sperrte WeChat im August 2023 am Festtag Qixi, dem chinesischen Pendant zum Valentinstag, die Konten mehrerer LGBTI-Gruppen, darunter Trans Brotherhood China, das Pekinger Lesbenzentrum und die Pekinger Niederlassung von Trueself.

Todesstrafe

Informationen über die Anwendung der Todesstrafe drangen nur in begrenztem Umfang nach draußen, da Angaben über die Zahl der Verurteilungen und Hinrichtungen nach wie vor als Staatsgeheimnis unter Verschluss waren. Die Todesstrafe wurde weiterhin für 46 Straftaten verhängt, darunter auch Straftaten ohne Todesfolge wie Drogenhandel, die nach dem Völkerrecht und internationalen Standards nicht als "schwerste Verbrechen" gelten.

Die staatlichen Medien berichteten über einige Fälle, in denen Personen zum Tode verurteilt wurden. Dazu gehörte Yu Huaying, gegen den im September 2023 der Mittlere Volksgerichtshof in Guiyang die Todesstrafe verhängte, weil er in den 1990er-Jahren Kinder entführt und dann verkauft hatte.

Im Dezember 2023 gab die philippinische Regierung bekannt, dass China zwei philippinische Staatsbürger wegen Drogenhandels hingerichtet hat, nachdem ihre Appelle zur Umwandlung der Urteile kein Gehör gefunden hatten.

Arbeitnehmer*innenrechte

Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte äußerte seine Besorgnis über die unsicheren Arbeitsbedingungen und die weit verbreitete Belästigung am Arbeitsplatz, einschließlich der sexuellen Belästigung von Frauen. Er zeigte sich auch besorgt über die unzureichenden Regelungen des Arbeitsschutzes in Bezug auf die Untersuchung mutmaßlicher Verstöße gegen einschlägige Gesetze und Vorschriften, über den unzureichenden Unfall- und Krankenversicherungsschutz, insbesondere für Beschäftigte im informellen Sektor, sowie über den unzureichenden Sozialversicherungsschutz, u. a. für Arbeitsmigrant*innen, die vom Land in die Stadt gezogen sind.

Recht auf eine intakte Umwelt

In einem im Februar 2023 von Global Energy Monitor und dem Centre for Research on Energy and Clean Air veröffentlichten Bericht wurde festgestellt, dass in China im Jahr 2022 sechsmal so viele Kohlekraftwerke gebaut wurden wie im gesamten Rest der Welt. Im September erklärte Chinas Klimabeauftragter Xie Zhenhua, dass ein vollständiger Ausstieg aus fossilen Brennstoffen "unrealistisch" sei. China nahm den vorübergehend gestoppten Bau von Kohlekraftwerken wieder auf und genehmigte den Bau neuer Kraftwerke im In- und Ausland, obwohl der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im Februar empfohlen hatte, die Genehmigungen für Kohlekraftwerke auszusetzen und die Finanzierung bis auf Weiteres einzustellen.

Sonderverwaltungsregion Hongkong

Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

Die Hongkonger Behörden gingen weiterhin mit dem Gesetz über nationale Sicherheit (NSL) aus dem Jahr 2020 sowie mit den aus der Kolonialzeit stammenden Bestimmungen der Verordnung über Straftaten (Crime Ordinance) in Bezug auf staatsgefährdende Handlungen und mit anderen restriktiven Gesetzen gegen Anhänger*innen der Demokratiebewegung, Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und andere engagierte Bürger*innen vor.

Im Rahmen der bisher umfangreichsten Strafverfolgungsmaßnahme unter Berufung auf die nationale Sicherheit begann im Februar 2023 der Prozess gegen 47 Demokratieverfechter*innen. Sie wurden alle wegen "Verschwörung zur Subversion" auf der Grundlage des NSL angeklagt, und zwar wegen ihrer Beteiligung an inoffiziellen Vorwahlen der politischen Parteien für die Wahlen zum Legislativrat im Jahr 2020, die letztlich verschoben wurden. Die meisten von ihnen waren bereits vor Beginn des Prozesses vor über zwei Jahren inhaftiert worden, und einigen drohte im Fall eines Schuldspruchs eine lebenslange Haftstrafe.

Im Dezember 2023, d. h. ein Jahr nach dem ursprünglich angesetzten Termin, begann der wiederholt verschobene Prozess gegen Jimmy Lai, den Herausgeber und Gründer der inzwischen eingestellten prodemokratischen Zeitung Apple Daily, wegen Anklagen in Bezug auf die nationale Sicherheit und Staatsgefährdung. Jimmy Lai befindet sich seit August 2020 in Haft. Im März wandten sich fünf UN-Menschenrechtsexpert*innen in einem Schreiben an die chinesische Regierung, um ihre große Besorgnis über die Festnahme, Inhaftierung und mehrfache strafrechtliche Verfolgung von Jimmy Lai zum Ausdruck zu bringen, deren Ursache offenbar seine Kritik an der chinesischen Regierung und seine Unterstützung für die Demokratie in Hongkong ist.

Im März 2023 verhaftete die nationale Sicherheitspolizei zwei Männer wegen "Staatsgefährdung", weil sie verbotene Kinderbücher besaßen, deren Autoren und Verleger 2022 wegen derselben Anklage schuldig gesprochen worden waren. Beide wurden gegen Kaution freigelassen, müssen aber mit bis zu zwei Jahren Gefängnis rechnen.

Die Verfolgung von Mitgliedern von prodemokratischen und Menschenrechtsgruppen wurde fortgesetzt, obwohl die meisten dieser Gruppen ihre Tätigkeit nach der Einführung des NSL im Jahr 2020 eingestellt hatten. Am 4. März wurden drei Mitglieder der Hong Kong Alliance in Support of Patriotic Democratic Movements in China (Hongkong-Allianz) – Chow Hang-tung, Tang Ngok-kwan und Tsui Hon-kwong – für schuldig befunden, einer Aufforderung der Polizei aus dem Jahr 2021 gemäß dem NSL nicht nachgekommen zu sein. Man hatte von ihnen verlangt, Angaben über die Mitgliedschaft, die Finanzierung und die Aktivitäten der Gruppe zu machen. Chow Hang-tung, die ehemalige stellvertretende Vorsitzende der Hongkong-Allianz, weigerte sich, die Kautionsauflagen zu erfüllen, durch die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung eingeschränkt wurde, und blieb daher bis zum Abschluss ihres Berufungsverfahrens in Haft. Sie wurde mehrfach (insgesamt 82 Tage) in Isolationshaft gehalten.

Am 1. März 2023 hoben die Hongkonger Behörden die wegen der Coronapandemie erlassenen Vorschriften für öffentliche Versammlungen wieder auf. Das Demonstrationsrecht blieb jedoch stark eingeschränkt, und es herrschte ein Klima der Angst. Im März 2023 sagte der Arbeitnehmerinnenverband Hong Kong Women Workers’ Association einen Marsch anlässlich des Internationalen Frauentags ab, offenbar aufgrund der Befürchtung der Polizei, dass "gewaltbereite Gruppen" anwesend sein würden, und wegen Drohungen, wonach Teilnehmer*innen festgenommen werden könnten.

Im Juni 2023 forderte die Regierung von Hongkong eine gerichtliche Verfügung zum Verbot des beliebten Protestlieds der Demokratiebewegung "Glory to Hong Kong" und drohte damit, jeden, der es aufführt, sendet oder veröffentlicht, nach dem NSL oder den Bestimmungen über Staatsgefährdung strafrechtlich zu verfolgen.

Am 4. und 5. Juni 2023 nahm die Polizei mindestens 32 Personen in der Nähe des Victoria-Parks fest, wo bis zu ihrem Verbot im Jahr 2020 die jährliche Mahnwache mit Kerzen zum Gedenken an die blutigen Ereignisse auf dem Tiananmen-Platz von 1989 stattgefunden hatte. Die Polizei behauptete, die Festgenommenen hätten "Protestmaterial mit staatsgefährdenden Aufschriften bei sich gehabt, Sprechchöre angestimmt und ungesetzliche Handlungen begangen". Alle wurden anschließend ohne Anklage auf freien Fuß gesetzt.

Im Juni wurden zehn ehemalige Mitarbeiter*innen und andere Personen festgenommen, die in einer Verbindung zum 612 Humanitarian Relief Fund standen. Der Hilfsfonds war eingerichtet worden, um die Teilnehmer*innen an den prodemokratischen Protesten von 2019 durch Übernahme von Prozess- und anderen Kosten zu unterstützen; 2021 war er jedoch aufgelöst worden. Die Festgenommenen standen unter dem Verdacht der "Verschwörung zur Zusammenarbeit mit einem fremden Land oder ausländischen Elementen" gemäß dem NSL und der "Anstiftung zum Aufruhr". Ihnen wurde vorgeworfen, Spenden von ausländischen Organisationen angenommen zu haben, um aus Hongkong geflohene Personen oder Organisationen, die sich für Sanktionen gegen Hongkonger Beamt*innen einsetzten, finanziell zu unterstützen.

Im Juli 2023 wandten sich fünf UN-Expert*innen in einem Schreiben an die chinesische und die Hongkonger Regierung und äußerten darin ihre Besorgnis über die Auswirkungen der im Dezember 2022 vorgeschlagenen Verordnung über Crowdfunding-Aktivitäten auf die Menschenrechte. Sie wiesen insbesondere auf die Gefahren für die Vereinigungs-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit hin, die bestünden, wenn als Hauptkriterium für die Bewertung der Art und des Zwecks von Crowdfunding-Aktivitäten vage definierte Verweise auf die nationale Sicherheit und die Terrorismusbekämpfung herangezogen würden.

Im September 2023 bekannte sich Zeng Yuxuan, eine aus der VR China stammende 23-jährige postgraduierte Jurastudentin an der Chinesischen Universität Hongkong, der Staatsgefährdung für schuldig. Daraufhin wurde sie zu einer sechsmonatigen Haftstrafe verurteilt. Die Anklage war erhoben worden, weil sie ein Transparent mit der Skulptur eines dänischen Künstlers zum Gedenken an die Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmen-Platz entrollen wollte. Zeng Yuxuan sollte im Oktober freigelassen werden, nachdem sie den größten Teil ihrer Strafe in der Untersuchungshaft verbüßt hatte. Sie wurde jedoch in die VR China abgeschoben, wo sie vermutlich in Isolationshaft gehalten wird. Nach vorliegenden Informationen war dies das erste Mal, dass eine aus Festlandchina stammende Person von Hongkong dorthin abgeschoben wurde, nachdem sie wegen Staatsgefährdung schuldig gesprochen worden war.

Im Dezember 2023 nahm die Polizei sieben Personen fest und erließ Haftbefehle gegen zwei weitere Personen, die im Ausland lebten, weil sie bei den Bezirksratswahlen "andere dazu angestiftet hatten, nicht zur Wahl zu gehen oder eine ungültige Stimme abzugeben".

Unterdrückung abweichender Meinungen

Kritiker*innen der Hongkonger Behörden im Ausland wurden nach wie vor ins Visier genommen. Im Juli 2023 erließ die Polizei Haftbefehle gegen acht politisch aktive Bürger*innen, darunter drei ehemalige Abgeordnete, die in Australien bzw. im Vereinigten Königreich und in den USA im Exil lebten. Ihnen wurde vorgeworfen, gegen das NSL verstoßen zu haben, und es wurde eine Belohnung von 1 Mio. HKD (etwa 120 000 EUR) für Informationen ausgesetzt, die zu ihrer Ergreifung führen würden. Im Oktober 2023 äußerten vier UN-Expert*innen ernste Bedenken wegen der Ausstellung der Haftbefehle und forderten eine Überprüfung des NSL. Im Dezember wurden fünf weitere im Ausland lebende Aktivist*innen aus Hongkong auf die Fahndungsliste gesetzt, für die dieselbe Belohnung ausgesetzt wurde.

Im November 2023 wurde die 23-jährige Studentin Yuen Ching-ting zu einer zweimonatigen Haftstrafe verurteilt, weil sie während ihres Studiums an einer japanischen Universität "staatsgefährdende" Nachrichten in den Sozialen Medien veröffentlicht hatte. Sie bekannte sich schuldig, 13 Botschaften zur Unterstützung der Unabhängigkeit Hongkongs im Internet veröffentlicht zu haben. Man hatte sie im März festgenommen, nachdem sie nach Hongkong zurückgekehrt war, um ihren Personalausweis zu verlängern.

Im Dezember 2023 berichtete die prominente engagierte Studentin Agnes Chow auf Instagram, wie sie gezwungen worden war, nach Festlandchina zu reisen und an "patriotischen" Veranstaltungen und inszenierten Besuchen teilzunehmen, um ihren Pass zurückzubekommen, damit sie in Kanada studieren konnte. Agnes Chow war 2020 inhaftiert worden, blieb aber auch nach ihrer Freilassung gegen Kaution im Jahr 2021 unter Beobachtung, und ihr Pass wurde beschlagnahmt. Nachdem sie schließlich nach Kanada ausreisen konnte, sagte sie, sie befürchte, dass sie möglicherweise nie wieder nach Hongkong zurückkehren könne und dass ihr im Fall einer Rückkehr dort Menschenrechtsverletzungen drohten.

LGBTI+

Positive Entwicklungen für die Rechte von LGBTI+ ergaben sich aus Gerichtsurteilen, die Anfechtungen von diskriminierenden Maßnahmen und Praktiken betrafen. Im Februar stellte das Berufungsgericht der letzten Instanz fest, dass die Regierung die Rechte von zwei trans Personen verletzt hatte, indem sie ihre Anträge auf Änderung ihres Geschlechts im Personalausweis ablehnte, weil sie sich keiner vollständigen Geschlechtsumwandlung unterzogen hatten.

Im August 2023 erkannte das Gericht der ersten Instanz in einem von einem lesbischen Paar angestrengten Verfahren die Partnerin, die das Kind nicht zur Welt gebracht hatte, als zweites weibliches Elternteil an. In einem weiteren wegweisenden Urteil vom September lehnte das Berufungsgericht der letzten Instanz die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe zwar ab, entschied jedoch, dass die Regierung verfassungsrechtlich verpflichtet sei, einen alternativen Rechtsrahmen für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Beziehungen zu schaffen. Das Gericht legte eine Frist von zwei Jahren fest, innerhalb derer die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare, einschließlich des Zugangs zu Krankenhäusern und des Erbrechts, gleichberechtigt mit den Rechten verschiedengeschlechtlicher Paare geschützt werden sollen.

In zwei weiteren Fällen erklärte das Berufungsgericht im Oktober die Verweigerung des Rechts gleichgeschlechtlicher Ehepaare auf Anmietung und Besitz von Sozialwohnungen durch die Regierung für diskriminierend. Außerdem sprach es sich in seinem Urteil für die Gewährung gleicher Erbschaftsrechte aus.

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