Anfragebeantwortung zum Jemen: Staatsbürgerschaft eines Kindes einer jemenitischen Frau und eines somalischen Mannes, die nach islamischem Recht verheiratet sind [a-10122]

24. April 2017

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Kann die jemenitische Mutter ihre Staatsbürgerschaft an das Kind weitergeben?

Das US-amerikanische Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Bericht zur Menschenrechtslage vom März 2017 (Berichtszeitraum: 2016), dass ein jemenitischer Bürger oder eine jemenitische Bürgerin, der/die einen Ausländer/eine Ausländerin heiraten wolle, sich eine Erlaubnis vom Innenministerium einholen müsse. Eine Frau, die beabsichtige, einen Ausländer zu heiraten, müsse eine Bestätigung des Einverständnisses ihrer Eltern vorlegen. Ein Kind einer jemenitischen Mutter und eines im Ausland geborenen Vaters könne die jemenitische Staatsangehörigkeit von der Mutter übertragen bekommen, wenn es im Jemen geboren sei. Falls das Kind nicht im Jemen geboren sei, könne das Ministerium in seltenen Fällen der Mutter gestatten, ihre Staatsbürgerschaft auf das Kind zu übertragen, zum Beispiel wenn der Vater verstorben sei oder das Kind verlassen habe:

„Any citizen who wishes to marry a foreigner must obtain the permission of the Ministry of Interior […]. A woman wishing to marry a foreigner must present proof of her parents’ approval. A foreign woman who wishes to marry a male citizen must prove to the ministry that she is of good conduct and behavior. Yemeni women may confer citizenship on children born of a foreign-born father if the child is born in the country. If the child is not born in the country, in rare cases the ministry may permit a woman to transmit citizenship to the child if the father dies or abandons the child.“ (USDOS, 3. März 2017, Section 6)

Freedom House, eine in den USA ansässige NGO, die zu den Themen Demokratie, politische Freiheit und Menschenrechte forscht und sich für diese einsetzt, erwähnt in ihrem Bericht zum Jemen vom Jänner 2017 (Berichtszeitraum: 2016), dass Frauen weiterhin in vielen Aspekten des Lebens der Diskriminierung ausgesetzt seien. Eine Frau benötige die Einwilligung ihres Ehemannes oder Vaters, um einen Reisepass zu beantragen und ins Ausland zu reisen. Außerdem könne sie ihre Staatsbürgerschaft nicht auf einen im Ausland geborenen Ehemann übertragen und nur in speziellen Umständen könne sie ihre Staatsbürgerschaft auf ihre Kinder übertragen:

„Women continue to face discrimination in many aspects of life. A woman must obtain permission from her husband or father to receive a passport and travel abroad, cannot confer citizenship on a foreign-born spouse, and can transfer Yemeni citizenship to her children only in special circumstances.“ (Freedom House, 27. Jänner 2017)

Die wirtschaftsliberale Bertelsmann Stiftung, eine deutsche gemeinnützige Denkfabrik mit Sitz in Gütersloh, schreibt in ihrem 2016 veröffentlichten Transformationsindex, einem Ländergutachten zu politischer Partizipation, Rechtsstaatlichkeit, Stabilität demokratischer Institutionen, sozioökonomischer Entwicklung etc., dass die jemenitische Staatsbürgerschaft Kindern jemenitischer Mütter und nichtjemenitischer Väter verwehrt sei. Seit 2003 seien rechtliche Ausnahmen gemacht worden in Fällen, in denen der nichtjemenitische Vater verstorben sei oder die jemenitische Mutter vom nichtjemenitischen Vater geschieden sei. In solchen Fällen könnten Kinder die jemenitische Staatsbürgerschaft erhalten:

„Like in most other countries in the MENA region, citizenship is only withheld from children born to a Yemeni mother and a non-Yemeni father. Since 2003, legal exceptions have been made in cases where the non-Yemeni father dies or the Yemeni mother is divorced from her non-Yemeni husband. In these cases, the children are eligible for Yemeni citizenship.“ (Bertelsmann Stiftung, 2016, S. 7)

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations Children’s Fund, UNICEF) berichtet im Oktober 2011, dass eine jemenitische Frau, die Kinder mit einem nichtjemenitischen Mann habe, ihre Staatsbürgerschaft nur dann an ihre Kinder weitergeben könne, wenn der ausländische Ehemann sterbe, die Frau von ihm verlassen worden sei oder die Eheleute geschieden seien. Eine Gesetzesänderung von 2008 habe es jemenitischen Frauen ermöglicht, ihre Staatsbürgerschaft auf ihre Kinder zu übertragen, wenn der Vater unbekannt oder staatenlos sei:

„A Yemeni woman who has children with a non-Yemeni husband is allowed to transfer her citizenship to their children only if the foreign husband has died, the couple has divorced, or the woman has been abandoned by her foreign husband. The children of a Yemeni man, on the other hand, will automatically be Yemeni, regardless of the citizenship of their mother. In 2008, an amendment to the nationality law made it possible for a woman to transfer her Yemeni citizenship to her children if the father is unknown or has no nationality.“ (UNICEF, Oktober 2011, S. 2)

Their World, eine Stiftung mit Sitz im Vereinigten Königreich, die mit Forschung und gemeinnütziger Arbeit das Leben von Kindern verbessern möchte, berichtet in einem Beitrag zum Jemen vom Februar 2017, dass jemenitische Frauen keine Ausländer ohne die Zustimmung ihrer Familie und des (jemenitischen) Staates heiraten dürften. Darüber hinaus lege das Gesetz über die jemenitische Staatsangehörigkeit von 1990 fest, dass eine jemenitische Frau (in einer Ehe mit einem nichtjemenitischen Mann) ihre Staatsbürgerschaft nur dann an ihre Kinder weitergeben könnte, wenn sie sich von ihrem Ehemann scheiden lasse oder der Ehemann sterbe beziehungsweise als „geisteskrank“ eingestuft werde. In solchen Fällen könnten Kinder die Staatsbürgerschaft erhalten, sobald sie 19 Jahre alt seien:

„Another form of discrimination in Yemen is that women cannot marry a non-Yemeni without approval from both her family and the state. Further, under the Nationality Law of 1990, Yemeni women cannot pass their citizenship on to their children unless the woman divorces her husband, her husband is found to be insane or her husband dies, in which case the children can gain citizenship when they turn 19.“ (Their World, 16. Februar 2017)

Die genauen Bestimmungen des Gesetzes über die jemenitische Staatsangehörigkeit von 1990 finden sich in folgender inoffizieller Übersetzung:

·      Law No.6 of 1990 on Yemeni Nationality, 26. August 1990 (verfügbar auf refworld)
http://www.refworld.org/docid/3ae6b57b10.html

 

In einem Kommentar zu dieser inoffiziellen Übersetzung wird auf die bereits oben erwähnte Gesetzesänderung von 2003 verwiesen, die den Artikel 10 dahingehend abgeändert habe, dass eine jemenitische Frau, die von ihrem nichtjemenitischen Ehemann geschieden sei, ihre Staatsbürgerschaft an ihr Kind weitergeben könne. (Law No.6 of 1990 on Yemeni Nationality, 26. August 1990)

 

Im Werk von Bergmann/Ferid/Henrich zum Internationalen Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht finden sich folgende Informationen zur Erlangung der jemenitischen Staatsangehörigkeit mit dem Stand vom Juli 2011:

„Am 20.8.1990 wurde das Staatsangehörigkeitsgesetz erlassen. Damit verlor das Staatsangehörigkeitsgesetz Nr 2/1975 seine Gültigkeit, da es sich ausschließlich auf die arabische Republik Jemen vor der Vereinigung Jemens im Jahre 1990 bezogen hat. Zur Ausführung des Gesetzes Nr 6/1990 wurde der Präsidialbeschluss Nr 3/1994 über die Durchführungsverordnung des Gesetzes erlassen. Das Gesetz wurde mehrmals geändert, wobei festgestellt werden kann, dass die getroffenen Änderungen insgesamt versuchen, den Status der Frau in Staatsangehörigkeitsfragen zu verbessern. Vor der Änderung von 2009 galt das Abstammungsprinzip (ius sanguinis) im Jemen nicht uneingeschränkt.

Erwerb der Staatsangehörigkeit (Art 3 StAG) Der Erwerb erfolgt durch die Abstammung von einem jemenitischen Vater oder einer jemenitischen Mutter. Ferner kann die Staatsangehörigkeit auch durch die Abstammung von einer jemenitischen Frau und einem ausländischen Mann erworben werden, wenn die betroffene Person vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes Nr 25/2010 geboren wurde und den Minister über den Wunsch des Erwerbs der jemenitischen Staatsangehörigkeit innerhalb von drei Jahren ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes informiert. Dies gilt auch für minderjährige Kinder einer solchen Person infolge ihrer Abhängigkeit von dieser.“ (Bergmann/Ferid/Henrich, 1. Juli 2011, S. 5)

„In folgenden Fällen kann nach Art 4 StAG die jemenitische Staatsangehörigkeit mittels eines Präsidialbeschlusses auf Vorlage des Innenministers verliehen werden (Optionserklärung): Wenn die Geburt eines Kindes von einer jemenitischen Frau im Ausland erfolgte, wobei der Vater entweder staatenlos oder unbekannter Staatsangehörigkeit ist, das Kind mindestens zehn Jahre ununterbrochen seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Jemen hatte und den Antrag auf Erwerb der jemenitischen Staatsangehörigkeit innerhalb eines Jahres ab seiner Volljährigkeit gestellt hat.“ (Bergmann/Ferid/Henrich, 1. Juli 2011, S. 6)

In einem gemeinsamen Bericht der sich für Frauenrechte einsetzenden NGOs Equality Now, Yemeni Women Union und Arab Human Rights Foundation an den UNO-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) vom Jänner 2015 wird ebenfalls erwähnt, dass das Gesetz über die jemenitische Staatsangehörigkeit von 1990 im Jahr 2010 abgeändert worden sei. CEDAW habe 2008 den jemenitischen Staat im Hinblick auf dieses Gesetz dazu aufgefordert, alle diskriminierenden Passagen abzuändern. Dazu gehöre auch, das Anrecht eines von einer jemenitischen Mutter geborenen Kindes auf die Staatsbürgerschaft dem eines von einem jemenitischen Vater geborenen Kindes gleichzustellen. Die NGOs berichten, dass Jemen die Diskriminierung im Hinblick auf das Recht der Mutter, ihre Staatsbürgerschaft an das Kind weiterzugeben, beseitigt habe:

„Equality Now is also campaigning for the repeal or amendment of Yemen’s sex discriminatory laws, including Article 40 Yemen’s Personal Status Act No. 20, 1992 as well as Law No. 6 of 1990 Concerning Yemeni Nationality (as amended 2010).“ (Equality Now; Yemeni Women Union; Arab Human Rights Foundation, 16. Jänner 2015, S. 1)

With regard to the nationality law, we note that the Committee recommended in 2008, ‘that the State party amend all other discriminatory provisions, including the right a child born to a Yemeni mother has to acquire his or her mother’s nationality in the same circumstances he or she would acquire it from a Yemeni father.’ […]

We are pleased to note that Yemen did remove the discrimination with regard to the right of the mother to pass her nationality to her children.“ (Equality Now; Yemeni Women Union; Arab Human Rights Foundation, 16. Jänner 2015, S. 3)

Zur Anerkennung religiöser Ehen im Jemen entnehmen Sie bitte folgende Informationen dem Werk von Bergmann/Ferid/Henrich zum Internationalen Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht:

1.Präsidialbeschluss über den Erlass des Gesetzes Nr 20/1992 bezüglich des Personalstatuts und dessen Änderungen

1. Buch Die Verlobung und der Ehevertrag

2. Kapitel Der Ehevertrag

1. Abschnitt Der Abschluss, die Grundlagen und Voraussetzungen der Ehe

Art 6 Die Ehe ist eine Verbindung zwischen zwei Ehegatten durch einen religionsrechtlichen Vertrag, wodurch die Frau dem Mann gemäß der Scharia [zur Beiwohnung] erlaubt wird. Zwecke der Ehe sind die Wohlbehütetheit und die Gründung einer Familie, deren Basis ein guter ehelicher Umgang ist.“ (Bergmann/Ferid/Henrich, 1. Juli 2011)

Kann der somalische Vater seine Staatsbürgerschaft an das Kind weitergeben?

Das US-amerikanische Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Bericht zur Menschenrechtslage vom März 2017 (Berichtszeitraum: 2016), dass die vorläufige Verfassung von Somalia die Verabschiedung eines Gesetzes zur Staatsangehörigkeit vorsehe, darunter spezifische Regelungen zum Erlangen und zur Aberkennung der somalischen Staatsbürgerschaft. Jedoch habe das Parlament bis zum Ende des Jahres 2016 noch kein solches Gesetz erlassen:

„Birth Registration: The provisional federal constitution provides that there is only one Somali citizenship and calls for a special law defining how to obtain, suspend, or lose it. As of year’s end, parliament had not passed such a law.“ (USDOS, 3. März 2017. Section 6)

Die Citizenship Rights in Africa Initiative, eine Website, die Informationen zu Staatsangehörigkeitsrecht und Staatenlosigkeit in einzelnen afrikanischen Staaten veröffentlicht, erwähnt in einer undatierten Übersicht zur somalischen Staatsangehörigkeit, dass deren Feststellung dadurch erschwert werde, dass Somalia schon seit Jahrzehnten über keine funktionieren Regierungsinstitutionen verfüge. Formal sei die somalische Staatsbürgerschaft durch das Staatsbürgerschaftsgesetz von 1962 geregelt. Dieses sehe vor, dass derjenige die somalische Staatsbürgerschaft erhalten könne, dessen Vater Somalier sei oder der ethnischer Somali sei und auf sein Anrecht auf jedwede andere Staatsbürgerschaft verzichte. Die Region Somaliland habe 2002 eine eigene Gesetzgebung eingeführt, laut der derjenige eine Staatsbürgerschaft erhalte, dessen Vater ein Nachkomme einer Person sei, die 1960 in diesem Gebiet gesiedelt habe. Jedoch hänge die Umsetzbarkeit dieses Gesetzes teilweise davon ab, inwieweit Somaliland als eigener Staat anerkannt werde:

„The determination of Somali citizenship is complicated by the fact that Somalia has lacked functioning governing institutions for the past decades. However, citizenship in Somalia is nominally regulated by the country’s 1962 citizenship law, which provides that citizenship can be provided to anyone whose father is Somali or who is ethnically Somali and who renounces claim to any other nationality. […]

In addition, the region of Somaliland adopted legislation relating to citizenship in 2002. This legislation confers citizenship on persons whose father was a descendent of a person resident on the territory in 1960. However, the effectiveness of this law depends in part on the extent to which Somaliland is recognized as a state, or not.“ (Citizenship Rights in Africa Initiative, ohne Datum)

 

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Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 24. April 2017)

·      Bergmann/Ferid/Henrich: Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht: Länderbericht Jemen (Hg: Verlag für Standesamtswesen), Stand: 1. Juli 2011 (Login erforderlich)

·      Bertelsmann Stiftung: BTI 2016; Yemen Country Report, 2016
http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Yemen.pdf

·      Citizenship Rights in Africa Initiative: Somalia, ohne Datum
http://citizenshiprightsafrica.org/region/somalia/

·      Equality Now; Yemeni Women Union; Arab Human Rights Foundation: Information on Yemen for Consideration by the Committee on the Elimination of Discrimination against Women at its 62nd Pre-Sessional Working Group (9-13 March 2015), 16. Jänner 2015 (veröffentlicht von CEDAW, verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1422540097_int-cedaw-ngo-yem-19260-e.pdf

·      Freedom House: Freedom in the World 2016 - Yemen, 27. Jänner 2016 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/327611/468228_de.html

·      Law No.6 of 1990 on Yemeni Nationality, 26. August 1990 (verfügbar auf refworld)
http://www.refworld.org/docid/3ae6b57b10.html

·      Their World: "I am a girl but I can achieve what the men can achieve - to be a girl is not a sin", 16. Februar 2017
http://theirworld.org/voices/yemen-youth-ambassador-on-discrimination-against-girls-women

·      UNICEF - United Nations Children’s Fund: Yemen: MENA Gender Equality Profile, Oktober 2011
https://www.unicef.org/gender/files/Yemen-Gender-Eqaulity-Profile-2011.pdf

·      USDOS - US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, 3. März 2017 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/337234/479997_de.html

·      USDOS - US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2016 - Yemen, 3. März 2017 (verfügbar auf ecoi.net)
http://www.ecoi.net/local_link/337264/480030_de.html