Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Tschetschenien/Dagestan: Kollektivbestrafung für Verwandte mutmaßlicher Rebellen, Familienbegriff [a-8580-2 (8581)]

17. Jänner 2014
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Das Central Asia-Caucasus Institute (CACI), das zusammen mit dem Silk Road Studies Program eine Denkfabrik mit Büros in Washington und Stockholm bildet, berichtet im Dezember 2013, dass im November 2013 neue Gesetze in Russland verabschiedet worden seien, mit denen man die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen erreichen wolle und die darauf abzielen würden, die „harte Form“ des Kampfes gegen den Aufstand, die bereits in mehreren Republiken im Nordkaukasus praktiziert werde, zu legalisieren. Die neue Gesetzgebung erlaube es den Behörden, die Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien dazu zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, die durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden seien. Die neue Gesetzgebung sei bereits in Kraft getreten, in der Praxis allerdings noch nicht angewendet worden. Die durch sie erlaubten Kollektivbestrafungen würden von den Behörden im Nordkaukasus jedoch bereits angewendet.
CACI berichtet weiter, nach Angaben der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial sei die Verfolgung von Verwandten und Freunden von Aufständischen seit 2008 weit verbreitet im Nordkaukasus und sei oft mit der Zerstörung ihres Besitzes einhergegangen. Es habe sowohl verdeckte Brandanschläge auf die Häuser der Familien von Rebellen gegeben als auch offiziell abgesegnete Zerstörungen von Immobilien, die Rebellen oder Personen, die Letzteren Unterschlupf gewährt hätten, gehört hätten. Diese „harte Form“ des Kampfes gegen den Aufstand, die am meisten von Ramsan Kadyrow angewendet worden sei, sei „tschetschenisches Modell“ getauft worden. Nach Kadyrows Ansatz gehe man im Zuge des Kampfes gegen die Aufständischen nicht nur gegen die Aufständischen selbst, sondern auch gezielt gegen ihre Familien, Freunde und ihr Eigentum vor. Dieser Ansatz sei auch in anderen Regionen übernommen worden. So sei beispielsweise ein Haus, das Familienmitgliedern des Anführers der Aufständischen in Inguschetien gehört habe, im März 2011 gesprengt worden. Die Zerstörung von Häusern, die Aufständischen gehören oder von ihnen genutzt würden, sei eine alltägliche Praxis in der Region geworden. Der Vorschlag des Präsidenten von Inguschetien, nicht nur das Eigentum von Aufständischen und ihren Familien zu zerstören, sondern auch ihr Land zu beschlagnahmen, markiere den Übergang hin zu einer gezielten Enteignung von Eigentum von Terrorverdächtigen:
„New legislation adopted by the Russian parliament in November, aimed at punishing families and relatives of terrorist suspects, intends to legalize the ‘hard’ form of counter-insurgency already practiced in several North Caucasus republics. The new law allows authorities to confiscate the assets of suspected terrorists' family members, and obligating them to compensate for damages incurred by those acts. The new legislation entered into force on November 17 and although it has not yet been implemented in practice, the collective punishment practices it permits are already used by authorities across the restive North Caucasus. […]
It should be noted that this form of ‘collective punishment’ has already been practiced occasionally as a form of counterinsurgency in the North Caucasus region. The human rights group Memorial reports that since 2008, persecution of insurgents’ families and friends has been widespread across the North Caucasus and has frequently included the destruction of their property. Such acts have ranged from covert arson attacks on the houses of militants’ family members to officially sanctioned demolition of real estate belonging to militants or to those who sheltered them. Most widely practiced by Ramzan Kadyrov’s government in Chechnya, this ‘hard’ form of counter-insurgency has been dubbed the ‘Chechen model.’ In accordance with Kadyrov’s approach to tackling the insurgency, not only militants but also their families, friends and property are selectively targeted as part of counter-terrorism measures. Yet, this approach is practiced elsewhere in the region. For instance, a house belonging to family members of the former leader of the Ingush insurgency, Emir Magas, was blown up in March 2011. Although the demolition of houses used or owned by militants has become an ordinary practice across the region, the recent suggestions by Ingushetia's President Yunus-bek Yevkurov to not only destroy the property owned by militants and their families but also to confiscate their land, emphasized the transition towards a purposeful expropriation of terror-suspects’ property. As if preparing the public for the forthcoming legislation, Yevkurov commented in the aftermath of a siege by law enforcement forces of a house occupied by militants, that: ‘houses of families sheltering bandits will be demolished and the land they own will be appropriated for government use.’” (CACI, 11. Dezember 2013)
Landinfo, eine unabhängige staatliche Einrichtung für Herkunftsländerinformation in Norwegen, schreibt unter Bezug auf mehrere Quellen in einem Bericht vom Mai 2012 zur Lage von Familienmitgliedern tschetschenischer Rebellen, dass Ramsan Kadyrow, religiöse Führer und andere Würdenträger in den Jahren 2008 und 2009 im tschetschenischen Fernsehen öffentlich die Familien von Rebellen bedroht hätten. Familien seien gezwungen worden, zu verkünden, dass sie die Rebellen nicht mehr als Familienmitglieder erachten würden. Keine der Quellen, die Landinfo während seiner Reise zum Sammeln von Informationen im November 2011 getroffen habe, habe sich dazu geäußert, ob es derartige Vorfälle nach wie vor in Tschetschenien gebe. Eine Quelle habe sich zur Situation in Dagestan geäußert, wo die Behörden einen versöhnlicheren Ansatz verfolgen und mit den Familien von Rebellen zusammenarbeiten würden. Die Behörden würden auch Diskussionen mit den Rebellen führen, um diese zum Aufgeben zu bewegen. Laut einem Menschenrechtsaktivisten und Mitglied einer internationalen Denkfabrik würden Familienmitglieder von Rebellen in Dagestan trotz der Situation der Familie nicht aus ihrem Job entlassen:
„Situasjonen til opprørernes familiemedlemmer ble forverret etter at president Ramzan Kadyrov offentlig gikk ut og erklærte at familier vil bli ansvarliggjort for opprørernes handlinger (Caucasian Knot 2009b). Ramzan Kadyrov, religiøse ledere og andre myndighetspersoner gikk i løpet av 2008 og 2009 ut på tsjetsjensk fjernsyn med åpne trusler overfor opprørernes familiemedlemmer. Familier ble tvunget til å fornekte slektninger i opprørsbevegelsen. Dette var et middel for å ydmyke både familien og opprørerne (Memorial i Groznyj, intervju juni 2009; Humanitær organisasjon i Nord-Kaukasus, intervju juni 2009). Familiemedlemmer ble også tidligere presset til å gå i moskeen og meddele at de ikke lenger anser opprørerne i familien for å være deres familiemedlemmer (Tsjetsjensk menneskerettighetsorganisasjon i Groznyj, intervju november 2011). Ingen av kildene Landinfo møtte på informasjonsinnhentingsreisen i Nord-Kaukasus i november 2011 kommenterte hvorvidt dette fortsatt er noe som skjer i Tsjetsjenia. Mye tyder likevel på at presset mot denne gruppen fremdeles eksisterer. Ifølge menneskerettighetsaktivist og medarbeider i en internasjonal tankesmie (intervju i Moskva, november 2011) driver president Kadyrov en systematisk undertrykkelse av denne gruppen. Den samme kilden viste til situasjonen i Dagestan. Der forsøker myndighetene seg på en mer forsonende linje ved å samarbeide med opprøreres familiemedlemmer. Myndighetene fører også samtaler med opprørerne for å få dem til å overgi seg. Situasjonen i Tsjetsjenia er av en helt annen karakter, med en president som ikke snakker med opprørerne. […]
Situasjonen i Tsjetsjenia er således annerledes enn den er i naborepublikken Dagestan hvor familiemedlemmer til opprørere, ifølge en menneskerettighetsaktivist og medarbeider i internasjonal tankesmie (intervju i Moskva, november 2011), fortsetter i arbeidslivet uten å bli sagt opp til tross for familiens situasjon.“ (LandInfo, 21. Mai 2012, S. 8-9)
Das CACI berichtet im Juni 2013, dass in Bujnaksk im April 2013 Flugblätter aufgetaucht seien, die die Gründung eines Dschamaats (arabisch: Vereinigung), das gegen Verwandte von Rebellen vorgehe, verkündet hätten. Auf einer Kopie des Flugblatts, die Caucasian Knot veröffentlicht habe, sei zu lesen gewesen, dass im Fall, dass ein weiterer Einwohner des Gebiets Bujnaksk getötet werde, Verwandte und enge Freunde „der Teufel“ zuerst getötet würden. Zudem sei angekündigt worden, dass auf das Alter keine Rücksicht genommen werde und ein naher Verwandter „eines Teufels aus dem Wald“ für jeden „normalen“ getöteten Muslim getötet werde. Die anonymen Autoren der Flugblätter hätten auch damit gedroht, Geschäftsleute, die den Aufstand finanziell unterstützen würden, zu töten. Das Flugblatt habe auch eine Liste mit Dutzenden Namen von Personen enthalten, die zuerst getötet würden, darunter auch eine Person, die am 18. April 2013 tot in ihrem Auto aufgefunden worden sei. Nach Angaben von MenschenrechtsaktivistInnen seien drei Häuser von Verwandten von Personen, die auf der Liste gewesen seien, von den Sicherheitskräften am 6. Mai 2013 gesprengt worden. Die Sicherheitskräfte hätten behauptet, dass in den Häusern gefundene Bomben nicht hätten entschärft werden können, weshalb man sie gesprengt habe. Das Auftauchen von anonymen Gruppen, die schwören würden, Rache an den Aufständischen zu nehmen, sei laut CACI nichts Neues in Dagestan. Derartige Gruppen habe es zuvor bereits in den Rajonen Kisiljurt und Lewaschi gegeben. An der Aufstellung dieser Gruppen und ihrem Schutz seien die Sicherheitskräfte beteiligt gewesen und auch Ortsansässige in Bujnaksk würden behaupten, dass die Sicherheitskräfte hinter dem „Dschamaat der Rächer“ stehen würden:
„One of the possible innovations under Abdulatipov, apart from an administrative reshuffle, appeared in the Dagestani city of Buinaksk in April. Leaflets spread throughout the city, announcing the establishment of a jamaat, a Muslim community, specifically to target the relatives of the militants. A photocopy of the leaflet, published by the Caucasian Knot website on May 20 said: ‘If anyone ever kills another resident of the Buinaksk zone, relatives and close friends of the devils will be killed in the first place.’ Another excerpt said: ‘We do not pay attention to age, we kill one close relative of a devil from the forest [insurgent] for one killed normal Muslim.’ The anonymous authors of the leaflets threatened to kill not only people close to the insurgents, but also businessmen funding the militancy. The leaflet provided a list of dozens of nicknames that would be targeted ‘in the first place,’ among which was 27-year-old Magomed Mukhumaev who was found dead on April 18 in his car. According to human rights activists, three households in Buinaksk belonging to relatives of persons mentioned in the leaflet were blown up by the security services on May 6. The law enforcement agents claimed that explosive devices found in the houses could not be removed, so they had to explode them. The emergence of anonymous groups that vow to take ‘revenge’ on militants is not new for Dagestan. Such groups have previously appeared in places such as the Kizilyurt and Levashi districts. The novelty is that the authors of the message want to communicate that a Muslim jamaat was established to fight other Muslims. […] In previous cases of such ‘vengeance groups,’ the security services were implicated in crafting and protecting them. Locals in Buinaksk also allege that the security services stand behind the jamaat of avengers, according to Caucasian Knot’s report from the town.“ (CACI, 12. Juni 2013)
Die International Crisis Group (ICG), eine unabhängige, nicht profitorientierte Nicht-Regierungsorganisation, die mittels Informationen und Analysen gewaltsame Konflikte verhindern und lösen will, schreibt in einem Artikel vom August 2013, dass es in Dagestan eine Welle von Repressionen, auch Verhaftungen und summarische Hinrichtungen von Verwandten, Bekannten und mutmaßlichen Komplizen von Aufständischen, auch von Salafisten allgemein, gegeben habe, vor allem in Bujnaksk, aber auch in Machatschkala und Chassawjurt. Bei einer größeren Sicherheitsoperation im Dorf Gimry vom 11. bis 21. April 2013 seien die Häuser vieler EinwohnerInnen geplündert worden. Zehn Häuser von Verwandten von Rebellen seien gesprengt, andere schwer beschädigt worden. In Bujnaksk seien nach der Ermordung eines hochrangigen Polizisten durch Aufständische Salafisten verhaftet worden, manche direkt in den Moscheen. Drei Häuser von Verwandten von Rebellen seien gesprengt worden:
„Thirdly, there has been a wave of repression – including arrests and summary executions — against relatives, acquaintances, and suspected accomplices of militants, but also Salafi believers more broadly. It has affected a number of villages and larger towns (particularly Buynaksk, but also Makhachkala and Khasavyurt) that we visited this summer. […]
A major security operation in the village of Gimry on 11-21 April demonstrated how massive use of force angers and alienates citizens. […] Locals acknowledge that armed militants used to have free access to the village. The military operation, involving up to 4,000 law enforcement officers with tanks and armored personnel carriers, was directed against those militants. Most escaped (only three were reported killed) and around 4,600 residents were displaced for ten days. Police were then permanently stationed around the village and in the local hospital. A curfew and special entry regimes were introduced. Returning residents said they found that the security forces had looted most of the houses. Ten houses of militants’ relatives were blown up; others were badly damaged. […]
We also spent a day interviewing residents of Buynaksk, where arrests and repressive acts against Salafi families began in April after insurgents killed three senior policemen. More than 20 Salafis have been arrested, some directly from mosques. Several people have been abducted and three houses of insurgents’ relatives were blown up.“ (ICG, 26. August 2013)
Die Jamestown Foundation, eine unabhängige, unparteiische und gemeinnützige Organisation, die Informationen zu Terrorismus, den ehemaligen Sowjetrepubliken, Tschetschenien, China und Nordkorea zur Verfügung stellt, berichtet im September 2013, dass im August 2013 prominente russische MenschenrechtsaktivistInnen einen offenen Brief an Regierungsbeamte geschickt hätten, in dem der Vorwurf erhoben worden sei, dass Bürgerwehren im Dorf Chadschalmachi im Rajon Lewaschi in Dagestan gewaltsam gegen Familien von mutmaßlichen Rebellen vorgehen würden. Anfang August hätten die Bürgerwehren mehrere Häuser niedergebrannt, die Verwandten von mutmaßlichen Rebellen gehört hätten. Die Unterstützung der Regierung für die Bürgerwehren in Chadschalmachi deute darauf hin, dass die Regierung weiterhin nicht in der Lage sei, die persönliche Sicherheit von BürgerInnen zu gewährleisten:
„Government pressure on certain categories of citizens took yet another form when the authorities appeared to pit civilians against each other. On August 27, a group of prominent Russian rights activists sent an open letter to government officials, charging that militias in the village of Khajalmakhi in Dagestan’s Levashi district had resorted to violent actions against families of suspected rebels and, more generally, against adherents of Salafi Islam. At the beginning of August, the militias burned several houses belonging to relatives of suspected insurgents. Earlier, in March, a village meeting decreed that all people who were Salafis had to leave the village. An anonymous hit list of 33 villagers subsequently circulated in Khajalmakhi. According to media reports, seven people on the hit list have been killed in the village, while the police had designated none of those killed as suspects. The rights activists assert that the conflict started over financial fraud, but the initiators of the fraud managed to turn the financial conflict into a religious one, garnering support from the government and engaging in overtly illegal activities (http://www.kavkaz-uzel.ru/articles/229124/).
Government support for the militia in Khajalmakhi indicates the authorities’ ongoing inability to ensure what any government is expected to provide—personal safety. Previously, various informal groups appeared in Dagestan that claimed they had started waging war against the rebels, Salafis and their families. The series of violent incidents in Khajalmakhi has been the starkest signal so far that the government is prepared to incite civil war actively in order to remain in control of the situation.“ (Jamestown Foundation, 3. September 2013)
Im Oktober 2013 berichtet die Jamestown Foundation unter Bezug auf mehrere Quellen, dass im Mai 2013 die Häuser von Verwandten von Rebellen in Bujnaksk gesprengt worden seien. Die Polizei habe behauptet, die Häuser seien gesprengt worden, weil darin Bomben gefunden worden seien, die man nicht habe entschärfen können. Opfer und AugenzeugInnen hätten jedoch behauptet, die Polizei habe die Leute gezwungen, ihre Häuser zu verlassen, und diese dann ohne gerichtliche Entscheidung oder Anweisung eines Staatsanwalts zerstört. Hierbei handle es sich nicht um Einzelfälle. Ramasan Abdulatipow, das neue Oberhaupt von Dagestan, sei ein aktiver Verfechter derartiger Maßnahmen gegenüber allen, die Verbindungen zu Aufständischen hätten:
„The same developments have affected Dagestan. For example, in May 2013, the houses of relatives of militants in the city of Buinaksk were blown up. While officials claimed the houses were blown up because bombs found in them could not be defused, victims and eyewitnesses said the police simply forced people out of their homes and then demolished the structures without a court decision or prosecutors’ orders (http://golosislama.ru/news.php?id=16963). These were not isolated cases. The new leader of Dagestan, Ramazan Abdulatipov, is an active proponent of such measures against all those tied to the rebels (http://kavpolit.com/net-repressij-net-dzhixada/?print). This past spring, he warned that the heads of the republic’s districts will be held responsible for militant activities in their districts and will be replaced if militancy continues there (http://chernovik.net/content/lenta-novostey/abdulatipov-prigrozil-glavam-mo-uvolneniyami-za-aktivnost-boevikov). To please the Kremlin, the head of Dagestan sometimes allows himself to make statements that are likely to cause problems for him later. For example, he said: ‘Throw the Wahhabis in the river […] I will bear responsibility for that’ (http://www.bigcaucasus.com/events/topday/22-07-2013/84825-vah-0/). The head of the International Crisis Group in Russia, Yekaterina Sokiryanskaya, said after visiting Dagestan that she gained the impression that the authorities knowingly push people to radicalism (http://chernovik.net/content/politika/zhyostkiy-kontur). Everything that the government does creates hatred among locals toward Moscow and radicalizes those who could have stayed outside the insurgency. The government’s bet on repression provides quick results, but does not resolve the problem itself.“ (Jamestown Foundation, 31. Oktober 2013)
Caucasian Knot, ein von der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial im Jahr 2001 gegründetes Massenkommunikationsmittel im Internet, das über menschenrechtliche Themen im Kaukasus informiert, berichtet im November 2013, dass im Dorf Aschilta im Rajon Unzukul in Dagestan zwei Häuser niedergebrannt worden seien. In diesen hätten die Familien von Magomedali Amirchanow, der wegen des Verdachts, den Terroranschlag organisiert zu haben, bei dem Scheich Said Tschirkei getötet worden sei, inhaftiert worden sei, und seinem Bruder Amirchan Aldamow, der im März 2013 getötet worden sei, gelebt. In dem einen Haus hätten die Mutter, die Frau und die drei Kinder von Magomedali Amirchanow gelebt, in dem anderen der alte Mann Magomed Schamilow und die drei Frauen und drei Kinder von Amirchan Aldamow. Caucasian Knot habe bereits zuvor berichtet, dass am 5. Jänner drei Häuser, die der Familie von Magomedali Amirchanow gehört hätten, im Rajon Unzukul niedergebrannt worden seien. Und am 15. Februar habe es im Haus von Schichmirsa Labasanow, einem weiteren Verdächtigen im Fall der Ermordung von Scheich Said Tschirkei, ein Feuer gegeben. Seine Verwandten hätten von einem Brandanschlag gesprochen:
„In the village of Ashilta, Untsukul District of Dagestan, two houses inhabited by the families of Magomedali Amirkhanov, detained on suspicion of organizing the terror act on August 28, 2012, in which Sheikh Saeed Chirkey was killed, and his brother Amirkhan Aldamov, who was killed in March this year, were burnt down. People did not suffer from the fire, said Magomednur Nazirbegov, the head of the village. According to his story, the fire occurred at night on November 23. ‘One of the houses was a home of the mother, wife and three children of Magomedali Amirkhanov; the other house was inhabited by the old man Magomed Shamilov and Amirkhan's family – three women and three children. Now, they live with their relatives,’ Magomednur Nazirbegov told the ‘Caucasian Knot’ correspondent. […]
Earlier, the ‘Caucasian Knot’ reported that at night on January 5, three houses belonging to Amirkhanov's family were burnt down in the Untsukul District of Dagestan. On February 15, there was a fire in the house of Shikhmirza Labazanov, another suspect of the terror act on August 28, 2012. Then, his relatives spoke about arson.“ (Caucasian Knot, 25. November 2013)
Die deutsche Wochenzeitung Die Zeit berichtet im Jänner 2014 Folgendes:
„In einem Schweizer Asylheim dolmetschte ich [Irena Brežná] für ein verzweifeltes junges Paar aus Dagestan. Sie trug einen Hidschabschleier (ein enges Kopftuch bis auf die Schultern), er gab keiner fremden Frau die Hand. Nach zwei Abweisungen als Asylbewerber waren sie für Monate in der Schweiz und in Frankreich untergetaucht. Dann, im Dezember 2013, bekamen sie aus der Heimat einen neuen Beweis für ihre Verfolgung, und sie stellten einen neuen Asylantrag. Das Paar zeigt den Bericht einer dagestanischen Antiterroreinheit aus dem Internet, die sich damit rühmt, einen der Anführer des salafistischen Untergrundes eliminiert zu haben. Auf dem Bild sieht man einen bärtigen jungen Mann. Die Flüchtlingsfrau schluchzt: ‚Das war der Mann meiner Tante, er wurde immer wieder von der Polizei verhört, gefoltert, dann ging er in die Berge.‘ Bedauern darüber, was er in den Bergen getan hat, scheint sie nicht zu haben. ‚Wir werden wegen unseres Glaubens gejagt‘, sagt sie.
Der Tod des Glaubenskriegers zeitigte für seine Familie, den ganzen Klan und gar die Nachbarschaft harte Folgen. Die Antiterroreinheit stürmte die Häuser, verhaftete alle Verwandten, entwendete ihre Computer und Mobiltelefone. Nach langen Verhören wurden sie zwar freigelassen, doch die Geräte blieben beschlagnahmt. Wladimir Putin hat kürzlich ein Gesetz in der Duma durchgepeitscht, das es erlaubt, die ganze Sippe für ihre terroristischen Verwandten haftbar zu machen.“ (Die Zeit, 2. Jänner 2014)
In einer 2012 verfassten Diplomarbeit von Eva Adensamer, einer allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetscherin für Russisch, findet sich jedoch folgende Information:
„Die kleinste soziale Einheit in Tschetschenien ist die Großfamilie tsa, die aus den Eltern und ihren männlichen Nachkommen samt deren Familien besteht. Cousins und Cousinen gelten als ebenso nahe Verwandte wie Brüder und Schwestern. Verheiratete Töchter ziehen zu ihren Männern und leben in deren Großfamilien.“ (Adensamer, 2012, S. 25)
LandInfo schreibt in dem oben bereits zitierten Bericht vom Mai 2012 zur Lage von Familienmitgliedern tschetschenischer Rebellen, dass Verwandtschaft in Tschetschenien und dem Nordkaukasus ein breiter Begriff ist. Familienbande seien stark und würden über die engsten Verwandten hinausgehen. Reaktionen von Seiten der Behörden wegen rebellischer Aktivitäten könnten daher auch Personen treffen, die keine engen Verwandten seien. Die Quellen seien sich einig, dass vor allem männliche Verwandte von Reaktionen seitens der Behörden betroffen seien. Das realistischste Szenario sei, dass ein Bruder oder ein Cousin von einem Rebellen Probleme bekommen würden, obwohl auch individuelle Umstände nach Angaben von Memorial eine Rolle spielen würden. Die Brüder von Rebellen könnten selbst für Rebellen gehalten werden und seien dem Risiko ausgesetzt, entführt, misshandelt und gezwungen zu werden, Informationen über die Verwandten „im Wald“ zu liefern. Entferntere männliche Verwandte könnten ebenfalls verdächtigt werden. Jüngere Brüder würden gewöhnlich über Informationen in Bezug auf die Rebellen verfügen und seien deshalb für die Behörden von besonderem Interesse. Cousins hätten ebenfalls oft eine enge Beziehung zueinander, wodurch sie auch gefährdet sein könnten. Der Begriff Bruder könne sowohl für Cousins ersten als auch für Cousins zweiten Grades verwendet werden. Das Alter spiele kaum eine Rolle bei der Frage, ob Familienmitglieder unter Druck gesetzt würden oder nicht. Junge männliche Familienmitglieder dürften die Gruppe sein, die am ehesten verhaftet werde. Nach Angaben von Memorial seien jüngere Brüder und Cousins am gefährdetsten:
„Slektskap er et vidt begrep i Tsjetsjenia og i resten av Nord-Kaukasus. Slektsbånd er sterke og samholdet favner lengre enn til de næreste slektningene. Slektskapet familiemedlemmene imellom trenger således ikke å være spesielt nært for at familiemedlemmer kan oppleve reaksjoner på bakgrunn av opprøreres handlinger. Kildene er enige om at det først og fremst er mannlige slektninger som utsettes for reaksjoner fra myndighetene. Menn er generelt mer utsatt enn kvinner. Det mest realistiske er at en bror eller fetter til en opprører får problemer, selv om individuelle forhold virker inn, ifølge Memorial i Moskva (intervju, november 2011). Brødre til opprørere kan særlig bli mistenkt for selv å være opprører og risikerer å bli bortført, mishandlet og presset til å gi opplysninger om slektningene “i skogen”. Fjernere mannlige slektninger mistenkes imidlertid også (Memorial, intervju i Moskva juni 2009 og februar 2010; Memorial, intervju i Groznyj november 2011; Human Rights Watch, intervju i Moskva februar 2010). Unge brødre har vanligvis informasjon om opprøreren og er derfor av særlig interesse for myndighetene. Fettere har også ofte nære relasjoner seg imellom og kan dermed være utsatt. Betegnelsen bror kan brukes om både fetter og tremenning (Memorial, intervju i Moskva november 2011). […]
BETYDNING AV FAMILIEMEDLEMMERS ALDER
Alder er lite avgjørende for hvorvidt familiemedlemmer utsettes for press eller ikke. Unge mannlige familiemedlemmer fremstår likevel som mer sårbare for pågripelser enn andre familiemedlemmer. Ifølge Memorial i Moskva (intervju, november 2011) er det yngre brødre og fettere som er mest utsatt. Memorial har imidlertid også et eksempel på at en eldre onkel av en opprører har blitt utsatt for overgrep.“ (LandInfo, 21. Mai 2012, S. 13-15)
 
 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 17. Jänner 2014)